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· Fachbeitrag · Haftung

Mangelnde Dokumentation des Vertreters: Versicherer muss Schadenersatz leisten

| Als Versicherungsvertreter müssen Sie eine vom Versicherungsnehmer behauptete Fehlberatung substanziiert bestreiten und darlegen, wie Sie im Einzelnen Ihren Beratungs- und Informationspflichten nachgekommen sind. Das kann durch Aushändigung der Beratungsdokumentation geschehen. Genügt diese jedoch den Anforderungen nicht, hat der Versicherungsnehmer leichtes Spiel, wie ein Urteil des OLG Frankfurt zeigt. |

Doppelversicherung bei Gebäudeversicherung

Im Urteilsfall stritten die Parteien um Schadenersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten in Zusammenhang mit dem Erwerb des Betriebsgrundstücks und dem Abschluss einer hierauf bezogenen Gebäudeversicherung.

 

Die klagende Versicherungsnehmerin (VN) behauptete, der Neuabschluss einer gesonderten Gebäudeversicherung sei darauf zurückzuführen, dass sie davon ausgegangen sei, dass die Gebäudeversicherung der Voreigentümerin weggefallen sei und für die Zukunft keine Gebäudeversicherung mehr für das erworbene Betriebsgrundstück bestanden habe. Der Versicherungsvertreter des beklagten Versicherers habe sie falsch beraten, als er ihr ein Angebot unterbreitete, ohne darauf hinzuweisen, dass in der damals mit ihr bestehenden Autohausversicherung (AHP) bereits eine Gebäudeversicherung enthalten gewesen sei.

 

Durch den separaten Abschluss der Gebäudeversicherung neben der AHP seien nutzlose Aufwendungen in Form von Prämienzahlungen entstanden, und zwar 5.245,76 Euro für 2009 und weitere 5.466,89 Euro für 2010. Diese Prämien verlange sie nun zurück. Mit einer Widerklage macht der Versicherer die offene Prämienzahlung aus der separaten Gebäudeversicherung für das Jahr 2011 in Höhe von 5.532,76 Euro geltend.

 

Das OLG Frankfurt hat der Klage der VN stattgegeben und die Widerklage des Versicherers abgewiesen (OLG Frankfurt, Urteil vom 30.1.2014, Az. 12 U 146/12; Abruf-Nr. 141973).

OLG bejaht Schadenersatzpflicht des Versicherers

Der Versicherer haftet der VN gegenüber für den Schaden, der aufgrund des durch fehlerhafte Beratung erfolgten Neuabschlusses der Gebäudeversicherung und Ausscheidens aus der AHP entstanden ist (§ 6 Abs. 4 und Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 VVG, § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB). Er muss für die Fehlberatung des Versicherungsvertreters im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung der gewerblichen Gebäudeversicherung einstehen (§ 278 BGB).

 

Abgestufte Darlegungs- und Beweislast

Der Inhalt des Beratungsgesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Das OLG hatte sich vor diesem Hintergrund zunächst mit der Frage der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast beschäftigt und stuft wie folgt ab:

 

  • 1. Zunächst muss der VN darlegen, wie er beraten wurde und dass diese Beratung fehlerhaft war und für den erlittenen Schaden kausal geworden ist.
  • 2. Der Vertreter muss die behauptete Fehlberatung dann substanziiert bestreiten und darlegen, wie er seinen Beratungspflichten nachgekommen ist. Dem kann er durch Aushändigung der Beratungsdokumentation genügen.
  • 3. Dem VN obliegt dann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft.

 

Unzureichende Dokumentation führt zu Beweiserleichterungen

Dem VN können Beweiserleichterungen zugute kommen, wenn die Dokumentation des Vertreters lückenhaft oder nachgewiesen unzutreffend ist (OLG München, Urteil vom 22.6.2012, Az. 25 U 3343/11; Abruf-Nr. 142647). Dafür sprach sich auch das OLG Frankfurt aus.

 

Für das OLG war das „Beratungsprotokoll: Gewerbliche Sach-, Haft- und Vermögensrisiken“ unzureichend: Es fehlten Angaben

  • zum konkreten Inhalt der Besprechung,
  • zur zugrunde liegenden Motivation und
  • zu den wesentlichen Gründen für den hier erteilten Rat, trotz bestehender AHP eine gesonderte gewerbliche Gebäudeversicherung abzuschließen unter gleichzeitigem Ausscheiden aus der AHP.

 

Als Konsequenz der unzureichenden Beratung muss der Versicherer eine pflichtgemäße Beratung beweisen, und nicht die VN, dass der Versicherer sie, vertreten durch den Versicherungsvertreter, unzutreffend beraten hat.

 

Schadenersatzanspruch

Der Schadenersatzanspruch führt zu dem Zustand, der bestehen würde, wenn es nicht zu dem schädigenden Ereignis, also der Falschberatung gekommen wäre: Der VN erhält deshalb seine gesamten gezahlten Prämien zurück und kann die Mehrfachversicherung nach § 6 Abs. 1 und 4 VVG rückwirkend beseitigen. Der Schadenersatzanspruch hat also gegenüber der Kündigung der doppelten Versicherung deutliche Vorteile für den VN.

 

PRAXISHINWEISE | Aus dem Protokoll muss der wesentliche Gesprächs- und Beratungsinhalt hervorgehen. Deshalb müssen Sie dokumentieren,

  • welche Informationen der VN zum Beratungsbedarf mitgeteilt hat,
  • welche weiteren Informationen Sie abgefragt haben,
  • welchen Rat Sie aus welchen Gründen erteilt haben und
  • ob nicht völlig fernliegende Alternativen bestanden haben und warum diese nicht in Betracht kamen.

Ist die Dokumentation fehlerhaft, führt die Beweiserleichterung faktisch zur Beweislastumkehr. Da Sie das Beratungsgespräch regelmäßig alleine mit dem VN führen, werden Sie bzw. der Versicherer ohne ordnungsgemäßes Beratungsprotokoll eine ordnungsgemäße Beratung nur selten nachweisen können.

Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 5 | ID 42895027