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22.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131593

Finanzgericht Münster: Urteil vom 13.03.2013 – 12 K 3812/10 E

1) Im Rahmen eines flexiblen Altersteilzeitmodells erfolgte Wertgutschriften auf einem Zeitwertkonto führen auch dann (noch) nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber zur Sicherung des Anspruchs auf einem Depotkonto Einzahlungen vornimmt.

2) Die Beurteilung gilt gleichermaßen für minderheitsbeteiligte und beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer.


FG Münster
v. 13.03.2013

12 K 3812 / 10 E

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anrufungsauskunft gemäß § 42 e EStG.

Die Klägerin (Klin) ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand insbesondere die Vermittlung von Finanzierungen, Versicherungen, Immobilien, Kapitalanlagen und Arbeit ist. Alleingesellschafter und einer der Geschäftsführer ist Herr E 1.

Durch Schreiben vom 11. und 30.09.2009 teilte die GmbH dem Beklagten (Bekl) mit, sie möchte ihren Mitarbeitern einschließlich den organschaftlichen Vertretern, den befristet beschäftigten Arbeitnehmern und angestellten beherrschenden Anteilseignern die Einrichtung eines flexiblen Arbeitszeitmodells anbieten. Es sollten Arbeitszeitkonten geführt werden. Die Einführung der flexiblen Arbeitszeiten solle auf freiwilliger Basis geschehen. Im Einzelfall sollten die Mitarbeiter frei über die Teilnahme an diesem Modell entscheiden können. Mit interessierten Mitarbeitern solle eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeits- bzw. Anstellungsvertrag und ein Treuhandvertrag geschlossen werden. Wegen deren Wortlaut wird auf die Anlagen zum Schreiben vom 11.09.2008 verwiesen.

Für die Dauer der Vereinbarung verzichte der Arbeitnehmer auf einen frei bestimmbaren Teil seines Gehaltes bei gleichbleibender Arbeitszeit. Die Mehrarbeitszeit werde auf einem Arbeitszeitkonto erfasst und dem Arbeitnehmer gutgeschrieben.

In einer zweiten Phase beanspruche der Arbeitnehmer sein Zeitwert-Guthaben und werde unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeitsleistung freigestellt. Im Maße der während der Freistellung gezahlten Bruttobezüge vermindere sich sein Zeitwertkonto entsprechend. Zur Absicherung des Arbeitnehmers verpflichte sich der Arbeitgeber, in Höhe des für den Arbeitnehmer geführten Zeitwertkontos in eigenem Namen und für eigene Rechnung bei einer Kapitalanlagegesellschaft ein Vermögensverwaltungsdepot zu führen. Eine Garantie des Arbeitgebers und/oder des Anlageinstituts für die in das Zeitwertkonto des einzelnen Arbeitnehmers eingestellten Beträge, die etwa vorsehe, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens ein Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Arbeitslohn-Beträge gewährleistet sei, erfolge nicht.

Die Klin beantragte mit Schreiben vom 11.09.2008 die Erteilung einer verbindlichen Auskunft mit folgendem Inhalt:

„Gutschriften auf den bei der NAME GmbH (Arbeitgeber) für deren Arbeitnehmer im Rahmen des geplanten Arbeitszeitkontenmodells geführten Zeitwertkonten stellen keinen Zufluss von Arbeitslohn dar.

Ein Zufluss von Arbeitslohn entsteht auch dann nicht, wenn die Zeitwertgutschriften auf Wertsteigerungen des vom Arbeitgeber geführten Depotkontos beruhen.

Ein Zufluss liegt darüber hinaus auch nicht vor, wenn von den Anlageerträgen Gebühren einbehalten werden, die originär der Arbeitnehmer schuldet, und diesem Einbehalt eine Minderung des Zeitwertkontos gegenübersteht.”

Der Bekl beantwortete die Fragen mit Schreiben vom 13.07.2009 wie folgt:

„weder die Vereinbarung eines Zeitwertkontos noch die Wertgutschrift auf diesem Konto führen zum Zufluss von Arbeitslohn, erst die Auszahlung des Guthabens während der Freistellung löst Zufluss von Arbeitslohn und damit eine Besteuerung aus;

wird das Guthaben des Zeitwertkontos verzinst (Wertsteigerung), sind auch hier erst die tatsächlichen Auszahlungen an den Arbeitnehmer als Arbeitslohn zu versteuern;

eine Minderung des Zweitwertkontos durch Gebühren, die dem Arbeitgeber durch die Einschaltung eines fremden Dritten entstehen, führen nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn für den Arbeitnehmer;

bei einem beherrschenden Geschäftsführer einer GmbH werden Zeitwertkonten steuerlich nicht anerkannt, da sie mit dem Aufgabenbild des Organs einer Körperschaft nicht vereinbar sind. Infolgedessen führt bereits die Gutschrift des künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn; die allgemeinen Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung bleiben unberührt.

Durch Schreiben vom 30.09.2008 beantragte die Klin die Erteilung einer verbindlichen Auskunft folgenden Inhalts:

„Gutschriften auf den bei der E GmbH (Arbeitgeber) für deren Arbeitnehmer im Rahmen des Zeitwertkonten-Modells des Arbeitgebers geführten Zeitwertkonten stellen keinen Zufluss von Arbeitslohn dar. Dies gilt auch zu Arbeitnehmern,

die zum Organ des Arbeitgebers bestellt sind,

die befristet beschäftigt sind und

die etwa beherrschende Anteilseigner des Arbeitgebers sind.

Ein Zufluss von Arbeitslohn entsteht auch dann nicht, wenn keine Garantie des Arbeitgebers und/oder eines Anlageinstituts für die in das Zeitwertkonto des einzelnen Arbeitnehmers eingestellten Beträge vorliegt, mit der sichergestellt ist, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme des Guthabens mindestens ein Rückfluss der dem Zeitwertkonto zugeführten Arbeitslohn-Beträge (Bruttoarbeitslohn im steuerlichen Sinne ohne den Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag) gewährleistet ist.

Diese Auskunft gilt für alle Arbeitnehmer der E GmbH.”

Zur Begründung trug sie vor, im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zeitwertkonto erfolge kein wirtschaftlicher Zufluss von Arbeitslohn. Der Arbeitnehmer könne über die gutgeschriebenen Beträge tatsächlich nicht verfügen. Das gelte für Zeitwertgutschriften bei Gehalts- bzw. Urlaubsverzicht und für Erträge und Wertsteigerungen des Depotkontos. Die Ansprüche der Arbeitnehmer beschränkten sich auf eine Freistellung unter Weiterzahlung der laufenden Bezüge. Eine Auszahlung von Barmitteln aus dem in Geldeinheiten geführten Zeitwertkonto sei von den Vertragsparteien nicht vereinbart und auch nicht gewollt. Der Arbeitnehmer könne nur dann die Auszahlung eines Geldbetrages verlangen, wenn eine Fortführung des Arbeitszeitkontenmodells bzw. die Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge nicht mehr möglich sei.

Das Depotkonto werde im Namen und für Rechnung des Arbeitgebers geführt. Aus Sicht des Arbeitnehmers diene dieses Konto ausschließlich der Besicherung seiner Ansprüche gegen den Arbeitgeber im Fall der Zahlungsunfähigkeit. Selbst wenn das Zeitwertguthaben in einen Barauszahlungsanspruch umgewandelt werde, habe der Arbeitnehmer keinen direkten Anspruch auf Auszahlung des Guthabens aus dem Depotkonto, sondern einen originären Anspruch auf Geldzahlung aus dem Arbeitsvertrag, der sich gegen den Arbeitgeber richte.

Wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Depotkonto werde auch nicht dadurch erlangt, dass der Arbeitnehmer die Anlageentscheidung des Arbeitgebers hinsichtlich des Depotkontos beeinflusse, wenn er aus vier vorgegebenen Möglichkeiten eine Anlageklasse wähle. Hierbei handele es sich nicht um eine Wahlmöglichkeit im Sinne des BFH-Urteils vom 14.05.1982 . Dort werde unter „Wahlmöglichkeit” lediglich die grundsätzliche Möglichkeit verstanden, die Beträge im Unternehmen des Arbeitgebers zu belassen oder in den eigenen Einflussbereich zu überführen. Die Kündigungs- und Aussetzungsmöglichkeit sei unschädlich. Entscheidend sei, dass selbst in diesem Fall die Zeitgutschriften nicht in Barlohn umgewandelt würden, sondern ausschließlich im Sinne der Vereinbarung, also über eine Reduzierung der Arbeitszeit, verwendet werden könnten (§ 2 Abs. 2 Ergänzungsvertrag). Wertsteigerungen aufgrund einer erfolgreichen Anlageentscheidung kämen dem Arbeitnehmer nur nach Maßgabe der Ergänzungsvereinbarung als Zeitwertguthaben und damit als bezahlte Freizeit zugute.

Entgegen der Regelung im BMF-Schreiben vom 17.06.2009 (IV C 5 – S 2332/07/004) müssten die organschaftlichen Vertreter und die als Arbeitnehmer beschäftigten beherrschenden Anteilseigner den anderen Arbeitnehmern entsprechend behandelt werden. Sie zählten ebenfalls zum Kreis der Arbeitnehmer im Sinne von § 1 LStDV. Diese Vorschrift sehe keine differenzierte Behandlung vor. Eine unterschiedliche Behandlung widerspreche dem Gleichheitssatz. Es gebe keinen sachlichen Grund für eine differenzierte Behandlung.

Soweit Arbeitnehmer ausgeschlossen würden, die gleichzeitig als Organ einer Körperschaft bestellt oder beherrschende Gesellschafter der Körperschaft seien, gebe es dafür keine sachliche Begründung. Sie könne nicht aus der bloßen Behauptung abgeleitet werden, dass Wertguthabenvereinbarungen mit dem Aufgabenbild dieser Arbeitnehmer unvereinbar seien. Grundsätzlich sei es bei keinem Arbeitsverhältnis „üblich”, in Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht werde, Arbeitslohn zu zahlen. Gerade dies solle aber durch die Nutzung von Zeitwertkonten-Modellen ermöglicht werden.

Durch Schreiben vom 30. 10 .2009 erteilte der Bekl unter Hinweis auf das BMFSchreiben vom 17.06.2009 – IV C 5-S 2332/07/004 die Auskunft, ein Zeitwertkonto könne für alle Arbeitnehmer (§ 1 LStDV) einschließlich der Arbeitnehmer mit einer geringfügig entlohnten Beschäftigung im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses eingerichtet werden. Besonderheiten würden bei befristeten Dienstverhältnissen und bei Arbeitnehmern gelten, die gleichzeitig Organ einer Körperschaft seien.

Bei befristeten Dienstverhältnissen würden Zeitwertkonten steuerlich nur dann anerkannt, wenn die sich während der Beschäftigung ergebenden Guthaben bei normalem Ablauf während der Dauer des befristeten Dienstverhältnisses, d.h. innerhalb der vertraglich vereinbarten Befristung, durch Freistellung ausgeglichen würden.

Bei Arbeitnehmern, die zugleich als Organ einer Körperschaft bestellt seien, führe die Gutschrift des künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn. Die Errichtung von Zeitwertkonten sei bei diesen Arbeitnehmern nicht anzuerkennen, weil sie mit dem Aufgabenbild des Organs einer Körperschaft nicht vereinbar seien. Entsprechendes gelte für Arbeitnehmer, die von der Körperschaft beschäftigt würden, deren beherrschende Gesellschafter sie seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Auskunft vom 30. 10 .2009 verwiesen.

Mit Schreiben vom 11.11.2009 erhob die Klin gegen die erteilte Auskunft Einspruch, die der Bekl durch Einspruchsentscheidung vom 16.09.2010 zurückwies. Zur Begründung nahm er auf den BMF-Erlass vom 17.006.2009 Bezug. Vom Grundgedanken her sei das Zeitwertkonto im Zusammenhang mit einer vollen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung während des noch fortbestehenden Dienstverhältnisses auszuzahlen. Das gelte auch für befristete Dienstverhältnisse. Die Guthaben seien innerhalb der vertraglich vereinbarten Befristung durch Freistellung auszugleichen. Der Ansicht der Klin, Zeitwertkonten könnten bei befristeten Dienstverhältnissen auf einen neuen Arbeitgeber übertragen werden, sei der BMF in seinem Schreiben nicht gefolgt. Eine gesetzliche Grundlage für eine derartige Übertragung gebe es nicht.

Der Ausschluss von Organen einer Körperschaft und als Arbeitnehmer beschäftigter beherrschender Gesellschafter verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Die im BMF-Schreiben vertretene Auffassung werde durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes bestätigt, der die besondere Stellung dieser Personengruppe immer wieder hervorgehoben und den Vergleich mit den übrigen Arbeitnehmern nur bedingt zugelassen habe.

Die Klin erhob mit Schreiben vom 13. 10 .2010 Klage. Zur Begründung nimmt sie auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren Bezug und beruft sich auf die Urteile des Finanzgerichts Düsseldorf vom 21.03.2012 (4 K 2834/11), des Hessischen Finanzgerichts vom 19.01.2012 (1 K 250/11) und des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.02.2012 (14 K 202/11).

Die Klin beantragt,

Es wird eine Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG mit folgendem Inhalt erteilt:

Gutschriften auf den bei der E GmbH (Arbeitgeber) für deren Arbeitnehmer im Rahmen des geplanten Arbeitszeitkontenmodells geführten Zeitwertkonten stellen keinen Zufluss von Arbeitslohn dar.

Diese Auskunft gilt auch für den Minderheiten-Gesellschafter-Geschäftsführer der E GmbH sowie für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer.

Hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, im Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf die Gründe der Einspruchsentscheidung. Die von der Klin angeführte finanzgerichtliche Rechtsprechung sei nicht einschlägig. Die Sachverhalte wichen von dem im Streitfall zu beurteilenden Sachverhalt ab.

Der Senat hat am 13.03.2013 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

1) Die Klage ist zulässig. Die Anrufungsauskunft ist ein feststellender Verwaltungsakt. Der Anspruch auf Erteilung der Anrufungsauskunft bezieht sich nicht nur auf die förmliche Bescheidung des Arbeitgebers, sondern richtet sich auch auf die inhaltlich richtige Auskunftserteilung (BFH, Urteil vom 30. April 2009, VI R 54/07, BFHE 225, 52, BStBl II 2010, 996).

2) Die Klage ist begründet. Der Bekl hat zu Unrecht keine dem Klageantrag entsprechende Anrufungsauskunft erteilt.

a) Nach § 42 e Satz 1 EStG hat das Betriebsstätten-Finanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Die Auskunft kann sich auf alles beziehen, was mit der Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer zusammenhängt (Schmidt/Drenseck EStG § 42e Rz 6). Die nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG vom Arbeitgeber einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt (§ 38 Abs. 2 Satz 2 EStG). Der Zuflusszeitpunkt kann also Gegenstand der Anrufungsauskunft sein.

b) Gutschriften auf dem Zeitwertkonto führen auch bei Geschäftsführern nicht zu Einnahmen, gleichgültig, ob die Geschäftsführer gleichzeitig beherrschende Gesellschafter oder Minderheitsgesellschafter sind.

Einnahmen sind alle Güter in Geld oder Geldeswert, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Überschusseinkunftsart (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG) zufließen (§ 8 Abs. 1 EStG). Nur zugeflossener Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer.

Einnahmen und damit auch Arbeitslohn sind zugeflossen, wenn und sobald der Steuerpflichtige wirtschaftlich darüber verfügen kann. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die Einnahmen bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten kann einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldbuchverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verfügung steht. Der Gläubiger muss allerdings in den Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (z.B. BFH, Urteil vom 03.02.2011 VI R 4/ 10 , BFHE 232, 494, BStBl II 2011. 456 m.w.N.). Indiz dafür, wer über das Wirtschaftsgut verfügen kann ist es, in wessen Interesse es liegt, den Betrag gutzuschreiben statt auszuzahlen.

c) Den Arbeitnehmern fließt in dem von der Klin vorgetragenen Modell mit den Wertgutschriften auf ihrem Zeitwertkonto auch nach Auffassung des Bekl (Anrufungsauskunft vom 13.07.2009) grundsätzlich kein Arbeitslohn zu (so auch Hessisches FG, Urteil vom 19. Januar 2012, 1 K 250/11, EFG 2012, 1243; Niedersächsisches FG, Urteil vom 16. Februar 2012 , 14 K 202/11, EFG 2012, 1397; FG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2012, 4 K 2834/11 AO, EFG 2012, 1400). Es erfolgen insoweit weder Barauszahlungen noch Gutschriften auf ihren Konten bei einem Kreditinstitut. Nach § 1 Abs. 1 der Ergänzungsvereinbarung gelangen die Beträge, auf die der Arbeitnehmer verzichtet, nicht zur Auszahlung. Sie werden dem Zeitwertkonto (§ 3 Ergänzungsvereinbarung) gutgeschrieben. Über diese Beträge kann der Arbeitnehmer zunächst wirtschaftlich nicht verfügen. Das ist nach § 4 der Ergänzungsvereinbarung erst in der Freistellungsphase möglich, so dass auch erst in der Freistellungsphase ein Zufluss anzunehmen ist.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil sich die Klägerin verpflichtet, für das auf dem Zeitwertkonto angesammelte Guthaben Einzahlungen auf einem Depotkonto zur Sicherung des Arbeitnehmeranspruches vorzunehmen. Die ausschüttungsfähigen Erträge werden in Zeitwertgutschriften umgewandelt und fließen den Arbeitnehmern ebenfalls nicht zu. Sie dienen dazu, die hinausgeschobene Fälligkeit des auf dem Zeitwertkonto gutgeschriebenen Betrages zu entgelten und dadurch den Liquiditätsnachteil des Arbeitnehmers für die spätere Lohnzahlung auszugleichen. Die Arbeitnehmer können nicht darauf zugreifen.

d) Auch für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer, die lediglich eine Minderheitsbeteiligung an der GmbH halten, ist in diesem Modell nicht von einem Zufluss im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zeitwertkonto auszugehen. Auch sie erzielen, unabhängig von ihrer arbeits- und sozialrechtlichen Einordnung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, deren Zufluss sich nach § 11 EStG richtet. Die Stellung als Gesellschafter-Geschäftsführer der Arbeitgeberin mit Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung an der GmbH führt insoweit nicht zum Zufluss von Arbeitslohn bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitslohnes (s. dazu z.B. BFH, Urteile vom 14. Februar 1984, VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480; vom 14. Juni 1985, VI R 127/81, BFHE 144, 409, BStBl II 1986, 62). Der Grund für die Annahme des Zuflusses schon bei Fälligkeit des Anspruches ist darin zu sehen, dass es der beherrschende oder der Minderheitsgesellschafter mit Zugriff auf die Zahlungsmittel der GmbH in der Hand haben, sich fällige Beträge auszahlen zu lassen. Durch eine – wie im Modell im Streitfall beabsichtigt – vorab geschlossene, zivilrechtlich wirksame Vereinbarung über die Ansammlung von Wertguthaben auf einem Zeitwertkonto werden die zur Einzahlung bestimmten Beträge jedoch gerade nicht als Arbeitslohn zur Auszahlung fällig.

Soweit der Bekl zur Begründung seiner Auffassung, die Anwendung des Modells sei bei (beherrschenden bzw. minderheitsbeteiligten) Gesellschafter-Geschäftsführern wegen deren besonderer Stellung anders als bei „normalen” Arbeitnehmern zu beurteilen, folgt der Senat dem im streitigen Zusammenhang nicht. Der Geschäftsführer einer GmbH ist steuerrechtlich grundsätzlich Arbeitnehmer. Als Organ der Gesellschaft ist er in die GmbH eingegliedert und muss den Regelungen im Anstellungsvertrag und den Weisungen der Gesellschafter aufgrund von Gesellschafterbeschlüssen folgen (BFH, Urteil vom 19. Februar 2004, VI R 122/00, BFHE 205, 216, BStBl II 2004, 620; FG Düsseldorf, Urteil vom 21. März 2012, 4 K 2834/11 AO, EFG 2012, 1400).

Auch der Umstand, dass Gesellschafter Geschäftsführer keine festen Arbeitszeiten haben und sich Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit nicht entgelten lassen, steht der Anwendbarkeit des Modells und der Annahme fehlenden Zuflusses im Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Zeitwertkonto nicht entgegen, weil auf dem Zeitwertkonto kein Arbeitszeitguthaben, sondern Arbeitsentgelt angesammelt wird (Hessisches FG, Urteil vom 19. Januar 2012, 1 K 250/11, EFG 2012,1243).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung auf § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigen für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 8 EStG § 11 EStG § 42e