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  • 10.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145737

    Amtsgericht Friedberg/H.: Urteil vom 24.04.2015 – 2 C 1639/14

    Ersatz von Reparaturkosten eines auf einer Urlaubsreise wegen eines Defekts ausgetauschten Turboladers können dem Käufer eines gebrauchten PKW auch innerhalb von sechs Monaten nach Vertragsschluss nur zustehen, wenn durch Sachverständigenbeweis ein bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorhandener Mangel nachgewiesen werden kann. Dies setzt unabhängig von der den Kläger wegen des Art des Mangels gem. § 476 BGB letzter Halbsatz treffenden Beweislast eine noch mögliche Untersuchung des aufbewahrten Turboladers voraus, da selbst bei Annahme einer Beweislastumkehr ein entsprechender Entlastungsbeweis des Verkäufers im Falle der Vernichtung fahrlässig vereitelt wird.


    Amtsgericht Friedberg

    Urt. v. 24.04.2015

    Az.: 2 C 1639/14 (12)

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
    Tatbestand

    Der Kläger begehrt im Wege des Schadensersatzes die Kosten für den Austausch eines Turboladers an dem vom Beklagten gekauften Pkw erstattet.

    Mit Kaufvertrag vom 28. Februar 2014 erwarb der Kläger beim gewerblich handelnden Beklagten einen Pkw Typ BMW Modell 320D, Erstzulassung 4.12.2007, bei einem Kilometerstand von 195.000. Das Formular enthält den Satz "Das Fahrzeug wird unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft."

    Am 24.07.2014 befand sich der Kläger mit dem Fahrzeug auf einer Urlaubsreise in die Türkei. Gegen 1:00 Uhr nachts blieb das Fahrzeug in Österreich fahruntüchtig stehen und wurde zu einer Firma - verbracht. Diese tauschte den Turbolader aus; auf die beigefügte Rechnung vom 25.7.2014 (Bl. 6 d. A.) wird verwiesen. Dort ist ein Kilometerstand des Fahrzeugs von 200.528 festgehalten.

    Der Kläger ist der Auffassung, wegen des hier vorliegenden Verbrauchsgüterkaufs sei der Beklagte, da sich der Mangel am Turbolader binnen 6 Monate seit Gefahrübergang gezeigt habe, einstandspflichtig. Einer Fristsetzung zur Nachbesserung habe es wegen der Dringlichkeit der Reparatur während der Urlaubsfahrt und der anzunehmenden Weigerung des Beklagten, die Reparatur zeitnah vor Ort durchzuführen, nicht bedurft.

    Der Kläger beantragt,

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1977,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.10.2014 zu zahlen und ihn von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 255,85 € freizustellen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Neben dem Bestreiten der vorgetragenen Geschehensabläufe ist der Beklagte der Auffassung, dass die klägerischen Ansprüche bereits deswegen scheitern, weil keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gewährt wurde. Der Beklagte behauptet außerdem, ein etwaiger Defekt am Turbolader sei auf betriebsüblichen Verschleiß als Folge des Alters und der Laufleistung des Fahrzeugs zurückzuführen und stelle keinen Mangel im Sinne des Gesetzes dar. Defekte an einem Turbolader könnten auch auf Bedienungsfehler oder fehlende Wartung zurückzuführen sein.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Klage ist unbegründet.

    Dem Kläger steht kein Schadensersatzes in Form der verauslagten Reparaturkosten wegen des Defekts am Turbolader zu (vgl. §§ 433 ff. BGB).

    Dabei ist das Gericht bereits der Auffassung, dass die zu Gunsten des Käufers eines hier unstreitig vorliegenden Verbrauchsgüterkaufs eingreifende Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB vorliegend nicht zur Anwendung kommt. Der Mangel am Turbolader zeigte sich unstreitig erst im Juli 2014. Ein Defekt am Turbolader kann typischerweise jederzeit eintreten und verschleißbedingte Ursachen haben. Gemäß § 476 BGB letzter Halbsatz sind solche Mängel von der Beweislastumkehr nicht erfasst. Es gibt keinen hinreichend wahrscheinlichen Rückschluss auf ein Vorliegen des Mangels (hier des Defektes des Turboladers) bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Das gilt auch für die vom Kläger vorgetragene Behauptung, die Ursache des späteren Mangels, der sogenannte "Grund"-Mangel, habe bereits bei Übergabe des Fahrzeugs im Februar 2014 vorgelegen. Es besteht die ernsthafte Möglichkeit einer Mangelentstehung nach Auslieferung des Fahrzeugs, etwa durch verschleißbedingte Veränderungen oder aber durch unzureichende Wartung. Damit verbleibt die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels bereits bei Gefahrübergang beim Kläger.

    Doch selbst wenn entgegen der zuvor dargelegten Überzeugung des Gerichts entgegen dem Wortlaut des § 476 BGB und entgegen der amtlichen Begründung zur Einführung dieser Vorschrift davon auszugehen wäre, dass die Vermutung des § 476 BGB sich auch auf die Ursache eines sich innerhalb von 6 Monaten zeigenden Sachmangels erstrecken würde, unterliegt die Klage der Abweisung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 23.11.2005, Az. VIII ZR 43/05, zitiert nach [...]), von der abzuweichen das Amtsgericht Friedberg (Hessen) keine Veranlassung sieht, läge eine fahrlässige Beweisvereitelung durch den Kläger im Hinblick auf den vom Beklagten zu führenden Entlastungsbeweis eines verschleißbedingten Schadens des Turboladers vor. Der Kläger ist - dies zeigt der Vergleich der Kilometerstände bei Verkauf und bei Aufnahme der Reparaturwerkstatt - mit dem Fahrzeug (ähnlich wie in dem vom BGH entschiedenen Fall) ca. 5500 km gefahren. Ohne dass der ausgebaute, defekte Turbolader einer näheren Untersuchung zugänglich ist, lässt sich kein Beweis darüber führen, was die genaue Ursache der Schadhaftigkeit gewesen ist. Es ist unaufklärbar, ob das Bauteil bereits bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet gewesen ist, der sich erst später ausgewirkt hat, oder aber ob eine in Anbetracht der Laufleistung rein verschleißbedingte Ursache oder aber ein Fahrfehler zum Ausfall geführt hat. Der Kläger hätte - auch als juristischer Laie - erkennen müssen, dass die beauftragte Werkstatt das defekte Teil aufbewahren muss (vgl. BGH a.a.O.). Er hätte an eine entsprechende Anweisung der Werkstatt denken müssen und daran, dass eine Erstattung der aufgewendeten Kosten im Wege des Schadensersatzes nur dann erfolgreich sein kann, wenn der defekte Turbolader einer späteren Untersuchung zur Verfügung steht. Ohne diese Voraussetzung ist es auch für den vom Gericht, wie bereits ausgeführt, nicht angenommenen Fall einer Beweisentlastung durch den Verkäufer unmöglich, die Ursache des Defekts zu ermitteln. Damit liegt ein Fall der fahrlässigen Beweisvereitelung vor. Aus ähnlichen gelagerten Prozessen des erkennenden Gerichts, aber auch aus den tatsächlichen Feststellungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich mit diesem Problemkreis beschäftigt hat (vgl. BGH a.a.O., OLG Stuttgart, Urteil vom 31.1.2005, Az. 5 U 153/04 u.a.m.) ist gerichtsbekannt, dass ohne Hinzutreten weiterer Anzeichen ein verschleißbedingter Ausfall mindestens genauso wahrscheinlich ist wie ein bereits bei Verkauf angelegter Mangel des Turboladers.

    Abgesehen davon, dass dem Kläger im Hinblick auf seinen Vortrag zur Vorstellung des Pkw in einer Hanauer Werkstatt mit Schriftsatz vom 11. März 2015 kein Schriftsatznachlass gewährt worden ist (§ 296 a ZPO) ist dieses Vorbringen auch ohne Substanz geblieben. Welche Arbeiten konkret durchgeführt worden sind, bleibt unklar. Der Vortrag, dass keine signifikante Besserung der Symptome nach Verbringung des Fahrzeugs zum Beklagten (was von diesem bestritten wird) eingetreten sei, steht in Widerspruch zur Äußerung des Klägers im Rahmen seiner persönlichen Anhörung, das Fahrzeug sei anschließend "normal" gelaufen.

    Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO