20.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113784
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 07.07.2011 – 3 K 4368/09
1. § 15b i. V. m. § 52 Abs. 33a EStG sind verfassungsgemäß.
2. § 15b und § 52 Abs. 33a EStG sind hinreichend bestimmt und klar.
3. Es ist nicht verfassungswidrig, wenn Verluste aus Steuerstundungsmodellen nicht zum sofortigen Verlustausgleich zugelassen werden, sondern nur zeitlich gestreckt berücksichtigt werden.
4. § 15b und § 52 Abs. 33a EStG entfalten keine unzulässige echte oder unechte Rückwirkung.
5. Der Vertrauensschutz des Anlegers wird zerstört, wenn der Investor in seinem Prospekt darauf hinweist, dass eine Änderung der Steuergesetze in der Diskussion ist.
6. Das Vertrauen des Anlegers in seine Dispositionsentscheidung ist nicht schützwürdig, wenn er sich bezüglich seiner Anlage ein Widerrufsrecht vorbehalten hat.
7. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber bei der Einschränkung von Steuerstundungsmodellen den negativen Ankündigungseffekt des Bekanntwerdens des Gesetzesentwurfs durch einen vorgezogenen Anwendungsstichtag minimiert.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 3. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … Ehrenamtliche Richter …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob § 15 b und § 52 Abs. 33a des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfassungsgemäß sind.
Die Windpark GmbH & Co. KG, (die Beigeladene) wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 26. November 2002 (Bl. 2 ff. Anlagenband) als Windpark Nr. … GmbH & Co. KG (Handelsregister des Amtsgerichts – AG – X HRA…) gegründet. Gesellschaftszweck ist der Erwerb und Betrieb von Anlagen zur Gewinnung von Strom aus regenerativen Energien. Die Beigeladene ist u.a. befugt, sich an gleichartigen Unternehmen zu beteiligen. In Ausübung dieses Rechts ist sie einzige Kommanditistin von vier Windparks, und zwar der Windpark I GmbH & Co. KG, der Windpark II GmbH & Co. KG, der Windpark III GmbH & Co. KG sowie der Windpark IV GmbH & Co. KG (s. Übersicht Bl. 1 Anlagenband), die insgesamt 41 Windenergieanlagen betreiben. Außerdem ist die Klägerin zu 60% an ihrer Komplementärin, der Windpark xxx-GmbH (W-GmbH), beteiligt.
An der Beigeladenen sind neben der W-GmbH als Komplementärin (ohne Beteiligung am Vermögen der Beigeladenen) mehrere hundert Investoren als Kommanditisten beteiligt. Zur Entwicklung der Zahl der Kommanditisten im Jahr 2005 (Streitjahr) ergeht Hinweis auf HRA … sowie Bl. 10 ff. Anlagenband. Das Kommanditkapital wurde in drei Tranchen platziert (Bl. 27 Anlagenband), und zwar die 1. Tranche gemäß Prospekt vom September 2004, die 2. Tranche (I. Tranche 2005) gemäß Prospekt vom Januar 2005 und die 3. Tranche (II. Tranche 2005) gemäß Prospekt vom September 2005.
Der Kläger erklärte im Rahmen der 3. Tranche (II. Tranche 2005) am 11. November 2005 mit Wirkung zum 11. November 2005 – und damit abweichend vom Muster der Beitrittserklärung (Bl. 135 Leitz-Ordner), das nur einen Beitritt zum 31. Oktober 2005, 30. November 2005 und 27. Dezember 2005 vorsah (s. auch Seite des 5 des Beteiligungsprospekts, Bl. 8 Leitz-Ordner) – seinen Beitritt zur Beigeladenen mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 300.000 EUR. Zusätzlich war ein Agio in Höhe von 5% (15.000 EUR) zu zahlen. Der Kläger konnte die Beitrittserklärung Nr. 96-0705 (Bl. 7 f. Anlagenband) nach der in der Beitrittserklärung enthaltenen Widerrufsbelehrung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen widerrufen. Die Widerrufsbelehrung ist vom Kläger unter dem 11. November 2005 gesondert unterschrieben. Das Beratungsgespräch fand nach der Bestätigung auf der Beitrittserklärung am 21. November 2005 statt. Der Beitritt wurde mit der Annahme der Beitrittserklärung wirksam (S. 1 der Beitrittserklärung, rechte Spalte, 2. Absatz). Die Beigeladene nahm die Beitrittserklärung des Klägers am 1. Dezember 2005 mit Wirkung zum 11. November 2005 an (s. Bl. 8 Anlagenband). Die Überweisung der Kommanditeinlage vom Kläger an die Beigeladene, die nach der Beitrittserklärung (an sich) vier Arbeitstage vor dem Beitrittszeitpunkt zu erfolgen hatte, erfolgte nach dem Kontoauszug des Klägers am 25. November 2005.
Der Beitritt des Klägers erfolgte nach den Bestimmungen in der Beitrittserklärung in der Weise, dass der Kläger der Beigeladenen bis zur Eintragung der Beteiligung in das Handelsregister zunächst als atypisch stiller Gesellschafter beitrat; die Beteiligung des Klägers als Kommanditist wurde zum Handelsregister angemeldet und am 10. Februar 2006 unter HRA… in das Handelsregister eingetragen.
Wegen der Einzelheiten der Beteiligung wird auf den Beteiligungsprospekt vom September 2005 verwiesen. Das anteilige steuerliche Ergebnis (bezogen auf eine Beteiligung von 100.000 EUR) betrug bei einer Beteiligung an der 1. Tranche -3.408,63 EUR, bei der 2. Tranche -90.747,90 EUR und bei der 3. Tranche -97.187,34 EUR (Bl. 27 Anlagenband). Das heißt, ca. 97,2% der Anlage sollten im Jahr 2005 als Verlust zugewiesen werden (S. 58 des Prospekts, Bl. 63 Leitz-Ordner). Der Verlust sollte nach den Angaben im Prospekt mit anderen Einkünften ausgleichsfähig sein; folglich wurde im Rahmen der Liquiditätsplanung eine Steuererstattung von 43.100 EUR je 100.000 EUR Anlagesumme angenommen, so dass die „Liquiditätsbindung” nur 61.900 EUR je 100.000 EUR Anlagesumme betrage. Auf Seite 93 des Prospekts (Bl. 98 Leitz-Ordner) wurde auf eine mögliche rückwirkende Änderung der Steuergesetze durch Einfügung eines § 15b EStG explizit hingewiesen.
Parallel dazu entfaltete der Gesetzgeber Aktivitäten, um die Möglichkeit, Verluste mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten auszugleichen, über den früheren § 2b EStG hinaus weiter einzuschränken: Durch das Gesetz zur Beschränkung der Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen –VerlustverrBeschrG – vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I 2005, 3683, das am 30. Dezember 2005 ausgegeben wurde,) fügte der Gesetzgeber einen neuen § 15b EStG ein. Dieser lautet wie folgt:
(1) Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell dürfen weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt. § 15a ist insoweit nicht anzuwenden.
(2) Ein Steuerstundungsmodell im Sinne des Abs. 1 liegt vor, wenn auf Grund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen auf Grund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen.
(3) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn innerhalb der Anfangsphase das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 vom Hundert übersteigt.
(4) Der nach Absatz 1 nicht ausgleichsfähige Verlust ist jährlich gesondert festzustellen. Dabei ist von dem verrechenbaren Verlust des Vorjahres auszugehen. Der Feststellungsbescheid kann nur insoweit angegriffen werden, als der verrechenbare Verlust gegenüber dem verrechenbaren Verlust des Vorjahres sich verändert hat. Handelt es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft oder Gemeinschaft im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a der Abgabenordnung (AO), ist das für die gesonderte und einheitliche Feststellung der einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte aus dem Steuerstundungsmodell zuständige FA für den Erlass des Feststellungsbescheids nach Satz 1 zuständig; anderenfalls ist das Betriebs-FA (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AO) zuständig. Handelt es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft oder Gemeinschaft im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO, können die gesonderten Feststellungen nach Satz 1 mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte aus dem Steuerstundungsmodell verbunden werden; in diesen Fällen sind die gesonderten Feststellungen nach Satz 1 einheitlich durchzuführen.
Außerdem ordnete der Gesetzgeber in einem neuen § 52 Abs. 33a Satz 1 EStG an, dass § 15b „nur” auf Verluste der dort bezeichneten Steuerstundungsmodelle anzuwenden ist, denen der Steuerpflichtige nach dem 10. November 2005 beigetreten ist oder für die nach dem 10. November 2005 mit dem Außenvertrieb begonnen wurde. Gleichzeitig wurde § 2b EStG in der zuvor geltenden Fassung (EStG a.F.). aufgehoben, aber in § 52 Abs. 4 geregelt, dass § 2b EStG a.F. weiterhin für Einkünfte aus einer Einkunftsquelle i.S. des § 2b EStG a.F. anzuwenden ist, die der Steuerpflichtige nach dem 4. März 1999 und vor dem 11. November 2005 erworben oder begründet hat.
Dem vorausgegangen waren folgende Ereignisse: Mit Bundesrats-Drucksache 321/05 vom 6. Mai 2005 hatte die vorherige, „rot-grüne” Bundesregierung den Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Standortbestimmungen vorgelegt, der eine mit § 15b EStG nahezu identische Vorschrift enthielt (EStG-E). § 15b EStG-E sollte gemäß § 52 Abs. 33a EStG-E auf Beitritte nach dem 4. Mai 2005 (Tag des damaligen Kabinettsbeschlusses) angewendet werden. Dieser Gesetzentwurf fiel wegen des Endes der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestags der Diskontinuität zum Opfer.
Der Plan der zukünftigen „Großen Koalition” aus CDU/CSU und SPD, bereits durch Kabinettsbeschluss der noch amtierenden früheren Bundesregierung am 10. November 2005 einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen, scheiterte am Widerstand des noch amtierenden Umweltministers Trittin, der seine Zustimmung zu diesem Vorgehen verweigerte. Deshalb beschloss erst die neue Bundesregierung den neuen Gesetzesentwurf, und zwar am 24. November 2005. Der Entwurf wurde mit BundestagsDrucksache 16/107 vom 29. November 2005 in den Deutschen Bundestag eingebracht. Wegen der Chronologie der Ereignisse ergeht ergänzend Verweis auf eine Zusammenstellung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. November 2005, Seite 21.
Nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung gelangte im Rahmen einer – in Abstimmung mit der Beigeladenen– durchgeführten „Vorprüfung” der von der Beigeladenen erzielten Einkünfte für Vorauszahlungszwecke der Prüfer des Beklagten (des Finanzamts – FA –) im Juli 2006 zu der Auffassung, dass die Rendite einer Anlage nach Steuern (7,18 %) nicht mehr als das Doppelte der Rendite vor Steuern (7%) betrage (s. Aktenvermerk Bl. 29 ff. Anlagenband). Deshalb sei für Anleger, die bis zum 10. November 2005 beigetreten sind, nicht von einer „Verlustzuweisungsgesellschaft” i.S. des § 2b EStG a.F. auszugehen. Demgegenüber dürften Anleger, die nach dem 10. November 2005 beigetreten sind, ihre Verluste nach § 15b EStG nicht mit anderen Einkünften ausgleichen, sondern nur mit Gewinnen aus derselben Einkunftsquelle in Folgejahren verrechnen.
Die Beigeladene schloss nach ihrer Gewinn- und Verlustrechnung (Bl. 16 ff. Anlagenband) das Streitjahr mit einem Handelsbilanzverlust in Höhe von 4.589.450 EUR ab; im Rahmen der Überleitung auf die Steuerbilanz (+4.606.445,35 EUR) ergab sich ein Gewinn (Bl. 33 Anlagenband). Hinzu kamen indes die –in den Feststellungsbescheiden des für die Veranlagung der Windpark-KGs ebenfalls zuständigen FA vom 24. August 2007, 27. August 2007, 11. Februar 2008 und 13. Februar 2008 (Bl. 48 bis 51, 61 und 62 Anlagenband) gesondert und einheitlich festgestellten– Verluste der vier Windparks, die der Beigeladenen zuzurechnen sind. Danach betrugen die laufenden Einkünfte der Beigeladenen -19.140.952,21 EUR (-19.179.045,27 EUR unter Einbeziehung von Ergänzungsund Sonderbilanzen). Davon entfiel auf den Kläger ein Verlust in Höhe von 317.170,40 EUR, der in Höhe von 2.170,40 EUR bereits nach § 15a EStG nur verrechenbar wäre.
Durch Bescheid vom 16. April 2008 stellte das FA die Einkünfte der Beigeladenen für das Streitjahr 2005 auf -19.168.753,06 EUR gesondert und einheitlich fest. Damit verbunden wurde die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 und § 15b Abs. 4 EStG für die Gesellschafter. Für den Kläger wurden auf Seite 613 des Bescheids unter Nr. 628 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von -317.170,74 EUR sowie ein verrechenbarer Verlust nach § 15b Abs. 4 EStG in gleicher Höhe festgestellt. Nach Anwendung des § 15b EStG seien im Folgebescheid (d.h. dem Einkommensteuerbescheid des Klägers für das Streitjahr) laufende Einkünfte in Höhe von 0 EUR anzusetzen. Im Ergebnis ist danach ein Verlustausgleich im Folgebescheid –entgegen den Annahmen im Beteiligungsprospekt vom September 2005– nicht (mehr) möglich.
Gegen diesen Bescheid legten sowohl die Beigeladene (am 9. Mai 2008, Eingang beim FA, Bl. 52 Anlagenband) als auch der Kläger (Eingang FA: 16. Mai 2008, Bl. 5 Rechtsbehelfsakte) Einsprüche ein, wobei die Beigeladene ausdrücklich auch im Namen des Klägers Einspruch erhob. Eine Verbindung der beiden Einspruchsverfahren oder die Hinzuziehung der Beigeladenen zum Einspruchsverfahren des Klägers erfolgte nicht.
Im Laufe der beiden Einspruchsverfahren wurde der angefochtene Feststellungsbescheid –nach Durchführung einer Außenprüfung für das Streitjahr bei der Beigeladenen– unter dem 28. Juli 2008 geändert; der Änderungsbescheid, der für den Kläger keine Änderung der festgestellten Besteuerungsgrundlagen mit sich brachte, wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens der Beigeladenen, nicht des Klägers. Das FA blieb auch im Änderungsbescheid –in Übereinstimmung mit der Auffassung des Prüfers (Prüfernotiz Nr. 4 und Tz. 19 f. des Berichts, Bl. 56 ff. Anlagenband) – dabei, dass die Verluste von Anlegern, die – wie der Kläger – nach dem 10. November 2005 beigetreten seien, nach § 15b EStG nur verrechenbar und nicht ausgleichsfähig seien.
Den Einspruch der Beigeladenen, mit der die Beigeladene vortrug, die Anwendung des § 15b EStG auf die nach dem 10. November 2005 beigetretenen Gesellschafter stelle eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung dar (Bl. 66 Anlagenband), wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 12. November 2009 als unbegründet zurück. Diese Einspruchsentscheidung (Bl. 67 ff. Anlagenband) wurde bestandskräftig.
Den Einspruch des Klägers, mit dem ebenfalls geltend gemacht wurde, § 15b EStG sei verfassungswidrig, wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2009 als unbegründet zurück, weil § 15b, § 52 Abs. 33a EStG verfassungsgemäß seien.
Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er lässt vortragen, § 15b EStG entfalte eine verfassungsrechtlich unzulässige echte (hilfsweise: eine verfassungsrechtlich unzulässige unechte) Rückwirkung. Es liege außerdem ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vor, weil die Einkünfte des Klägers in sachlich nicht gerechtfertigter Weise gegenüber negativen Einkünften aus anderen Quellen benachteiligt und das objektive sowie das subjektive Nettoprinzip verletzt würden. Außerdem liege ein Verstoß gegen die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung vor, weil der Gesetzgeber einerseits Möglichkeiten zur Sonderabschreibung –hier: § 7g EStG– vorsehe, aber andererseits die Verlustverrechnung einschränke. Zuletzt sei die Norm nicht hinreichend bestimmt. Der Kläger sieht sich in dieser Position durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bestärkt.
Der Kläger beantragt, den angefochtenen Feststellungsbescheid vom 16. April 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2009 dahin gehend zu ändern, dass § 15b EStG auf die negativen Einkünfte des Klägers nicht angewendet und die Verluste „als ausgleichs- und abzugsfähig mit den übrigen Einkünften qualifiziert” werden sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für erforderlich zu erklären, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Es verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Die neuere Rechtsprechung des BVerfG führe dazu, dass eine unechte Rückwirkung vorliege, bei der das Änderungsinteresse des Gesetzgebers überwiege.
Auf Nachfrage des Berichterstatters haben beide Beteiligte übereinstimmend mitgeteilt, dass § 2b EStG a.F. –auch nach den Feststellungen der bei der Beigeladenen durchgeführten Außenprüfung zu Vorjahren– auf die negativen Einkünfte des Klägers aus der Beteiligung an der Beigeladenen keine Anwendung gefunden hätte, weil die Rendite nach Steuern nicht mehr als das Doppelte der Rendite vor Steuern betragen habe.
Der Senat hat durch Beschluss vom 20. Mai 2011 die Beigeladene zum Klageverfahren des Klägers nach § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) notwendig beigeladen. Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt. Zur mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011 ist für die Beigeladene niemand erschienen.
Dem Gericht lagen neben der Gerichtsakte eine Rechtsbehelfsakte, ein Leitz-Ordner sowie die den Kläger betreffenden Teile der Feststellungsakte der Beigeladenen, die in Kopie im Anlagenband abgeheftet wurden, vor.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Das FA hat zu Recht auf den bestandskräftig festgestellten Verlust des Klägers die durch das VerlustverrBeschrG eingefügte Vorschrift des § 15b EStG angewandt.
I. Der angefochtene Bescheid wendet § 15b EStG zutreffend auf den Streitfall an.
1. Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass im Streitfall der –hinsichtlich der Einkunftsart und Höhe bestandskräftig festgestellte– Verlust des Klägers (erst) auf Ebene der Beigeladenen als Obergesellschaft aus einem Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b Abs. 2 EStG stammt.
Die Beteiligung des Klägers an der Beigeladenen erfolgte im Rahmen einer modellhaften Gestaltung, mit der steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollten. Bei der Beteiligung handelt es sich um eine modellhafte Gestaltung, weil mit dem Beteiligungsprospekt ein vorgefertigtes Konzept i.S. des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG (vgl. BT-Drs. 16/107, S. 6 f.) bestand, durch das u.a. dem Kläger als Steuerpflichtigen die Möglichkeit geboten wurde, in der Anfangsphase der Investition prognostizierte Verluste mit den übrigen Einkünften zu verrechnen (vgl. Erläuterungen auf S. 4 f., 58 ff., 68, 69 f., 88 ff., 91 ff. des Prospekts). Der Beteiligungsprospekt richtete sich an nicht näher bestimmte Interessenten (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437, unter II.4.). Das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals betrug mehr als 10%, nämlich ca. 97,2%, so dass die Voraussetzungen des § 15b Abs. 3 EStG ebenfalls vorliegen.
2. Ebenfalls zu Recht besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, dass das nach § 15b Abs. 4 Satz 4 EStG i.V.m. § 18 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zuständige FA den nach § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlust des Klägers für das Streitjahr nach § 15b Abs. 4 Satz 1 gesondert und nach § 15b Abs. 4 Satz 5 Halbsatz 2 EStG einheitlich feststellen durfte, weil es diese Feststellung nach § 15b Abs. 4 Satz 5 Halbsatz 1 EStG zulässigerweise mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte verbunden hat.
3. Zuletzt gehen die Beteiligten zutreffenderweise übereinstimmend davon aus, dass § 15b EStG i.d.F. des VerlustverrBeschrG nach dem Gesetzesbefehl des § 52 Abs. 33a Satz 1 Alt. 1 EStG auf die Beteiligung des Klägers an der Beigeladenen anzuwenden ist, weil der Beitritt des Klägers nach dem 10. November 2005 erfolgt. Zu dieser Feststellung bedarf letztlich keiner Entscheidung, ob der Beitritt im Rechtssinne –wie wohl die Beteiligten meinen– zum 11. November 2005 wirksam geworden ist, obwohl erst am 1. Dezember 2005 die Annahme der Beitrittserklärung erfolgt ist (vgl. dazu § 4 des Gesellschaftsvertrags, S. 106 Beteiligungsprospekt, Bl. 111 Leitz-Ordner). Für eine spätere Wirksamkeit könnte auch die Zahlung der Kommanditeinlage am 25. November 2005 sprechen, die nach der Beitrittserklärung vier Arbeitstage vor dem Beitrittszeitpunkt zu erfolgen hatte. In diese Richtung könnte deuten, dass die Bestätigung des Beraters in der Beitrittserklärung, wonach der Kläger u.a. über die wirtschaftlichen Folgen der Beteiligung belehrt wurde, auf den 21. November 2005 datiert ist.
Jedoch liegen einerseits alle in Betracht kommenden Termine nach dem 10. November 2005, so dass dies hier schon deshalb an sich dahinstehen kann. Andererseits ist nach Auffassung des Senats unter dem Beitritt i.S. des § 52 Abs. 33a Satz 1 Alternative 1 EStG aus Gründen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes ohnehin nur die Beitrittserklärung als Dispositionsentscheidung des Steuerpflichtigen zu verstehen (vgl. ähnlich Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15b EStG Rz. 3). Auf die rechtsverbindliche Investition kommt es nur bei § 52 Abs. 33a Satz 4 EStG an.
II. § 15b i.V.m. § 52 Abs. 33a Satz 1 EStG sind auch – entgegen der Auffassung des Klägers (und der Beigeladenen in ihrem Einspruchsverfahren) – jedenfalls unter Umständen wie denen des Streitfalls nicht verfassungswidrig.
1. § 15b EStG (und § 52 Abs. 33a EStG) sind hinreichend bestimmt und klar.
a) Aus dem auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) sowie den jeweiligen Grundrechten beruhenden Bestimmtheitsgebot folgt, dass der Gesetzgeber Vorschriften so genau zu fassen hat, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden; denn die Entscheidung über die Grenzen der Freiheit des Bürgers darf nicht einseitig in das Ermessen der Verwaltung gestellt sein. Und schließlich dienen die Normenbestimmtheit und die Normenklarheit dazu, die Gerichte in die Lage zu versetzen, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren. Die Anforderungen sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den die Norm vorsieht (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 23. März 2011 2 BvR 882/09, BGBl I 2011, 841; vom 3. März 2004 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33; BFH-Beschlüsse vom 30. März 2011 I B 136/10, BFHE 232, 395; vom 6. September 2006 XI R 26/04, BFHE 214, 430, BStBl II 2007, 167).
b) Jedoch verbietet das Bestimmtheitsgebot nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe: Insbesondere bei vielgestaltigen Sachverhalten ist eine solche Regelungstechnik grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich die unbestimmten Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodik hinreichend konkretisieren lassen. In der Rechtsprechung des BVerfG ist anerkannt, dass der Gesetzgeber insbesondere im Steuerrecht ohne die Verwendung solcher Begriffe nicht auskommt (z.B. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214, m.w.N.). Verbleibende Ungewissheiten dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität a) des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 13. Juni 2007 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168, BFH/NV 2007, Beilage 4, 429; BVerfG-Beschluss vom 3. Juli 2007 1 BvR 1696/03, BVerfGK 11, 373; vom 8. November 2006 2 BvR 796/02, BVerfGE 117, 71). Die Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer Vorschrift noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit; denn es ist Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 1971 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255). Dem Bestimmtheitserfordernis ist genügt, wenn Auslegungsprobleme mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden können (BVerfG-Beschluss vom 27. November 1990 1 BvR 402/87, BVerfGE 83, 130; siehe auch BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 2 BvL 59/06, BFH/NV 2010, 2387, zu § 2 Abs. 3 EStG).
c) Ausgehend davon teilt der erkennende Senat zwar im Ausgangspunkt durchaus die Einschätzung, dass auch § 15b EStG (immer noch) mehrere unbestimmte Begriffe enthält: Jedoch kann nach Auffassung des Senats von einer „Ansammlung” (so BFH-Beschluss vom 2. August 2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270, zu § 2b EStG a.F.) hier nicht gesprochen werden. Soweit in der Rechtsprechung (z.B. BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437) gleichwohl Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm anklingen und in der Literatur die Norm teilweise für verfassungswidrig gehalten wird (z.B. Schmidt/Seeger, EStG, § 15b Rz. 16; Kaligin, WPg 2006, 375; insoweit zweifelnd Naujok, BB 2007, 1365), teilt der erkennende Senat diese Einschätzung nicht (so z.B. auch Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15b EStG Rz 10; Reiß in Kirchhof, EStG, § 15b Rz 17; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 15b Rz. A 58 ff.). Vielmehr zeigt sich in der bisherigen Anwendungspraxis, dass die Anwendungsprobleme der Norm letztlich auf eine zweistufige Prüfung (modellhafte Gestaltung i.S. des Abs. 2, Verluste oberhalb der Verlustquote i.S. des Abs. 3) hinauslaufen (a.A. Prüfungsschema im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2007, BStBl I 2007: dreistufige Prüfung). Die Norm ist angesichts der ins Gesetz aufgenommenen Legaldefinition des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG und der klar definierten Verlustquote des § 15b Abs. 3 EStG mit juristischen Methoden handhabbar. Erste Zweifelsfragen werden durch die Rechtsprechung derzeit geklärt (s. Urteil des FG Münster vom 8. November 2010 5 K 4566/08 F, EFG 2011, 438; Az. des BFH: IV R 59/10).
Die Handhabbarkeit der Norm belegt der Streitfall, bei der die einfachrechtliche Anwendbarkeit des § 15b auf die Beteiligung des Klägers zwischen den Beteiligten nie in Streit stand. Zuletzt ist zu beachten, dass § 15b EStG als Ausnahmevorschrift zur Ausgleichsfähigkeit von Verlusten (§ 2 EStG) eng auszulegen ist (vgl. zur engen Auslegung von Ausnahmevorschriften z.B. BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 I R 100/97, BFHE 189, 79, BStBl II 1999, 658; aus der Rechtsprechung des EuGH z.B. EuGH-Urteil vom 10. Februar 2011 C-436/08, Haribo, HFR 2011, 492, Leitsatz, Randnr. 56). Wo mehrere Auslegungen möglich erscheinen, die zu verschiedenen Ergebnissen führen, ist ein Steuerstundungsmodell i.S. des § 15b EStG zu verneinen und Verlustausgleich zu gewähren.
d) Anhaltspunkte dafür, dass § 52 Abs. 33a EStG nicht hinreichend bestimmt sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. § 15b EStG ist auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG verfassungswidrig, als er Verluste aus Steuerstundungsmodellen –anders als andere Verluste– nicht zum sofortigen Verlustausgleich zulässt.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00, BFH/NV 2003, Beilage 3, 174). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird hier, insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts, vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit (z.B. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481). Es muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (statt aller BVerfG-Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502).
b) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (BVerfG-Beschlüsse vom 14. Juli 2006 2 BvR 375/00, BFH/NV 2007, Beilage 4, 235; vom 22. Juli 1991 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423; vom 8. März 1978 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293) und des BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. August 2010 I B 49/10, BFHE 230, 445, vom 27. Januar 2006 VIII B 179/05, BFH/NV 2006, 1150, m.w.N.; sowie BFH-Urteile vom 1. Juli 2009 I R 76/08, BFHE 225, 566, BStBl II 2010, 1061; vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259; vom 11. Februar 1998 I R 81/97, BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485; aus der Rechtsprechung der Finanzgerichte vgl. zuletzt Urteil des Niedersächsischen FG vom 3. Mai 2011 13 K 12366/07, juris, zu § 15 Abs. 4 EStG, m.w.N.; Az. des BFH: IV B 84/11) bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als die Verlustverrechnung nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Eine Verlagerung der Verlustverrechnung auf spätere Veranlagungszeiträume ist im Hinblick darauf nicht zu beanstanden, dass Art. 3 Abs. 1 GG seine Wirkung grundsätzlich veranlagungszeitraumübergreifend entfaltet. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, und sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen allerdings dann, wenn die Verlustverrechnung gänzlich ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88).
Wenn es der Steuerpflichtige in der Hand hat zu entscheiden, welcher steuerlichen Norm er sich bedienen will, gebietet es Art. 3 Abs. 1 GG nicht, dass die Wahlmöglichkeiten in jeder Hinsicht gleichwertig sind. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, die Erfüllung des Tatbestands durch alternative Sachverhaltsgestaltung zu vermeiden (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98, BFH/NV 2005, Beilage 3, 259; vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1, BFH/NV 2010, 803). Der Bürger hat von Verfassungs wegen kein Recht darauf, aus jeder der ihm zur Auswahl angebotenen Regelungen die für ihn günstigsten Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348).
c) Ausgehend davon ist die in § 15b EStG enthaltene Einschränkung der Möglichkeiten zum Verlustausgleich verfassungsgemäß. Der bei einem Steuerstundungsmodell in der Anfangsphase konzeptionell vorgesehene Verlust kann in späteren Veranlagungszeiträumen mit Gewinnen verrechnet werden. Dies reicht aus. Soweit Verluste aus Steuerstundungsmodellen insoweit schlechter gestellt sind als andere Beteiligungsverluste, kann dem der Steuerpflichtige dadurch problemlos ausweichen, dass er den Sachverhalt alternativ gestaltet. Ein weitergehender verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, dass der Fiskus in der Anfangsphase einen wesentlichen Anteil (hier nach Konzept ca. 43%) der Anschaffungskosten der Beteiligung mitfinanziert, besteht nicht.
d) Ein (verfassungsrechtlich bedenklicher) definitiver Untergang von Verlusten steht in Fällen des § 15b EStG bei planmäßigem Verlauf nicht zu befürchten; denn wäre bereits nach dem Beteiligungskonzept damit zu rechnen, dass in den Folgejahren nicht ausreichend Gewinne entstehen werden, um die Verluste der Anfangsphase auszugleichen, wäre die Einkünfteerzielungsabsicht des Anlegers von vorneherein zu verneinen und die entstehenden Verluste ohnehin schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht ausgleichsfähig, was ebenfalls verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 17. September 1977 1 BvR 373/77, StRK EStG § 2 Nr. 129; vom 24. April 1990 2 BvR 2/90, HFR 1991, 111; vom 18. November 1986 1 BvR 330/86, HFR 1988, 34).
e) Ob sowie ggf. wann und wie bei einem planwidrigem Verlauf und dem Entstehen endgültiger, nicht mehr verrechenbarer Verluste in späteren Veranlagungszeiträumen eine andere Betrachtung geboten sein könnte, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
3. Auch der gerügte Verstoß gegen das Gebot der Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen liegt nicht vor.
a) Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet den Gesetzgeber –neben der Bestimmtheit– zwar auch zur Widerspruchsfreiheit der von ihm getroffenen Regelungen (vgl. neben den unter I.1.a genannten Fundstellen z.B. BVerfG-Beschluss vom 28. April 2009 1 BvR 224/07, NVwZ 2009, 905, m.w.N.; BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481).
b) Diese Pflicht hat der Gesetzgeber allerdings hier nicht verletzt. Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber aus verschiedensten Gründen immer wieder Lenkungsnormen in das EStG einfügt, mit denen er die Investitionstätigkeit der Bürger durch Gewährung von Abzugsbeträgen, Sonderabschreibungen u.ä. fördert. Dabei nimmt es der Gesetzgeber teilweise sogar ausdrücklich in Kauf, dass dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht (siehe z.B. § 7g Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. des Streitjahres 2005). Dies kann auch Bedeutung für die einfachrechtliche Auslegung des § 15b Abs. 2 EStG haben (vgl. Beschluss des FG Münster vom 5. August 2010 5 V 1142/10 F, EFG 2010, 1878). Die Inkaufnahme von Verlusten bedeutet aber –anders als der Kläger möglicherweise meint–nicht, dass der Gesetzgeber alle Verluste zwingend in jedem Fall zum Sofortabzug zulassen müsste. Dies erschließt sich in dem Fall, in dem z.B. ein „Liebhabereibetrieb” oder ein Betrieb der gewerblichen Tierzucht i.S. des § 15 Abs. 4 EStG eine solche Lenkungsnorm nutzt, zwanglos: Die Verlustberücksichtigung erfolgt nur im Rahmen und unter den Voraussetzungen der jeweiligen Einkunftsart.
Da es jedoch bei keiner Einkunftsart – wie unter I.2. dargelegt – ein verfassungsrechtliches Gebot des sofortigen Verlustausgleichs mit anderen Einkünften gibt, besteht der vom Kläger gesehene Widerspruch nicht.
4. Zuletzt ist der Senat nicht davon überzeugt, dass § 15b EStG über § 52 Abs. 33a EStG im Streitfall eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung entfaltet.
a) § 52 Abs. 33a EStG entfaltet –entgegen der Auffassung des Klägers– keine echte Rückwirkung.
aa) Eine Rechtsnorm entfaltet nach der Rechtsprechung des BVerfG echte Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Eine echte Rückwirkung ist regelmäßig verfassungsrechtlich unzulässig: Erst mit der Verkündung ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung verändert wird (z.B. BVerfG-Beschluss vom 30. Oktober 2010 1 BvR 1993/10, BFH/NV 2011, 182).
bb) Nach dem BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 2010 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06 (BFH/NV 2010, 1968) entfaltet ein Steuergesetz jedoch nur dann eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert. Für den –hier entscheidungserheblichen– Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum als unechte Rückwirkung anzusehen ist; denn nach § 38 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer erst mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, nach § 25 Abs. 1 EStG des Kalenderjahres (vgl. aus neuerer Zeit auch BFH-Urteil vom 26. Januar 2011 IX R 81/06, BFHE 232, 460, BFH/NV 2011, 902).
b) Jedoch entfaltet § 52 Abs. 33a EStG eine unechte Rückwirkung, die nach der Rechtsprechung des BVerfG in jedem Einzelfall der Rechtfertigung bedarf.
aa) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm (hier: § 15b EStG) erst nach ihrer Verkündung (am 30. Dezember 2005) eintreten, tatbestandlich aber (hier: über § 52 Abs. 33a EStG) von einem bereits zuvor ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden, liegt eine sog. unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) vor. Eine unechte Rückwirkung ist zwar nicht grundsätzlich unzulässig, mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes aber nur vereinbar, wenn sie –in Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit– zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Normadressat muss eine Enttäuschung seines Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies auf Grund besonderer, gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl. dazu i.E. die BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BFH/NV 2010, 1959, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BFH/NV 2010, 1968 und 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BFH/NV 2010, 1976, jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG und dem Schrifttum; ebenso der 1. Senat des BVerfG z.B. im BVerfG-Beschluss vom 23. September 2010 1 BvQ 28/10, DVBl 2010, 1432; dem folgend z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 IX R 70/07, BFHE 232, 121, BStBl II 2011, 346; vom 20. Oktober 2010 I R 62/08, BFHE 231, 162, BFH/NV 2011, 352; BFH-Urteil vom 15. September 2010 X R 55/03, BFH/NV 2011, 231; siehe auch BFH-Urteil vom 22. Juli 2010 IV R 29/07, BFHE 230, 215, BStBl II 2011, 511).
bb) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt, bis zu dem der Steuerpflichtige berechtigterweise noch in die bisherige Rechtslage vertrauen darf, ist der endgültige Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages; zugleich hat das BVerfG stets hervorgehoben, dass das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden Körperschaften die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage noch nicht entfallen lassen. Auch in den Fällen, in denen die politische Lage den Erlass der gesetzlichen Neuregelung bereits von vornherein als mit hoher Wahrscheinlichkeit absehbar erscheinen lässt, stellt der endgültige Gesetzesbeschluss des Bundestages einen wesentlichen Markstein auf dem Weg der Gesetzwerdung dar. Mit diesem Beschluss ist der wesentliche – wenn auch nicht der einzige und nicht der letzte – Unsicherheitsfaktor beseitigt, was das „Ob” und „Wie” der Neuregelung angeht. Das rechtfertigt und gebietet es, auch in derartigen Fällen den Vertrauensschutz nicht vor dem Gesetzesbeschluss enden zu lassen (BVerfG-Beschlüsse vom 14. Mai 1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, BStBl II 1986, 628; vom 10. März 1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272, BStBl II 1973, 431).
cc) Allerdings muss der Steuerpflichtige auf die Gesetzeslage vertrauen und dieses Vertrauen muss schutzwürdig sein. Das BVerfG hat in seinem Beschluss in BFH/NV 2010, 1968 unter C.II.1. entschieden, dass das Vertrauen in den Fortbestand einer bestehenden Rechtslage verfassungsrechtlich insoweit geschützt sein kann, als eine getroffene Vereinbarung (dort: über Entschädigungen) bis zum 9. November 1998, dem Tag der Einbringung des Gesetzentwurfs im Bundestag, verbindlich getroffen worden sei. Weniger schutzbedürftig sei eine Vereinbarung, die danach abgeschlossen worden sei, weil sich die an der Entschädigungsvereinbarung Beteiligten in gewissem Umfang auf eine Änderung der Rechtslage hätten einstellen können. Mit der Einbringung eines Gesetzentwurfs im Bundestag durch ein initiativberechtigtes Organ würden geplante Gesetzesänderungen öffentlich. Ab diesem Zeitpunkt seien mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten Umrissen allgemein vorhersehbar. Deshalb könnten Steuerpflichtige regelmäßig nicht mehr darauf vertrauen, das gegenwärtig geltende Recht werde unverändert fortbestehen. Ihnen sei es vielmehr grundsätzlich möglich, ihre wirtschaftlichen Dispositionen durch entsprechende Anpassungsklauseln auf mögliche zukünftige Änderungen einzustellen.
dd) Das Rückwirkungsverbot greift außerdem u.a. dann nicht ein, wenn sich kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts für vergangene Zeiträume bilden konnte, etwa weil die Rechtslage unklar war (vgl. aus neuerer Zeit z.B. BVerfG-Beschluss vom 21. Juli 2010 1 BvL 11/06 bis 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369, unter C.I.3.c.). Vereinzelt wurde ausgesprochen, dass verfahrensrechtliche Maßnahmen der Finanzverwaltung (im Beschlussfall des BVerfG ein Vorläufigkeitsvermerk oder ein Vorbehalt der Nachprüfung) geeignet sein sollen, das Entstehen eines schützenswerten Vertrauens auszuschließen (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2011, 182, unter III.3.b). Ebenso können Äußerungen von öffentlichen Stellen das Vertrauen des Steuerpflichtigen verstärken oder herabsetzen (siehe BVerfG-Beschluss vom 5. Februar 2002 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, unter C.II.3.b.cc).
ee) Als mögliche Rechtfertigungsgründe, die das schutzwürdige Vertrauen des Steuerpflichtigen überwiegen können, kommen z.B. die Missbrauchsbekämpfung und –jenseits der Missbrauchsbekämpfung– das Interesse, Besteuerungslücken zu schließen, in Betracht (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1976, dort im konkreten Fall beide verneint). Auch die Abwehr oder zumindest Eindämmung unerwünschter steuerlicher Gestaltungen hat das BVerfG in anderem Zusammenhang bereits als rechtfertigendes allgemeinpolitisches Interesse anerkannt (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BFH/NV 2011, 181).
ff) Außerdem sind Ausnahmen zur Vermeidung von sog. „Ankündigungseffekten” zugelassen worden (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67; vom 15. Januar 1992 2 BvR 1824/89, HFR 1992, 729), die auch schon von Presseberichten über Gesetzesvorhaben ausgehen können (vgl. BVerfG-Beschluss vom 8. Februar 1993 2 BvR 1765/92, HFR 1993, 329).
(1) Grund hierfür ist, dass das Gesetzgebungsverfahren eine gewisse Zeitdauer erfordert, die von den Steuerpflichtigen genutzt werden kann. Der Gesetzgeber benötigt deshalb nach Auffassung des BVerfG zur Verwirklichung des gemeinen Wohls einen Gestaltungsraum, um aufgetretenen Missständen einer Gesetzeslage alsbald abzuhelfen, ohne dass Dispositionen der Gesetzesadressaten die Neuregelung kurz vor ihrem Erlass durch Ausnutzung der bisherigen Regelung unterlaufen können. Das Rechtsstaatsprinzip baue auf ein zwar Zeit beanspruchendes, aber –im Wettlauf mit kurzfristigen Vertragsdispositionen– effektives Gesetzgebungsverfahren. Wenn der Steuerpflichtige dennoch die Ankündigung einer Gesetzesänderung nutze, um der vom Gesetzgeber beabsichtigten Wirkung zuvorzukommen, schütze das Rechtsstaatsprinzip das Vertrauen in die bisherige Gesetzeslage nicht. Steuerveranlasste Vertragsverbindlichkeiten seien deshalb zu verschieben, soweit als zulässig mit Vorbehalts- und Rücktrittsklauseln auszustatten oder in sonstiger Weise anpassungsfähig zu gestalten. Anderenfalls müsste der Kapitaleinsatz bewusst als Einsatz von Risikokapital bemessen, der Investitionsaufwand gegenüber einer drohenden Minderung oder einem Wegfall abgewogen oder auf die steuerlich veranlasste Investition verzichtet werden (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 67, unter C.II.2.a).
(2) Allerdings ist eine Rückwirkung zur Vermeidung von Ankündigungseffekten nur in Sondersituationen zulässig; denn es stellt grundsätzlich keinen Missbrauch dar, sondern gehört zu den legitimen Dispositionen im grundrechtlich geschützten Bereich der allgemeinen Handlungsfreiheit, wenn Steuerpflichtige darum bemüht sind, die Vorteile geltenden Rechts mit Blick auf mögliche Nachteile einer zukünftigen Gesetzeslage für sich zu nutzen (BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1968, unter C.II.2.b.cc). Die Verhinderung von „Ankündigungseffekten” ist insbesondere zulässig, wenn missbräuchliche steuerliche Gestaltungen möglichst ohne Verzögerung unterbunden werden sollen, wenn es zu verhindern gilt, dass zukünftige Ansprüche auf offenkundig zweckwidrig gestaltete Subventionen in erheblicher Größenordnung begründet werden, oder wenn aufgrund vergleichbarer Umstände der Gesetzgeber größere Steuerausfälle durch zeitlich „vorgezogene” Zahlungszeitpunkte befürchten muss oder befürchtet.
(3) Bei der Beurteilung, ab welchem Zeitpunkt die Wirkung der Ankündigung einer Gesetzesänderung den Gesetzeszweck durchkreuzt, und bei der daran orientierten Festsetzung von Stichtagen steht dem Gesetzgeber ein beträchtlicher Einschätzungsspielraum zu (BVerfG-Beschluss vom 15. Oktober 1996 1 BvL 48/92, BVerfGE 95, 64). Die Rechtsprechung hat sich insoweit auf die Prüfung zu beschränken, ob der Gesetzgeber seinen Spielraum in sachgerechter Weise genutzt, die für in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen hat (z.B. BVerfG-Beschluss vom 29. Oktober 1999 1 BvR 1996/97, juris).
c) Gemessen daran ist die vom Gesetzgeber angeordnete Rückwirkung unter Umständen wie denen des Streitfalls zulässig, weil das Vertrauen des Klägers am 11. November 2005 oder 25. November 2005 nicht mehr schutzwürdig war.
aa) Der Kläger hat am 11. November 2005 die Entscheidung, sich an der Beigeladenen zu beteiligen, getroffen. Mit dieser wirtschaftlich motivierten Disposition hat der Kläger sein Grundrecht der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit (aus Art. 2 Abs. 1 GG) in Anspruch genommen. Auch für die Frage des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes kommt es deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats nicht darauf an, wann der Beitritt wirksam wurde.
bb) Das Vertrauen des Klägers war am 11. November 2005 nicht (mehr) durch den Entwurf für ein Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Standortbestimmungen vom 6. Mai 2005 abgeschwächt, das ein Inkrafttreten des § 15b EStG-E am 4. Mai 2005 vorsah. Dieser Entwurf galt nach § 125 Satz 1 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags als am Ende der 15. Wahlperiode erledigt. Gescheiterte Gesetzentwürfe sind unter Vertrauensschutzgesichtspunkten neutral (z.B. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284, m.w.N.).
cc) Das Vertrauen des Klägers in die bisherige Rechtslage war aber bereits durch die Beigeladene nahezu völlig zerstört worden. Die Beigeladene hat auf Seite 93 des Beteiligungsprospekts (Bl. 98 Leitz-Ordner) den Kläger auf Folgendes hingewiesen:
„… Derzeit sind Änderungen der Steuergesetze u.a. hinsichtlich einer Begrenzung von Verlustverrechnungen aus Beteiligungen in der Diskussion. Die Durchführung dieser Änderungen ist trotz Neuwahlen und unabhängig vom Wahlsieger ab dem Jahr 2006 zu erwarten. Im Vordergrund der Diskussion steht die Einführung eines § 15b EStG, wonach Verluste aus einer Beteiligung nur noch mit Gewinnen derselben Beteiligung, nicht jedoch mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden dürfen. Die konkrete Ausgestaltung … sowie der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Änderungen sind derzeit nicht geklärt. Eine solche Änderung der steuerlichen Grundlagen im Jahr 2005 ist jedoch nur möglich, wenn die neu zu wählende Regierung unmittelbar nach der Wahl einen Gesetzentwurf mit einer Übergangsfrist einbringt, die vor dem Jahresende 2005 beginnt (etwa 1. Dezember). In diesem Fall besteht das Risiko, dass die Ihnen … zugewiesenen Verluste nur noch mit Gewinnen aus dieser Beteiligung verrechnet werden können. Üblicherweise besteht bis zum Ende dieser Übergangsfrist Vertrauensschutz. Nach dem bisherigen Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens in dieser Sache kann aber auch eine, vom Bundesrat zwar als verfassungsrechtlich äußerst problematisch bezeichnete, Rückwirkung nicht ausgeschlossen werden. …”
Von dem her war dem Kläger bei seiner Beteiligung am 11. November 2005 schon aufgrund dieses Hinweises völlig bewusst, dass unabhängig vom Wahlausgang in der 16. Wahlperiode eine Einschränkung der Verlustverrechnung zu befürchten stand, bei der ein Inkrafttreten noch im Jahr 2005, und zwar mit Rückwirkung, möglich war.
dd) In dieser Befürchtung mussten den Kläger Presseberichte vom 8. November 2005 bestärken. Sie haben sein Vertrauen weiter abgeschwächt: Z.B. meldeten „manager-magazin” (www.manager-magazin.de/finanzen/geldanlage/ 0,2828,383898,00.xmll) und Spiegel (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,383867,00.xmll) am 8. November 2005, dass der geplante Stichtag für eine Einschränkung der Verlustverrechnung der 10. November 2005 sei. Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) begrüßte danach bereits am 8. November 2005 die Neuregelung. Dies hat unter Anbietern geschlossener Fonds zu panikartigen Aufrufen an die Investoren geführt (vgl. http://www.manager-magazin.de/finanzen/geldanlage/0,2828,384281,00.xmll).
ee) Der Senat vermag dem Kläger nicht in seiner Auffassung beizutreten, dass die Ablehnung der Unterzeichnung des Gesetzentwurfs durch den –scheidenden– Umweltminister Trittin am 10. November 2005 sein Vertrauen hätte wieder stärken können. Die vom Kläger vorgetragenen Annahme, dass ein Gesetzentwurf, der politisch aus der Feder der „neuen” Bundesregierung stammt, aber aus Gründen des Zeitgewinns zu Beginn der Legislaturperiode formal noch von der „alten” Bundesregierung eingebracht werden sollte, nicht realisiert wird, weil ein Minister der „alten” Regierung, der der neuen Regierung mutmaßlich nicht mehr angehören wird, die Unterschrift verweigert, hält der Senat für völlig fernliegend; denn bereits am 10. November 2005 wurde berichtet, offensichtlich hätten sich die Grünen bereits „auf ihre Oppositionsrolle eingeschossen” und die Vorgänge seien „ein Lehrbuchbeispiel dafür, wie Politik funktioniere” (http://www.manager-magazin.de/finanzen/geldanlage/0,2828,384281,00.xmll). Es sei davon auszugehen, dass die neue Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzentwurf so schnell wie möglich beschließen werde.
ff) Dass das Vertrauen des Klägers am 11. November 2005 auf (nahezu) Null abgesunken war, belegt zudem der Umstand, dass die Beigeladene und der Kläger hinsichtlich der Eingehung der Beteiligung in mehrfacher Hinsicht von der im Beteiligungsprospekt vorgesehenen Vorgehensweise abgewichen sind:
(1) Zum einen erfolgte der Beitritt nicht zum 31. Oktober 2005, 30. November 2005 oder 27. Dezember 2005, den an sich vorgesehenen Beitrittszeitpunkten (so übereinstimmend die vorgedruckten Auswahlmöglichkeiten in der Beitrittserklärung sowie die Ausführungen auf S. 4 des Beteiligungsprospekts [Bl. 8 Leitz-Ordner] wo es heißt: „Der Beitritt kann zum 31. Oktober, zum 30. November oder zum 27. Dezember 2005 erfolgen”). Vom Prospekt abweichende Angaben waren an sich unzulässig und nur verbindlich, wenn sie von der Gesellschaft vor Beitritt schriftlich bestätigt wurden (S. 104 f. des Prospekts, Bl. 109 f. Leitz-Ordner), woran es hier nach Aktenlage fehlt. Bereits dies macht nur Sinn, wenn der Kläger am 11. November 2005 fest damit rechnete, dass die Rechtslage sich am 30. November 2005, dem an sich nächstmöglichen Beitrittszeitpunkt, im Hinblick auf die Verlustverrechnung zu seinem Nachteil verändert haben wird.
(2) Gleiches gilt für die Abweichung von der an sich vorgesehenen Regelung, dass die Zahlung der Einlage vier Arbeitstage vor dem Beitritt zu erfolgen hat (so die Beitrittserklärung) und die Einlage zum Beitrittstermin auf dem Konto der Beteiligungsgesellschaft eingegangen sein muss (S. 118 des Prospekts, Bl. 123 Leitz-Ordner), was hier, wenn der Beitritt zum 11. November 2005 erfolgt sein soll, nicht der Fall ist, weil die Einlage erst am 25. November 2005 überwiesen wurde. Auch diese Abweichung ist nur dadurch erklärlich, dass der Kläger, die Beigeladene und die eingeschalteten Vermittler angenommen haben, es sei höchste Eile geboten, um der in der Presse angekündigten Einschränkung der Verlustverrechnung zuvorzukommen. Hätte der Kläger zu dieser Zeit tatsächlich noch in nennenswerter Weise auf die bisherige Rechtslage vertraut, hätte es dieser Eile nicht bedurft. Dazu passt schlussendlich auch, dass die Bescheinigung des Vermittlers, dass der Kläger u.a. über die wirtschaftlichen Risiken der Beteiligung belehrt worden ist, auf den 21. November 2005 (10 Tage nach Beitritt) datiert.
(3) Bei einer solchen Lage, bei der das angebliche Vertrauen des Klägers letztlich nur dadurch „begründet” werden konnte, dass man die vorgesehenen vertraglichen Beitrittsregelungen des Beteiligungsprospekts weitgehend über Bord wirft, um zu versuchen, den von der Presse berichteten Änderungsplänen des Gesetzgebers gerade noch zuvorzukommen, kann nach Auffassung des Senats von schutzwürdigem Vertrauen nicht gesprochen werden, weil das steuerrechtliche Risiko ersichtlich vollkommen klar war.
gg) Überdies ist die Dispositionsentscheidung des Klägers vom 11. November 2005 schon deshalb nicht hinreichend schutzwürdig, weil sich der Kläger ein Widerrufsrecht vorbehalten hatte: Nach der Beitrittserklärung i.V.m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) war der Beitritt bis zum 25. November 2005 (Freitag) widerruflich, weil die Widerrufsfrist nach § 187 Abs. 1 BGB am 12. November 2005, einem Samstag, begann und § 193 BGB nicht für die Bestimmung des Fristbeginns gilt (Becker in jurisPK-BGB, § 187 Rz. 3; vgl. auch BFH-Beschluss vom 30. November 2010 IV B 39/10, BFH/NV 2011, 613). Der Kläger hatte damit die Möglichkeit, auf Gesetzesinitiativen vor dem 25. November 2005, die die angestrebte Verlustverrechnung einschränken, noch angemessen zu reagieren, z.B. indem er seinen Beitritt widerruft und sich an einer anderen Gesellschaft, die nicht unter § 15b EStG fällt, beteiligt.
hh) Im Ausgangspunkt völlig zu Recht hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen lassen, dass in dem Umstand, dass er, der Kläger, keinen Widerruf erklärt hat, eine neue, weitere Disposition liegt. Der erkennende Senat teilt insoweit ausdrücklich die Einschätzung des Klägers, dass auch ein Unterlassen (hier: Nicht-Widerruf) eine Disposition sein kann (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284; offen gelassen im BVerfG-Beschluss in BFH/NV 2010, 1959, unter C.II.2.b.aa). Allerdings ist diese Disposition am 25. November 2005 und damit nach dem Tag des Gesetzentwurfs der Bundesregierung erfolgt. Insoweit ist das Vertrauen des Klägers noch weit weniger schutzwürdig als am 11. November 2005.
d) Der erkennende Senat hält zudem die Annahme des Gesetzgebers, bei der Einschränkung von Steuerstundungsmodellen sei es zulässig, den negativen Ankündigungseffekt des Bekanntwerdens des Gesetzentwurfs durch einen vorgezogenen Anwendungsstichtag zu minimieren, für verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Der Gesetzgeber hat sich im Gesetzgebungsverfahren mit der Frage der zeitlichen Anwendung des § 15b EStG n.F. sehr intensiv beschäftigt.
(1) Bereits der Gesetzentwurf geht davon aus, durch Steuerstundungsmodelle komme es nicht nur zu Steuerausfällen, sondern auch zur Fehlleitung von Kapital in betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle Investitionen, die ohne den Steuervorteil der Steuerstundung nicht getätigt würden. Dem müsse wirksam begegnet werden. Dies trage auch zu mehr Steuergerechtigkeit bei, weil solche Modelle von Steuerpflichtigen mit hohen Einkünften genutzt würden, um ihre Steuerbelastung zu senken. Durch Presseberichte vom 8. November 2005 sei der Plan der Neuregelung bekannt und werde von den Anbietern zu einem „Schlussverkauf” genutzt, um dem Wegfall zuvorzukommen. Die Rückwirkung auf den 11. November 2005 sei vor diesem Hintergrund nach den Maßstäben des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 97, 67 zulässig, zumal den Verträgen Rücktrittsklauseln o.ä. beigefügt werden könnten (BT-Drs. 16/107, S. 1, 4, 6, 7 f.).
(2) Der Finanzausschuss (BT-Drs. 16/254, S. 4 f.) empfahl nach intensiver Diskussion und Durchführung einer Anhörung einstimmig, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Die Ausschussmehrheit befürchtete, bei Anwendung der Neuregelung ab dem 24. November 2005 sei mit einem negativen Ankündigungseffekt und Steuermindereinnahmen zu rechnen. Dies solle mit einer „wirksamen” Anwendungsregelung vermieden werden, die nach dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 67 zulässig sei, zumal bei späteren Investitionen Rücktrittsklauseln vorgesehen worden sein dürften. Die Zeichner hätten seit Längerem mit einer Neuregelung rechnen müssen.
(3) Aus den Plenarprotokollen ergibt sich, dass der Stichtag ebenfalls Gegenstand der Diskussionen im Plenum war und von der Bundestagsmehrheit –trotz Kritik der Abgeordneten Solms, Schäffler und Scheel g– für zulässig erachtet wurde. Bundesfinanzminister Steinbrück ging bei seiner Rechtfertigung der Rückwirkung davon aus, ein späterer Stichtag hätte den Steuerzahler 500 Mio. EUR gekostet (Pl.Prot. der 5. Sitzung der 16. Wahlperiode vom 1. Dezember 2005, 223B). Angesichts der Ausfälle von 500 Mio. EUR und des Umstands, dass fast allen Beteiligungen seit März 2005 Rücktrittsklauseln beigefügt worden seien, sei die Rückwirkung zulässig (so der Abgeordnete Bernhardt, Pl.Prot. der 8. Sitzung der 16. Wahlperiode vom 15. Dezember 2005, 438C-438D). Angesichts der seit Frühjahr 2005 geführten Diskussion bestehe kein Vertrauensschutz; die Verträge sähen Rücktrittsmöglichkeiten vor (so der Abgeordnete Dautzenberg, Pl.Prot. der 8. Sitzung der 16. Wahlperiode vom 15. Dezember 2005, 447A). Die Öffentlichkeit habe das Risiko gekannt und nach dem Motto „no risk, no fun” gehandelt. Das Risiko des entgangenen Steuervorteils sei vor diesem Hintergrund kein schützenswertes Gut. Wenn der Bürger mit der Neuregelung rechnen müsse, sei nach der Rechtsprechung des BVerfG die Rückwirkung zulässig (so die Abgeordnete Frechen, Pl.Prot. der 8. Sitzung der 16. Wahlperiode vom 15. Dezember 2005, 452B bis 452D).
bb) Damit hat der Gesetzgeber bei der Wahl des Stichtags die in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen.
(1) Die Einschätzung, dass die Presseberichte seit 8. November 2005 geeignet waren, einen negativen Ankündigungseffekt hervorzurufen, hält der Senat für zutreffend. Sie werden durch die „Beitrittshistorie” der Beigeladenen bestätigt. Im Rahmen der bei der Beigeladenen durchgeführten Prüfung hat das FA die „Übersicht Kommanditisten 2005” der Beigeladenen (Bl. 10 ff. Anlagenband) darauf untersucht, wann die Kommanditisten der Beigeladenen beigetreten sind. Danach sind mit der I. Tranche 2005 (bis 30. Juni 2005) wohl 190 Kommanditisten beigetreten, weiter nach Aktenlage 19 Kommanditisten im Rahmen der II. Tranche 2005 zum 31. Oktober 2005. Gemäß Anlage 4 zum Bericht über die Prüfung bei der Beigeladenen (Bl. 60 Anlagenband) sind im Jahr 2005 „nur” 27 Kommanditisten, u.a. der Kläger, der Beigeladenen nach dem 10. November 2005 beigetreten. Die restlichen der ca. 650 im Jahr 2005 beigetretenen Kommanditisten, also über 400 Kommanditisten, sind an drei Tagen (am 7. November, 9. November und 10. November 2005) beigetreten. Dies belegt, dass die Annahme des Gesetzgebers, dass die Presseberichte zu einer Art „Schlussverkauf” geführt haben, zutreffend ist.
(2) Auch die Annahme des Gesetzgebers, dass eine Sondersituation vorliegt, die einen früheren Anwendungsstichtag rechtfertigt, hält der Senat –unter Hintanstellung gewisser Zweifel– für nicht zu beanstanden.
Dabei weist der erkennende Senat allerdings zur Vermeidung von Missverständnissen zunächst ausdrücklich darauf hin, dass die Möglichkeit des Verlustausgleichs im Regelfall keine „Steuervergünstigung” oder „Subvention” ist; sie dient vielmehr dazu, den Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum steuerrechtlich zutreffend zu ermitteln und damit das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit folgerichtig umzusetzen (vgl. Wendt, Prinzipien der Verlustberücksichtigung, DStJG Band 29, 41, 46 f.; Hey, Spezialgesetzgebung und Typologie zum Gestaltungsmissbrauch, DStJG Band 33, 139, 156 f.): Wer aus einer Einkunftsquelle 200 Gewinn und aus einer anderen Einkunftsquelle 100 Verlust erzielt, unterliegt erst nach Verlustausgleich zutreffenderweise mit einem Betrag von 100 der Einkommensteuer, um den sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in diesem Veranlagungszeitraum tatsächlich erhöht hat. Für rückwirkende Einschränkungen von systemgerechten und folgerichtigen Verlustausgleichsregelungen fehlt grundsätzlich jeglicher Anlass. Die Vermeidung von Ankündigungseffekten wäre mangels Sondersituation ebenfalls unzulässig.
Anders liegt es jedoch bei Beteiligung an einem Steuerstundungsmodell: Derjenige, der sich an einem Steuerstundungsmodell beteiligt, erstrebt im Jahr seiner Beteiligung gezielt einen Verlust. In diesem gezielten „Streben nach Verlust” (vgl. dazu z.B. Kirchhof, Verluste im Steuerrecht, DStJG Band 29, S. 4 f., 7 f.; Eckhoff, Verluste im Einkommensteuerrecht, DStJG Band 29, S. 12 f.) unterscheidet sich derjenige, der –aufgrund des Beteiligungskonzepts bewusst und gewollt– gegenwärtiges Verlustverrechnungspotential quasi „einkauft”, um dieses mit Einkünften aus anderen Einkunftsquellen zu verrechnen und damit die gegenwärtige Steuerlast zu senken, vom „Normalfall”, nämlich der Einkunftsquelle im Sinne des § 2 EStG, der typischerweise auch das Streben nach einem möglichst raschen Gewinn eigen ist. Regelmäßig will der Steuerpflichtige mit der Erzielung des erstrebten Totalgewinns so schnell wie möglich beginnen, idealerweise möglichst sofort die Gewinnzone erreichen. Ein Anfangsverlust ist im Regelfall notwendiges Übel, nicht –wie ausnahmsweise bei einem Steuerstundungsmodell– erstrebter „Erfolg” der Beteiligung. Hinzu kommt, dass bei einer Vielzahl von Projekten die erzielten Verluste nach dem Konzept reine „Buchverluste” sind, denen keine tatsächlichen Verluste, sondern stille Reserven gegenüber stehen.
Dies zu nutzen war (und ist) zwar kein Missbrauch, sondern die zulässige Ausnutzung von Gestaltungsmöglichkeiten, die das Recht den Steuerpflichtigen gezielt anbietet, so dass der Gesetzgeber zur Rechtfertigung nicht den Gedanken der Missbrauchsabwehr heranziehen könnte. Soweit der Gesetzgeber jedoch angenommen hat, dass es aufgrund dieses –für die Einkommensteuer untypischen– „Verluststrebens” zu einer erheblichen Fehlallokation von Kapital in betriebswirtschaftlich nicht sinnvolle Investitionen gekommen ist, die es so bald wie möglich zu beenden gelte, rechtfertigt diese Bewertung die Enttäuschung des Vertrauens des Klägers, selbst wenn man dieses Vertrauen –was der Senat nicht tut– für schutzwürdig hielte.
(3) Dem kann vom Kläger nicht entgegengehalten werden, dem Gesetzgeber sei es in Wahrheit nur um Steuermehreinnahmen gegangen, was eine Rückwirkung nicht rechtfertige. Zu Steuermehreinnahmen kommt es bei planmäßigem Verlauf einer Beteiligung und konstantem Grenzsteuersatz durch § 15b EStG nämlich nicht, die Steuern werden vom Fiskus nur früher vereinnahmt. In Wahrheit geht es nur um Zinsvor- und -nachteile für Fiskus oder Steuerpflichtigen, nicht Mehr- oder Mindereinnahmen.
d) Da der erkennende Senat die Rückwirkung für zulässig hält, muss er nicht mehr entscheiden, ob die Rückwirkung auch deshalb zulässig sein könnte, weil der Gesetzgeber mit § 15b EStG eine verfassungswidrige Vorgängerregelung (§ 2b EStG a.F.) ersetzt hat. Die Frage, ob § 2b EStG a.F. verfassungsgemäß war, kann folglich dahinstehen.
III. Auf den Umstand, dass bei anderer Sichtweise einem vollumfänglichen Erfolg der Klage der –gegenüber § 15b EStG nachrangige– § 15a EStG zum Teil entgegenstünde, wurde der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Insoweit könnte es ratsam sein, den Klageantrag im Revisionsverfahren entsprechend einzuschränken.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
V. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1437 hat die Frage der hinreichenden Bestimmtheit des § 15b EStG mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen gelassen. Außerdem bedarf die Frage, ob die rückwirkende Einführung des § 15b EStG verfassungsrechtlich zulässig war, nach Auffassung des erkennenden Senats letztendlich der Klärung durch das BVerfG. Da der erkennende Senat indes nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 15b i.V.m. § 52 Abs. 33a EStG überzeugt ist, kann zur Klärung dieser verfassungsrechtlichen Zweifelsfrage kein Aussetzungs- und Vorlagebeschluss nach Art 100 Abs. 1 GG ergehen.
VI. Das Urteil ergeht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Juli 2011, zu der für die Beigeladene niemand erschienen ist. Die Beigeladene wurde in der Ladung vom 24. Mai 2011 gemäß § 91 Abs. 2 FGO darauf hingewiesen, dass bei Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.