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  • · Fachbeitrag · Autokauf

    Wert der Inzahlungnahme absichern ‒ aber wie?

    | Kann ein Autohaus eine Nachzahlung verlangen, wenn ein in Zahlung genommener GW einen schlecht reparierten (Unfall-)Schaden hat? Exemplarisch für diese Frage steht ein aus Händlersicht negatives Urteil des OLG Karlsruhe, über das ASR in Ausgabe 3/2019, Seite 17 berichtet hat. Lesen Sie, was das Autohaus in diesem Fall falsch gemacht hat und wie Sie es besser machen. |

    Inzahlungnahme eines GW von einer Baufirma

    Im NW-Bestellformular wurde die Inzahlungnahme eines GW einer Baufirma für 5.000 Euro brutto „gemäß Ankaufvertrag“ vereinbart. Noch am selben Tag unterzeichnete der Geschäftsführer der Kundin ein Vertragsformular „Gebrauchtfahrzeuge: Ankauf eines Fahrzeugs“. Darin wurde der GW wie folgt beschrieben: „Fabrikat: Mazda, Fahrzeugtyp: 2 1.6 CD DPF, Baujahr: 2010, Erstzulassung: 3.5.2010, Km-Stand: 130.000, Fahrzeugzustand: normal, Unfall: rep. Schaden.“ Der Preis für den GW war im Ankaufsformular mit 5.000 Euro brutto angegeben, wobei eine Verrechnung „als Anzahlung“ vorgesehen war.

     

    Wichtig | Bevor der Geschäftsführer der Kundin das Ankaufsformular unterschrieb, hatte ein AH-Mitarbeiter handschriftlich hinzugefügt: „Optische und technische Prüfung vorbehalten“. Von einer Besichtigung des GW vor Abschluss der beiden Verträge hat das AH abgesehen. Auch auf eine Vorlage der Rechnung über die Reparatur des Unfallschadens (rund 10.000 Euro) verzichtete es, obwohl eine Angestellte der Kundin in einem telefonischen Vorgespräch gesagt hatte, der Mazda habe einen „größeren reparierten Unfallschaden“.

     

    Aus Autohaus-Sicht schien auch so alles in bester Ordnung zu sein. War es aber nicht. Nach Ablieferung des GW stellte das Autohaus viele Schäden und Macken fest. Mit denen habe man, so die Mitteilung an die Kundin, nicht gerechnet, weshalb nicht 5.000, sondern nur 2.000 Euro angerechnet werden könnten. Die ihr übersandte Rechnung über 3.000 Euro wies die Kundin zurück. Daraufhin erklärte das AH den Rücktritt vom Ankauf des Mazdas. Ein Autohaus-Gutachter kalkulierte die Kosten für die Beseitigung aller Mängel auf rund 11.400 Euro brutto. Dabei spielte eine wesentliche Rolle, dass der Unfallschaden nicht fachgerecht behoben war.

     

    Die Kundin holte zum Gegenschlag aus und sprang von beiden Verträgen ab. Mit dem Ziel, das Gesamtgeschäft auf null zu stellen, zog sie vor Gericht. Das Autohaus seinerseits erhob Widerklage auf Zahlung von 3.000 Euro, hilfsweise Rückabwicklung des GW-Ankaufs. In erster Instanz hatte das Autohaus die Nase vorn. Abweisung der Klage und Rückabwicklung des GW-Ankaufs, so das Urteil des LG Konstanz. Doch dabei blieb es nicht. Das OLG Karlsruhe hat als Berufungsgericht beide Klagen komplett abgewiesen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 04.12.2018, Az. 9 U 160/16, Abruf-Nr. 207067).

     

    Was hat das Autohaus falsch gemacht?

    Zum besseren Verständnis zunächst der rechtliche Rahmen, in dem sich das Ganze abspielt:

     

    • Laut OLG Karlsruhe gibt es rechtlich nur einen einzigen Vertrag, nämlich den NW-Kauf. Allerdings wird dem Käufer eine sog. Ersetzungsbefugnis eingeräumt: Anstatt den Kaufpreis voll zu zahlen, kann er einen Teil durch Hingabe seines Gebrauchten ersetzen.
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    • Für die Qualität seines Gebrauchten muss der Inzahlunggeber wie ein Verkäufer Gewähr leisten. So steht es in § 365 BGB.
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    • Damit stellt sich die Frage, ob die Baufirma ihre Gewähr ausgeschlossen hat. Ausdrücklich ist das nicht geschehen. Nirgendwo findet sich in den beiden Vertragsformularen eine Klausel, wonach das Unternehmen seine Gewährleistung ausgeschlossen oder auch nur eingeschränkt hat.
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    • Damit kommt man zu dem entscheidenden Punkt: Gibt es einen Gewährleistungsausschluss, der zwar nicht expressis verbis, möglicherweise aber durch schlüssiges (konkludentes) Verhalten zustande gekommen ist, also stillschweigend? Auf diese dubiose Rechtsfigur berufen sich Inzahlunggeber, während sie von den Autohäusern abgelehnt oder im Einzelfall für ungültig erklärt wird, beispielsweise wegen einer arglistigen Täuschung oder einer falschen Zusicherung (Garantie). Als dritter Hebel kommt, oft übersehen, der Bruch einer Beschaffenheitsvereinbarung hinzu.

     

    Eine der zentralen Aussagen des OLG Karlsruhe lautet: Bei einer Inzahlungnahme ist im Normalfall ein konkludenter Ausschluss der Gewährleistung für Mängel des GW anzunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Händler den Anrechnungsbetrag ohne Untersuchung und ohne Besichtigung des GW zugesagt hat.

     

    Zugleich bietet das OLG Karlsruhe eine Lösung an, einen konkludenten Gewährleistungsausschluss zu vermeiden. Wenn die Vertragspartner „in eindeutiger Weise eine vom Normalfall abweichende Regelung vereinbart haben“, sei kein Raum für einen derartigen Haftungsausschluss.

     

    Frage also: Hat das AH mit der Baufirma eine vom Normalfall abweichende Regelung getroffen? Das AH verweist auf den handschriftlichen Eintrag im GW-Ankaufsformular „Optische und technische Prüfung vorbehalten“.

     

    Für das OLG hat diese Klausel nicht die vom AH gewünschte Wirkung. Das AH habe sich lediglich Rechte für den Fall vorbehalten wollen, dass die Angaben zum Km-Stand und zum Unfallschaden nicht stimmen. Von einem weiterreichenden, generellen Vorbehalt könne nicht ausgegangen werden. Diese enge Sichtweise überzeugt zwar nicht, ist aber nun obergerichtlich festgezurrt.

     

    Damit bleibt die Frage, ob der (konkludente) Gewährleistungsausschluss durch ein vertragswidriges Verhalten der Baufirma auszuhebeln war. Da eine arglistige Täuschung ebenso wenig wie eine unrichtige Garantiezusage zur Debatte stand, blieb als Ansatz nur die Angabe im GW-Formular „Fahrzeugzustand: normal“. Das OLG Karlsruhe hat in dieser pauschalen Aussage keine Beschaffenheitszusage gesehen. In diesem Punkt liegt es richtig.

    So machen Sie es richtig

    • Oberste Priorität hat eine gründliche Rundum-Prüfung des Fahrzeugs durch einen erfahrenen Techniker.
      • Die Prüfung sollte nach Möglichkeit erfolgen, bevor ein bestimmter Anrechnungsbetrag zugesagt wird.
      • Wird die Prüfung auf den Zeitpunkt der Ablieferung des GW verschoben, muss entweder im NW-Bestellschein oder im GW-Ankaufsformular klar und unmissverständlich ein Passus stehen wie „die Anrechnung von ... Euro ist vorläufig und steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass eine Prüfung des Fahrzeugs nach Ablieferung keinen Grund zur Beanstandung gibt“. Anerkannt hat das LG Duisburg auch folgende Klausel: „GW-Inzahlungnahme vorbehaltlich technische Prüfung ohne Befund“ (LG Duisburg, Urteil vom 30.10.2007, Az. 6 O 179/07, Abruf-Nr. 080706).
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    • Je nach zeitlichem Abstand und den in der Zwischenzeit gefahrenen Kilometern kann ein Doppelcheck ratsam sein. Zunächst bei Abschluss des Geschäfts, dann bei Ablieferung.
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    • Holen Sie vom Inzahlunggeber Angaben zu allen wichtigen Fahrzeugeigenschaften, auch zum Eigentum, ein und dokumentieren diese schriftlich im Ankaufformular. Fragen Sie unbedingt nach „sonstigen Beschädigungen“. Denn die Frage nach „Unfallschäden“ verstehen Kunden erfahrungsgemäß zu eng; nämlich nur Verkehrsunfälle, nicht aber Schäden durch Hagel, Überschwemmung, Anstoß in der Garage etc.
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    • Beachten Sie beim Ankauf bzw. bei der Inzahlungnahme von einem Gewerbekunden § 377 HGB: Danach müssen Sie den Gebrauchten unverzüglich nach der Ablieferung (nicht schon vor oder bei Vertragsabschluss) untersuchen und Mängel rügen. Unverzüglich heißt: Sobald sich der (verdeckte) Mangel gezeigt hat, müssen Sie ihn so schnell wie möglich und zumutbar rügen. Länger als ein bis zwei Tage dürfen Sie damit nicht warten.
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    Wichtig | Gefahr droht Ihnen als Händler noch aus einer anderen Ecke. Ein Händler, der auf selbstverständliche oder auch nur naheliegende Vorsichtsmaßnahmen verzichtet und damit seine Sachkunde und seinen technischen und organisatorischen Apparat ungenutzt lässt, läuft Gefahr seine Rechte wegen grober Fahrlässigkeit zu verlieren (§ 442 Abs. 1 S. 2 BGB). Mit der Annahme dieses Tatbestandes sind die Gerichte ziemlich schnell bei der Hand.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Beitrag „Pflichten des GW-Händlers bei der Sichtprüfung hereingenommener Fahrzeuge vor dem Verkauf“, ASR 7/2015, Seite 8 → Abruf-Nr. 43447503
    Quelle: Ausgabe 07 / 2019 | Seite 14 | ID 45966420