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21.02.2012 · IWW-Abrufnummer 120432

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 31.01.2012 – 2 V 1883/11

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Beschluss

2 V 1883/11

In dem Verfahren XXX

wegen Einkommensteuer 2009, (Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 Abs.3 FGO

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 2. Senat - am 31. Januar 2012 durch

XXX

beschlossen:

I. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 2. Mai 2011 wird abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Krankheitskosten, die zur Wahrung des Beitragsrückerstattungsanspruches bei der Krankenversicherung nicht geltend gemacht wurden.

Die Antragsteller werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Mit Einkommensteuererklärung für 2009 machten sie in einer nach "Arztrechnungen" und "Medikamente" unterteilten "Zusammenstellung Rechnungen" (Bl. 3 ESt-Akten 2009) aufgeführte Krankheitskosten in Höhe von 4.919,00 € als außergewöhnliche Belastung zu geltend. Die Frage nach erhaltenen oder zu erwartenden Versicherungsleistungen beantworteten sie mit "0".

In dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 2. Mai 2011 blieben diese Aufwendungen unberücksichtigt, da außergewöhnliche Belastungen nur vorlägen, soweit die angefallenen Kosten nicht durch Ersatzleistungen Dritter, z.B. einer Krankenkasse, gedeckt seien bzw., soweit es sich um außergewöhnliche Belastungen des Vorjahres handele, diese nicht im Streitjahr abgezogen werden könnten.

Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch, mit dem sie zugleich Aussetzung der Vollziehung beantragten, wendeten die Antragsteller ein, von dem geltend gemachten Betrag entfielen lediglich 46,11 € auf den Veranlagungszeitraum 2008. Im Übrigen sei nicht erkennbar, warum ein Vorgang, der erst im Streitjahr abgeschlossen gewesen sei, in den Kosten für das Vorjahr zu erfassen sein solle.

Das Finanzamt bat die Antragsteller daraufhin um die Vorlage von Nachweisen dazu, dass keine Erstattungen seitens der Versicherung getätigt worden seien. Daran bestünden Zweifel, weil aus den für das Vorjahr vorliegenden Unterlagen hervorgehe, dass dort die Kosten in der Regel zu 100 % bzw. zu 80 % ersetzt worden seien.

Das Finanzamt wies hierzu darauf hin, dass die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen und damit eine steuerliche Berücksichtigung entfalle, wenn bestehende Ersatzansprüche nicht geltend gemacht würden.

Außerdem lehnte es unter dem 11. Mai 2011 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab, da nach dem momentanen Stand der Sachlage nicht ausgeschlossen werden könne, dass Ersatzleistungen Dritter erfolgt seien, und daher keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung bestünden.



Die Antragsteller hielten dem entgegen, bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 2008 seien die Krankenversicherungsbeiträge im Rahmen der Höchstbeträge voll absetzbar gewesen, während Beitragsrückerstattungen oder Kostenerstattungen abzusetzen gewesen seien. Nur der überschießende Teil sei im Rahmen des § 33 EStG absetzbar gewesen. Diese Systematik habe der Gesetzgeber ab dem Veranlagungszeitraum 2009 aufgegeben. Die Krankenversicherungsbeitragsanteile seien nunmehr in unbegrenzter Höhe absetzbar. Der Gesetzgeber habe aber sodann die Beitragsrückerstattungen aus dem §§ 33 EStG herausgenommen und den Sonderausgaben zugeordnet. Die wirtschaftliche Konsequenz hieraus sei, dass die steuererhöhende Wirkung der Beitragsrückerstattungen bereits ab dem 1,00 € eintrete, während die Krankheitskosten erst nach Abzug der zumutbaren Belastung steuersenkend wirkten. Sachlogisch folge hieraus, dass Krankheitskosten dann nicht zu berücksichtigen seien, wenn der Steuerpflichtige überhaupt nicht krankenversichert sei oder zwar krankenversichert sei, die Rechnungen aber nicht einreiche, obwohl er keine Beitragsrückerstattungen in entsprechender Höhe zu erwarten habe. Im Streitfall ergebe die Gegenüberstellung der Erstattungsleistungen im Falle der Einreichung mit denen im Falle der Nichteinreichung der Rechnung bei gleichzeitiger steuerschädlicher Beitragsrückerstattung, dass es sowohl für den Fiskus als auch für die Antragsteller vorteilhafter sei, die Arztrechnungen nicht einzureichen.

Die Antragsteller erweiterten außerdem ihren Einspruch dahin, dass sie nunmehr Kosten für eine Pkw-Haftpflichtversicherung in Höhe von 586,34 € als Sonderausgaben angesetzt wissen wollten.

Darüber hinaus meinten sie, das Versagen der Aussetzung der Vollziehung sei ermessensfehlerhaft und damit nichtig. (Wegen der hierzu gemachten Ausführungen und der weiteren Einlassungen sowie den zur Einspruchsbegründung eingereichten Unterlagen wird auf den auf den 05. Mai 2011 datierenden Schriftsatz der Antragsteller und dessen Anlagen verwiesen, Bl. 12 ff. Rb-Akten.)



Mit Schreiben vom 20. Juni 2011 erläuterte das Finanzamt den Antragstellern die Rechtslage dahin, dass Krankheitskosten eines Steuerpflichtigen nur dann zwangsläufig erwüchsen, wenn er sich ihnen aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen könne. Würden Aufwendungen später von dritter Seite ersetzt, fehle es nach den Grundsätzen der sog. Vorteilsanrechnung an einer endgültigen Belastung, die nach Sinn und Zweck des § 33 EStG Voraussetzung der Steuerminderung sei. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Ersatzleistungen in dem selben oder einem späteren Veranlagungszeitraum vereinnahmt würden, in dem die Ausgaben geleistet würden. Die Regelung des § 11 EStG werde insoweit durch das Belastungsprinzip verdrängt. Die Anrechnung von Leistungen durch eine Krankenversicherung sei auch unabhängig davon, ob sich die Versicherungsbeiträge über den Sonderausgabenabzug steuermindernd ausgewirkt hätten. Die Zwangsläufigkeit fehle darüber hinaus auch dann, wenn bestehende Ersatzansprüche nicht realisiert würden. Der Verzicht auf Ersatzansprüche sei auch dann schädlich, wenn er aus nachvollziehbaren, wirtschaftlichen Gründen erfolge, bspw. um eine Beitragsrückerstattung zu erhalten.

Aus diesen Gründen könne die beantragte Aussetzung der Vollziehung nicht gewährt werden.



Die Antragsteller erweiterten daraufhin ihren Einspruch erneut, nunmehr dahin, dass sie die Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Eigenbelastung gem. § 33 Abs. 3 EStG verneinten. Des Weiteren beantragten sie die hilfsweise Anerkennung der Aufwendungen als Werbungskosten. Sie meinten, bei der Beitragsrückerstattung handele es sich um Einkünfte. Diese vom Gesetzgeber im Steuervereinfachungsgesetz 2011, Bundestagsdrucksache 17/5125, klarstellend getroffene Wertung treffe auch bereits auf den Veranlagungszeitraum 2009 zu. Die Sachlage stelle sich daher wie folgt dar: Die Aufwendungen in Höhe von 4.919,00 € seien Werbungskosten. Diese seien um die Einnahmen aus Beitragsrückerstattung in Höhe von 2.471,28 € zu kürzen. Der sich danach ergebende Verlust sei gesondert festzustellen und nach 2010 vorzutragen bzw. auf 2008 zurückzutragen, soweit für 2008 Beitragsrückerstattungen geleistet worden seien. Die Sonderausgaben seien um den Betrag des Verlustes zu erhöhen.



Mit Fax vom 18. Juli 2011 stellten die Antragsteller außerdem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 2. Mai 2011 bei Gericht und beantragten zugleich die Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsakte vom 11. Mai 2011 und 20. Juni 2011, soweit diese die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ablehnen.



Sie tragen vor, bei der Gewährung von AdV seien nicht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs Ermessensmaßstab, sondern die Abwägung des Rechtsschutzinteresses des Steuerbürgers gegen die Steuerausfallgefahr. Im Streitfall träfen - was näher ausgeführt wird - mehrere Kataloggründe des AEAO zu § 361 zu.

Durch die Rechtsänderungen seien seit dem Veranlagungszeitraum 2009/2010 so starke Unsicherheiten in der Rechtsauslegung im Bereich der Sonderausgaben und der außergewöhnlichen Belastungen entstanden, dass der Gesetzgeber im Steuervereinfachungsgesetz 2011 für alle noch offenen Fälle sich teilweise der von den Antragstellern vorgetragenen wirtschaftlichen Sichtweise bedient habe. Vorliegend gehe es darum, ob Aufwendungen, die der privaten Krankenkasse nicht zur Erstattung eingereicht würden, um Beitragsrückerstattungen zu erlangen, außergewöhnliche Belastungen darstellten oder, soweit sie die zu erwartenden Beitragsrückerstattungen nicht überstiegen, Werbungskosten, da Beitragsrückerstattungen zu Einnahmen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG führen könnten bzw. über die vorrangige Verrechnung mit den Sonderausgaben vom 1,00 € an versteuert würden. Alle den Antragstellern bekannten BFH-Urteile bezögen sich auf den Erstattungsanspruch der sozialen Krankenversicherung, die zu ihrer Zeit dieses System der Beitragsrückerstattungen nicht gekannt hätten. Es könne nicht Anliegen des Gesetzgebers sein, dass Aufwendungen, die wirtschaftlich gesehen zu zu versteuerndem Einkommen führten, überhaupt nicht zu berücksichtigen seien.

Für die Wertung der vorliegend zu betrachtenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen spreche, dass auch ein vertraglich vereinbarter Selbstbehalt zu einer Nichterstattung von Arztrechnungen und zu Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG führe.

Für eine Wertung als Werbungskosten spreche die vom Gesetzgeber im Entwurf zum Jahressteuergesetz 2011 getroffene Klarstellung, dass Überschüsse aus Beitragsrückerstattungen zum Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen seien. Im System der Beitragsrückerstattungen sei das ökonomische Verhalten des Versicherten impliziert. Der Versicherte werde daher, wie dies auch die Antragsteller getan hätten, eine Vorteilhaftigkeitsentscheidung treffen. Diese Vorgehensweise sei für ihn und den Staat vorteilhaft.



Der Antragsgegner beantragt,



den Antrag abzulehnen.



Er führt aus, verzichte ein Steuerpflichtiger auf die Geltendmachung eines Ersatzanspruches, verlören Krankheitskosten den Charakter der Zwangsläufigkeit, es sei denn, die Geltendmachung des Ersatzanspruches sei unzumutbar. Letzteres sei hier nicht der Fall.

Soweit die Antragsteller zudem die Feststellung eines verbleibenden Verlustabzuges hinsichtlich der Beitragsrückerstattungen beantragten, fehle hierzu jedwede Rechtsgrundlage. Eine solche ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem Entwurf des Steuervereinfachungsgesetzes 2011. Die Antragsteller verkennten dabei, dass bei der Verrechnung mit gleichartigen Aufwendungen nicht Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen in Betracht kämen, sondern nur Versicherungsbeiträge, also Sonderausgaben. Ein Erstattungsüberhang betreffend Sonderausgaben ergebe sich nach Aktenlage jedoch nicht.

Ein Abzug der streitbefangenen Aufwendungen als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben komme ebenfalls nicht in Betracht. Krankheitskosten könnten als Kosten der allgemeinen Lebensführung allenfalls im Rahmen der Position "außergewöhnliche Belastungen" abgezogen werden.

Die zusätzlich geltend gemachten Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung wirkten sich steuerlich nicht aus, da die Höchstbeträge im Rahmen der Höchstbetragsberechnung nach § 10 Abs. 3 EStG bereits ausgeschöpft seien.





II.



Der Senat versteht das Rechtsschutzbegehren der Antragsteller dahin, dass sie ausschließlich vorläufigen Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung des von ihnen angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2009 zu erreichen suchen und nicht daneben auch noch eine selbständige Nichtigkeitsfeststellungsklage erhoben haben. Aus dem an das Gericht gewendeten Schriftsatz vom 18. Juli 2011 (Bl. 3 bis 5 PA) ergibt sich, dass die Antragsteller unter dem Gesichtspunkt "Nichtigkeitsfeststellung gem. § 41 Abs. 1 FGO i.V.m. § 125 Abs. 5, letzter Halbsatz AO" die Nichtigkeit der Bescheide, mit denen die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt wurde, geltend machen. Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage wäre jedoch mangels Klagebefugnis von vornherein unzulässig. Die von den Antragstellern gegen die o.g. Verwaltungsakte gemachten Einwendungen sind nicht geeignet, eine Nichtigkeit im Sinne einer besonders schwerwiegenden, bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundigen Fehlerhaftigkeit der ablehnenden Bescheide darzutun. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Bescheide - ausgehend vom Vortrag der Antragsteller - die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so erheblichen Maße verletzten, dass von niemanden erwartet werden könnte, diese als verbindlich anzusehen. Solche Umstände sind hier - auch und gerade nach dem Vortrag der Antragsteller - nicht zu erkennen.



Der (danach verbleibende) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 2. Mai 2011 ist unbegründet.



Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken, und wenn demgemäß ein nicht nur geringer Grad der Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf bzw. das eingelegte Rechtsmittel Erfolg haben wird. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutzumachen wären, oder wenn die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet würde. Dabei ist die Frage, ob und - falls ja - in welchem Umfang die Rechtslage zweifelhaft ist, zu berücksichtigen. Sind Zweifel (fast) gänzlich ausgeschlossen, kommt eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht.



Im vorliegenden Verfahren bestehen nach der gebotenen summarischen Prüfung weder ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes noch ist eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO ersichtlich.



Krankheitskosten sind, sofern sie nicht für eine typische Berufskrankheit oder für eine in Ausübung des Berufs erworbene Krankheit anfallen, nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben einzuordnen. Sie stehen - von den o.g. Ausnahmefällen, für die hier keine Anhaltspunkte bestehen, abgesehen - in keinem wirtschaftlichen Veranlassungszusammenhang mit einer der sieben in § 2 Abs. 1 EStG erschöpfend dargestellten Einkunftsarten. Ein steuerlicher Abzug kommt daher allenfalls unter dem Gesichtspunkt der außergewöhnlichen Belastung in Betracht. Deren Voraussetzungen liegen im Streitfall indes nicht vor.



Sinn und Zweck der Vorschrift des § 33 EStG ist es, neben anderen Regelungen (u.a. der des Grundfreibetrages) sicherzustellen, dass die Besteuerung erst jenseits des Existenzminimums einsetzt. Daher werden Aufwendungen, die an sich gem. § 12 EStG der steuerlich irrelevanten Privatsphäre angehören, ausnahmsweise für steuerlich abzugsfähig erklärt, wenn und soweit eine steuermindernde Berücksichtigung unter Existenzsicherungsgründen angemessen erscheint. Durch die Vorschrift des § 33 EStG sollen lediglich unbillige Härten bei der Besteuerung vermieden bzw. beseitigt werden. Daher können Aufwendungen nur dann außergewöhnliche Belastungen darstellen, wenn und soweit der Steuerpflichtige hierdurch tatsächlich endgültig wirtschaftlich belastet ist. Eine solche endgültige wirtschaftliche Belastung tritt jedoch dann nicht ein, wenn dem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit dem die Aufwendungen auslösenden Ereignis Geldleistungen zufließen, z.B. Erstattungszahlungen. Wären erstattete Aufwendungen auch noch als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, träte eine nicht gerechtfertigte doppelte Entlastung ein (vgl. Arndt in Kirchof/Söhn, EStG, 106. Aufl., § 33 Rdnr. B 18).



Fließen dem Steuerpflichtigen zwar keine Erstattungszahlungen zu, hatte er aber einen Anspruch hierauf gehabt und verzichtet er auf die Erstattung, z.B. um - wie hier - eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nimmt dies den Aufwendungen grundsätzlich den Charakter der Zwangsläufigkeit. Können sich Steuerpflichtige durch Rückgriff gegen ihre Versicherung ganz oder teilweise schadlos halten, ist eine Abwälzung der Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt (vgl. hierzu auch: Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 26. August 2004, VI 167/02, EFG 2005, 444, m.w.N.). Eine Ausnahme hiervon ist nur dann geboten, wenn der Verzicht auf den Erstattungsanspruch selbst zwangsläufig oder die Geltendmachung des Erstattungsanspruches dem Steuerpflichtigen nicht zumutbar ist (Heger in Blümich, EStG, 112. Aufl., § 33 Rz. 102, m.w.N.).



Nach diesen Maßstäben ist der Abzug der im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nicht möglich. Da die Antragsteller die den Kosten zu Grunde liegenden Rechnungen nicht bei ihrer Krankenversicherung eingereicht haben, steht nicht fest, welche Beträge letztlich noch von ihnen zu tragen gewesen wären, d.h. welche Beträge bei ihnen zu einer verbleibenden wirtschaftlichen Belastung geführt hätten. Der Verzicht auf die Geltendmachung des Erstattungsanspruches gegenüber der Krankenkasse ist vorliegend schädlich, da Gründe, die den Verzicht selbst als zwangsläufig oder die Geltendmachung des Erstattungsanspruches als unzumutbar erscheinen lassen könnten, nicht zu erkennen sind. Es mag zwar sein, dass sich eine Beitragsrückerstattung finanziell für die Antragsteller rechnet, d.h. dass der Verzicht auf Ersatzleistungen auf einer wirtschaftlich vernünftigen Überlegung beruht. Dies allein vermag jedoch weder zu einer Zwangsläufigkeit des Verzichtes im Sinne eines Sich-nicht-entziehen-Könnens noch eine Unzumutbarkeit im o.g. Sinne herbeizuführen. Wollte man aus jeglichem finanziellen/wirtschaftlichen etc. Vorteil, der sich aus einem Verzicht der Geltendmachung eines Ersatzanspruches ergibt, die Unzumutbarkeit der Geltendmachung ableiten, so führte dies zu einer vom Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 33 EStG nicht gedeckten und gemessen an dem oben dargestellten Regelungszweck dieser Vorschrift unzulässigen Ausdehnung ihres Anwendungsbereiches.



Dem steht auch nicht entgegen, dass nach herrschender Meinung Krankheitskosten dann als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, wenn gar kein Versicherungsschutz bestand und es hierfür auch keine gesetzliche Verpflichtung gab oder soweit ein Selbstbehalt vereinbart wurde. Für die Frage, ob der Anwendungsbereich des § 33 EStG betroffen ist, ist stets, auch betreffend den Aspekt der Zwangsläufigkeit einer Aufwendung, eine Wertung unter Angemessenheitsgesichtspunkten vorzunehmen, die sich an den sich ändernden sozialen und gesellschaftlichen Verhältnissen zu orientieren hat. Besteht keine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer bestimmten Versicherung, so wird das Unterlassen des Abschlusses, jedenfalls soweit es nicht um Schäden an Vermögensgegenständen geht, nach überwiegender Auffassung (noch) als sozial adäquat beurteilt. Dies gilt - erst recht - für den Fall der Vereinbarung eines Selbstbehaltes. Anders verhält es sich jedoch dann, wenn eine Versicherung tatsächlich besteht, deren Leistungen auch abgerufen werden können, dies jedoch aus wirtschaftlichen Überlegungen des Steuerpflichtigen heraus tatsächlich nicht geschieht. Mit anderen Worten: Der Abschluss einer gesetzlich freigestellten Versicherung kann nicht verlangt werden, wohl aber die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber einer bestehenden Versicherung.

Hinzu kommt, dass der Wortlaut des § 33 EStG nur Aufwendungen umfasst, denen sich der Steuerpflichtige nach dem von ihm verwirklichten konkreten Lebenssachverhalt nicht entziehen kann. In die Betrachtung nicht einzubeziehen sind mögliche, hypothetische Lebenssachverhalte, d.h. solche, wie sie der Steuerpflichtige hätte verwirklichen können (hier: das Unterlassen einer Versicherung), die er jedoch tatsächlich nicht verwirklicht hat.



Die Antragsteller können auch nicht damit gehört werden, dass die Beitragsrückerstattung an anderer Stelle, nämlich bei den Sonderausgaben, zu einer Schlechterstellung führte, so dass bei Nichtberücksichtigung der Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen eine Doppelbelastung einträte. Bei der Frage, ob die streitbefangenen Aufwendungen unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastungen zu subsumieren sind, handelt es sich um eine rein rechtliche Untersuchung, bei der Betrachtungen, ob und - falls ja - wie sich bestimmte Vorgänge (die Beitragsrückerstattung), die mit den Aufwendungen in Zusammenhang stehen, im Rahmen anderer steuerlicher Vorschriften (hier: § 10 EStG) auswirken, ohne Bedeutung sind. Außen vor zu bleiben haben in diesem Zusammenhang auch Überlegungen, welche steuerlichen Auswirkungen sich hieraus im konkreten Einzelfall insgesamt ergeben. Die Einordnung unter eine Norm kann nicht von steuerlichen oder gar insgesamt von ihren finanziellen Auswirkungen abhängig sein. Eine solche Abhängigkeit führte zu willkürlichen Ergebnissen.



Die Antragsteller gehen schließlich auch fehl in der Annahme, für die von ihnen vertretene Rechtsauffassung etwas aus dem Gesetzesentwurf lt. Bundestagsdrucksache 17/5125 ableiten zu können. Abgesehen davon, dass dieser Entwurf, wie bereits vom Finanzamt eingewendet, nicht Gesetz geworden ist, bezieht sich die von den Antragstellern sinngemäß zitierte Passage lediglich darauf, wie Sonderausgaben-Erstattungsbeträge zu behandeln sind. Keinesfalls kommt darin zum Ausdruck, dass Erstattungsüberhänge, die nicht unter eine der in § 2 Abs. 1 EStG abschließend aufgezählten Einkunftsarten fallen, als Einkünfte anzusehen sein könnten. Im Übrigen betrifft die von den Antragstellern herangezogene Formulierung im Gesetzesentwurf lediglich die Kirchensteuer.



Hinsichtlich der im Laufe des Einspruchsverfahrens noch geltend gemachten Haftpflichtversicherungsbeiträge wird auf die Ausführungen des Finanzamtes in seinem Schreiben an die Antragsteller vom 1. August 2011 Bezug genommen.



Vor dem Hintergrund der oben gemachten Ausführungen kann die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur zumutbaren Belastung dahingestellt bleiben.



Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.







Rechtsmittelbelehrung

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 3 FGO).