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  • 09.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060060

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.03.2005 – VIII ZR 130/04

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    BUNDESGERICHTSHOF
    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL

    VIII ZR 130/04

    Verkündet am:
    16. März 2005

    in dem Rechtsstreit

    Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2005 durch den Richter Dr. Beyer als Vorsitzenden und die Richter Dr. Leimert, Dr. Wolst, Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin, Zivilkammer 52, vom 18. März 2004 aufgehoben.

    Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

    Von der Erhebung von Gerichtsgebühren für das Revisionsverfahren wird abgesehen.

    Von Rechts wegen

    Tatbestand:

    Mit Kaufvertrag vom 27. Juni 2002 erwarb der Kläger von dem Beklagten ein gebrauchtes Kraftfahrzeug. Der Vertrag enthält neben dem vorgedruckten Text "abgelesener km-Stand ca." die Angabe "86000". Die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeugs belief sich auf mehr als 120.000 Kilometer. Der Kläger ist vom Kaufvertrag zurückgetreten und nimmt den Beklagten auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs in Anspruch.

    Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Das Berufungsurteil enthält keinen Tatbestand. Es nimmt weder auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bezug noch gibt es die Berufungsanträge wieder.

    Entscheidungsgründe:

    I.

    Das Berufungsurteil ist aufzuheben, da es entgegen § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO weder eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils noch eine Wiedergabe der Berufungsanträge enthält. Auf das Berufungsverfahren war das ab dem 1. Januar 2002 geltende Zivilprozeßrecht anzuwenden, da die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht nach dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde (§ 26 Nr. 5 EGZPO).

    Ein Berufungsurteil, das keine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen enthält, unterliegt im Revisionsverfahren grundsätzlich von Amts wegen der Aufhebung und Zurückverweisung, weil ihm die für die revisionsrechtliche Nachprüfung nach §§ 545, 559 ZPO erforderliche Beurteilungsgrundlage fehlt (Senatsurteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 122/03, WM 2004, 1403). Gleiches gilt, wenn ein Berufungsurteil die Berufungsanträge nicht wiedergibt (vgl. Senatsurteil BGHZ 154, 99 m.w.Nachw.). Von der Aufhebung und Zurückverweisung kann in einem solchen Fall ausnahmsweise nur dann abgesehen werden, wenn sich die notwendigen tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung hinreichend deutlich aus den Urteilsgründen ergeben und das Urteil wenigstens sinngemäß erkennen läßt, was der Berufungskläger mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat.

    Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils läßt sich weder ein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen noch werden das Klagebegehren und der Berufungsantrag des Beklagten erkennbar. Auch nach dem ab dem 1. Januar 2002 geltenden Verfahrensrecht ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, den Sachverhalt anhand der Akten selbst zu ermitteln und festzustellen. Der Antrag des Berufungsklägers braucht zwar nicht unbedingt wörtlich wiedergegeben zu werden, aus dem Zusammenhang muß aber wenigstens sinngemäß deutlich werden, was er mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. Selbst an diesen Mindestvoraussetzungen fehlt es aber im vorliegenden Fall. Die äußerst knapp gefaßten Urteilsgründe beschränken sich in wenigen Sätzen auf die Darlegung der Auffassung des Berufungsgerichts, daß der Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag wirksam sei.

    Da das Berufungsurteil eine der Vorschrift des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO entsprechende Darstellung nicht enthält, leidet es an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

    II.

    In der neuen Berufungsverhandlung wird das Berufungsgericht die Frage der Mangelhaftigkeit erneut zu prüfen haben, insbesondere, ob es auf die von ihm als erheblich erachtete Rechtsfrage des Vorliegens einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ankommt.

    Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl. I S. 3138) ist die Unterscheidung zwischen einem Fehler der verkauften Sache im Sinne von § 459 Abs. 1 BGB a.F. und der Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB a.F. entfallen. Es kommt nunmehr in erster Linie darauf an, ob die Sache bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Ist eine Beschaffenheit nicht vereinbart, so ist entscheidend, ob sich die Sache für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst, ob sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 BGB). Fehlt es hieran, so ist die Sache mangelhaft; die Rechte des Käufers bestimmen sich dann nach § 437 BGB. Übernimmt der Verkäufer zusätzlich eine Garantie im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB, haftet er auch ohne Verschulden auf Schadensersatz (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 311 a BGB; vgl. AnwKomm/Dauner-Lieb, 2002, § 276 Rdnr. 19f; MünchKommBGB/Grundmann, 4. Aufl., § 276 Rdnr. 175); auf einen Haftungsausschluß kann er sich nicht berufen (§ 444 BGB). Nach neuem Recht entspricht die Garantie mithin eher der Eigenschaftszusicherung gemäß § 459 Abs. 2 BGB a.F. (vgl. BT-Drucks. 14/6040, 131 f.; AnwKomm/Dauner-Lieb, 2002, § 276 Rdnr. 19; MünchKommBGB/Grundmann, 4. Aufl., § 276 Rdnr. 175; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB (2004), § 434 Rdnr. 44). Daraus folgt, daß die zu § 459 Abs. 2 a.F. BGB entwickelten Kriterien für das Vorliegen einer Zusicherung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allenfalls für die Frage herangezogen werden können, ob eine Garantie im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB vorliegt (vgl. Staudinger/Löwisch, BGB (2004), § 276 Rdnr. 144).

    Auf die Frage, ob der Beklagte durch die Angaben zum km-Stand im Kaufvertrag eine Garantie übernommen hat, kommt es indes dann nicht an, wenn der Kläger weder Schadensersatzansprüche geltend macht, noch ein Haftungsausschluß vorliegt, sondern die Parteien eine Gewährleistung vielmehr ausdrücklich vereinbart haben. In diesem Fall ist allein fraglich, ob ein Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB gegeben ist, weil die tatsächliche Laufleistung des Kraftfahrzeugs von der im Kilometerzähler ausgewiesenen nach oben abweicht. Dies wird das Berufungsgericht auch im Hinblick darauf zu prüfen haben, ob der Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs auf Grund der gesamten Umstände erwarten darf, daß die tatsächliche Laufleistung des Fahrzeuges nicht wesentlich höher ist als der Kilometerzähler anzeigt (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB; vgl. dazu OLG Köln NJW-RR 1986, 988; OLG Bremen NJW 2003, 3713; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 1284 f; MünchKommBGB/Westermann, 4. Aufl., § 434 Rdnr. 58). Sollte das Berufungsgericht dies bejahen, käme es auf die Frage, ob die im Kaufvertrag enthaltene Angabe "abgelesener km-Stand ca. 86000" eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt, nicht an.

    RechtsgebieteZPO, BGBVorschriftenZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO § 545 ZPO § 559 BGB § 434 Abs. 1 Satz 1