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21.08.2008 · IWW-Abrufnummer 082682

Bundesfinanzhof: Urteil vom 01.07.2008 – II R 38/07

1. § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG schließt beim Nacherben die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten aus, die er selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat.



2. Die Bereicherung des Nacherben mindert sich um den Betrag, um den die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöht haben.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb als Nacherbe seines 1987 verstorbenen Onkels (O) einen Hof. Vorerbin war die im Februar 2000 verstorbene Ehefrau (E) des O gewesen. Zum Hof gehörten u.a. ein Altenteilerhaus sowie ein weiteres Wohnhaus. Bereits ab dem Jahr 1991 hatte der Kläger die Eigenbewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebs übernommen und in der Zeit bis zum Tod der E sowohl am Altenteilerhaus als auch am Wohnhaus umfangreiche Baumaßnahmen, u.a. durch Schaffung von zwei später vermieteten Wohnungen, durchgeführt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom 1. Februar 2002 Erbschaftsteuer fest, wobei er dem steuerpflichtigen Erwerb u.a. die vom Lagefinanzamt durch bestandskräftige Bescheide vom 1. Juni und 13. Juni 2001 auf den Todestag der E festgestellten Grundbesitzwerte für das Altenteilerhaus (375 000 DM), für zwei Wohnungen im Obergeschoss des Wohnhauses (157 000 DM) und den Wohnteil des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (161 460 DM) zugrunde legte. Dem Begehren des Klägers, die von ihm zu Lebzeiten der E erbrachten Aufwendungen für die Baumaßnahmen als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen, folgte das FA nicht. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1966 veröffentlichten Urteil ab. Dem Kläger habe gegen E im Zeitpunkt ihres Todes kein zivilrechtlicher Aufwendungsersatz- oder Bereicherungsanspruch zugestanden, so dass der Abzug einer Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ausscheide.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 10 ErbStG. Ihm habe aufgrund der Baumaßnahmen ein latenter Aufwendungsersatzanspruch gegen E zugestanden; dieser sei als Belastung i.S. des § 10 Abs. 3 ErbStG wie eine Nachlassverbindlichkeit abziehbar. Zumindest dürften der Erbschaftsteuerfestsetzung nur in dem Umfang geminderte Grundbesitzwerte zugrunde gelegt werden, wie sie durch seine Baumaßnahmen beeinflusst seien.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Erbschaftsteuer unter Änderung des Erbschaftsteuerbescheids vom 1. Februar 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. April 2005 auf 47 700 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar zutreffend erkannt, dass dem Kläger bei zivilrechtlicher Betrachtung hinsichtlich der von ihm ausgeführten Baumaßnahmen kein Ersatzanspruch gegen E zustand. Im Umfang der durch diese Baumaßnahmen herbeigeführten Erhöhung der Grundbesitzwerte der nachlasszugehörigen Grundstücke fehlt es aber an einer Bereicherung des Klägers.

1. Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, den festgestellten Grundbesitzwerten käme insoweit keine Bindungswirkung zu, als sie durch die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen beeinflusst seien. Einwendungen gegen die Feststellungsbescheide sind im Festsetzungsverfahren ausgeschlossen (§ 351 Abs. 2 der Abgabenordnung; § 42 FGO).

2. Das FG hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger in Anwendung allein zivilrechtlicher Grundsätze für die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen kein als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) abziehbarer Vergütungsanspruch gegen E zustand.

a) Der Kläger hatte aus den von ihm durchgeführten Baumaßnahmen keinen vertraglichen Aufwendungsersatzanspruch gegen E. Nach den für den Bundesfinanzhof (BFH) bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) tatsächlichen Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen sind, hatte der Kläger mit E keine vertraglichen Vereinbarungen über die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen und auch keinen Landpachtvertrag (§ 585 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) geschlossen. Das FG ist lediglich im Rahmen einer Hilfserwägung auf die Möglichkeit eines Landpachtvertrages eingegangen. Schließlich hat das FG unter Hinweis auf die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10. Oktober 1984 VIII ZR 152/83 (Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1985, 313) und vom 31. Oktober 2001 XII ZR 292/99 (NJW 2002, 436) auch rechtsfehlerfrei einen Ersatzanspruch des Klägers aus Geschäftsführung ohne Auftrag abgelehnt, weil der Kläger nicht die Absicht gehabt habe, von E Ersatz zu verlangen.

b) Auch einen Vergütungsanspruch des Klägers gegen E gemäß § 951 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 812 ff. BGB hat das FG zutreffend verneint. Grundsätzlich kann, wer aufgrund der §§ 946 bis 950 BGB einen Rechtsverlust erleidet, nach § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB von demjenigen, zu dessen Gunsten die Rechtsänderung eintritt, Vergütung in Geld nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Jedoch entsteht für denjenigen, der in der begründeten Erwartung künftigen Eigentumserwerbs auf einem fremden Grundstück Bauarbeiten vornimmt oder vornehmen lässt, ein Vergütungsanspruch erst dann, wenn feststeht, dass der bezweckte Erfolg (die Eigentumsübertragung) nicht eintritt, bzw. in dem Zeitpunkt, in dem feststeht, dass die Bereicherung (mangels Eigentumsübertragung) ungerechtfertigt ist (BGH-Urteil vom 12. Juli 1989 VIII ZR 286/88, BGHZ 108, 256, m.w.N.; BFH-Urteile vom 11. Dezember 1996 X R 262/93, BFHE 182, 149, BStBl II 1998, 100; vom 7. Juli 2004 X R 30/03, BFH/NV 2005, 33, jeweils m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen stand dem Kläger ein Vergütungsanspruch gegen E deshalb nicht zu, weil er mit dem Nacherbfall erwartungsgemäß Eigentümer der von ihm sanierten und ausgebauten Gebäude geworden ist.

c) Das FG hat aber verkannt, dass das in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG verankerte Bereicherungsprinzip die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten ausschließt, die der Nacherbe selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat.

Maßstab für die Auslegung des § 10 ErbStG ist der Grundsatz, dass nur die als Nettobetrag ermittelte Bereicherung der Erbschaftsteuer unterliegt (BFH-Urteile vom 13. Juli 1983 II R 105/82, BFHE 139, 294, BStBl II 1984, 37; vom 17. März 2004 II R 3/01, BFHE 204, 311, BStBl II 2004, 429). Soweit der Nacherbe den Wert eines nachlasszugehörigen Grundstücks in Erwartung der Nacherbfolge durch Baumaßnahmen erhöht und hierfür zu Lebzeiten des Vorerben keinen Ersatz erlangt, bewirkt der Erbanfall wegen der erbschaftsteuerrechtlichen Anknüpfung an die Bereicherung keinen Vermögenszuwachs des Nacherben. Dem steht nicht entgegen, dass durch die Baumaßnahmen nach zivilrechtlichen Grundsätzen kein Vergütungs-, Ersatz- oder Bereicherungsanspruch gegenüber dem Vorerben begründet worden war. Die (zivilrechtliche) Nichtentstehung derartiger Ansprüche wird erbschaftsteuerrechtlich durch den Erbanfall kompensiert (ebenso im Ergebnis Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuer, § 10 Rz 47, sowie --für den Fall der schenkweisen Übertragung eines bebauten Grundstücks nach Errichtung eines Gebäudes durch den Beschenkten-- H 17 Abs. 1 der Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003).

Da das FG diese Grundsätze verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

3. Die Sache ist nicht spruchreif.

Die vom Lagefinanzamt auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) festgestellten Grundbesitzwerte entsprechen insoweit nicht der steuerrechtlichen Bereicherung des Klägers i.S. von § 10 ErbStG, als in diese der Wertzuwachs aufgrund der vom Kläger durchgeführten Baumaßnahmen eingeflossen ist. Die festgestellten Grundbesitzwerte können demgemäß nicht ohne Korrektur dem steuerpflichtigen Erwerb zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist zum Ausgleich der vom Kläger bewirkten Werterhöhung durch das (Festsetzungs-)FA ein Abzug in dem Umfang vorzunehmen, wie die Baumaßnahmen den Grundbesitzwert beeinflusst haben. Dazu ist --ggf. mit Hilfe des Lagefinanzamts-- formlos ein Grundbesitzwert zu ermitteln, bei dem die Baumaßnahmen hinweggedacht sind.

Die Differenz zwischen den beiden Grundbesitzwerten ist auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 6 ErbStG) zu ermitteln. Daher ist weder Raum für den bereicherungsmindernden Ansatz eines Anspruchs des Klägers auf Verzinsung seines (fiktiven) Vergütungsanspruchs aus § 951 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 812 ff. BGB noch für den bereicherungsmindernden oder -erhöhenden Ansatz von (fiktiven) Nutzungsentschädigungsansprüchen des Klägers bzw. der Erblasserin.

RechtsgebieteErbStG, BGBVorschriftenErbStG § 10 Abs. 1 Satz 1, BGB § 951, BGB §§ 812 ff.