08.03.2022 · IWW-Abrufnummer 227935
Oberlandesgericht Braunschweig: Urteil vom 01.02.2022 – 7 U 566/20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Braunschweig
Urteil
7 U 566/20
2 O 4256/19 (233) Landgericht Braunschweig
Verkündet am 1. Februar 2022
In dem Rechtsstreit
der A- mbH, vertreten durch den Geschäftsführer, …, in…..
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ….,
Geschäftszeichen: P…
gegen
die B-GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, …, in ,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte….,
Geschäftszeichen: …
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. X, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Y und die Richterin am Oberlandesgericht Z auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2022 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 03.07.2020, Az. 2 O 4256/19, teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.887,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.06.2019 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf die Wertstufe bis 6.000,- €.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Leasingvertrags in Anspruch, nachdem sie in Ausübung von ihr im Leasingvertrag eingeräumten Rechten den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt hatte, den die Beklagte mit der Lieferantin des Fahrzeugs geschlossen hatte. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 517 ZPO eingelegt und innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO begründet worden. Sie ist in dem aus dem Tenor zu entnehmenden Umfang begründet.
1. In vollem Umfang begründet ist der Berufungsantrag zu 1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 4.887,96 € wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage des Leasingvertrags zu.
a) Der Wegfall der Geschäftsgrundlage folgt daraus, dass die Klägerin aus abgetretenem Recht eine mangelbedingte Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen dem vermittelnden Autohaus und der Beklagten durchgesetzt hat. Dahingestellt gestellt bleiben kann, ob entsprechend den Ausführungen des Landgerichts Anspruchsgrundlage für den daraus folgenden Rückabwicklungsanspruch §§ 812, 818 BGB oder, wie die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend macht, §§ 346 ff BGB sind.
Der Berufungseinwand der Klägerin spiegelt den nach wie vor bestehenden Meinungsstreit zur anwendbaren Anspruchsgrundlage in den Fällen wider, in denen der Leasingnehmer nach erfolgreicher Geltendmachung eines Rücktritts aus einem abgetretenen kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht einen Anspruch auf Rückabwicklung (auch) des Leasingvertrages geltend macht (vgl. zu dieser Thematik Staudinger/Stoffels (2018) BGB, LEASING R. 237ff). Während der Bundesgerichtshof mit der früheren (vor der Schuldrechtsreform geprägten) und bisher nicht ausdrücklich aufgegebenen Rechtsprechung in der Rückabwicklung des Kaufvertrags zwischen Lieferant und Leasinggeber einen Wegfall der Geschäftsgrundlage sah, der zu einer Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht führte (vgl. für viele BGH, Urteil vom 25. Oktober 1989 ‒ VIII ZR 105/88 ‒, R. 11ff, juris; Staudinger/Stoffels (2018) BGB, LEASING R. 239), wird in der Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung nach der Schuldrechtsreform und der gesetzlichen Kodifizierung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB überwiegend vertreten, der Wegfall der Geschäftsgrundlage führe nach § 313 Abs. 3 BGB zu einem Rücktritts- oder einem ex tunc wirkenden Kündigungsrecht, aufgrund dessen die Rückabwicklung des Leasingvertrages gemäß §§ 346ff BGB erfolgen müsse (vgl. dazu OLG München, Urteil vom 02. Mai 2018 ‒ 7 U 3715/17 ‒, R. 38f, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08. März 2016 ‒ I-24 U 120/15 ‒, R. 37ff, juris; Staudinger/Stoffels (2018) BGB, LEASING R. 245f m.w.N.). Für den hier in Rede stehenden Antrag auf Rückzahlung der Leasingraten und die gegen diese Forderung eingewandten Ansprüche der Beklagten auf Nutzungsersatz für die zeitweise Nutzung des Leasingfahrzeugs ist es unbeachtlich, welche Anspruchsgrundlage zur Anwendung kommt. Der Rückzahlungsanspruch bzgl. der Leasingraten folgt im Bereicherungsrecht aus § 812 Abs. 1 BGB und im Rücktrittsrecht aus § 346 Abs. 1 BGB. Auch findet sowohl im Bereicherungsrecht als auch im Rücktrittsrecht eine ‒ zwischen den Parteien dem Grunde nach nicht streitige - Anrechnung der gezogenen Nutzungen statt, und zwar im Rahmen des Bereicherungsrechts über § 818 Abs. 3 BGB und im Rahmen des Rücktrittsrechts durch einen aufrechenbaren Gegenanspruch der Beklagten gemäß § 346 Abs. 1 BGB, wobei die Geltendmachung dieses Anspruchs eine Aufrechnung gemäß § 388 BGB darstellt.
b) Danach steht der Klägerin wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits gezahlten Leasingraten in Höhe von 9.953,52 € zu, der um die von Klägerin gezogenen Nutzungen des Fahrzeugs zu reduzieren ist. Diese belaufen sich entsprechend der von der Klägerin vorgenommenen Berechnung nach der linearen Berechnungsmethode, ausgehend von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 300.000 km, auf 5.066,56 €.
aa) Anders als vom Landgericht angenommen, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass deshalb, weil der Geschäftsführer der Klägerin die einen Prozentsatz von 0,67% nennende Anlage B1 unterzeichnete, auf die Leasingraten nur eine Nutzungsentschädigung von 0,67% / gefahrene 1.000 km (statt der sich aus einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km ergebenden Anrechnung von 0,33% / gefahrene 1.000 km) anzurechnen sei.
Unstreitig ist zwischen den Parteien zwar, dass die unter dem 09.05.2019 vom Geschäftsführer der Klägerin unterschriebene Anlage B1 eine rechtsgeschäftliche Erklärung der Klägerin darstellt, mit der sie sich mit der Abrechnung der Nutzungsentschädigung nach den dort festgehaltenen Bedingungen einverstanden erklärte. Insbesondere stellt die Klägerin das Bewusstsein ihres Geschäftsführers, eine rechtsverbindliche Erklärung abzugeben, nicht infrage, sondern hat dies sogar durch die Ausführungen auf Seite 1 des Schriftsatzes vom 20.05.2021 bestätigt, dem „Berufungskläger“ sei bewusst gewesen, dass das Dokument der Rückabwicklung dienen solle. Entgegen der Annahme des Landgerichts ist die Erklärung der Klägerin vom 09.05.2019 allerdings gemäß § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam.
(1) Bei dem für die Anlage B1 verwendeten Vordruck, der ausweislich der Überschrift von der Beklagten stammt, handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen (im Folgenden AGB) i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB; denn der Vordruck ist aufgrund seiner Ausgestaltung als auszufüllendes Formular, das als Grundlage von rechtsgeschäftlichen Erklärungen des Leasingnehmers und des Autohauses dienen soll, offensichtlich für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und wurde ebenso offensichtlich von der in der Überschrift genannten Beklagten zur Verfügung gestellt.
Eine Einordnung des Vordrucks als AGB ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht deshalb zu verneinen, weil er ausschließlich dazu dient, die Rahmenbedingungen der Abrechnung der Nutzungsentschädigung im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Kaufvertrags und der Abrechnung des Leasingvertrags vertraglich zu vereinbaren. Grundsätzlich können AGB nämlich auch dann vorliegen, wenn vorformulierte Vertragsbedingungen die Hauptleistungspflichten betreffen (Roloff/Looschelders in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 305 BGB, R. 3; vgl. auch BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 ‒ I ZR 73/10 ‒, BGHZ 193, 268-297, R. 28, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2010 ‒ VIII ZR 178/08 ‒, BGHZ 185, 96-114, R. 19, juris; BGH, Urteil vom 26. Januar 2001 ‒ V ZR 452/99 ‒, R. 20, juris, nach denen solche als Preisvereinbarungen/-abreden bezeichnete Klauseln zwar keiner AGB-Kontrolle nach §§ 307 ff BGB unterliegen, dies jedoch nur Folge der Einschränkung der AGB-Kontrolle in § 307 Abs. 3 S. 1 BGB [sowie nach früherem Recht im inhaltsgleichen § 8 AGBG] ist).
(2) Trotz Einstufung als AGB unterliegt die vorgedruckte Zeile „Prozentsatz“ (nach der bereits unter (1) zitierten Rechtsprechung) als Preisabrede gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB zwar keiner Inhaltskontrolle (vgl. dazu (a)), doch findet die Unklarheitenregelung des § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB Anwendung, die zu der Unwirksamkeit der dortigen Regelung führen dürfte (vgl. dazu (b)).
Damit unterliegt die Zeile „Prozentsatz“ keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, weshalb es auf die Ausführungen der Klägerin dazu nicht ankommt, dass der dort eingetragene Prozentsatz von 0,67 % (so, wie er von der Beklagten interpretiert und ihrer Nutzungsberechnung zugrunde gelegt worden ist) sie wegen der Anwendung einer veralteten, eine zu geringe Laufleistung und damit einen zu hohen Prozentsatz zugrunde legenden Rechtsprechung unangemessen benachteilige.
(b) Die Zeile „Prozentsatz“ ist jedoch wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, der nach § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch auf Preisvereinbarungen Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 ‒ I ZR 73/10 ‒, BGHZ 193, 268-297, R. 34, juris), unwirksam, weil, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, aus dieser Zeile kein Anhaltspunkt dafür folgt, dass die dortige Eintragung Berechnungsgrundlage für die Nutzungsentschädigung sein soll, und in die Zeile „Nutzungsentschädigung“ keine Eintragung vorgenommen wurde.
Dass es sich bei der Eintragung in die Zeile „Prozentsatz“ überhaupt um eine Eintragung handelt, die eine vertragliche Vereinbarung enthält, geht aus dem Vordruck bereits nicht hervor.
Dies gilt zunächst unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs: Die Zeile „Prozentsatz“ ist nach der optischen Gestaltung die letzte Zeile eines einheitlichen, auszufüllenden Zeilenblocks, dessen ersten vier Zeilen ausschließlich Angaben betreffen, die sich aus objektiven Umständen ergeben (Abgabedatum, Kilometerstand, Anschaffungspreis). Von diesen fünf Zeilen ist die Zeile „Nutzungsentschädigung“, die angesichts der Formulierung „Die Nutzungsentschädigung über Euro .... zzgl. USt., an den Kunden belasten und an den o.g. Händler gutschreiben“ als vertragliche Vereinbarung zu erkennen ist, optisch durch einen Abstand zu den vorherigen fünf Zeilen sowie die Verwendung von Fettdruck abgehoben. Diese systematische Anordnung erweckt den Eindruck, dass es sich bei der Zeile „Prozentsatz“ um eine weitere Zeile handelt, die objektiv vorgegebene Umstände betrifft, und dass eine etwaige vertragliche Vereinbarung in der - tatsächlich nicht ausgefüllten - Zeile „Nutzungsentschädigung“ hätte getroffen werden können. Dass die Zeile „Nutzungsentschädigung“ nicht ausgefüllt wurde, ändert daran nichts, da unter dieser Voraussetzung die Einverständniserklärung des Unterzeichners sich lediglich auf die einvernehmlich in das Formular eingetragenen, gemeinsam ermittelten, objektiven, der Berechnung zugrunde zu legenden Umstände bezogen hätte.
Aus diesem Grund überzeugt auch das Argument des Landgerichts nicht, dass die Klägerin nicht dargelegt habe, welches andere Abrechnungsverhältnis zwischen den Parteien und dem Händler noch hätte begründet sein sollen. Denn auch ohne die Eintragung der Nutzungsentschädigung und ohne Vereinbarung eines darauf bezogenen Berechnungsfaktors machte nach den vorstehenden Ausführungen die Ausfüllung und Unterzeichnung des Vordrucks als Grundlage für die Abrechnung des Leasingvertrags Sinn.
Selbst wenn man davon ausginge, für den Unterzeichner sei (zumindest) erkennbar gewesen, dass die Zeile „Prozentsatz“ eine vertragliche Vereinbarung enthalten sollte, verstieße die vorgedruckte Ausgestaltung dieser Zeile gegen das Transparenzgebot. Denn aus ihr wird, wie die Klägerin zu Recht geltend macht, weder deutlich, dass der Prozentfaktor Grundlage der Berechnung der Nutzungsentschädigung sein soll, noch, auf welche Bezugspunkte sich der Prozentfaktor beziehen sollte. Für Juristen mag, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zur linearen Berechnung der Nutzungsentschädigung bei Rückabwicklung eines Kaufvertrages, erkennbar sein, dass der Wert von 0,67 % der Prozentsatz des Kaufpreises ist, der pro gefahrene 1.000 km der Nutzungsentschädigung zugrunde gelegt wird, wenn man von einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 150.000 km ausgeht. Dies ist jedoch für einen juristischen Laien nicht erkennbar, da die Zeile keinen Bezug zu den Zeilen „Anschaffungspreis“ und „Kilometerstand“ herstellt. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem Unterzeichner der Erklärung um den Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft handelte; denn ebenso wenig wie von einem Privatmann kann von einem Kaufmann verlangt werden, dass er präsentes Wissen über die Einzelheiten der Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages hat.
Soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, von dem Geschäftsführer der Klägerin hätte jedenfalls verlangt werden können, dass er nachfragt, wenn er eine Eintragung in dem Vordruck nicht versteht, steht dies der Anwendbarkeit des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht entgegen. Diese Argumentation wäre richtig, wenn es sich bei der Vereinbarung um eine Individualvereinbarung gehandelt hätte, wobei in diesem Fall auch die von den Parteien diskutierte entsprechende Anwendung der Grundsätze zur Unterzeichnung eines Blanketts in Betracht gekommen wäre. Tatsächlich handelt es sich hier jedoch, wie unter (1) ausgeführt, um eine Preisvereinbarung durch eine Vertragsklausel, die als AGB einzustufen ist. Unter dieser Voraussetzung enthält § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eine gesetzliche Spezialregelung des Inhalts, dass AGB-Regelungen, die in ihren Auswirkungen nicht eindeutig (unklar) sind, unwirksam sind. Gegen diese Rechtsfolge kann die Beklagte auch nicht einwenden, dass bei einem entsprechenden Ergebnis dem Vertrag wegen einer fehlenden Regelung der essentialia negotii seine Grundlage entzogen werde. Einerseits entspricht es gerade bei Preisvereinbarungen höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass eine Überprüfung von Klauseln, die die Höhe der eigentlichen vertraglichen Leistung regeln, zu deren Unwirksamkeit führen kann (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 ‒ I ZR 73/10 ‒, BGHZ 193, 268-297, R. 34, juris). Unabhängig davon macht, wie bereits wiederholt ausgeführt, die Abrechnungsvereinbarung auch ohne eine Einigung über den der Berechnung der Nutzungsentschädigung zugrunde zu legenden Prozentfaktor Sinn.
Konsequenz der Einstufung der Zeile „Prozentfaktor“ als intransparent ist die Unwirksamkeit zumindest dieser Vertragsklausel mit der Folge, dass sich die Beklagte auf die von ihr vertretene Abrechnung mit 0,67% / gefahrene 1.000 km nicht berufen kann. Da die Zeile „Nutzungsentschädigung“ nicht ausgefüllt wurde, fehlt es mithin an jeglicher vertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Nutzungsentschädigung, so dass diese sich nach der Gesetzeslage richtet.
bb) Für den hier in Rede stehenden Audi A6 hat die Klägerin die Nutzungsentschädigung korrekt mit 5.065,56 € errechnet.
Der Senat nimmt die Anrechnung der Nutzungsentschädigung bei Rückabwicklung von Kaufverträgen über ein Kfz nach der linearen Berechnungsmethode vor, indem der Kaufpreis des Fahrzeugs zu der voraussichtlichen Restlaufleistung ins Verhältnis gesetzt und mit der tatsächlichen Fahrleistung des Käufers multipliziert wird (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 ‒ VIII ZR 70/94 ‒, Rn. 23, zitiert nach juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3562, 3564). Die zu erwartende Gesamtlaufleistung kann dabei nach dem statistischen Mittelwert für ein Fahrzeug der fraglichen Marke/ des fraglichen Typs angesetzt werden (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3569), wobei das streitgegenständliche Fahrzeug (ein Audi A6 Avant 50 TDI quattro tip-tronic) einer so hohen Fahrzeugklasse zuzuordnen ist, dass der Senat diese in Übereinstimmung mit der Berechnung der Klägerin auf 300.000 km schätzt. Als Kaufpreis ist in die Berechnung der Bruttokaufpreis einzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 ‒ VIII ZR 198/90 ‒, BGHZ 115, 47-56, R. 12ff, juris). Dem steht im vorliegenden Fall nicht die Eintragung des Nettokaufpreises von 90.281,51 € in den Vordruck gemäß Anlage B1 entgegen. Einerseits würde aus den unter aa) (2) (b) ausgeführten Gründen die Eintragung des Nettobetrags die Klägerin nicht wirksam vertraglich binden. Darauf kommt es jedoch letztlich nicht an, da hinter dem handschriftlich ausgefüllten Feld „Anschaffungspreis EURO“ ohnehin der Zusatz „zzgl. USt.“ steht.
Ausgehend von dem damit von der Klägerin rechtsfehlerfrei in ihre Berechnung eingestellten Bruttokaufpreis von 107.435,- € und einem Kilometerstand des Fahrzeugs bei Rückgabe an den ausliefernden Händler von unstreitig 14.145 km ergibt sich eine von den Leasingraten abzuziehende Nutzungsentschädigung von 5.065,56 € (107.435,- € / 300.000 x 14.145) und eine Restforderung entsprechend dem Klage- und Berufungsantrag zu 1. Von 4.887,96 € (9.953,52 € abzgl. 5.065,56 €).
c) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte kam mit Ablauf der im Schreiben vom 06.06.2019 bis zum 17.06.2019 gesetzten Zahlungsfrist in Verzug, da das Schreiben als Mahnung bzgl. eines um Nutzungen nach einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km reduzierten Betrags von … € einzustufen ist.
2. Den mit dem Klage-/Berufungsantrag zu 2. geltend gemachten Zinsanspruch hat das Landgericht demgegenüber im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Einen Anspruch auf Zahlung von 5 Prozent auf die zurück zu gewährenden Leasingraten ab dem Zeitpunkt der Zahlung ist bereits nicht schlüssig dargelegt.
Sollte der Vortrag der Klägerin so zu verstehen sein, dass sie sich auf § 352 HGB als Anspruchsgrundlage berufen will, steht dies im Widerspruch zur Gesetzeslage. § 352 HGB ist keine Anspruchsgrundlage, sondern lediglich eine Norm, die den Zinssatz für aus anderen Rechtsgründen bestehende Zinsansprüche mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz festlegt (vgl. MüKoHGB/Maultzsch, 5. Aufl. 2021, HGB § 352 Rn. 3; BeckOK HGB/Lehmann-Richter, 33. Ed. 15.7.2021, HGB § 352 Rn. 3).
Soweit der Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung, es seien Kapitalnutzungszinsen geschuldet, als Geltendmachung von Nutzungsersatzansprüchen auf die Leasingraten gemeint sein sollte (sei es nach § 818 Abs. 1 BGB im Fall einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Leasingvertrags wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, sei es nach § 347 Abs. 1 BGB im Fall einer Anwendbarkeit des Rücktrittsrecht; vgl. oben 1. a)), hat sie eine Kapitalnutzung durch die Beklagte weder schlüssig dargelegt noch bewiesen.
Die Beklagte hat eine Kapitalnutzung der erhaltenen Leasingraten bereits auf S. 4 der Klageerwiderung (Bl. 31 d.A.) und in der Berufungserwiderung erneut substantiiert unter Verweis auf die Kreditfinanzierung des Erwerbs des Leasingfahrzeuges bestritten, ohne dass die Klägerin auf diesen Vortrag durch ergänzenden Vortrag oder Beweisantritt reagiert hätte. Vielmehr hat sie trotz einer sie treffenden Darlegungs- und Beweislast lediglich in der Berufungsreplik bestritten, dass die Beklagte keinen Gewinn erziele. Soweit sie sich in der Klageschrift auf einen Anscheinsbeweis dafür berufen hat, dass ein Unternehmen Zinserträge aus erhaltenen Zahlungen ziehe, kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anscheinsbeweis überhaupt in Betracht kommt. Jedenfalls gilt dieser nicht für eine Fallkonstellation wie die vorliegende, in der es nicht um die Zahlung eines größeren Geldbetrages, sondern monatlicher kleinerer Zahlungen geht. Für diese Konstellation ist nicht ersichtlich, dass ein erster Anschein für eine kapitalbildende Anlage solcher Kleinbeträge spricht; in diesem Sinne knüpft auch der von der Klägerin zitierte Aufsatz Schmid, Stirnweiß, NJOZ 2008, 4589, 4590 an die hier nicht zu bejahende Fallkonstellation an, dass jemand einen „nicht völlig unbedeutenden Kapitalbetrag“ erhalten hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung durch den Klage-/Berufungsantrag zu 2. ist geringfügig und hat nur geringfügige Mehrkosten ausgelöst. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 713, 544 Abs. 2 ZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.