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19.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122197

Hessisches Landessozialgericht: Urteil vom 07.05.2012 – L 9 U 211/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. August 2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Meniskuserkrankung des Klägers als Berufskrankheit (BK) anzuerkennen ist.
Der 1965 geborene Kläger ist seit Juli 1993 bei einem privaten Müllentsorgungsunternehmen als Müllwerker bzw. Mülllader beschäftigt. Am 4. Juli 2005 erlitt er während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ein Verdrehtrauma im rechten Kniegelenk. Anschließend wurde bei ihm im Rahmen einer kernspintomographischen Untersuchung eine Innen- und Außenmeniskusläsion festgestellt. Am 11. Juli 2005 erfolgte eine Arthroskopie des Kniegelenks, welche den Befund einer ausgeprägten degenerativen Meniskopathie ergab. Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 lehnte die Beklagte die Erbringung von Leistungen wegen des Unfalls über den 10. Juli 2005 hinaus ab, da im Rahmen der am Folgetag durchgeführten Arthroskopie ausschließlich unfallunabhängige Erkrankungen des rechten Kniegelenkes festgestellt worden seien. Hiergegen erhob der Kläger durch seine Bevollmächtigte Widerspruch und führte dabei u.a. aus, die Veränderungen in seinem Knie seien auf seine langjährige berufliche Tätigkeit zurückzuführen, so dass eine BK festzustellen sei.
Daraufhin leitete die Beklagte ein entsprechendes Feststellungsverfahren bezüglich der in Betracht kommenden BK nach der Nr. 2102 (BK 2102) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ein. Nach Beiziehung zahlreicher medizinischer Unterlagen, des Vorerkrankungsverzeichnisses der Krankenkasse des Klägers, einer Stellungnahme des Arbeitgebers des Klägers sowie einer Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 18. Oktober 2006, lehnte sie mit Bescheid vom 10. Januar 2007 die Anerkennung einer BK 2102 ab, da es bereits an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Entstehen dieser BK fehle. Entsprechenden Belastungen sei der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Mülllader nicht ausgesetzt gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 16. Januar 2007 Widerspruch, den er damit begründete, die Tätigkeit als Müllwerker seit 13 Jahren teilweise über 10 Stunden am Tag unter erheblichem Zeitdruck ausgeübt zu haben. Dies sei mit erheblichen Bewegungsbeanspruchungen in Form von häufigem Hoch- und Runterspringen vom Müllwagen und viel Laufen und Aufladen der Säcke auf den Müllwagen mit Drehbewegung der Kniegelenke verbunden gewesen. Diese Tätigkeit sei durchaus geeignet, die Kniegelenke überdurchschnittlich zu belasten.
Die Beklagte holte hierzu eine weitere Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 16. Februar 2007 ein. Danach seien die Bewegungsabläufe eines Müllwerkers hinsichtlich der auftretenden Meniskusbelastungen nicht mit denen eines Bergmanns, Fußballspielers oder Rangierers vergleichbar.
Nachfolgend wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Juli 2007 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben.
Auf Anforderung des Sozialgerichts hat die Beklagte eine erneute Stellungnahme ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 21. September 2007 vorgelegt. Danach könnten die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 anerkannt werden bei: &61485; Berufsfußballspielern aufgrund häufiger Knick-, Dreh- und Scherbewegungen durch das schnelle Abbremsen auf dem Rasen mit Stollenschulen, durch plötzliches Abknicken bei Richtungsänderungen und durch "Pressschläge", &61485; Handballspielern durch häufige Knick-, Dreh- und Scherbewegungen sowie das schnelle Abbremsen auf dem Hallenboden mit rutschfesten Schuhen verbunden mit abrupter Laufrichtungsänderung sowie &61485; Rangierern durch häufige Knick-, Dreh- und Scherbewegungen beim Abspringen von fahrenden Eisenbahnwaggons auf unebenem Schotteruntergrund. Hiermit sei die Belastung eines Müllladers nicht vergleichbar, dessen Tätigkeit mit dem Abspringen vom Tritt des noch fahrenden Müllwagens, dem Laufen vom und zum Müllwagen sowie dem Laden von Säcken mit einer Drehbewegung verbunden sei. Dementsprechend werde der Beruf des Müllladers auch in keiner Publikation zur BK 2102 erwähnt. Im Ergebnis sei der Kläger während seiner Zeit als Mülllader keiner gefährdenden Belastung im Sinne der BK 2102 ausgesetzt gewesen.
Das Sozialgericht hat ein orthopädisches Gutachten eingeholt, das am 17. Mai 2007 von dem Oberarzt der orthopädischen Universitätsklinik NU. Dr. C. erstattet worden ist. Dieser ist darin zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger die medizinischen Anerkennungsvoraussetzungen einer BK 2102 vorliegen. Hierzu bedürfe es einer zeitlichen Linksverschiebung von kontinuierlich und invasiv behandlungsbedürftigen Meniskussymptomen vor dem 50. Lebensjahr sowie dem Ausschluss berufsunabhängiger weiterer Risikofaktoren. Letztere seien bei dem Kläger nicht feststellbar, so dass aus medizinischer Sicht von der beruflichen Verursachung der Meniskuserkrankung des Klägers ausgegangen werden könne. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des degenerativen Meniskusschadens des Klägers sei mit 10 vom Hundert zu bewerten, da lediglich eine Minderung der Kniegelenksbelastbarkeit für das Hocken und Knien sowie das langdauernde Stehen und Gehen auf unebenem Untergrund festzustellen sei, dagegen keine Zeichen einer chronischen oder akuten Kniegelenksschwellung, manifesten Kniegelenksinstabilität oder signifikanten Bewegungsstörungen.
Die Beklagte hat hierzu eine gutachterliche Stellungnahme des Unfallchirurgen EF vom 12. Januar 2009 vorgelegt. Darin vertritt dieser die Ansicht, die Tätigkeit des Müllwerkers sei hinsichtlich der Kniebelastung insbesondere nicht mit der eines Rangierers vergleichbar, da das Abspringen von dem Fahrzeug aus geringerer Höhe und regelmäßig nicht auf unbefestigtes Gelände oder Schotter, sondern auf glatte Flächen erfolge. Darüber hinaus nehme der Müllwerker keine Zwangshaltungen ein, die mit extremer Kniebeuge und gleichzeitig einwirkenden Dreh- und Scherkräften, z.B. durch zusätzliche erhebliche Gewichtsbelastung, verbunden seien. Das Krankheitsbild selbst sei hingegen nicht belastungsspezifisch, so dass man am Meniskusschaden nicht erkennen könne, ob jemand gefährdend tätig gewesen sei.
Mit Urteil vom 13. August 2009 hat das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2007 aufgehoben und festgestellt, dass die Meniskuserkrankung des Klägers Folge einer BK 2102 sei. Die versicherte Tätigkeit des Klägers habe über einen Zeitraum von 12 Jahren und damit mehrjährig zu einer häufig wiederkehrenden und überdurchschnittlichen dynamischen Belastung seiner Kniegelenke geführt und erfülle damit die arbeitstechnischen Voraussetzungen des Tatbestandes der BK 2102. Aufgrund der lebensnahen und glaubhaften Angaben des Klägers im Rahmen der Schilderung seiner täglichen Arbeit sei davon auszugehen, dass dessen Tätigkeit im Wesentlichen durch ständiges Aufspringen auf den Müllwagen und Herabspringen vom Müllwagen sowohl auf ebenen als auch auf unebenen Untergrund, mit oft gleichzeitiger Drehbewegung des Körpers gekennzeichnet gewesen sei. Bei einer täglichen Arbeitszeit von mindestens 8 Stunden bestünden keine Zweifel an dem Vorliegen einer häufig wiederkehrenden und überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke. Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2102 müsse bei bestimmten Berufen von einer überdurchschnittlichen Belastung der Kniegelenke ausgegangen werden, z.B. im Bergbau unter Tage, ferner bei Ofenmaurern, Fliesen- oder Parkettlegern, Rangierarbeitern, Berufssportlern und bei Tätigkeiten unter besonders beengten Raumverhältnissen. Hierbei handele es lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. Folglich stehe einer Berücksichtigung des Müllwerkers bzw. Müllladers nicht entgegen, dass er im Merkblatt bei den genannten Berufen nicht explizit aufgeführt sei. Entscheidend sei vielmehr, dass die Belastung des Klägers der eines Rangierarbeiters, teilweise auch eines Berufssportlers durchaus gleichgestellt werden könne. Insoweit könne die gegenteilige Auffassung der Beklagten, z. T. gestützt auf die Ausführungen ihres technischen Aufsichtsdienstes sowie des Unfallchirurgen EF nicht überzeugen. So könne schon rein tatsächlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Müllwerker bzw. Mülllader beim Herabspringen vom Müllwagen stets auf ebenen Untergrund auftreffe. Die Wirklichkeit bei der Betrachtung der heutigen Straßensituation sehe vielmehr so aus, dass der Straßenbelag oftmals abgenutzt und somit ausbesserungsbedürftig oder nur mit Schotter oder unebenem Kopfsteinpflaster versehen sei. Umgekehrt sei es auch nicht uneingeschränkt zutreffend, dass ein Rangierarbeiter bei seiner täglichen Arbeit ausschließlich und stets auf ein grob unebenes Gleisbett springen müsse, wie sich bereits den unterschiedlichen Tätigkeitsbeschreibungen des Rangierers als "Langmacher", "Hemmschuhleger" und "Lokbegleiter" in der Stellungnahme von Herrn EF entnehmen lasse. Weiterhin seien auch die medizinischen Voraussetzungen der BK 2102 erfüllt. Die versicherte Tätigkeit habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine primäre Meniskopathie verursacht. Diese sei gekennzeichnet durch eine weitgehende Veränderung der geweblichen Struktur im Sinne tiefgreifender degenerativer Umbauprozesse. Es handele sich also um einen vorzeitigen Verschleiß im Bereich des Meniskusgewebes mit einer Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit des gesamten Meniskussystems. Dies ergebe sich zweifelsfrei aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Dr. C ... Dieser habe sich insbesondere mit möglichen Konkurrenzursachen für die Meniskusschäden befasst und unter Würdigung der bildgebenden Befunde überzeugend ausgeführt, dass andere nichtberufliche Ursachen für die vorliegende Meniskopathie nicht in Betracht kämen.
Gegen das ihr am 3. September 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. September 2009 Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht erhoben.
Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte weitere Stellungnahmen ihres technischen Aufsichtsdienstes vom 4. November 2009 und 14. Dezember 2009 vorgelegt. Danach sei es nicht zutreffend, dass die Tätigkeit von Müllladern durch das häufige Herunter- und Hinaufspringen vom bzw. zum Trittbrett des fahrenden Müllfahrzeuges geprägt sei. Tatsächlich sei das Aufsteigen in der Regel mit dem Festhalten an einem Griff und dem Besteigen der Trittstufe, vergleichbar mit dem Besteigen einer Leiter, verbunden. Entsprechend erfolge das Absteigen ebenso einfach wie das Herabsteigen von einer Leiter bzw. Treppenstufe. Auch beim Aufnehmen von Müll seien die Mülllader keinen gefährdenden Meniskusbelastungen ausgesetzt, da diese Tätigkeiten nicht mit Dauerzwangshaltungen der Knie verbunden seien. Zudem sei es statistisch nicht belegt, dass bei Beschäftigten im Müllabfuhrgewerbe eine höhere Zahl an Meniskuserkrankungen auftrete.
Das Gericht hat eine Stellungnahme des Sachverständigen Dr. C. zu dem Vorbringen der Beteiligten im Anschluss an die Erstattung des Gutachtens eingeholt. In seinen Ausführungen vom 10. September 2010 hat dieser nochmals betont, dass bei der Untersuchung des Klägers aus medizinischer Sicht keine außerberuflichen konkurrierenden Ursachenfaktoren für die festgestellte Meniskopathie erkennbar gewesen seien. Für die Anerkennung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 bei den Berufsgruppen der Rangierer und Profifußballspieler seien die dort auftretenden Dreh- und Scherkräfte auf das Meniskusgewebe sowie ein axialer Stoß der kinetischen Energie bei der Findung des Körpergleichgewichts auf unsicherem Untergrund die maßgeblichen Faktoren.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 nach den umfassenden Prüfungen ihres technischen Aufsichtsdienstes nicht erfüllt seien, so dass es nicht auf das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen ankomme.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht sich durch die Ausführungen des Sozialgerichts Darmstadt in dem angefochtenen Urteil bestätigt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), in der Sache allerdings nicht begründet.
Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Dabei ist das Sozialgericht zunächst zutreffend von der zulässigen Klageart einer isolierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54, 55 Abs.1 Nr.1 SGG (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 22. Juni 2004, Az.: B 2 U 22/03 R), gerichtet auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 10. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2007 und Feststellung des Vorliegens der BK 2102 ausgegangen.
Zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen für die Anerkennung der Meniskuserkrankung als BK nach § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Verbindung mit Nr. 2102 der Anlage zur BKV nachgewiesen.
BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind und denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die streitgegenständliche BK 2102 erfasst Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.
Für die Anerkennung einer BK muss die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen müssen weiterhin die betreffende Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit, Verrichtung, Einwirkungen und Krankheit müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt dagegen die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, Az. B 2 U 20/04 R). "Wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens und Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem schädigenden Ereignis, den Befunden und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie der gesamten Krankengeschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Abweichend von einem Arbeitsunfall mit seinem zeitlich begrenzten Ereignis, das oftmals relativ eindeutig die allein wesentliche Ursache für einen als Unfallfolge geltend gemachten Gesundheitsschaden ist, ist die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs bei BKen in der Regel schwieriger. Denn angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler Erkrankungen, der Länge der zu berücksichtigenden Zeiträume und des Fehlens eines typischerweise durch berufliche Einwirkung verursachten Krankheitsbildes bei vielen BKen stellt sich letztlich oft nur die Frage nach einer wesentlichen Mitverursachung der Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, Az. B 2 U 7/05 R).
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze liegen bei dem Kläger zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für die Anerkennung der Meniskuserkrankung als BK 2102 vor. Entgegen der Ansicht der Beklagten mangelt es hierbei insbesondere auch nicht an den arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2102. Dabei muss der Versicherte bezüglich der gefährdenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit einer deutlich höheren Belastungsdosis als die Gesamtbevölkerung ausgesetzt gewesen sein (vgl. § 9 Abs. 1 SGB VII). Der Kläger war im Rahmen der gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bei der Beklagten versicherten Tätigkeit als Müllwerker in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung Belastungen der Kniegelenke ausgesetzt, die geeignet sind, Meniskusschäden zu verursachen. Eine solche überdurchschnittliche Belastung der Kniegelenke ist nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur BK 2102 (Bek. des BMA, BArbBl. 2/1999 S. 135) biomechanisch gebunden an eine a) Dauerzwangshaltung, insbesondere bei Belastungen durch Hocken oder Knien bei gleichzeitiger Kraftaufwendung oder b) häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchung, insbesondere Laufen oder Springen mit häufigen Knick-, Scher- oder Drehbewegungen auf grob unebener Unterlage. Unter diesen Umständen werden die halbmondförmigen, auf den Schienbeinkopfgelenkflächen nur wenig verschiebbaren Knorpelscheiben, insbesondere der Innenmeniskus, in verstärktem Maße belastet. Dadurch können allmählich Deformierungen, Ernährungsstörungen des bradytrophen Gewebes sowie degenerative Veränderungen mit Einbuße an Elastizität und Gleitfähigkeit der Menisken entstehen. Die berufsbedingte chronische Meniskopathie tritt früher auf als in der beruflich nicht belasteten Bevölkerung.
Als kniebelastende Tätigkeiten im Sinne der vorstehend unter b) genannten Variante zählen dabei häufig wiederkehrende erhebliche Bewegungsbeanspruchungen im Hochleistungssport oder bei sportähnlichen Tätigkeiten mit reflektorisch unkoordinierten Bewegungsabläufen, wie sie z.B. von Fußball-, Handball- oder Basketballspielern, Sport- und Skilehrern oder Bergführern ausgeführt werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Nr. 8.10.5.5.2.1, S. 634 f.). Hierzu hat der Sachverständige Dr. C. ausgeführt, dass für die Anerkennung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2102 bei den Berufsgruppen der Rangierer und Profifußballspieler die dort auftretenden Dreh- und Scherkräfte auf das Meniskusgewebe sowie ein axialer Stoß der kinetischen Energie bei der Findung des Körpergleichgewichts auf unsicherem Untergrund die maßgeblichen Faktoren seien.
Für den Senat bestehen keine Bedenken, dass die Tätigkeit des Klägers als Mülllader sowohl Elemente der spezifischen Kniebelastung eines der genannten Profi- bzw. Hochleistungssportler, als auch Elemente der spezifischen Kniebelastung eines Rangierers mit sich bringt und insgesamt mit einer vergleichbaren Belastungssituation für die Kniegelenke verbunden ist. Vom technischen Aufsichtsdienst der Beklagten wurde unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers ausgeführt, dass dessen Tätigkeit mit dem Abspringen vom Tritt des noch fahrenden Müllwagens, dem Laufen vom und zum Müllwagen sowie dem Laden von Säcken mit einer Drehbewegung verbunden sei. Mit dem Beruf des Rangierers ist der des Müllladers folglich insoweit vergleichbar, als auch hier häufige Sprungbewegungen auf bzw. von dem Trittbrett des Fahrzeugs zu verzeichnen sind. Dabei kann nach den Ausführungen des technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Sprunghöhe bei Rangierern regelmäßig höher und der Untergrund stärker von Unebenheiten geprägt ist, als dies bei der Bedienung der Müllfahrzeuge durch die Mülllader der Fall ist. Ebenso wie das Sozialgericht ist allerdings auch der Senat der Überzeugung, dass auch der Straßen- bzw. Gehwegbelag oftmals nicht frei von Unebenheiten ist, wobei hier neben häufig anzutreffenden Straßenschäden auch der Randstreifen, die Bordsteinkante sowie Straßenschachtabdeckungen als weitere mögliche "Stolperfallen" zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus bestehen für den Senat keine Zweifel, dass bei Müllladern die Sprungbewegungen im Zusammenhang mit der Bedienung der Müllfahrzeuge insgesamt in weitaus höherer Frequenz vorkommen, als dies bei der Vergleichsgruppe der Rangierer der Fall ist. Aufgrund der im Regelfall sehr kurzen Fahrtstrecken der Müllfahrzeuge zwischen den einzelnen Beladevorgängen kommt es hier zweifelsfrei zu sehr viel häufigeren Auf- und Absprungbewegungen vom bzw. zum Trittbrett, als dies im üblichen Berufsalltag von Rangierern der Fall ist. Im Gegensatz zur Belastungssituation von Rangierern ist die Tätigkeit der Müllwerker bzw. Mülllader zusätzlich noch von schnellen, unregelmäßigen Lauf- und Drehbewegungen beim Verbringen der Mülltonnen oder -säcke zum bzw. vom Müllfahrzeug sowie beim Aufnehmen von Sperrmüll geprägt, die durchaus mit den Bewegungsabläufen der im Merkblatt zur BK 2102 genannten Sportler vergleichbar sind. Aus eigener Anschauung ist dem Senat bekannt, dass sich diese Bewegungen sehr häufig in großer Eile hinter dem vorausfahrenden Müllwagen vollziehen. Unter Berücksichtigung der täglichen Arbeitszeiten von Müllwerkern, welche die üblichen Trainingszeiten der vorstehend genannten Profi-Sportler bei weitem überschreiten sowie der Zeitdauer der Beschäftigung des Klägers bis zum Auftreten der Meniskopathie, welche die übliche Lebensarbeitszeit von Profi-Sportlern ebenfalls deutlich übersteigt, vermag der Senat auch im Vergleich zu dieser Berufsgruppe keine signifikant geringere Belastungssituation im Hinblick auf die Beanspruchung der Kniegelenke zu erkennen. Die vom technischen Aufsichtsdienst der Beklagten beschriebene Gleichsetzung der Bewegungsabläufe von Müllladern mit dem Absteigen von Treppen oder Leitern vermag der Senat aufgrund eigener Anschauung der mit der Müllabfuhr verbundenen Arbeitsabläufe hingegen nicht nachzuvollziehen. Hierbei ist regelmäßig zu beobachten, dass die Mülllader ihre Arbeit unter großem Zeitdruck mit schnellen Sprung- und Laufbewegungen hinter dem permanent vorausfahrenden Müllfahrzeug verrichten. Das vom technischen Aufsichtsdienst beschriebene kontrollierte Auf- und Absteigen zum bzw. vom Trittbrett vergleichbar der Nutzung einer Leiter oder Treppe dürfte damit allenfalls bestehenden Arbeitsschutzbestimmungen entsprechen, wird der Lebenswirklichkeit des Arbeitsalltags eines Müllladers allerdings nicht gerecht.
Insgesamt sind damit zur Überzeugung des Senats bei dem Kläger infolge dessen 12 jähriger Tätigkeit als Müllwerker bzw. Mülllader die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2101 erfüllt. Weiterhin bestehen angesichts der nachvollziehbaren und auch von der Beklagten nicht in Frage gestellten Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. keine Zweifel, dass die beim Kläger in Form einer primären Meniskopathie bestehenden Knieschäden die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2101 erfüllen und aufgrund des Fehlens von Hinweisen für konkurrierende außerberufliche Ursachen sowie der vorliegenden deutlichen zeitlichen Linksverschiebung von kontinuierlich und invasiv behandlungsbedürftigen Meniskussymptomen vor dem 50. Lebensjahr des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlich auf dessen berufliche Belastung zurückzuführen sind. Da nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. und der beratungsärztlichen Stellungnahme von Herrn EF grundsätzlich kein belastungsspezifisches Schadensbild einer beruflich erworbenen primären Meniskopathie von anderen Ursache abgrenzbar ist, bestehen insgesamt auch auf medizinischem Gebiet keine Zweifel, dass die Meniskuserkrankung des Klägers wesentlich auf dessen Belastung durch seine Tätigkeit als Mülllader zurückzuführen ist.
Im Ergebnis liegen damit zur Überzeugung des Senats sämtliche Voraussetzungen einer BK 2102 vor, so dass die entsprechende Feststellung des Sozialgerichts Darmstadt in dem angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden ist. Die Ablehnung der Gewährung hieraus resultierender Rentenleistungen wurde seitens des Klägers nicht mit der Berufung angefochten, so dass sich insoweit Ausführungen an dieser Stelle erübrigen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Nichtzulassung der Revision ergibt sich aus § 160 SGG, weil die dortigen Voraussetzungen nicht vorlagen.

RechtsgebietUnfallversicherung