· Fachbeitrag · Agenturvertrag
Weitergabe der Agenturräume und Telefonnummer während der Freistellung kein Kündigungsgrund
von Rechtsanwalt Lutz Eggebrecht, Kanzlei Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth & Kollegen München
| Gibt der Versicherungsvertreter die Agenturräume und die Telefonnummer der Agentur während der Freistellung weiter, stellt dies keinen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung des Agenturvertrags durch den Versicherer dar. Mit dieser Aussage hat das LG München I die selbstständige Stellung des Vertreters während der Freistellungszeit gestärkt. |
Vermietung der Räume führte zur fristlosen Kündigung
Der Versicherer kündigte den Agenturvertrag mit Schreiben vom 28. Mai 2010 ordentlich zum 30. Juni 2011 und stellte den Versicherungsvertreter mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist frei. Er informierte sämtliche Kunden per Rundschreiben darüber, dass ab sofort eine andere Agentur für die Betreuung zuständig sei. Die Geschäftsunterlagen wurden am 4. Juni 2010 bei dem Versicherungsvertreter abgeholt.
Der Vertreter vermietete die in einem eigenen Bürotrakt im eigenen Haus befindlichen Agenturräume am 14. Juli 2010 an die Makler-GmbH seines Sohnes und überließ dieser GmbH auch den Telefonanschluss.
Mit Schreiben vom 22. Dezember 2010 forderte der Versicherer den Vertreter auf, unverzüglich die Nutzung der übernommenen Rufnummer durch die Makler-GmbH seines Sohnes zu unterbinden. Nachdem der Vertreter dies abgelehnt hatte, kündigte der Versicherer mit Schreiben vom 28. Dezember 2010 das Agenturvertragsverhältnis fristlos. Er behauptete, der Versicherungsvertreter habe die Interessenwahrnehmungspflicht verletzt.
Der Versicherungsvertreter kündigte daraufhin seinerseits fristlos und klagte
- 1.auf Feststellung, dass das Agenturvertragsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Versicherungsvertreters und nicht durch die fristlose Kündigung des Versicherers beendet worden sei, sowie
- 2.auf Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs.
Mit seiner Klage gegen den Versicherer war der Vertreter in allen Instanzen erfolgreich.
Interessen des Versicherers nicht verletzt
Das LG sah in dem Verhalten des Versicherungsvertreters keine Verletzung der berechtigten Interessen des Versicherers, insbesondere auch keinen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot (LG München I, Urteil vom 17.2.2012, Az. 3 HKO 9620/11; Abruf-Nr. 131191).
- Eine Geschäftsraumpartnerschaft zwischen der Maklerfirma des Sohnes und der Agentur des Vertreters liege nicht vor, weil die Unternehmen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander in den gleichen Räumen betrieben worden seien.
- Auch eine Verwechslungsgefahr in der Außendarstellung sei nicht gegeben, weil der Versicherer die Kunden per Rundschreiben darüber informiert habe, dass der Vertreter nicht mehr für die Betreuung zusteändig sei.
Das OLG München hat die Berufung des Versicherers per Beschluss zurückgewiesen (OLG München, Beschluss vom 7.8.2012, Az. 23 U 1691/12):
- Die Überlassung der geschäftlich genutzten Rufnummer an die Versicherungsmakler-GmbH des Sohnes stelle keinen so gravierenden Verstoß gegen die allgemeine Interessenwahrnehmungspflicht (§ 86 Abs. 1, 2 HGB) dar, dass dem Versicherer die Fortsetzung des Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30. Juni 2011 nicht mehr zugemutet werden konnte.
- Nach Ansicht des OLG unterscheidet sich der Urteilsfall klar vom Fall, den der BGH 1969 entschieden hat: Im Urteilsfall sei der Vertreter freigestellt worden und habe sämtliche Agenturunterlagen zurückgegeben. Im BGH-Fall habe dagegen ein gleichzeitiger Betrieb konkurrierender Versicherungsagenturen in den gleichen Agenturräumen vorgelegen (BGH, Urteil vom 20.1.1969, Az. VII ZR 60/66, Versicherungsrecht 1969, 7372).
- Die bloße und nicht naheliegende Möglichkeit, dass Kunden entgegen dem Informationsschreiben des Versicherers die frühere Geschäftsnummer des Vertreters im Zusammenhang mit Versicherungsfragen wählen würden und daraufhin vom Sohn des Vertreters abgeworben werden könnten, stellt nach Ansicht des OLG für sich allein keine hinreichende objektive Grundlage für einen Interessenverstoß dar. Dies gilt für das OLG insbesondere auch deshalb, weil bis zum Ausspruch der fristlosen Kündigung nicht nennenswert umgedeckt wurde.
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Versicherers ohne Begründung zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 14.3.2013, Az. VII ZR 238/12).
PRAXISHINWEISE |
|