28.04.2009 · IWW-Abrufnummer 091228
Amtsgericht Neuss: Urteil vom 26.02.2009 – 77 C 884/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, die Beklagte von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 07.05.2008 an Rechtsanwalt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger erwarb von der Beklagten, die gewerbsmäßig Gebrauchtautomobile verkauft, einen gebrauchten PKW der Marke Audi A4 zum Preis von 7.850,00 €.
Am 04.08.2007 stellte der Kläger, nachdem er die ganze Woche nicht zu Hause gewesen war, fest, dass sich auf der Beifahrerseite im Fußraum des PKW Wasser angesammelt hatte. Nachdem der Kläger das Wasser abgeschöpft hatte, funktionierte die Automatikschaltung des PKW nicht mehr richtig. Der Kläger informierte daraufhin die Beklagte. Diese holte den PKW am 11.08.2007 mit einem Abschleppwagen zur Überprüfung ab und ließ den PKW bei der Firma überprüfen. Diese stellte einen Wassereinbruch und ein defektes Getriebesteuergerät fest. Nach der Überprüfung teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die Schäden an dem PKW nicht beheben werde. Der Kläger machte weiterhin Gewährleistungsansprüche geltend, weshalb es zur Korrespondenz zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien kam.
Am 06.10.2007 holte der Kläger das Fahrzeug schließlich bei der Beklagten ab und zahlte an diese 478,61 €. Anschließend ließ er die Schäden beheben, wofür 1.450,00 € anfielen. Die Beklagte forderte er erfolglos zur Zahlung von 1.928,61 € (478,61 € + 1.450,00 €) auf.
Der Kläger behauptet, er habe die 478,61 € nur zum Zwecke der "Auslösung" an die Beklagte gezahlt. Außerdem seien der Wassereinbruch und der Defekt am Getriebesteuergerät auf einen Mangel zurückzuführen, der schon bei Gefahr übergang vorhanden gewesen sei. Auch der Umstand, dass im Juni 2007 unstreitig keine Wartung erfolgt ist, könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Zum einen sei ihm gar nicht bekannt gewesen, dass eine Inspektion erforderlich sei, da ihm beim Kauf gesagt worden sei, dass eine Inspektion gerade durchgeführt worden sei und er das Scheckheft erst erhalten habe, als er den PKW im Oktober bei der Klägerin abgeholt habe. Zum anderen hätten die Schäden auch durch eine Inspektion nicht verhindert werden können. Im übrigen komme es bei PKW wie dem streitgegenständlichen oft zu Störungen am Getriebesteuergerät durch Wasseransammlungen, was auf eine unzureichende Isolierung schließen lasse.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.928,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.11.2007 sowie vorprozessuale Kosten i.H.v. 229,55 € zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend beantragt die Beklagte,
den Kläger zu verurteilen, sie von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung von 272,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an Rechtsanwalt.
Der Kläger beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, der Wassereinbruch und das defekte Getriebesteuergerät seien entweder auf die unterlassene Wartung oder ein ge öffnetes Fenster vorne rechts, durch das Wasser eintrat, zurückzuführen. Dem Kläger sei das Scheckheft auch bereits bei Fahrzeugkauf übergeben worden.
15
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 03.07.2008 durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 18.11.2008 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die von den Parteien überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg; die Widerklage ist zulässig und begründet.
I. Klage
1.
Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus §§ 433, 434, 437 Nr. 3, 280, 281 BGB zu.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Wassereinbruch und der Defekt an dem Getriebesteuergerät auf einen bereits bei Gefahrübergang vorliegenden Mangel zurückzuführen sind. Dem Kläger kommt insoweit auch nicht die Regelung des § 476 BGB zugute. Zwar ist vorliegend innerhalb der ersten sechs Monate seit Gefahrübergang unstreitig ein Mangel (nämlich der Wassereinbruch und der Defekt des Getriebesteuergeräts) aufgetreten, ebenso unstreitig lag dieser Mangel bei Gefahrübergang jedoch noch nicht vor. Da § 476 BGB lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung enthält, dass ein Mangel, der sich innerhalb der ersten sechs Monate zeigt, bereits bei Gefahrübergang vorlag (BGH NJW 2004, 2299 "Zahnriemenfall") und der streitgegenständliche Mangel bei Gefahrübergang unstreitig nicht vorlag, ist § 476 BGB vorliegend nicht anwendbar. Eine Vermutung dafür, dass ein nach Gefahrübergang auftretender Mangel auf einen bereits bei Gefahrübergang vorhandenen Grundmangel zurückzuführen ist, enthält § 476 BGB nicht (BGH aaO). Der Kläger bleibt vielmehr darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein Sachmangel vorliegt. Hierfür kommt es vorliegend darauf an, ob der Wassereinbruch und der Getriebeschaden auf eine bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhandene, in der Beschaffenheit des Fahrzeugs begründete Ursache zurückzuführen sind. Davon kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgegangen werden. Dass der Schaden an dem Steuergerät wie vom Kläger behauptet auf eine unzureichende Isolierung zurückzuführen ist, konnte der Sachverständige, dessen Ausführungen sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung anschließt, nicht feststellen. Vielmehr ist es so, dass das Steuergerät nicht für den Unterwasserbetrieb konstruiert ist und damit bei Wassereinbrüchen unweigerlich beschädigt wird. Insoweit kommt es darauf an, wie es zu dem Wassereinbruch kommen konnte. Zwar hat der Sachverständige hierzu angeführt, dass es bei Fahrzeugen der streitgegenständlichen Modellserie ein bekanntes Problem ist, dass sich die relativ kleine Ablauföffnung am Boden des Wasserkastens durch Schmutz (Blätter, Tannenadeln pp.) zusetzt, wodurch es bei Regen zum Ansteigen des Wasserpegels im Wasserkasten und zum Ablauf der Wassermengen durch das Lüftungssystem, d.h. der Luftzufuhröffnung für das Innenraumgebläse, kommen kann. Die Möglichkeit eines Wassereintritts infolge eines überlaufenden Wasserkastens ist daher nach den sachverständigen Feststellungen durchaus gegeben. Insoweit ist jedoch auch festzuhalten, dass diese Möglichkeit des Überlaufens immer auch voraussetzt, dass der Wasserkasten verschmutzt ist und damit nicht nur auf die Konstruktion, sondern immer auch auf das Verhalten des PKW-Besitzers zurückzuführen ist. Da bei einer regelmäßigen Reinigung, insbesondere nach Regenfällen, während derer das Fahrzeug unter einem Baum stand, gar keine Beeinträchtigungen auftreten, ist bereits fraglich, ob überhaupt ein Mangel vorliegt. Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen. Denn der Sachverständige hat auch festgestellt, dass es zu dem Wassereintritt auch durch eine geöffnete Seitenscheibe bei starkem Regen kommen kann. Auch wenn man in der Konstruktion des Wasserkastens einen Mangel sehen würde, käme weiterhin ein Fehlverhalten des Klägers (nämlich die geöffnete Seitenscheibe) als Ursache für den Wassereinbruch und den damit verbundenen Schaden am Getriebesteuergerät in Betracht. Dass diese Möglichkeit vorliegend ausgeschlossen ist (etwa weil das Fahrzeug in einer Garage stand), ergibt sich auch aus dem klägerischen Vortrag nicht, weshalb nicht sicher ist, ob der Mangel auf eine bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhandene, in der Beschaffenheit des Fahrzeugs begründete Ursache zurückzuführen ist oder auf ein Fehlverhalten des Klägers. Dies wirkt sich zu Lasten des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers aus.
Da demnach nicht von einem schadensursächlichen Mangel ausgegangen werden kann, war der Kläger verpflichtet, der Beklagten die Kosten der Ermittlung des Schadens zu ersetzen, weshalb ein Erstattungsanspruch ausscheidet. Ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht ebenfalls nicht.
Der Kläger kann seine Ansprüche auch nicht auf eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten stützen. Diese hat bestritten, Kenntnis von dem Problem der kleinen Abflussöffnung gehabt zu haben. Da es sich bei der Beklagten auch nicht um eine Vertragshändlerin handelt, war sich auch nicht verpflichtet, sämtliche (mögliche) Probleme zu kennen.
2.
Mangels Anspruch in der Hauptsache stehen dem Kläger auch keine Ansprüche auf die Erstattung von Zinsen und vorprozessualen Kosten zu.
II. Widerklage
1.
Der Beklagten steht gegen den Kläger hingegen ein Anspruch auf Freistellung von den vorprozessualen Anwaltskosten zu, §§ 280, 257 BGB.
Da der Kläger gegenüber der Beklagten Gewährleistungsansprüche geltend gemacht hat, die ihm nicht zustanden (s.o.), durfte die Beklagte sich zu deren Abwehr der Hilfe ihres Prozessbevollmächtigten bedienen.
2.
Der Zinsanspruch ergibt sich diesbezüglich aus §§ 288, 291 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorl äufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert:
Bis zum 06.05.2008: 1.928,61 €
Danach: 2.201,48 € (1.928,61 € Klage, 272,87 € Widerklage)
Richterin