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  • 11.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123735

    Oberlandesgericht Saarbrücken: Urteil vom 10.10.2012 – 1 U 475/11

    1. Anomale Geruchsbelästigungen können einen Sachmangel eines Gebrauchtfahrzeugs darstellen.

    2. Bei einem "jungen" Gebrauchtwagen des gehobenen Preissegments, der noch kein Jahr zugelassen ist und eine Laufzeitleistung von unter 1.000 km aufweist, kann ein durchschnittlicher Käufer erwarten, dass in diesem keine anomalen - gummiähnlichen - Gerüche wahrnehmbar sind.


    OLG Saarbrücken, 10.10.2012

    1 U 475/11-141

    Tenor:

    1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. November 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, 14 O 215/10, wird zurückgewiesen.

    2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

    3. Das Urteil ist, ebenso wie das angegriffene Urteil des Landgerichts Saarbrücken, vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des nach den jeweiligen Urteilen zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

    4. Die Revision wird nicht zugelassen.
    Gründe

    I. Die Klägerin begehrt die Rückgängigmachung eines PKW-Kaufvertrages.

    Am 6. März 2009 bestellte die Klägerin bei der Beklagten einen PKW Lexus LS 600 h Hybrid Automatik, welcher ihr am 24. März 2009 zu einem Preis von 120.000 Euro in Rechnung gestellt wurde. Es handelte sich um einen Vorführwagen, mit Erstzulassung 7. Juli 2008 und einer Laufleistung von 778 km. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 32 d.A. Bezug genommen.

    Der Geschäftsführer der Klägerin monierte in der Folgezeit Geruchsbelästigungen im Fahrzeug. Die Beklagte ließ die Lüftungskanäle reinigen. Im Februar 2010 reklamierte die Klägerin dies erneut. Am 8. April 2010 fand eine Besichtigung im Beisein japanischer Ingenieure der Firma Lexus statt. Da man der Ansicht war, das Reserverad sei die Ursache, wurde dieses entfernt. Am 29. April 2010 wurde die Verkleidung des Kofferraums umgerüstet. Das Fahrzeug wurde in der Zeit vom 8. Mai 2010 bis zum 18. Juni 2010 bezüglich des Kofferraums und der Steuergeräte auf das Modelljahr 2009 umgerüstet, die Kofferraumverkleidung und die Heckablage wurden ausgetauscht.

    Mit Schreiben vom 24. Juni 2010 erklärte die Klägerin, gestützt auf die Geruchsbelästigungen und einen Defekt des Reifendrucksensors den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zur Rückzahlung des Kaufpreises bis zum 30. Juni 2010 auf.

    Die Klägerin hat behauptet, bereits kurz nach Überlassung des Fahrzeugs sei die Geruchsbelästigung telefonisch gegenüber der Beklagten moniert worden. Auch habe es von Beginn an erhebliche Probleme mit dem Telefon gegeben. Der Austausch des Reserverades habe keinen Erfolg gehabt. Der Geruch sei nach wie vor im gesamten Fahrzeug - hinten stärker als vorne - festzustellen gewesen und sei erst verschwunden, als die gesamte Fahrzeuginnenluft ausgetauscht gewesen sei. Die Geruchsbelästigung sei so massiv, dass es Reisenden schlecht geworden sei. Es sei davon auszugehen, dass Abgase, welche in das Fahrzeug gelangten, massiv gesundheitsschädlich seien. Der Geschäftsführer der Klägerin gehe davon aus, die Entlüftung der Hybrid-Batterie im Kofferraum sei die Ursache des Geruchs.

    Am 11. Juni 2010 habe die Beklagte die Arbeiten am Fahrzeug eingestellt.

    Gleichzeitig habe ein Defekt am Reifendrucksensor vorgelegen. Dieser habe einen nicht vorhandenen Fehler gemeldet.

    Ein weiterer erheblicher Mangel liege darin, dass die Gefahr bestehe, dass Mikro-Fremdkörper im Material der Ventilfedern dazu führten, dass die Federkraft nachlasse und dadurch die Ventilfedern brechen könnten.

    Das Fahrzeug sei durch die Klägerin 19.700 km gefahren worden.

    Mit der am 22. Juli 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt,

    1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 112.120,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rücknahme des PKW Lexus LS 600 h Hybrid, Automatik, Fahrgestellnummer JTHCU...;

    2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges seit dem 01.07.2010 in Annahmeverzug befindet;

    3. der Beklagten die außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.880,30 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aufzuerlegen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte hat behauptet, der Vorführwagen habe einen tatsächlichen Wert von 100.000 Euro gehabt. Der Klägerin sei angeboten worden, das Fahrzeug auf Neuwagenbasis, d.h. zu einem Listenpreis von ca. 120.000 Euro zu finanzieren, da dann mehr für den in Zahlung genommenen Audi A8 habe geboten werden können. Die Klägerin habe erstmalig am 18. August 2009 die Geruchsbelästigung mitgeteilt. Nach der Wiederüberlassung nach Reinigung der Lüftungskanäle an die Klägerin sei bestätigt worden, dass es nicht mehr rieche.

    Eine Probefahrt anlässlich des Termins am 8. April 2010 habe bestätigt, dass der Geruch nach wenigen Minuten verschwunden gewesen sei. Zudem sei er nur im hinteren Fahrzeuginnenbereich festgestellt worden, nicht im gesamten Fahrzeug. Nach der Herausnahme des Ersatzrades und grober Reinigung des Kofferraums sei der Geruch im Kofferraum kaum noch, im Innenraum nicht mehr nachvollziehbar gewesen.

    Die Fehlermeldung des Reifensensors liege daran, dass nach der Modellumstellung die Kompatibilität zwischen Steuergerät und Display nicht mehr gegeben sei. Das Display habe aus Japan bestellt werden müssen und habe zum Zeitpunkt der Umrüstung noch nicht vorgelegen.

    Die Beklagte ist der Ansicht aus der - unstreitigen - Rückrufaktion wegen der Ventilfedern könne kein erheblicher Mangel hergeleitet werden. Lediglich aufgrund des Umstandes, dass in den USA andere Produkthaftpflichtgesetze gelten, habe Lexus die Rückrufaktion durchgeführt.

    Das Landgericht Saarbrücken hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 2. Dezember 2010. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. Wolfgang E. vom 24. März 2011 sowie dessen Erläuterungen im Termin vom 1. September 2011 Bezug genommen.

    Mit am 3. November 2011 verkündetem Urteil (Bl. 252 ff. d.A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Saarbrücken der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Lediglich die ersparten Aufwendungen der Klägerin wurden höher angesetzt und die Beklagte demzufolge zur Rückzahlung eines Betrages von 111.363,20 Euro, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW verurteilt.

    Gegen dieses ihr am 9. November 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 9. Dezember 2011 bei Gericht eingereichtem Schriftsatz Berufung eingelegt. An diesem Tag ging jedoch lediglich die erste, nicht unterschriebene Seite des Schriftsatzes vom gleichen Tag bei Gericht ein. Der vollständige, zweiseitige Schriftsatz ging am 13. Dezember 2011 bei Gericht ein. Hinsichtlich der versäumten Frist zur Einlegung der Berufung wurde der Beklagten durch Beschluss vom 26. September 2012 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

    Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 9. Februar 2012 hat die Beklagte die Berufung mit am 10. Januar 2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.

    Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und ist der Ansicht, das Landgericht Saarbrücken sei zu Unrecht vom Vorliegen eines Mangels ausgegangen. Der Sachverständige habe lediglich über einen sehr kurzfristigen Zeitraum eine kurze anomale nicht genau definierbare Geruchsbelästigung wahrgenommen, was nicht den Schluss auf einen Sachmangel zulasse. Die gutachterlichen Feststellungen seien auch widersprüchlich, da der Sachverständige einerseits angebe, der seitens des Geschäftsführers der Klägerin angegebene Geruch sei durchaus vorhanden, während er andererseits feststelle, lediglich kurzzeitig einen gummiähnlichen Geruch wahrgenommen zu haben. Zur Feststellung von Geruchsemissionen sei die Durchführung einer chemisch-analytischen Untersuchung erforderlich gewesen.

    Die fehlende Abdeckung könne nicht die Ursache der Geruchsemissionen sein, da diese vor der Umrüstung des Fahrzeugs vorhanden gewesen sei und gerade vor diesem Zeitpunkt die Geruchsbildungen im Wesentlichen aufgetreten seien. Die Abdeckung sei im Zuge der Umrüstungsmaßnahmen versehentlich nicht angebracht worden.

    Die Beklagte ist der Ansicht, eine - angenommene - Pflichtverletzung sei unerheblich. Das Landgericht Saarbrücken habe zudem den Vortrag zur Höhe bzw. zum Zustandekommen des Kaufpreises unberücksichtigt gelassen.

    Die Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 3.11.2011 - 14 O 215/10 - die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, der Beweis der Mangelhaftigkeit sei geführt. Der Sachverständige habe die Geruchsbelästigungen bestätigt. Die Kofferraumabdeckung stelle keine ausreichende Abdeckung des Filters dar. Die Klägerin behauptet, die Abdeckung des Filters sei nie vorhanden gewesen. Zudem lägen im Defekt des Reifendrucksensors und der Telefonanlage weitere Mängel vor.

    Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften des Landgerichts Saarbrücken vom 9. November 2010, 1. September 2011, 13. Oktober 2011, des Senats vom 26. September 2012 sowie das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. November 2011 Bezug genommen.

    II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

    Die Tatsachen, die der Senat gemäß den §§ 529, 531 ZPO seiner Beurteilung zugrunde zu legen hat, rechtfertigen keine der Beklagten rechtlich vorteilhaftere Entscheidung, § 513 ZPO.

    Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs aus §§ 346 Abs. 1, 348, 323, 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 437, 440 BGB zusteht.

    1. Das der Klägerin überlassene Fahrzeug ist aufgrund der anomalen Geruchsbelästigungen mangelhaft.

    Da Anhaltspunkte für eine Beschaffenheitsvereinbarung und eine vertraglich vorausgesetzte Verwendung fehlen, ist hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs auf dessen Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und eine bei Sachen der gleichen Art übliche und vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit abzustellen, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.

    a. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein gebrauchter Personenkraftwagen grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2009 - VIII ZR 34/08 -, NJW 2009, S. 1588). Derartige technische Mängel liegen nicht vor.

    Soweit sich die Klägerin neben den Geruchsbelästigungen auf das Nichtfunktionieren der Telefonanlage und einen drohenden Bruch der Ventilfedern stützt, fehlt es an substantiiertem Sachvortrag zu den Mangelerscheinungen und ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin der Beklagten insoweit Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben hat. Letzteres schließt auch eine Berufung auf die fehlerhafte Reifendrucksensoranlage aus. Der Umstand, dass die Beklagte Gelegenheit zur Nachbesserung bezüglich der Geruchsbelästigungen hatte, steht dem nicht entgegen. Der Käufer hat dem Verkäufer grundsätzlich wegen jedes einzelnen Mangels Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10 -, NJW 2011, S. 2872, 2873).

    b. Das Fahrzeug weist jedoch nicht die Beschaffenheit auf, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Käufer erwarten kann.

    Obgleich dies die Frage der Erheblichkeit im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB tangiert, ist bereits an dieser Stelle zu prüfen, ob die Geruchsbelästigung eine Intensität erreicht, die unüblich ist (vgl. zur Abgrenzung zwischen Mangel und "Rücktritts-Mangelhaftigkeit" Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. 1027). Dies ist vorliegend zu bejahen.

    (1.) Welche Beschaffenheit üblich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise dem Alter und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung. Für das, was der Käufer erwarten darf, kann ferner der Kaufpreis von Bedeutung sein (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2007 - VIII ZR 330/06 -, NJW 2008, S. 53, 54).

    Für die Sollbeschaffenheit nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB kommt es weder auf die konkret vorhandene Vorstellung des jeweiligen Käufers noch auf einen durchschnittlichen technischen Informationsstand - sofern ein solcher überhaupt feststellbar sein sollte - der Käuferseite, sondern allein darauf an, welche Beschaffenheit der Käufer "nach der Art der Sache" erwarten kann. Maßstab ist danach die objektiv berechtigte Käufererwartung, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert. Dagegen ist nicht entscheidend, welche Beschaffenheit der Käufer tatsächlich erwartet und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiert (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 - VIII ZR 191/07 -, NJW 2009, S. 2807, 2808; BGH, Urteil vom 4. März 2009 - VIII ZR 160/08 -, NJW 2009, S. 2056, 2057).

    (2.) Hiernach kann der Käufer eines Gebrauchtwagens grundsätzlich erwarten, dass dieser frei von anomalen Geruchsbelästigungen ist.

    Je nach Art, Alter, Laufleistung und Zustand des Fahrzeugs kann es im Einzelfall einem Käufer zwar zumutbar sein, gewisse Geruchsbelastungen hinzunehmen, wenn aus objektiver Käufersicht hiermit "nach der Art der Sache" gerechnet werden muss. Auch stellen die im Rahmen des Üblichen - vor allem bei Neuwagen - festzustellenden Ausdünstungen der Fahrzeuginneneinrichtung, welche zu Beginn des Fahrbetriebes festzustellen sind, danach aber verfliegen, keinen Mangel dar. Ein solcher liegt jedoch bei fahrzeuguntypischen Geruchsemissionen vor. Handelt es sich wie vorliegend um einen "jungen" Gebrauchtwagen des gehobenen Preissegments, der noch kein Jahr zugelassen ist und eine Laufleistung von unter 1000 km aufweist, kann ein durchschnittlicher Käufer durchaus erwarten, dass in diesem keine anomalen Gerüche wahrnehmbar sind.

    Solche hat der Sachverständige E. jedoch festgestellt.

    Danach sei nach Beendigung der ersten Probefahrt im hinteren Fondbereich eine anomale Geruchsbildung festzustellen gewesen, welche auch im Bereich des Kofferraumes vorgelegen habe (Bl. 142 d.A.).

    Während der weiter durchgeführten Fahrversuche sei über die gesamte Fahrstrecke eine konstante unangenehme Geruchsbelästigung zunächst nicht festgestellt worden. Lediglich über einen sehr kurzfristigen Zeitraum sei ein anomaler Geruch im Fahrzeuginnenraum festzustellen gewesen, welcher nicht explizit habe lokalisiert werden können. Der Sachverständige bezeichnet diesen als "gummiähnlich". Während der Dauer der weiteren Fahrversuche hat der Sachverständige diese Geruchsbelästigung nicht mehr bemerkt.

    Der Sachverständige hat festgestellt, dass am Innenraumfilter im Kofferraum die Verschlusskappe des Gehäuses fehlte. Insofern bestünde durchaus die Möglichkeit, dass die Luft unmittelbar mit vorhandenen anomalen Gerüchen aus dem Kofferraumbereich beaufschlagt und in den Fahrzeuginnenraum gleitet werde. Nach provisorischem Abdichten des Innenraumfilters konnte der Sachverständige bei den anschließenden Fahrversuchen keine anomale Geruchsbelästigung, wie sie beim ersten Fahrversuch festzustellen gewesen sei, wahrnehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er somit durchaus festgestellt, dass die Gerüche nach der Abdeckung verschwunden waren.

    Die Geruchsbildung sei auf die immer noch im Kofferraum befindliche starke Geruchsintensität von Gummi zurückzuführen. Die fehlende Abdeckung des Innenraumfilters könne hierfür auch mit beeinflussend sein. Einen Zusammenhang mit den Hochleistungsbatterien konnte der Sachverständige nicht feststellen.

    Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen des Sachverständigen Dipl. Ing. E. zu zweifeln, besteht nicht. Die Einholung eines chemisch-analytischen Gutachtens war nicht geboten. Es kommt vorliegend nicht primär auf eine etwaige Gesundheitsschädigung, sondern darauf an, was ein verständiger Käufer bei vergleichbaren Fahrzeugen erwarten kann. Dies ist eine Freiheit von nicht üblichen Innenraumgerüchen. Eine solche Geruchsfreiheit liegt hier nicht vor, was der Sachverständige bestätigt hat.

    Einer Inaugenscheinnahme des Fahrzeugs bedurfte es ebenfalls nicht. Entscheidend ist, dass der Sachverständige anomale Geruchsemissionen festgestellt hat. Dies ist für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit sowie der Erheblichkeit des Mangels maßgebend. Da an der Geruchswahrnehmung des Sachverständigen, welcher aufgrund seiner Tätigkeit als Kfz-Sachverständiger durchaus normale von anomalen Gerüchen unterscheiden kann, nicht zu zweifeln ist, führt eine Inaugenscheinnahme nicht zu einem weiteren Erkenntnisgewinn.

    Der Sachverständige hat die Geruchsbildung auch nicht der Lederausstattung des Fahrzeugs zugeschrieben, sondern einen gummiähnlichen Geruch festgestellt, der aus dem Kofferraum in das Fahrzeuginnere gelange.

    Obgleich der Sachverständige keine latente Geruchsbelästigung festgestellt hat, handelt es sich nicht nur um eine störende Nebenerscheinung. Nach den gutachterlichen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die Gerüche aus dem Kofferraum in das Fahrzeuginnere transportiert wurden. Dafür spricht der Umstand, dass diese vor allem im Fondbereich festgestellt, als gummiähnlich bezeichnet wurden, was auf das ehemals im Kofferraum lagernde Ersatzrad zurückzuführen ist, und die Geruchsbelästigung nicht mehr festgestellt werden konnte, als die fehlende Abdeckung im Kofferraum angebracht wurde. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Sachverständige bei seiner Anhörung eine Abdeckung des Filters über den Kofferraumdeckel verneint. Ein Käufer vergleichbarer Fahrzeuge muss jedoch derartige Geruchsbildungen auch dann nicht hinnehmen, wenn diese nicht ständig auftreten. Es handelt sich um solche, die aus einem Teil des Fahrzeugs in das Innere gelangen, der hiervon abgetrennt und entsprechend verkleidet ist. Ein Geruchsaustausch soll schon bauartbedingt ausgeschlossen werden. Gelangen dennoch entsprechende Gerüche in das Fahrzeuginnere liegt dies auch bei einem nicht permanenten Auftreten nicht im Rahmen des Üblichen. Der Fahrkomfort wird geschmälert.

    2. Die in der Lieferung des mangelhaften Fahrzeugs liegende "Pflichtverletzung" ist nicht unerheblich, so dass dem Rücktritt auch nicht § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB entgegensteht.

    a. Bei einem Fahrzeug der gehobenen Preisklasse stellen Geruchsbelästigungen wie der vorliegenden Art durchaus einen erheblichen Mangel im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB dar. Auch ein so genannter Komfortmangel ist ein solcher, wenn die Komforteinbuße beträchtlich ist und der Käufer berechtigterweise erwarten durfte, dass eine solche nicht auftritt (vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 25. Juli 2008 - 14 U 125/07 -, NJW-RR 2009, S. 1065, 1066).

    Gerade bei Fahrzeugen der vorliegend gehobenen Preisklasse ist auch der Fahrkomfort eine wichtige Eigenschaft (vgl. OLG Schleswig, aaO.). Dieser wird durch die gummiähnlichen Gerüche durchaus erheblich beeinträchtigt. Auch wenn diese nicht bei jeder Fahrt auftreten, schränken sie den Fahrkomfort, der stets gewährleistet sein sollte, ein. Es kann dem Käufer, welcher 120.000 Euro für ein Fahrzeug der Oberklasse zahlt, nicht zugemutet werden, darauf zu vertrauen, der Geruch werde bei der konkret angetretenen Fahrt nicht auftreten. Für entsprechende Interessenten an einem solchen Fahrzeug wäre eine auch nur sporadisch auftretende Geruchsbelästigung ein Grund, vom Kauf abzusehen.

    b. Der Erheblichkeit steht es nicht entgegen, dass die Geruchsbelästigungen durch Anbringung eines Filters auf die Abdeckung im Kofferraum mit einem sehr geringen Kostenaufwand beseitigt werden können.

    Im Grundsatz kommt es für die Frage der Erheblichkeit zwar auf das Verhältnis der Mängelbeseitigungskosten zum Kaufpreis an. Jedoch ist das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung u.a. dann maßgebend, wenn die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10 -, NJW 2011, S. 2872, 2874). Ein im Zeitpunkt des Rücktritts erheblicher Mangel wird nicht dadurch unerheblich, dass es einem gerichtlich bestellten Sachverständigen gelingt, den Mangel zumindest provisorisch zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2008 - VIII ZR 166/07 -, NJW 2009, S. 508, 509).

    Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung mit Schreiben vom 24. Juni 2010 war die Ursache der - nach den Feststellungen des Sachverständigen als bewiesen anzusehenden - Geruchsemissionen unklar und hierdurch die Gebrauchstauglichkeit eingeschränkt.

    Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten der Klägerin fehlen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. November 2008 - VIII ZR 166/07 -, NJW 2009, S. 508, 509).

    3. Der Mangel in Form der Geruchsbelästigungen lag auch bereits bei Gefahrübergang, § 446 BGB, vor.

    Dem steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen davon auszugehen ist, dass nunmehr die Gerüche aufgrund der fehlenden Abdeckung des Innenraumfilters in das Fahrzeug gelangen und es zwischen den Parteien streitig ist, ob diese schon von Anfang an fehlte oder erst im Zuge der Umrüstungsarbeiten versehentlich nicht angebracht wurde.

    Die Beklagte selbst führte aus, dass bei der Untersuchung des Fahrzeugs am 8. April 2010 "Ausdünstungen" festgestellt worden seien, welche dem im Kofferraum befindlichen Reserverad zugeschrieben werden konnten (vgl. Bl. 191 d.A.). Zwar wird die Geruchsbelastung im Innenraum des Fahrzeugs hinsichtlich ihrer Intensität anders als seitens der Klägerin dargestellt. Jedoch gibt die Beklagte an, im hinteren Fahrzeugbereich habe der Geruch festgestellt werden können (vgl. Bl. 191 d.A.).

    Nach obigen Ausführungen kann bereits hierauf gestützt von einer mangelbegründenden Geruchsbelästigung im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ausgegangen werden.

    Diesen Mangel hat die Klägerin angezeigt und dieser führte zu mehreren Nachbesserungsversuchen der Beklagten. Zwar greift die Vermutung des § 476 BGB vorliegend nicht ein. Jedoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. Auch wenn man es als unklar ansehen wollte, ob die seitens des Sachverständigen E. festgestellten Geruchsemissionen auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind - wofür der beschriebene "gummiähnliche" Geruch spricht - ändert dies im Ergebnis nichts. Der Käufer genügt seiner Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung durch den Nachweis, dass das Mangelsymptom - hier die Geruchsemission - weiterhin auftritt (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2011 - VIII ZR 266/09 -, juris, Absatz-Nr. 16). Dies hat die Klägerin vorliegend getan. Nach den sachverständigen Feststellungen sind nach wie vor "gummiähnliche" Gerüche im Fahrzeug wahrnehmbar. Anhaltspunkte dafür, dass dies auf einer unsachgemäßen Behandlung durch die Klägerin beruht, fehlen. Vielmehr ist nach den Feststellungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass die fehlende Abdeckung des Filters zu einem Eindringen der Gerüche aus dem Kofferraum in das Fahrzeuginnere führt.

    Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man einen zwar nach Gefahrübergang aufgetretenen, aber vom Verkäufer zu vertretenen Mangel einem solchen bei Gefahrübergang gleichstellt (vgl. hierzu H.P. Westermann, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 434 Rn. 51).

    4. Dem Fristsetzungserfordernis ist die Klägerin nachgekommen. Überdies ist eine weitere Fristsetzung nach § 440 BGB entbehrlich, da mindestens zwei fehlgeschlagene Nachbesserungsversuche stattgefunden haben.

    5. Die Berechnung der der Klägerin anzurechnenden Nutzungen ist im Ergebnis nicht zu verändern. Dem steht das Verbot der reformatio in peius entgegen.

    Nicht zu beanstanden ist der Ansatz des Kaufpreises in Höhe von 120.000 Euro. Dieser ist auch dann maßgebend, wenn der Käufer einen Altwagen in Zahlung gegeben hat. Ein verdeckter Preisnachlass ist nicht herauszurechnen (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. 3567). Jedoch ist die voraussichtliche Restlaufleistung nicht mit den vollen 300.000 km anzusetzen. Hiervon sind die bis zur Übergabe an den Käufer zurückgelegten 778 km abzuziehen (vgl. Reinking/Eggert, aaO.: Rn. 3570). Da sich dann jedoch auch die durch die Klägerin gefahrenen Kilometer vermindern, hat es im Ergebnis bei dem durch das Landgericht Saarbrücken festgesetzten Abzugsbetrag zu verbleiben.

    Die Annahme der Restlaufleistung von 300.000 km liegt, verglichen mit anderen Fällen (vgl. die Zusammenstellung bei Reinking/Eggert, aaO. Rn. 3574) sicher an der oberen Grenze. Angesichts des Fahrzeugs der Oberklasse und der Motorisierung erscheint die Annahme einer derart hohen Lebensdauer im Rahmen der Schadensschätzung nach § 287 ZPO durchaus angemessen.

    6. Die Ausführungen des Landgerichts Saarbrücken zu den weiter geltend gemachten Klageanträgen sind nicht zu beanstanden, Angriffe hiergegen nicht vorgebracht.

    7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kostentragungspflicht nach § 238 Abs. 4 ZPO wirkt sich daher nicht weiter aus.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.