11.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208291
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 06.12.2018 – 6 U 196/17
1. Ob die etwaige Vorenthaltung von nach der PKW-EnVKV vorgeschriebenen Informationen über Verbrauchs- und Emissionswerte zugleich unlauter ist, richtet sich nach § 5a II UWG; aus § 3a UWG ergeben sich bei richtlinienkonformer Auslegung jedenfalls keine geringeren Anforderungen an den Vorwurf der Unlauterkeit.
2. Eine die Informationspflicht über Verbrauchs- und Emissionswerte nach § 5 PKW-EnVKV begründende Werbung für ein bestimmtes Fahrzeugmodell liegt erst dann vor, wenn die Bezeichnung dieses Modells in der Werbung genannt wird; die bildliche Wiedergabe des Modells reicht hierfür nicht aus.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main
Beschl. v. 06.12.2018
Az.: 6 U 196/17
Tenor:
1.)
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 24.10.2017, Az. 3-06 O 50/17 abgeändert und die Klage abgewiesen.2.)
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.3.)
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Angabe der CO2-Emissionen nach der Pkw-EnVKV auf der Homepage der Beklagten sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe.
Streitgegenständlich ist die Rubrik "Pressemitteilungen" auf der Internetseite der Beklagten, auf der eine Sammlung von Pressemitteilungen der Beklagten dergestalt hinterlegt war, dass die jeweiligen Pressemitteilungen "angeteasert" wurden. Dort wurden die Meldungen nur mit einem Bild und einer Überschrift oder einem Textanriss kachelartig dargestellt; erst nach Anklicken gelangte man auf die konkrete (ausführliche) Pressemitteilung. Während dort die CO2-Emissionsangaben enthalten waren, fehlten diese auf der Übersichtsseite.
Das Landgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 24.10.2017, auf das gem. § 540 I ZPO hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, zur Unterlassung und aufgrund einer bereits im Jahr 2010 abgegebenen Unterlassungserklärung auch zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.000 € verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Aktenzeichen 3-06 O 50/17 vom 04.10.2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 5a II Nr. 1 UWG noch eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 € wegen Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung aus dem Vertrag vom 08.03.2010 zu. Die Beklagte hat nicht für ein Modell im Sinne von Anlage 4, Abschnitt I, II Nr. 2,3 Pkw-EnVKV geworben, so dass ein Verstoß gegen § 5 PKW-EnVKV nicht vorliegt.
1.) Bei den nach der Pkw-EnVKV bereitzustellenden Informationen handelt es sich zugleich um wesentliche Informationen im Sinne von § 5a UWG.
§ 3a UWG steht einer Anwendung von § 5a UWG insoweit nicht entgegen (BGH Urteil vom 13.09.2018, I ZR 117/15, BeckRS 2018, 26813 - YouTube-Werbekanal II; BGH, GRUR 2012, 842 Rnr. 16, 20 - Neue Personenkraftwagen): § 5 a UWG dient der Umsetzung von Art. 7 der UGP-Richtlinie (RL 2005/29/EG). Da die UGP-Richtlinie in ihrem Anwendungsbereich zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat und die Frage der Unlauterkeit von Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern wie insbesondere die in diesem Verhältnis bestehenden Informationspflichten abschließend regelt, kann ein Verstoß gegen solche nationale Bestimmungen eine Unlauterkeit nach § 3a UWG nur noch insoweit begründen, als die betreffenden Informationspflichten eine Grundlage im Unionsrecht haben (s. BGH, GRUR 2012, 842 [BGH 21.12.2011 - I ZR 190/10] Rnr. 15, 21 - Neue Personenkraftwagen I). Die in § 5 Pkw-EnVKV aufgestellte Informationspflicht betreffend Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Pkw hat ihre Grundlage in der RL 1999/94/EG vom 13.12.1999 über die Bereitstellung von Verbraucherinformationen über den Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Personenkraftwagen. Die RL 1999/94/EG schreibt Informationspflichten für die Anbieter elektronischer Dienste zwar nicht vor, ermöglicht aber den Mitgliedstaaten die Einführung solcher Pflichten auch außerhalb der "Werbeschriften" iSd Art. 1 Nr. 9 RL 1999/94/EG, wie sich aus deren Art. 6 II und Erwägungsgrund 11 ergibt. Der deutsche Gesetzgeber hat zulässigerweise von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, elektronische Dienste zu regeln. Auch eine Regelung, die sich als die Umsetzung einer im Unionsrecht inhaltlich vorgesehenen Option darstellt, findet daher ihre Grundlage im Unionsrecht.
Die in §§ 1, 5 Pkw-EnVKV geregelten Informationspflichten betreffend Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen beim Marketing für neue Pkw sind Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG (BGH Urteil vom 13.09.2018, I ZR 117/15, BeckRS 2018, 26813 - YouTube-Werbekanal II; BGH, GRUR 2012, 842 [BGH 21.12.2011 - I ZR 190/10] Rnr. 16, 20 - Neue Personenkraftwagen; Köhler/Bornkamm, UWG, 35. Aufl., § 3a Rnr. 1212). Bei richtlinienkonformer Auslegung dieser Vorschrift kann die Vorenthaltung solcher Informationen allerdings nur dann als spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verbraucher eingestuft werden, wenn zugleich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5a II UWG erfüllt sind (vgl. Senat WRP 2018, 241, Rn. 27 sowie allgemein zum Verhältnis von § 3a UWG und § 5a II UWG bei Verletzung von Informationspflichten gegenüber Verbrauchern BGH Urteil vom 31.10.2018 - I ZR 73/17, Rn. 31).
2.) Dass eine Werbung im Sinne von § 5 I, II Pkw-EnVKV vorliegt, stellt die Beklagte mit der Berufung nicht mehr in Frage. Auch die streitgegenständliche Pressemitteilung der Beklagten dient nämlich letztlich nur der Absatzförderung der Fahrzeuge der Beklagten. Nach § 2 Nr. 11 Pkw-EnVKV ist "Werbematerial" jede Form von Informationen, die für Vermarktung und Werbung für Verkauf und Leasing neuer Personenkraftwagen in der Öffentlichkeit verwendet wird; dies umfasst auch Texte und Bilder auf Internetseiten. Dabei gilt nach § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV auch für die Verbreitung in elektronischer Form nach § 2 Nr. 10 Pkw-EnVKV. Der Begriff der Werbung umfasst nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Maßnahmen eines Unternehmens, die auf die Förderung des Absatzes seiner Produkte oder Dienstleistungen gerichtet sind. Damit ist außer der unmittelbar produktbezogenen Werbung auch die mittelbare Absatzförderung - z.B. in Form der Imagewerbung oder des Sponsoring - erfasst. Werbung ist deshalb in Übereinstimmung mit Art. 2 lit. a der RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12.12.2006 über irreführende und vergleichende Werbung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern (vgl. BGH, MMR 2016, 240 [BGH 15.12.2015 - VI ZR 134/15], Rdnr. 16). Dies ist bei der streitgegenständlichen Pressemitteilung der Fall, da hiermit für den "Marke1" geworben wird (vgl. auch OLG Frankfurt a. M. - 14. Zivilsenat, Urteil v. 19.11.2013 - 14 U 188/13, Rnr. 18 zu Presseinformationen des Herstellers).
3.) Die Werbung der Beklagten verstößt jedoch nicht gegen § 5 Pkw-EnVKV.
a) Die in § 5 I Pkw-EnVKV bestimmte und in Abschn. I der Anl. 4 zu dieser Verordnung näher konkretisierte Verpflichtung zur Angabe der offiziellen CO2-Werte besteht nur bei einer Werbung für bestimmte Modelle neuer Personenkraftwagen. Soweit der erkennende Senat in der vom Landgericht in Bezug genommenen Entscheidung vom 10.5.2012 - 6 U 81/11 - die Auffassung vertreten hat, diese Angaben seien bereits in der Werbung für einen Fahrzeugtyp unabhängig davon zu machen, ob es hiervon noch Varianten oder Versionen gibt, hält er hieran im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2015, 393 [BGH 24.07.2014 - I ZR 119/13] - Der neue SLK, Rn. 17) nicht mehr fest.
Nach § 2 Nr. 15 Pkw-EnVKV ist "Modell" im Sinne dieser Verordnung die Handelsbezeichnung eines Fahrzeugs, bestehend aus Fabrikmarke, Typ sowie gegebenenfalls Variante und Version eines Personenkraftwagens.
Diese Definition stimmt in der Sache mit der in Art. 2 Nr. 11 RL 1999/94/EG enthaltenen Begriffsbestimmung überein, wonach der Ausdruck "Modell" die Handelsbezeichnung der Fabrikmarke, des Typs und gegebenenfalls der Variante und Version eines Personenkraftwagens bezeichnet (BGH a.a.O. Der neue SLK, Rn. 14). Gibt es daher eine Variante und ggf. sogar eine Version des Typs eines Fahrzeugs einer Marke, so ist (erst) diese als Modell im Sinne von § 2 Nr. 15 Pkw-EnVKV anzusehen. Gibt es diese nicht, ist schon der Typ als Modell anzusehen.
Der Begriff der Variante ist nach § 2 Nr. 16 der Pkw-EnVKV nach Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 1999/94/EG zu bestimmen. Der wiederum verweist auf den Anhang II B der Richtlinie 70/156/EWG:
Die "Variante" eines Typs umfasst Fahrzeuge innerhalb eines Typs, die sich zumindest hinsichtlich der folgenden wesentlichen Merkmale nicht unterscheiden:
- Art des Aufbaus (z. B. Stufenhecklimousine, Schräghecklimousine,
Coupé, Kabrio-Limousine, Kombilimousine, Mehrzweckfahrzeug), - Antriebsmaschine:
- Arbeitsweise (entsprechend Punkt 3.2.1.1 in Anhang III),
- Anzahl und Anordnung der Zylinder,
- Unterschiede in der Motorleistung von mehr als 30 % (die höchste Leistung beträgt mehr als das 1,3-fache der niedrigsten),
- Unterschiede im Hubraum von mehr als 20 % (der größte Hubraum beträgt mehr als das 1,2-fache des kleinsten),
- Antriebsachsen (Anzahl, Lage, gegenseitige Verbindung),
- gelenkte Achsen (Anzahl und Lage).
b) Da das beworbene Fahrzeug "Marke1" sowohl als Cabrio als auch als Coupé angeboten wurde, läge demnach im vorliegenden Fall eine Werbung für ein Modell nur dann vor, wenn in den beanstandeten "Teasern" bereits für das Cabrio oder das Coupé geworben worden wäre. Dies ist nicht der Fall.
(1) Soweit der Kläger der Auffassung ist, durch die Angabe der Geschwindigkeit (322 km/h) werde die Variante des Coupés bestimmt, weil nur dieses diese Geschwindigkeit erreiche, während das Cabrio nur 314 km/h erreiche, wird der Verkehr diesen Schluss nicht ziehen. Die Frage, ob eine bestimmte Variante beworben wird, ist aus der Sicht des Verkehrs zu betrachten. Der Verkehr hat jedoch nicht den ausführlichen Prospekt zur Hand, aus dem sich die "Höchstgeschwindigkeit" ergeben könnte. Zudem ist auch der Rückschluss der Angabe "322 km/h" auf die Höchstgeschwindigkeit nicht veranlasst. Es kann auch eine tatsächlich erzielte Geschwindigkeit beworben werden, die über der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit liegen kann, zumal die Beklagte in der Pressemitteilung den Begriff der Höchstgeschwindigkeit gar nicht wählt, sondern nur "322 km/h" angibt. Damit erscheint eine Zuordnung zu einer bestimmten Variante über die Geschwindigkeitsangabe nicht möglich.
(2) Eine Zuordnung zu der Variante des Coupés wird der Verkehr aber auch nicht - wie das Landgericht in seiner Hilfsbegründung angenommen hat - durch das in Anlage K 2 eingeblendete Foto vornehmen. So ist schon zweifelhaft, ob der Verkehr auf dem Lichtbild überhaupt zwingend das Coupé erkennt, können doch auch Cabrios mit Hardtop- oder Metalldächern versehen sein. Jedenfalls aber fehlt es an der nach Abschnitt I Nr. 1 der Anlage 4 zu § 5 Pkw-EnVKV notwendigen Nennung. Das Fahrzeugmodell muss "genannt" sein, was auch für elektronisches Werbematerial gilt, für das nach § 5 II Nr. 1 Pkw-EnVKV die Vorschriften der Anlage 4 entsprechend gelten. Genannt in diesem Sinne wird ein Modell indes nur durch Angabe der Handelsbezeichnung (einschließlich der Variante), nicht hingegen durch bildliche Wiedergabe. Dieses Verständnis von dem Begriff der Nennung entsprich dem Sinn und Zweck der Informationspflicht: Der Verbraucher sollen - noch bevor er sich beim Händler für das Modell interessiert - die Verbrauchs- und Emissionswerte vor Augen geführt werden. Das bereits bestehende Interesse für ein bestimmtes Modell kann aber sinnvoll nur mit Hilfe der Bezeichnung geäußert werden, nicht hingegen unter Hinweis auf eine Abbildung, die der Verbraucher irgendwo gesehen hat.
c) Ob unter Berücksichtigung von § 5a V Nr. 1 UWG angesichts der konkreten Gestaltung der Homepage mit lediglich "angeteaserten" Artikeln, die beim Verkehr erkennbar auf den Folgeseiten Fortsetzung finden, überhaupt ein "Vorenthalten" vorliegt, kann daher hier dahingestellt bleiben.
4.) Damit liegt auch kein Verstoß gegen den Unterlassungsvertrag vor.
5.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da Zulassungsgründe weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich waren.