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  • 08.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121733

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 29.03.2012 – I-28 U 147/11

    Ein gewerblicher Verkäufer ist im Rahmen der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf beweislastet für die Behauptung, dass ein Käufer, der objektiv Verbraucher ist, einen unternehmerischen Verwendungszweck vorgetäuscht hat.


    Tenor:
    Die Berufung des Klägers gegen das am 24.06.2011 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
    Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
    G r ü n d e
    I.
    Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
    II.
    Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
    Die Klage ist unbegründet.
    Der Kläger kann von dem Beklagten nicht Schadensersatz in Höhe von 6.456,02 € wegen eines Sachmangels des am 26.11.2009 erworbenen Fahrzeugs verlangen.
    Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus kaufvertraglichem Gewährleistungsrecht gemäß den §§ 280, 281, 437 Nr. 3, 434 BGB liegen nicht vor.
    Der Kläger hat nicht bewiesen, dass das gekaufte Fahrzeug, der Mercedes Benz E 320, bereits bei Gefahrübergang, d.h. bei Übergabe an den Kläger (§ 446 S. 1 BGB), mangelhaft war.
    1. Soweit – wie hier – keine besondere Beschaffenheit vereinbart ist, ist eine Sache frei von Mängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB).
    Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. V ist festzustellen, dass an dem verkauften Fahrzeug durch ein schlagartig wirkendes Ereignis ein Getriebedefekt aufgetreten ist. Der Senat folgt den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, der dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren als kompetent bekannt ist. Der Sachverständige hat die Getriebebestandteile, die im Zuge der vom Kläger beauftragten Begutachtung des Fahrzeugs durch den Zeugen L ausgebaut und ihm vor dem Senatstermin übersandt worden waren, untersucht. Anhand der – im Termin vorgelegten Bauteile – hat der Sachverständige anschaulich erläutert, dass sowohl der Freilauf F 2 als auch die Zwischenwelle deutliche Spuren eines plötzlich einwirkenden Gewaltereignisses zeigen. Die Sperr- bzw. Klemmkörper aus dem Freilauf weisen Ausbrucherscheinungen auf und der Klemmkörperträger ist verformt. Auf dem Sonnenrad bzw. der Zwischenwelle sind markante Druckspuren. Dass es sich hierbei um Zeichen einer Gewalteinwirkung und nicht um Anzeichen oder Folgen übermäßigen Verschleißes handelt, hat der Sachverständige nachvollziehbar und einleuchtend ausgeschlossen. Er hat dabei auch die abweichende Wertung in dem Privatgutachten des Dipl.-Ing. L, den der Senat zudem als Zeugen gehört hat, berücksichtigt und gewürdigt. Verschleiß hätte sich nicht durch Ausbrüche, Verformungen und Druckspuren gezeigt, sondern durch oberflächliche Materialabtragungen. Außerdem wies die K 3 Kupplung keine nennenswerten Abnutzungserscheinungen auf und waren die Adaptionswerte unauffällig, was gegen erheblichen Verschleiß dieser Getriebeeinheit spricht.
    Als Ursache für den Gewaltschaden kommt nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Fahr- oder Bedienungsfehler in Zusammenhang mit dem Schalten zwischen den verschiedenen Gangstufen in Betracht.
    Zu welchem Zeitpunkt das den Mangel am Getriebe auslösende Ereignis eingetreten ist, ist, wie der Sachverständige erklärt hat, aus technischer Sicht nicht feststellbar. Es lässt sich danach nicht ausschließen, dass es erst nach Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger eingetreten ist.
    Sonstige Indizien, die den sicheren Schluss darauf zulassen, dass der schadhafte Zustand des Getriebes, welcher einen Mangel i.S. des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB darstellt, zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden war, sind nicht auszumachen. Der Kläger hat selbst bekundet, dass sich bei den Probefahrten die Fahrauffälligkeiten, die er nach der Übergabe bei der Heimfahrt bemerkte, noch nicht offenbart hatten.
    2. Zeigt sich bei einem gebrauchten Kraftfahrzeug, das ein Verbraucher von einem Unternehmer gekauft hat, innerhalt von sechs Monaten nach der Übergabe an den Käufer ein Mangel und können die dafür als ursächlich in Frage kommenden Umstände auf einen Fahr- oder Bedienungsfehler des Käufers zurückzuführen, ebenso gut aber auch bereits vor der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer eingetreten sein, so begründet allerdings § 476 BGB die Vermutung, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war (BGH, Urt. v. 18.07.2007, VIII ZR 259/06, NJW 2007, 2621 (Zylinderkopfdichtungs-Fall), s. auch Ball in Festschrift für G. Müller, 2009, 591, 595, Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn 3381).
    Die vorgenannte Bestimmung greift hier aber nicht ein, weil kein Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) vorliegt.
    a) Allerdings ist der Kläger objektiv Verbraucher.
    Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann.
    Der Kläger hat unwiderlegt vorgetragen, dass er das Fahrzeug erworben hat, um es privat zu nutzen.
    b) Der Beklagte hat aber Umstände bewiesen, wonach aus seiner Sicht das Handeln des Klägers eindeutig einer gewerblichen Sphäre zuzuordnen war. Steht fest, dass objektiv ein Verbrauchergeschäft vorlag, so trifft den Vertragspartner die Beweislast für die Umstände, aus denen er auf ein Unternehmergeschäft schließen durfte. Zweifel gehen insoweit zu Lasten des Vertragspartners, weil bei natürlichen Personen regelmäßig von Verbraucherhandeln auszugehen ist (BGH, Urt. v. 30.09.2009, VIII ZR 7/09, NJW 2009, 3780, Rn 11, Palandt-Ellenberger, BGB, 71. Auf. 2012, § 13 BGB Rn 4, missverständlich Reinking/Eggert a.a.O. Rn 1992).
    Den Anforderungen an seine Beweispflicht hat der Beklagte Rechnung getragen.
    Der Kläger führte nicht nur rote Überführungskennzeichen bei sich, welche üblicherweise von Händlern benutzt werden, er unterschrieb auch auf dem Kaufvertragsformular – gesondert - den handschriftlichen Zusatz "Käufer ist Gewerbetreibender, somit keine Gewähr auf Sachmängel…".
    Eine nachvollziehbare Erklärung dafür hat der Kläger nicht gefunden. Dass der für den Beklagten handelnde Zeuge J hierzu erklärt haben soll, das müsse so sein, und er, der Kläger, dies so hingenommen habe, leuchtet nicht ein. Dass der Kläger seinen Verhandlungspartner vor Unterzeichnung des Vertrags ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er kein Gewerbetreibender sei, lässt sich seiner eigenen persönlichen Anhörung nicht entnehmen. Im Übrigen haben sowohl der Beklagte als auch der Zeuge J bekundet, der Kläger habe vor Vertragsschluss erklärt, er sei Händler. Unter Würdigung aller Umstände des Vertragsschlusses konnten, durften und mussten sie annehmen, dass der Kläger nicht als Verbraucher handelte.
    Danach kann sich der Kläger nicht auf die Vermutungsregelung des § 476 BGB berufen. Die Zweifel, ob der Mangel am Getriebe des verkauften Fahrzeugs bereits bei Übergabe vorlag, gehen zu seinen Lasten.
    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
    Die Revision war nicht zuzulassen.
    Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).

    RechtsgebieteVerbrauchsgüterkauf, Gebrauchtwagen, Unternehmereigenschaft, Rollenwechsel auf Käuferseite, Beweislast VorschriftenBGB § 434 Abs. 1, § 474 Abs. 1, § 476, § 475 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1