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  • 30.11.2011 · IWW-Abrufnummer 112899

    Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 19.05.2011 – 12 U 152/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    12 U 152/09

    In dem Rechtsstreit
    ...
    hat der 12. Zivilsenat in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
    aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 2011
    durch
    den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Haberstroh,
    die Richterin am Oberlandesgericht Koch und
    die Richterin am Oberlandesgericht Collin
    für Recht erkannt:

    Tenor:
    Auf die Berufung der Beklagten zu 1 wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 24.09.2009 teilweise abgeändert und die Klage gegen die Beklagte zu 1 abgewiesen.

    Die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 24.09.2009 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass das Urteil des Landgerichts Darmstadt hinsichtlich Ziffer 1. b) des Urteilstenors wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger 17.162,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 01.11.2007 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs der Marke VW, Multivan T5, Fahrgestellnummer ....

    Von den Gerichtskosten erster Instanz einschließlich der Kosten des selbständigen Beweis Verfahrens (2 OH 17/07) tragen der Kläger 54,5% und 45,5% die Beklagte zu 2.

    Von den außergerichtlichen Kosten erster Instanz tragen der Kläger die vollen Kosten der Beklagten zu 1,11% der Kosten der Beklagten zu 2 und 54,5% seiner eigenen Kosten, sowie die Beklagte zu 2 von ihren eigenen Kosten 89% und 45,5% der Kosten des Klägers.

    Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 67% und 33% die Beklagte zu 2.

    Von den außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger die vollen Kosten der Beklagten zu 1, 23% der Kosten der Beklagten zu 2 und 89% seiner eigenen außergerichtlichen Kosten, sowie die Beklagte zu 2 von ihren eigenen Kosten 77% und 11% der Kosten des Klägers.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Der Gegenstandswert des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf 25.100,00 EUR festgesetzt.

    Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 34.805,51 EUR festgesetzt (Berufung der Beklagten zu 1: 12.500,00 EUR und Berufung der Beklagten zu 2: 22.305,51 EUR):

    Gründe
    I.

    Die Beklagte zu 1 schloss mit dem Kläger am 22.7.2006 einen Kaufvertrag über einen Gebrauchtwagen (VW Multivan T5). Zuvor hatte die Beklagte zu 1 am 22.6.2006 den Gebrauchtwagen von der Beklagten zu 2 - einer VW-Vertragshändlerin - bei einer Gesamtfahrleistung von 53.000 km gekauft. Der Kaufvertrag vom 22.6.2006 enthält zu Mängeln folgende Angaben: "Zahl, Umfang und Art von Mängeln und Unfallschäden lt Vorbesitzer... Nein. Dem Verkäufer sind auf andere Weise Mängel und Unfallschäden bekannt... Nein." Die Beklagte zu 2 hat der Beklagten zu 1 die Reparaturhistorie des Fahrzeugs nicht ausgehändigt. Erstkäufer des Fahrzeugs war die Adamec Recycling GmbH gewesen, auf die das Fahrzeug am 4.6.2004 zugelassen wurde. Die Erstkäuferin hat ihren Kaufvertrag mit der Beklagten zu 2 am 29.4.2006 wegen Mängeln rückabgewickelt. Die Beklagte zu 2 räumt acht Werkstatttermine des Fahrzeugs bis zur Wandlung ihrer Erstkäuferin ein.

    Im Oktober 2007 ließ der Kläger unter Beteiligung beider Beklagten ein Beweissicherungsgutachten über den behaupteten Mangel der Fahrzeugelektronik einholen (2 OH 17/07).

    Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger zunächst von beiden Beklagten als Gesamtschuldnern in der Hauptsache die Zahlung von 25.000,00 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangt, hilfsweise gegenüber der Beklagten zu 1 die Abtretung aller Ansprüche aus dem Kaufvertrag vom 22.6.2006 gefordert. Er hat darüber hinaus gegenüber beiden Beklagten die Feststellung des Annahmeverzuges geltend gemacht.

    Gegenüber der Beklagten zu 1 hat der Kläger den Anspruch nachfolgend auf Abtretung der Ansprüche aus dem Vertrag vom 22.6.2006 beschränkt. Nach übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen des Klägers und der Beklagten zu 2 über 2.679,00 EUR hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 2 seinen Zahlungsanspruch zuletzt in Höhe von 22.321,00 EUR weiterverfolgt.

    Der Kilometerstand zum Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung betrug 109.275 km.

    Der Kläger hat einen grundsätzlichen Mangel an der Fahrzeugelektrik behauptet, der zu Fehlfunktionen an anderen elektrischen Fahrzeugteilen führe. Die Beklagte zu 2 habe aufgrund der vielfachen Reparaturversuche und der Wandlung Kenntnis von dem Mangel gehabt, der auch bei ihrer Übergabe an die Beklagte zu 1 vorgelegen habe und später bei dem Kläger immer wieder aufgetreten sei. Der Beklagten zu 2 sei beim Verkauf an die Beklagte zu 1 klar gewesen, dass diese als gewerbliche Fahrzeughändlerin den Gebrauchtwagen weiterverkaufen würde, weshalb sie die Beklagte zu 1 über die aufgetreten Mangelfolgen hätte aufklären müssen.

    Die Beklagte zu 2 hat behauptet, dass das Fahrzeug bei Übergabe an die Beklagte zu 1 mangelfrei gewesen sei.

    Die Beklagte zu 1 hat die Mängel mit Nichtwissen bestritten. Sie meinte, nicht zur Anspruchsabtretung verpflichtet zu sein.

    Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 24.9.2009, auf das Bezug genommen wird, überwiegend stattgegeben. Die Akte des Beweissicherungsverfahrens (Landgericht Darmstadt, 2 OH 17/07) hat das Landgericht zu Beweiszwecken beigezogen. Die Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2 hätten ihre Grundlage in § 826 BGB. Der Abtretungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 beruhe auf Treu und Glauben und folge aus nachvertraglichen Treuepflichten.

    Die Beklagte zu 1 hat gegen das ihr am 1.10.2009 zugestellte Urteil am 27.10.2009 Berufung eingelegt und diese am 28.11.2009 begründet. Die Beklagte zu 2 hat gegen das ihr am 7.10.2009 zugestellte Urteil am 9.11.2009 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 7.1.2010 am 23.12.2009 begründet. Die Beklagten verfolgen jeweils ihren Klageabweisungsantrag weiter.

    Nach Auffassung der Beklagten zu 1 oblag ihr keine Pflicht zum nachvertraglichen Tätigwerden. Der Kläger sei nicht schutzlos gewesen und habe eigene Ansprüche gehabt. Nach den einbezogenen AGB zum Kaufvertrag vom 22.6.2006 sei die schriftliche Zustimmung des Verkäufers Voraussetzung für eine Übertragung von Rechten und Pflichten des Käufers aus dem Kaufvertrag.

    Die Beklagte zu 2 rügt die Beweiswürdigung des Landgerichts. Anknüpfungspunkte für eine sittenwidrige Schädigung fehlten. Der Sachverständige habe nicht festgestellt, dass die vom Kläger gerügten Mängel bei Übergabe vorlagen. Die Reparaturhistorie weise unterschiedliche Mängel auf. Nach dem Gebrauchtwagencheck vom 24.7.2006 sei das Fahrzeug mangelfrei gewesen. Es habe vor Übergabe keine Probleme mit der Fahrzeugelektrik gegeben.

    Die Beklagte zu 1 beantragt sinngemäß,

    das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 24.9.2009 in Ziffer 1.a) insoweit abzuändern, als dort die Beklagte zu 1 zur Abtretung aller Ansprüche aus dem mit der Beklagten zu 2 unter dem 22.6.2006 geschlossenen Kaufvertrag verurteilt worden ist, und die Klage gegen die Beklagte zu 1 abzuweisen.

    Die Beklagte zu 2 beantragt sinngemäß,

    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 24.9.2009 die Klage abzuweisen.

    Per Kläger beantragt sinngemäß,

    die Berufung der Beklagten zu 1 und die Berufung der Beklagten zu 2 zurückzuweisen und zwar hinsichtlich der Berufung der Beklagten zu 2 mit der Maßgabe, dass er die Hauptsache Höhe von 5.043,51 EUR unter gleichzeitigem Kostenantrag für erledigt erklärt.

    Die Teilerledigungserklärung begründete der Kläger mit Nutzungswertersatz wegen der aktuellen Laufleistung des Fahrzeugs von 141.918 km. Die Beklagte zu 2 schloss sich dieser Teilerledigungserklärung unter Verwahrung gegen die Kosten last an.

    Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er rügt den Vortrag der Beklagten zu 1 hinsichtlich eines mit der Beklagten zu 2 vereinbarten Abtretungsverbots als verspätet und gemäß § 354a HGB ihm gegenüber als unwirksam. Nach Auffassung des Klägers betreffen die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen nur das bis 31.12.2002 geltende Kaufrecht (BGH, Urt.v. 13.2.2004, VZR 225/02, NJW 2004, 1873 [BGH 13.02.2004 - V ZR 225/03]; Urt. v. 20.12.1996rVZR 259/95, NJW 1997, 652). Vertiefende rechtliche Ausführungen hierzu enthält sein Schriftsatz vom 6.5.2011.

    Die Akten des Landgerichts Darmstadt, 2 OH 17/07 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1 hat Erfolg (hierzu unter A). Die zulässige Berufung der Beklagten zu 2 ist unbegründet (hierzu unter B.).

    A.

    Das Landgericht ist der Auffassung, eine Pflicht der Beklagten zu 1 zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen folge aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB wegen nachvertraglicher Treupflicht. Die Weigerung der Beklagten zu 1, ihr gegenüber der Beklagten zu 2 aus arglistiger Täuschung zustehende Ansprüche abzutreten, vereitele den Vertragszweck/Leistungserfolg aus dem Kaufvertrag vom 22.7.2006. Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

    Die Voraussetzungen eines mit Treu und Glauben nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnises (§ 242 BGB), wenn der Zweitkäufer etwaige Gewährleistungsansprüche gegen seinen Erstverkäufer nicht abtritt, liegen hier nicht vor.

    1.

    Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 waren die gesetzlichen Gewährleistungsrechte nicht abbedungen. Die im Kaufvertrag vom 22.7.2006 einbezogenen AGB, dort Ziffer VII Nr. 1, sehen eine einjährige Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche vor, beginnend mit der Ablieferung des Kaufgegenstandes, und regeln die Abwicklung der Mängelbeseitigung. Als Sondervereinbarung weist der Vertrag zudem eine 12monatige "Pro Garant Gebrauchtwägen Garantie" aus. Diese galt ab 24.7.2006 für 12 Monate. Garantiefähige Schäden waren über den verkaufenden Händler, hier also die Beklagte zu 1, abzuwickeln. Das allgemeine Mängelrisiko war danach nicht auf den Kläger als Käufer verlagert, die Beklagte zu 1 sollte nicht abschließend wegen etwaiger Mängel entlastet werden. Eine planwidrige Regelungslücke bestand nicht/weil der Kläger wegen der innerhalb der Gewährleistungs- wie auch der Garantiefrist aufgetretenen Mängel die Beklagte zu 1 in Anspruch nehmen konnte. Dass er dies nicht getan hat und stattdessen jeweils eine Drittwerkstatt aufsuchte, war seine individuelle Entscheidung.

    Die Auffassung des Landgerichts berücksichtigt nicht das berechtigte Interesse der Beklagten zu 1 als Verkäuferin, über eine Verfolgung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber ihrem Vertragspartner, der Beklagten zu 2, selbst zu entscheiden und nicht in Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 einbezogen zu werden. Dahin geht auch die Argumentation der Beklagten zu 1, dass sie von Rechtstreitigkeiten verschont sein will, da sie eine Fortsetzung des Geschäftsverhältnisses mit der Beklagten zu 2 nicht ausschließt. Die Interessen der (Zweit)verkäuferin (Beklagte zu 1) und des Klägers als (Zweit)käufer stimmen hier nicht überein. Eine treuwidrige Vereitelung oder Beeinträchtigung des Vertragszwecks oder Leistungserfolgs aufgrund der verweigerten Zession ist nicht gegeben. Der Kläger hat seine Rechtsstellung selbst beeinträchtigt, indem er während der Gewährleistungs- und Garantiefrist die Beklagte zu 1 wegen der Mängel nicht in Anspruch nahm.

    2.

    Die AGB zum Kaufvertrag vom 22.6.2006 lassen darüber hinaus den Rückschluss zu, dass der Wille beider Beklagten bestand, eine Inanspruchnahme der Beklagten zu 2 augrund einer Zession auszuschließen. §§ 531 Abs. 2, 530 ZPO stehen einer Zulassung dieses neuen Vorbringens nicht entgegen, da der Inhalt dieser AGB sowie ihre wirksame Einbeziehung im Vertragsverhältnis zwischen den beiden Beklagten unstreitig ist. Die Beklagte zu 1 hat sich auf diese AGB innerhalb der Frist des § 520 ZPO bezogen. Die bestehenden Gewährleistungsansprüche und Garantieansprüche des Klägers aus seinem Vertragsverhältnis zur Beklagten zu 1 berührte dies nicht. Ob die zwischen den Beklagten einbezogenen AGB eine Abtretung von Gewährleistungsansprüchen des Zwischenverkäufers auch gegenüber dem Kläger wirksam ausschließen, bedarf keiner Entscheidung, da eine Rechtspflicht der Beklagten zu 1 zur Abtretung nicht besteht.

    Eine nachvertragliche Pflicht zur Abtretung von Gewährleistungsansprüchen des Zwischenverkäufers wird in der Rechtssprechung (BGH, V ZR 225/03; a.a.O.; V ZR 259/95, a.a.O.). nur dann bejaht, wenn der Letztkäufer sein Recht nicht bei seinem Verkäufer hätte suchen können. Dies war hier - wie ausgeführt - aber möglich. Der Bundesgerichtshof bejaht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine vertragliche Verpflichtung zur Zession eventueller Gewährleistungsansprüche des Zweitverkäufers gegen den Erstverkäufer an den Zweitkäufer nur dann, wenn es sich um ein zusätzliches Risiko handelt, das zu regeln die Parteien nicht bedacht haben. Eine planwidrige Unvollständigkeit des Kaufvertrages vom 22.7.2006, die diesen Vertrag wegen des Fehlens der Abtretung von Gewährleistungsansprüchen lückenhaft erscheinen ließe, scheidet aus. Der Klägereinwand, diese Rechtsprechung betreffe nur das bis 31.12.2002 geltende Kaufrecht (vgl. Hauger in: jurisPR-BGHZivilR 23/2004, zit. nach [...]), führt im vorliegenden Fall zu keiner abweichenden Beurteilung. Die Voraussetzungen des § 285 BGB liegen nicht vor, da im Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 die Sachmängelhaftung nicht ausgeschlossen war.

    B.

    Das Landgericht hat dem Kläger zu Recht einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB gegenüber der Beklagten zu 2 zuerkannt.

    Die Beklagte zu 2 hat dem Kläger durch das Verschweigen der für einen Zweitkäufer nicht erkennbaren Mangelhistorie des Fahrzeugs und des Umstands, dass es sich um ein Wandlungsfahrzeug handelte, zumindest bedingt vorsätzlich und in sittenwidriger Weise einen Vermögensschaden zugefügt.

    1.

    Die objektiv sittenwidrige Schädigungshandlung liegt in der Täuschung über die Mängelhistorie und die vollzogene Wandlung. Bis zum Kaufvertrag vom 22.6:2006 verzeichnet die VW-Reparaturhistorie des Fahrzeugs elf Werkstatttermine, acht davon bis zur Wandlung des Erstkäufers (12.4.2005, 5.5.2005, 11.5.2005, 31.5.2005, 10.8.2005, 28.11.2005, 23.2.2006 und 29.4.2006). Von der Wandlung am 29.4.2006 bis zum Weiterverkauf an die Beklagte zu 1 am 22.6.2006 sind drei weitere Werkstatttermine aufgeführt und zwar am 2.5.2006, 5.5.2006 und 31.5.2006. Die Beklagte zu 2 informierte ihre Zweitkäuferin (Beklagte zu 1) nicht über diese VW-Reparaturhistorie und auch nicht über die erfolgreiche Wandlung des Erstkäufers. Darüber hinaus verneint der Kaufvertrag wahrheitswidrig das Auftreten von Sachmängeln und die Kenntnis der Beklagten zu 2 von diesen Mängeln. Informiert war die Beklagte zu 1 nur zu zwei Reparaturen vom 17.11.2004 und 8.11.2004, die in der VW-Historie nicht angegeben sind und unstreitig in keinem Zusammenhang mit der Fahrzeugelektrik standen.

    Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshof besteht bei Vertragsverhandlungen für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern der Vertragspartner die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann (BGH VIII ZR 38/09, NJW 2010, 126, [...] Rn. 15 m. w. H). Bei instandgesetzten Unfallschäden wird eine solche Aufklärungspflicht regelmäßig bejaht (OLG Saarbrücken, 4 U 733/99, OLGR 2000, 525, [...] Rn. 6). Im vorliegenden Fall ist zwar zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 1 als Händlerin gegenüber einem Privatkäufer durch eigene Sachkunde erweiterte Erkenntnismöglichkeiten hat. Entgegen einem Vertragshändler hatte die Beklagte zu 1 jedoch nicht die Möglichkeit, ohne weiteres an die Reparaturhistorie von VW zu gelangen. Anhaltspunkte, an der Redlichkeit der Angaben der Beklagten zu 2 bei Vertragsschluss zu zweifeln, bestanden nicht. Hinzu kommt, dass es sich bei dem gerügten Mangel der Elektronik um einen solchen handelte, den auch die Beklagte zu 1 als Händlerin trotz Fachkenntnis und Prüfung nicht erkennen musste, da die Mangelsymptome in der Vergangenheit zwar immer wieder, aber eben nicht immer auftraten. Dass es sich um ein Wandlungsfahrzeug handelte, war für die Beklagte zu 1 ebenfalls nicht erkennbar. Die Angaben in dem Kaufvertrag vom 22.6.2006 waren objektiv falsch. Die Beklagte zu 2 konnte wegen der sich durchziehenden Symptomatik der Fehler der Fahrzeugelektronik, die wiederholt die Funktion der Schiebetüren betrafen, beim Zweitverkauf an die Beklagte zu 1 nicht von einem mangelfreien Fahrzeug ausgehen. In dem kürzen Zeitraum zwischen Wandlung und Weiterverkauf an die Beklagte zu 1 (29.4.2006 - 22.6.2006) sind in der Reparaturhistorie auszugsweise folgende Mängel der Schiebetüren beziehungsweise der Elektronik angegeben:

    2.5.2006:
    Schiebetüren links und rechts geprüft, update Steuergerät durchgeführt
    5.5.2006:
    Schiebetür links fährt von selbst wieder auf, Elektrische Schiebetür rechts ohne Funktion, erhöhter Verschleiß, erhöhter Verbrauch.
    31.5.2006:
    Beides Schiebetüren starke Klappergeräusche, erhöhter Verschleiß, erhöhter Verbrauch.
    Der Senat ist von dem Fortbestand eines seit Erstzulassung bestandenen Mangels überzeugt. Dies folgt insbesondere aus den Ergebnissen der sachverständigen Begutachtung und der Reparaturhistorie.

    Die Reparaturhistorie zeigt bruchlos bis zur Rückgabe des Wagens durch den Erstkäufer wie auch zeitnah nach dem Erwerb durch den Kläger durchgängig Störungen in der Funktionsweise der seitlichen Schiebetüren und der damit verbundenen Steuer- und Regelungstechnik.

    Auch wenn der Sachverständige aus wirtschaftlichen Gründen keine abschließenden Feststellungen traf, hat er Fehler der Elektrik und konkret der Schiebetüren festgestellt, die bereits kurz nach der Erstzulassung auftraten und zu weiteren Reparaturversuchen am 5./.11.5.2005, 31.5.2005, 10.8.2005, 28.11.2005, 23.2.2006 Anlass gaben. Unmittelbar nach der Wandlung vom 29.4.2006, und zwar am 2.5.2006, setzten sich die Probleme an den Türen fort. In der vom Kläger aufgesuchten VW-Werkstattzeigten sich erneut die Symptome an den Schiebetüren und/oder der Elektrik und zwar am 26.9.2006, 24.10.2006, 27.10.2006 und 13.9.2007. Der Sachverständige hat dies mit überzeugender Begründung als eine Chronologie von Maßnahmen bezeichnet, die sich wie ein roter Faden durch den Lebenslauf des Fahrzeugs hindurch zogen und immer wieder die seitlichen Schiebetüren und die Steuerungs- und Regelungstechnik betrafen. Aus technischer Sicht bestehe ein direkter Zusammenhang zwischen den Schiebetüren, deren Sensorik und einer damit einhergehenden Belastung der Fahrzeugelektronik, welche bei ruhendem Fahrzeug zu einem mehr oder minder starken Entladen der Batterie führen könne. Dieser Entladevorgang könne dann in Folge zu unterschiedlichen Fehlern in der elektrischen Anlage und auch zum Verlust der Startfähigkeit führen.

    Aus dem "KüsPlus Gebrauchtwagen-Check" vom 24.7.2006 folgt nicht die Mangelfreiheit bei Übergabe. Der Prüfingenieur hatte keine Kenntnis von der Reparaturhistorie, insbesondere von den wiederholt aufgetretenen Mängeln in Zusammenhang mit der Fahrzeugelektronik und den Türen, Es wurde nur eine Sicht- und Funktionsprüfung durchgeführt, anlässlich derer die Zentralverriegelung Und die Mechanik funktionierten. Dies beweist nicht die. Mangelfreiheit zu diesem Zeitpunkt, da in der Vergangenheit nicht durchgehend, aber wiederholt und auch nach Reparaturversuchen, Funktionsbeeinträchtigungen in diesem Bereich auftraten, die auch zeitnah nach dem 24.7.2006 wieder aufgetreten sind.

    2.

    Die Beklagte zu 2 handelte mit Schädigungsvorsatz, der sich auch auf den Schaden erstreckte. Die Beklagte zu 2 musste bei Verkauf an einen gewerblichen Fahrzeughändler eine Weiterveräußerung des Gebrauchtwagens ernsthaft in Betracht ziehen und hat diese, einschließlich der damit verbundenen Vermögensnachteile beim Kläger als Dritterwerber, billigend in Kauf genommen (BGH, Urt. v. 15.9.1999, NJW-RR 2000, 393 [BGH 15.09.1999 - I ZR 98/97]; OLG Braunschweig, 8 U 29/05, NJW 2007, 609, Rn. 21 m.w.N., zit. n. [...]). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 1 bei der Beklagten zu 2 die Vorstellung erweckte, den Wagen privat nutzen und nicht weiterverkaufen zu wollen, fehlen.

    Die Kausalität ist nicht durch die (nicht genutzte) Möglichkeit des Klägers unterbrochen worden, gegenüber der Beklagten zu 1 Gewährleistungsansprüche geltend zu machen, da es lediglich zu einer Schadensverlagerung kam; Die Beklagte zu 1 hätte bei fortlaufenden Mängelrügen des Klägers ihrerseits wegen des arglistigen Verschweigens der Wandlung und der Reparaturhistorie Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2 geltend machen können.

    3.

    Wegen der begehrten Rückabwicklung ist zu Gunsten der Beklagten zu 2 ein Freistellungsanspruch aus § 346 Abs. 1 BGB auf Nutzungswertersatz zu berücksichtigten. Der als Schadensersatz abzüglich des Nutzungswertersatzes zu zahlende Betrag bezifferte sich im Berufungsverfahren zuletzt auf 17.162,17 EUR, von denen der Kläger nach Teilerledigung in Höhe von 5.043,51 EUR noch 17.162,00 EUR geltend macht Die tatsächliche Laufleistung bis zum 5.5.2011 betrug unstreitig 141.918 km, wobei 88.918 km auf die Besitzzeit des Klägers entfallen. Unter Heranziehung der auch vom Landgericht angewandten Formel und einer angesetzten Gesamtlaufleistung von 200.000 km errechnet sich der vom Bruttokaufpreis (30.900,00 EUR) abzuziehende Nutzungswertersatz zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf insgesamt 13.737,83 EUR. Wegen der erstinstanzlich abgesetzten 8.694,49 EUR verblieb noch ein abzuziehender Restbetrag in Höhe von 5.043,34 EUR.

    Die tenorierte Zinsforderung beruht auf den § 291 BGB.

    4.

    Zur Begründung des Feststellungsausspruches gilt:

    Die Beklagte zu 2 ist im Annahmeverzug. Dazu reichte das Angebot des Klägers aus dem Schreiben vom 27.9.2007 auf Rückgabe des Fahrzeugs gegen Rückzahlung des Kaufpreises aus (§§ 293, 294, 298 BGB).

    C.

    Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 und 91a ZPO. Soweit der Rechtsstreit zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2 übereinstimmend teilweise für erledigt erklärt wurde, waren dem Kläger nach billigem Ermessen die Kosten gemäß § 91a ZPO aufzuerlegen. Der Beklagten zu 2 hätte in Höhe der erledigten Forderung gem. § 346 Abs. 1 BGB eine Gegenforderung auf Nutzungsersatz in dieser Höhe zugestanden. Auf die Ausführungen unter II. B. 3. wird Bezug genommen.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

    D.

    Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung war von dem 3. GKG abzuändern und neu auf 25.100,00 EUR festzusetzen, § 3 ZPO. Gebührenrechtlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger erstinstanzlich bis zum 3.7.2008 gegenüber beiden Beklagten als streitgenössischen Gesamtschuldnern die Zahlung von 25.000,00 EUR sowie die Feststellung des Annahmeverzuges (bewertet mit 100,00 EUR) forderte und die Parteien am 28.5.2009 mit diesen Anträgen mündlich verhandelten. Wird von Gesamtschuldnern nur einmal Leistung gefordert, dann ist der einfache Klagebetrag anzusetzen (Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn. 16 "Streitgenossen"). Soweit der Kläger bis 3.7.2009 hilfsweise und seit dem 3.7.2009 als Hauptforderung von der Beklagten zu 1 Abtretung der Gewährleistungsansprüche verlangte, erhöhte dies den Streitwert nicht, § 45 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GKG, da das wirtschaftlich identische Interesse des Klägers mit dem Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages betroffen war und keine wirtschaftliche Werthäufung entstanden ist.

    Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt 34.805,51 EUR. Es entscheidet das Interesse des Berufungsklägers an der begehrten Abänderung, § 47 Abs. 1 GKG. Bei mehreren Streitgenossen erfolgt Zusammenrechnung der jeweils selbständigen Beschwer (Zöller-Herget, ZPO, 28. Aufl., § 3 Rn. 16 "Berufung" und Zöllen Heßler, a.a.O., § 511 Rn. 25).

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 242 BGB § 826 BGB