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  • Importierte und reimportierte EU-Fahrzeuge
    Darauf müssen Sie beim Verkauf von EU-Neuwagen achten!
    Die Vermarktung importierter/reimportierter Neufahrzeuge ist ein juristischer Dauerbrenner. Im Zentrum der Rechtsprechung stehen kauf- und wettbewerbsrechtliche Fragen, bekanntlich aber auch vielfältige Steuerprobleme. Aus der Perspektive des nationalen Kaufrechts interessieren vor allem folgende Fragen:
  • Was ist ein "EU-Neuwagen"?
  • Was bedeutet der Begriff "fabrikneu" bei einem Importfahrzeug? Muss die vom Bundesgerichtshof (BGH) festgeschriebene Einjahresfrist für die Standzeit/Lagerdauer bei einem Importwagen wegen des atypischen Beschaffungsweges verlängert werden?
  • Worüber muss ein Verbraucher vom Händler aufgeklärt werden?
    Wie weit geht die Offenbarungspflicht des Händlers?
    Nicht immer ist Schweigen Gold. Besteht eine Offenbarungspflicht, muss sie erfüllt werden. Verschweigen kann teuer werden, besonders bei "Arglist". Aber was muss ein Händler, der "EU-Neuwagen" verkauft , dem (privaten) Kunden konkret mitteilen?
    Grundsätzlich ist der Händler nicht verpflichtet, den Käufer von sich aus über alle Fakten aufzuklären, die für dessen Kaufentschluss wichtig sein könnten. Auf der anderen Seite hat er jedoch die Pflicht, über sämtliche Umstände vollständig und richtig zu informieren, die für den Käufer erkennbar relevant sind und über die aufgeklärt zu werden er nach Treu und Glauben erwarten kann. Im Klartext: Negative Eigenschaften eines Neufahrzeugs sind aufzudecken. Dabei kommt es auf den Erwartungshorizont des Kunden an.
    1. Eigenschaft als Import/Reimport
    Ob allein die Tatsache, dass es sich um einen Import-/Reimportwagen handelt, offenbarungspflichtig ist, wird von den Gerichten nicht einheitlich beurteilt. Mehrere Obergerichte haben eine Offenbarungspflicht bejaht, wenn auch nur für den Verkauf importierter Gebrauchtfahrzeuge. Zur Begründung hat man auf den merkantilen Minderwert von Importwagen hingewiesen. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen und dürfte bei einem neuen Fahrzeug noch mehr Gewicht haben als bei einem Gebrauchtwagen.
    Unser Tipp: Die Importwagen-Eigenschaft sollte im Kaufvertrag klar und unmissverständlich aufgedeckt werden. Geeignet ist ein Passus wie "EU-Neufahrzeug" oder "EU-Import". Ein konkreter Hinweis auf dem Verkaufsschild am Fahrzeug kann genügen. Doppelt genäht hält aber besser!
    2. Produktionsort
    Bei Fahrzeugen deutscher Hersteller muss ein privater Endabnehmer in Zeiten der Globalisierung damit rechnen, dass es im EU-Ausland oder in den USA produziert worden ist. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Köln ist der Ort der Herstellung nicht offenbarungspflichtig (OLG Köln, Urteil vom 16.2.1995, Az: 18 U 128/94; Ford Transit, Reimport aus England). Hinzuweisen ist freilich auf ein neueres Urteil des Landgerichts Ellwangen, wonach die Produktion eines VW Golf in Südafrika einen Mangel im Rechtssinn bedeutet (Urteil vom 13.12.2002, Az: 3 O 219/02; Ausgabe 3/2003, Seite 3).
    3. Produktionsjahr und Lagerdauer/Standzeit
    Auch der Käufer eines "EU-Neuwagens" geht davon aus, dass der Zeitpunkt der Produktion einigermaßen zeitnah zum Verkaufsdatum liegt. Für den Verkauf "normaler" Neuwagen anhand des üblichen Neuwagen-Bestellscheins hat der BGH sich kürzlich auf die Einjahresfrist festgelegt (Urteil vom 15.10.2003, Az: VIII ZR 227/02; Abruf-Nr. 032291): Zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Abschluss des Kaufvertrags mit dem Endabnehmer darf "im Regelfall" keine längere Spanne als ein Jahr liegen.
    Dass im BGH-Fall der neue Ford Cougar aus den USA importiert war, genügte den Richtern nicht, eine Verlängerung der Standzeit über ein Jahr hinaus zu genehmigen. Wer einen Pkw als "Re-Import" deklariert, bringt allein damit noch nicht klar genug zum Ausdruck, dass das Produktionsdatum ungewöhnlich lange zurückliegt, so das OLG Celle in einem Fall zu einem GW-Verkauf (Urteil vom 26.2.1998, Az: 7 U 58/97). Ob der Zusatz "Lagerfahrzeug" genügt, ist gerichtlich nicht klar entschieden. Jedenfalls ist er besser als nichts. Nicht mehr als "fabrikneu", wohl aber als "neu" hat das OLG Schleswig einen Fiat Punto durchgehen lassen, der bereits 2,5 Jahre alt war (Urteil vom 21.7.1999, Az: 9 U 101/98). Allerdings kam kein Neuwagen-Verkaufsformular zum Einsatz.
    4. Modellaktualität
    Bekanntlich gehört zum Begriff der "Fabrikneuheit" auch die Modellaktualität. Sie fehlt, wenn das Fahrzeug im Zeitpunkt des Verkaufs an den Endabnehmer nicht mehr unverändert hergestellt wird (BGH, Urteil vom 16.7.2003, Az: VIII ZR 243/02; Abruf-Nr. 031585).
    Ob der Händler mit der Bezeichnung "Lagerfahrzeug" das Fehlen der Modellaktualität hinreichend deutlich macht, erscheint zweifelhaft (informativ OLG Koblenz 27.6.1996, Az: 5 U 82/96). Denn "Lagerfahrzeug" kann auch bedeuten: Fahrzeug ist "am Lager" im Sinne von "vorrätig".
    Unser Tipp: Besser zu viel als zu wenig mitteilen. Klar ist: Die bloße Bezeichnung als "EU-Neuwagen" signalisiert dem Kunden noch keine Modellveralterung.
    5. Erstzulassung
    Ein besonders heikles Problem bei "EU-Neuwagen" sind Kurzzulassungen ("Tageszulassungen"), sei es bereits im Ausland, sei es im Inland. Das Fehlen jeglicher Zulassung hat der BGH nicht ausdrücklich zum Kriterium der Fabrikneuheit erhoben. "Unbenutzt" muss der Wagen sein. Aber auch "nicht zugelassen"? Eine Erstzulassung im Inland auf einen Endabnehmer nimmt dem Fahrzeug zweifellos die Eigenschaft "fabrikneu" - selbst bei Tacho null. Bei einer inländischen Kurzzulassung auf den verkaufenden Händler geht dem Neufahrzeug das Spitzenprädikat "fabrikneu" gleichfalls verloren, so die überwiegende Rechtsmeinung.
    Für eine Zulassung im Ausland hat das Amtsgericht (AG) Saarbrücken kürzlich entschieden: Der formale Akt der Zulassung auf einen ausländischen Vertragshändler - also nicht auf einen Endabnehmer - nehme dem Fahrzeug noch nicht die Eigenschaft "als Neuwagen" (Az: 5 C 713/03, Abruf-Nr. 041863; Ausgabe 8/2004, Seite1). Zudem hatte der Händler im Fahrzeug ein Schild mit der Aufschrift angebracht: "EU-Neuwagen mit ausländischer Tageszulassung, nicht gefahren".
    Unser Tipp: Sicherer ist es, einen solchen Passus auch in den Kaufvertrag aufzunehmen. Ein Schild kann verloren gehen oder als manipuliert angezweifelt werden.
    Beachten Sie: "Neu" und "fabrikneu" ist nicht für alle Richter das Gleiche. Für manche ist "fabrikneu" mehr als nur "neu". Eine ausländische Erstzulassung auf einen Endabnehmer (also nicht auf einen Händler) beseitigt nach herrschender Ansicht die "Fabrikneuheit". Das Gleiche dürfte für die "Neuwagen"-Eigenschaft gelten. Aufklärung ist daher sehr wichtig.
    6. Garantiedefizite
    Während die Gewährleistung (zweijährige gesetzliche Sachmängelhaftung) an den Zeitpunkt der Auslieferung des Fahrzeugs an den Käufer anknüpft, beginnen die Fristen von Herstellergarantien häufig schon mit der Zulassung zu laufen. Das kann gerade bei Importwagen zu Kundenreklamationen führen. Verkürzungen des Garantieschutzes müssen Sie daher unbedingt offenbaren.
    7. Ausstattungsunterschiede und Schadstoffeinstufung
    Dass "EU-Importwagen" generell magerer ausgestattet sind als vergleichbare Inlandsfahrzeuge, ist ein Märchen. Soweit wesentliche Unterschiede bestehen (und bei Neufahrzeugen ist praktisch alles wesentlich), muss der Kunde aufgeklärt werden.
    Wichtig: Ein heißes Eisen ist schließlich die Schadstoffeinstufung. Damit verbundene Nachteile in der Besteuerung sollten dem Käufer mitgeteilt werden.
    Quelle: Auto - Steuern - Recht - Ausgabe 10/2004, Seite 17
    Quelle: Ausgabe 10 / 2004 | Seite 17 | ID 101402