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  • 05.01.2024 · IWW-Abrufnummer 238996

    Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 21.12.2023 – C-38/21, C-47/21 und C-232/21

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    ANTHONY M. COLLINS

    vom 16. Februar 2023(1)

    Verbundene Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21

    VK

    gegen

    BMW Bank GmbH (C‑38/21)

    und

    F. F.

    gegen

    C. Bank AG (C‑47/21)

    und

    CR,

    AY,

    ML,

    BQ

    gegen

    Volkswagen Bank GmbH,

    Audi Bank (C‑232/21)

    (Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg [Deutschland])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung ‒ Verbraucherschutz ‒ Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug mit Kilometerabrechnung ‒ Darlehensvertrag zum Kauf eines Gebrauchtwagens ‒ Richtlinie 2002/65/EG ‒ Richtlinie 2008/48/EG ‒ Richtlinie 2011/83/EU ‒ Begriffe ‚außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag‘ und ‚Fernabsatzvertrag‘ ‒ Einschaltung eines Vermittlers im Rahmen der Vertragsanbahnung ‒ Ausnahme vom Widerrufsrecht bei der Erbringung von Dienstleistungen zur Vermietung von Kraftfahrzeugen ‒ Keine unmittelbare horizontale Wirkung von Richtlinien ‒ Anforderungen bezüglich der in einen Vertrag aufzunehmenden Angaben ‒ Vermutung der Erfüllung der Informationspflicht bei Verwendung eines gesetzlichen Musters ‒ Widerrufsrecht ‒ Beginn der Widerrufsfrist bei unvollständiger oder unrichtiger Information ‒ Rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts ‒ Vorleistungspflicht“





    Inhaltsverzeichnis



    I.      Einleitung

    1.        Diese Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg (Deutschland) ergehen im Rahmen mehrerer Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und mit Kfz-Herstellern verbundenen Finanzinstituten. In den Rechtssachen, mit denen das vorlegende Gericht befasst ist, geht es um die Wirksamkeit des von Verbrauchern erklärten Widerrufs eines Kfz-Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung (in einem Fall) und von Darlehensverträgen zur Finanzierung des Kaufs eines Gebrauchtwagens (in den anderen Fällen).

    2.        Die Fragen, die ich in den vorliegenden Schlussanträgen auf Wunsch des Gerichtshofs erörtern werde, betreffen erstens die Merkmale eines Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung im Hinblick auf die Richtlinie 2002/65/EG(2), die Richtlinie 2008/48/EG(3) und die Richtlinie 2011/83/EU(4). In diesem Zusammenhang soll der Gerichtshof auch die Begriffe „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ und „Fernabsatzvertrag“ im Sinne der Richtlinie 2011/83 auslegen und über die mögliche Geltung einer Ausnahme von dem in dieser Richtlinie geregelten Widerrufsrecht befinden. Der Gerichtshof soll sich zweitens zu drei Aspekten der den Kreditgebern nach der Richtlinie 2008/48 obliegenden Verpflichtung zur Information der Verbraucher u. a. über das Widerrufsrecht äußern. Dabei geht es darum, ob eine nationale Regelung, der zufolge gesetzlich vermutet wird, dass der Informationspflicht bei Verwendung einer Musterklausel im nationalen Recht entsprochen wird („gesetzliches Muster“), mit dieser Richtlinie vereinbar ist, welche Folgen die Erteilung unrichtiger oder unvollständiger Informationen für den Beginn der Widerrufsfrist hat und ob ein Kreditgeber geltend machen kann, ein Verbraucher habe das Widerrufsrecht missbräuchlich ausgeübt. Drittens wird der Gerichtshof gebeten, zu klären, ob bestimmte Folgen, die das nationale Recht an den Widerruf eines mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrags knüpft, mit dem Prinzip der Effektivität des Unionsrechts vereinbar sind.

    II.    Rechtlicher Rahmen

    A.      Unionsrecht

    1.      Richtlinie 2002/65

    3.        Die Richtlinie 2002/65 hat nach ihrem Art. 1 Abs. 1 „die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher“ zum Gegenstand.

    4.        Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 definiert „Fernabsatzvertrag“ als „jeden zwischen einem Anbieter und einem Verbraucher geschlossenen, Finanzdienstleistungen betreffenden Vertrag, der im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems des Anbieters geschlossen wird, wobei dieser für den Vertrag bis zu und einschließlich dessen Abschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet“. „Finanzdienstleistung“ bedeutet nach Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie „jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“.

    5.        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2002/65 sieht u. a. vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür Sorge [tragen], dass der Verbraucher innerhalb einer Frist von 14 Kalendertagen den Vertrag widerrufen kann, ohne Gründe nennen oder eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen“.

    2.      Richtlinie 2008/48

    6.        In den Erwägungsgründen 9, 10, 12, 30 und 31 der Richtlinie 2008/48 heißt es:

    „(9)      Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. Den Mitgliedstaaten sollte es deshalb nicht erlaubt sein, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen. Diese Einschränkung sollte jedoch nur in den Fällen gelten, in denen Vorschriften durch diese Richtlinie harmonisiert werden. Soweit es keine solchen harmonisierten Vorschriften gibt, sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen. Dementsprechend können die Mitgliedstaaten beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften über die gesamtschuldnerische Haftung des Verkäufers oder Dienstleistungserbringers und des Kreditgebers beibehalten oder einführen. Ein weiteres Beispiel für diese Möglichkeit könnte sein, dass die Mitgliedstaaten innerstaatliche Rechtsvorschriften über die Aufhebung eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags für den Fall beibehalten oder einführen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht von dem Kreditvertrag ausübt. …

    (10)      Mit den Begriffsbestimmungen dieser Richtlinie wird der Bereich der Harmonisierung festgelegt. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie sollte sich daher nur auf den durch diese Begriffsbestimmungen festgelegten Bereich erstrecken. Diese Richtlinie sollte die Mitgliedstaaten jedoch nicht daran hindern, nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts die Bestimmungen dieser Richtlinie auch auf Bereiche anzuwenden, die nicht in deren Geltungsbereich fallen. So könnte ein Mitgliedstaat für Kreditverträge, die nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen, innerstaatliche Vorschriften beibehalten oder einführen, die den Bestimmungen dieser Richtlinie oder manchen ihrer Bestimmungen außerhalb des Geltungsbereichs dieser Richtlinie ganz oder zum Teil entsprechen …



    (12)      Verträge über die wiederkehrende Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Waren gleicher Art, bei denen der Verbraucher für die Dauer der Erbringung bzw. Lieferung Teilzahlungen leistet, können sich hinsichtlich der Interessenlage der Vertragspartner und hinsichtlich der Art und Weise und der Durchführung der Geschäfte erheblich von den unter diese Richtlinie fallenden Kreditverträgen unterscheiden. Deshalb sollte klargestellt werden, dass derartige Verträge nicht als Kreditverträge im Sinne der Richtlinie gelten. …



    (30)      Diese Richtlinie regelt nicht Aspekte des Vertragsrechts, die die Wirksamkeit von Kreditverträgen betreffen. Daher können die Mitgliedstaaten in diesem Bereich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehende innerstaatliche Bestimmungen beibehalten oder einführen. …

    (31)      Alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben, sollten in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag enthalten sein, damit der Verbraucher diese zur Kenntnis nehmen kann.

    …“

    7.        Die Richtlinie 2008/48 hat gemäß ihrem Art. 1 „die Harmonisierung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Verbraucherkreditverträge“ zum Ziel. Nach ihrem Art. 2 Abs. 1 gilt diese Richtlinie für Kreditverträge. Gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d gilt sie nicht für „Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder in dem Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- bzw. Leasinggegenstands vorgesehen ist; von einer solchen Verpflichtung ist auszugehen, wenn der Kreditgeber darüber einseitig entscheidet“.

    8.        In Art. 3 der Richtlinie 2008/48 werden mehrere der in dieser Richtlinie verwendete Begriffe definiert. So bezeichnet der Ausdruck

    „c)      ‚Kreditvertrag‘ einen Vertrag, bei dem ein Kreditgeber einem Verbraucher einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer sonstigen ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht; ausgenommen sind Verträge über die wiederkehrende Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Waren gleicher Art, bei denen der Verbraucher für die Dauer der Erbringung oder Lieferung Teilzahlungen für diese Dienstleistungen oder Waren leistet;



    n)      ‚verbundener Kreditvertrag‘ einen Kreditvertrag, bei dem

    i)      der betreffende Kredit ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über Lieferung bestimmter Waren oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung dient und

    ii)      diese beiden Verträge objektiv betrachtet eine wirtschaftliche Einheit bilden; von einer wirtschaftlichen Einheit ist auszugehen, wenn der Warenlieferant oder der Dienstleistungserbringer den Kredit zugunsten des Verbrauchers finanziert oder wenn sich der Kreditgeber im Falle der Finanzierung durch einen Dritten bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung des Warenlieferanten oder des Dienstleistungserbringers bedient oder wenn im Kreditvertrag ausdrücklich die spezifischen Waren oder die Erbringung einer spezifischen Dienstleistung angegeben sind.“

    9.        Art. 10 („Zwingende Angaben in Kreditverträgen“) Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 bestimmt u. a.:

    „Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben:



    l)      der Satz der Verzugszinsen gemäß der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags geltenden Regelung und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten;



    p)      das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts sowie die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts, einschließlich der Angaben zu der Verpflichtung des Verbrauchers, das in Anspruch genommene Kapital zurückzuzahlen, den Zinsen gemäß Artikel 14 Absatz 3 Buchstabe b und der Höhe der Zinsen pro Tag;



    r)      das Recht auf vorzeitige Rückzahlung, das Verfahren bei vorzeitiger Rückzahlung und gegebenenfalls Informationen zum Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung sowie zur Art der Berechnung dieser Entschädigung;



    t)      die Angabe, ob der Verbraucher Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat, und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang;

    …“

    10.      Art. 14 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2008/48 sieht vor:

    „(1)      Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen.

    Diese Widerrufsfrist beginnt

    a)      entweder am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags oder

    b)      an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Artikel 10 erhält, sofern dieser nach dem in Buchstabe a des vorliegenden Unterabsatzes genannten Datum liegt.



    (3)      Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so

    a)      erklärt er den Widerruf, um diesen vor Ablauf der in Absatz 1 genannten Frist wirksam werden zu lassen, gegenüber dem Kreditgeber entsprechend den Informationen, die der Kreditgeber ihm gemäß Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p gegeben hat, in einer Weise, die einen Nachweis nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts ermöglicht. Die Widerrufsfrist gilt als gewahrt, wenn diese Mitteilung, sofern sie auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger erfolgt, der dem Kreditgeber zur Verfügung steht und zu dem er Zugang hat, vor Fristablauf abgesandt wird, und

    b)      zahlt er dem Kreditgeber unverzüglich, spätestens jedoch binnen 30 Kalendertagen nach Absendung der Widerrufserklärung an den Kreditgeber das Darlehen einschließlich der ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen zurück. Die Zinsen sind auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen. Der Kreditgeber hat im Falle des Widerrufs keinen Anspruch auf weitere vom Verbraucher zu leistende Entschädigungen, mit Ausnahme von Entschädigungen für Entgelte, die der Kreditgeber an Behörden entrichtet hat und nicht zurückverlangen kann.

    …“

    11.      Art. 15 („Verbundene Kreditverträge“) der Richtlinie 2008/48 bestimmt:

    „(1)      Hat der Verbraucher ein Recht auf Widerruf von einem Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen ausgeübt, das auf Gemeinschaftsrecht beruht, so ist er an einen damit verbundenen Kreditvertrag nicht mehr gebunden.



    (3)      Dieser Artikel gilt unbeschadet innerstaatlicher Rechtsvorschriften, nach denen ein Kreditgeber gegenüber jeglichen Ansprüchen, die der Verbraucher gegen den Lieferanten bzw. Dienstleistungserbringer haben könnte, als Gesamtschuldner verpflichtet ist, wenn der Erwerb von Waren oder Dienstleistungen vom Lieferanten über einen Kreditvertrag finanziert wird.“

    12.      Art. 22 („Harmonisierung und Unabdingbarkeit dieser Richtlinie“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 lautet:

    „Soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, dürfen die Mitgliedstaaten keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen.“

    3.      Richtlinie 2011/83

    13.      In den Erwägungsgründen 2, 16, 20, 22 und 49 der Richtlinie 2011/83 heißt es:

    „(2)      … Daher sollten in dieser Richtlinie allgemeine Vorschriften für die gemeinsamen Aspekte von Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen festgelegt werden; dabei sollte der den älteren Richtlinien zugrunde liegende Mindestharmonisierungsansatz aufgegeben werden, wobei dennoch den Mitgliedstaaten gestattet werden sollte, innerstaatliche Rechtsvorschriften in Bezug auf bestimmte Aspekte beizubehalten oder einzuführen.



    (16)      Diese Richtlinie sollte die nationalen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Vertretung, wie z. B. die Vorschriften zu der Person, die im Namen des Unternehmers oder auf dessen Rechnung handelt (beispielsweise ein Handelsvertreter oder ein Treuhänder), unberührt lassen. Auf diesem Gebiet sollten die Mitgliedstaaten zuständig bleiben. …



    (20)      Die Begriffsbestimmung von Fernabsatzverträgen sollte alle Fälle erfassen, in denen ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Rahmen eines für die Lieferung im Fernvertrieb organisierten Verkaufs- oder Dienstleistungserbringungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden (z. B. Bestellung per Post, Internet, Telefon oder Fax). Diese Begriffsbestimmung sollte auch Situationen erfassen, in denen der Verbraucher die Geschäftsräume lediglich zum Zwecke der Information über die Waren oder Dienstleistungen aufsucht und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt. Im Gegensatz dazu sollte ein Vertrag, der in den Geschäftsräumen eines Unternehmers verhandelt und letztendlich über ein Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten. Desgleichen sollte ein Vertrag, der über ein Fernkommunikationsmittel angebahnt und letztendlich in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wird, nicht als Fernabsatzvertrag gelten. … Der Begriff eines für die Lieferung im Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungserbringungssystems sollte von einem Dritten angebotene Fernabsatz- oder Dienstleistungssysteme erfassen, die von Unternehmern verwendet werden, wie etwa eine Online-Plattform. Der Begriff sollte jedoch nicht Fälle erfassen, in denen Webseiten lediglich Informationen über den Unternehmer, seine Waren und/oder Dienstleistungen und seine Kontaktdaten anbieten.



    (22)      Als Geschäftsräume sollten alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen. … Die Geschäftsräume einer Person, die im Namen oder für Rechnung des Unternehmers gemäß dieser Richtlinie handelt, sollten als Geschäftsräume im Sinne dieser Richtlinie gelten.



    (49)      Es sollten sowohl für Fernabsatzverträge als auch für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht gelten. … Die Einräumung eines Widerrufsrechts für den Verbraucher könnte auch im Fall bestimmter Dienstleistungen unangebracht sein, bei denen der Vertragsabschluss die Bereitstellung von Kapazitäten mit sich bringt, die der Unternehmer im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen kann. Dies wäre beispielsweise bei Reservierungen in Hotels, für Ferienhäuser oder Kultur- oder Sportveranstaltungen der Fall.“

    14.      Nach Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie 2011/83 ist es deren Zweck, „durch Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern geschlossen werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und damit zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen“.

    15.      Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke



    2.      ‚Unternehmer‘ jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können;



    6.      ‚Dienstleistungsvertrag‘ jeden Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt;

    7.      ‚Fernabsatzvertrag‘ jeden Vertrag, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden;

    8.      ‚außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag‘ jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher,

    a)      der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist;

    b)      für den der Verbraucher unter den unter Buchstabe a genannten Umständen ein Angebot gemacht hat;

    c)      der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde; oder



    9.      ‚Geschäftsräume‘

    a)      unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder

    b)      bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt;



    12.      ‚Finanzdienstleistung‘ jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung;



    15.      ‚akzessorischer Vertrag‘ einen Vertrag, mit dem der Verbraucher Waren oder Dienstleistungen erwirbt, die im Zusammenhang mit einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag stehen und bei dem diese Waren oder Dienstleistungen von dem Unternehmer oder einem Dritten auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen diesem Dritten und dem Unternehmer geliefert oder erbracht werden.“

    16.      Die Richtlinie 2011/83 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 1 unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie darin festgelegt sind, für jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden. Nach ihrem Art. 3 Abs. 3 Buchst. d gilt sie nicht für Verträge über Finanzdienstleistungen.

    17.      Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 sieht vor:

    „Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:



    h)      im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B;

    …“

    18.      Art. 9 („Widerrufsrecht“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/83 bestimmt:

    „(1)      Sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Artikel 16 Anwendung findet, steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 vorgesehen widerrufen kann.

    (2)      Unbeschadet des Artikels 10 endet die in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehene Widerrufsfrist

    a)      bei Dienstleistungsverträgen 14 Tage ab dem Tag des Vertragsabschlusses;

    …“

    19.      Art. 10 („Nichtaufklärung über das Widerrufsrecht“) Abs. 1 der Richtlinie 2011/83 lautet:

    „Hat der Unternehmer den Verbraucher nicht gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe h über sein Widerrufsrecht belehrt, so läuft die Widerrufsfrist 12 Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist gemäß Artikel 9 Absatz 2 ab.“

    20.      Art. 13 („Pflichten des Unternehmers im Widerrufsfall“) Abs. 3 der Richtlinie 2011/83 sieht vor:

    „Bei Kaufverträgen kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren wieder zurückerhalten hat oder bis der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren zurückgeschickt hat, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist, es sei denn, der Unternehmer hat angeboten, die Waren selbst abzuholen.“

    21.      Art. 15 („Wirkungen der Ausübung des Widerrufsrechts auf akzessorische Verträge“) der Richtlinie 2011/83 lautet:

    „(1)      Unbeschadet des Artikels 15 der Richtlinie [2008/48] werden, wenn der Verbraucher sein Recht auf Widerruf eines im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags gemäß den Artikeln 9 bis 14 dieser Richtlinie ausübt, auch alle akzessorischen Verträge automatisch beendet, ohne dass dem Verbraucher dafür Kosten entstehen dürfen, außer solchen, die gemäß Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 dieser Richtlinie vorgesehen sind.

    (2)      Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten bezüglich der Beendigung dieser Verträge fest.“

    22.      Art. 16 („Ausnahmen vom Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2011/83 bestimmt u. a., dass die Mitgliedstaaten bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 vorsehen, wenn „l) Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Mietwagen, Lieferung von Speisen und Getränken sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen erbracht werden und der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“.

    B.      Deutsches Recht

    1.      Bürgerliches Gesetzbuch

    23.      Nach § 242 („Leistung nach Treu und Glauben“) des Bürgerlichen Gesetzbuchs (im Folgenden: BGB) ist „[d]er Schuldner … verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern“.

    24.      § 273 („Zurückbehaltungsrecht“) Abs. 1 BGB sieht vor:

    „Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).“

    25.      Nach § 293 („Annahmeverzug“) BGB kommt „[d]er Gläubiger … in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt“.

    26.      Gemäß § 294 („Tatsächliches Angebot“) BGB muss „[d]ie Leistung … dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden“.

    27.      § 312b („Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“) BGB bestimmt:

    „(1)      Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind Verträge

    1.      die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist,

    2.      für die der Verbraucher unter den in Nummer 1 genannten Umständen ein Angebot abgegeben hat,

    3.      die in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen werden, bei denen der Verbraucher jedoch unmittelbar zuvor außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen wurde, oder



    Dem Unternehmer stehen Personen gleich, die in seinem Namen oder Auftrag handeln.

    (2)      Geschäftsräume im Sinne des Absatzes 1 sind unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt. Gewerberäume, in denen die Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, ihre Tätigkeit dauerhaft oder für gewöhnlich ausübt, stehen Räumen des Unternehmers gleich.“

    28.      § 312c („Fernabsatzverträge“) BGB lautet:

    „(1)      Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

    (2)      Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E‑Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien.“

    29.      § 312g („Widerrufsrecht“) BGB sieht vor:

    „(1)      Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

    (2)      Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:



    9.      Verträge zur Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Beherbergung zu anderen Zwecken als zu Wohnzwecken, Beförderung von Waren, Kraftfahrzeugvermietung, Lieferung von Speisen und Getränken sowie zur Erbringung weiterer Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht,

    …“

    30.      „Hat der klagende Teil vorzuleisten, so kann er“ ‒ gemäß § 322 („Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug“) Abs. 2 BGB ‒, „wenn der andere Teil im Verzug der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen.“

    31.      § 346 („Wirkungen des Rücktritts“) Abs. 1 BGB lautet(5):

    „Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.“

    32.      In § 348 („Erfüllung Zug-um-Zug“) BGB heißt es(6):

    „Die sich aus dem Rücktritt ergebenden Verpflichtungen der Parteien sind Zug um Zug zu erfüllen. Die Vorschriften der §§ 320, 322 finden entsprechende Anwendung.“

    33.      § 355 („Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen“) BGB bestimmt:

    „(1)      Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. …

    (2)      Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.“

    34.      § 356b („Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen“) Abs. 2 BGB sieht vor:

    „Enthält bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag die dem Darlehensnehmer nach Absatz 1 zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 nicht, beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Absatz 6.

    …“

    35.      In § 357 („Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen“) Abs. 1 und 4 BGB heißt es(7):

    „(1)      Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.



    (4)      Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.“

    36.      § 357a („Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen“) Abs. 1 und 3 BGB sieht vor:

    „(1)      Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren.



    (3)      Im Falle des Widerrufs von Verbraucherdarlehensverträgen hat der Darlehensnehmer für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. …“

    37.      In § 358 („Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag“) Abs. 2 bis 4 BGB heißt es(8):

    „(2)      Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.

    (3)      Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. …

    (4)      Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357b entsprechend anzuwenden. … Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.

    …“

    38.      § 492 („Schriftform, Vertragsinhalt“) Abs. 2 und 6 BGB sieht vor:

    „(2)      Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch [vom 21. September 1994(9), im Folgenden: EGBGB] enthalten.



    (6)      Enthält der Vertrag die Angaben nach Absatz 2 nicht oder nicht vollständig, können sie nach wirksamem Vertragsschluss oder in den Fällen des § 494 Absatz 2 Satz 1 nach Gültigwerden des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger nachgeholt werden. …“

    39.      § 495 („Widerrufsrecht; Bedenkzeit“) Abs. 1 BGB bestimmt:

    „Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.“

    40.      In § 506 („Zahlungsaufschub, sonstige Finanzierungshilfe“) BGB heißt es:

    „(1)      Die für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge geltenden Vorschriften der §§ 358 bis 360 und 491a bis 502 sowie 505a bis 505e sind mit Ausnahme des § 492 Abs. 4 und vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 auf Verträge entsprechend anzuwenden, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt. …

    (2)      Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes gelten als entgeltliche Finanzierungshilfe, wenn vereinbart ist, dass

    1.      der Verbraucher zum Erwerb des Gegenstandes verpflichtet ist,

    2.      der Unternehmer vom Verbraucher den Erwerb des Gegenstandes verlangen kann oder

    3.      der Verbraucher bei Beendigung des Vertrags für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat.

    Auf Verträge gemäß Satz 1 Nummer 3 sind § 500 Absatz 2 und § 502 nicht anzuwenden.



    (4)      Die Vorschriften dieses Untertitels sind in dem in § 491 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 bis 5, Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 bestimmten Umfang nicht anzuwenden. Soweit nach der Vertragsart ein Nettodarlehensbetrag (§ 491 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1) nicht vorhanden ist, tritt an seine Stelle der Barzahlungspreis oder, wenn der Unternehmer den Gegenstand für den Verbraucher erworben hat, der Anschaffungspreis.“

    2.      EGBGB

    41.      Art. 247 („Informationspflichten bei Verbraucherdarlehensverträgen, entgeltlichen Finanzierungshilfen und Darlehensvermittlungsverträgen“) EGBGB enthält folgende Regelung(10):

    „…

    § 6      Vertragsinhalt

    (1)      Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:

    1.      die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben,



    (2)      Besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 [BGB], müssen im Vertrag Angaben zur Frist und zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist anzugeben. Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 7 … entspricht, genügt diese Vertragsklausel den Anforderungen der Sätze 1 und 2. … Der Darlehensgeber darf unter Beachtung von Satz 3 in Format und Schriftgröße jeweils von dem Muster abweichen.

    § 7      Weitere Angaben im Vertrag

    (1)      Der Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag muss folgende klar und verständlich formulierte weitere Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind:



    3.      die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt,

    4.      den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang.



    § 12      Verbundene Verträge und entgeltliche Finanzierungshilfen

    (1)      Die §§ 1 bis 11 gelten entsprechend für die in § 506 Absatz 1 [BGB] bezeichneten Verträge über entgeltliche Finanzierungshilfen. Bei diesen Verträgen oder Verbraucherdarlehensverträgen, die mit einem anderen Vertrag gemäß § 358 [BGB] verbunden sind oder in denen eine Ware oder Leistung gemäß § 360 Absatz 2 Satz 2 [BGB] angegeben ist, muss enthalten:

    1.      die vorvertragliche Information, auch in den Fällen des § 5, den Gegenstand und den Barzahlungspreis,

    2.      der Vertrag

    (a)      den Gegenstand und den Barzahlungspreis sowie

    (b)      Informationen über die sich aus den §§ 358 und 359 oder § 360 [BGB] ergebenden Rechte und über die Bedingungen für die Ausübung dieser Rechte.

    Enthält der Verbraucherdarlehensvertrag eine Vertragsklausel in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 7 … entspricht, genügt diese Vertragsklausel bei verbundenen Verträgen sowie Geschäften gemäß § 360 Absatz 2 Satz 2 [BGB] den in Satz 2 Nummer 2 Buchstabe b gestellten Anforderungen. …

    …“

    III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    A.      Rechtssache C‑38/21

    42.      VK schloss am 10. November 2018 als Verbraucher mit der BMW Bank GmbH einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung für ein Kraftfahrzeug der Marke BMW zur privaten Nutzung. VK stellte seinen Leasingantrag in den Geschäftsräumen des Autohändlers und unterschrieb ihn auch dort. Der Autohändler, der als Kreditvermittler für die BMW Bank tätig war, ohne zum Vertragsschluss berechtigt zu sein, nahm die Leasingkalkulation vor (Laufzeit, Anzahlung und Höhe der Monatsraten) und besprach diese mit VK. Der Autohändler war befugt und in der Lage, VK Auskünfte zum Vertrag zu erteilen und Fragen zu beantworten. Der Autohändler leitete den Leasingantrag an die Bank weiter, die ihn akzeptierte.

    43.      Die Parteien vereinbarten, dass VK einen Gesamtbetrag von 12 486,80 Euro, bestehend aus einer Anzahlung von 4 760 Euro und sodann 24 Leasingraten von je 321,95 Euro, zahlen sollte. Der Sollzinssatz betrug 3,49 % p. a. für die gesamte Laufzeit des Leasingvertrags, der effektive Zinssatz 3,55 % p. a. Der Darlehensnettobetrag belief sich auf 40 294,85 Euro, was dem Anschaffungspreis des Fahrzeugs entsprach. Vereinbart wurde weiter eine auf 10 000 km pro Jahr begrenzte Fahrleistung von VK. Bei Rückgabe des Fahrzeugs sollte VK jeden gefahrenen Mehrkilometer mit 7,37 Eurocent vergüten, während ihm für jeden nicht gefahrenen Minderkilometer 4,92 Eurocent erstattet werden sollten. Wenn das Fahrzeug bei seiner Rückgabe nicht in einem dem Alter und der vereinbarten Fahrleistung entsprechenden Zustand sein sollte, hatte VK der BMW Bank diesen zusätzlichen Minderwert auszugleichen. Weder im Leasingvertrag noch in einem gesonderten Vertrag war eine Verpflichtung zum Kauf des Fahrzeugs vorgesehen.

    44.      Der Leasingvertrag enthält die folgende mit „Widerrufsrecht“ überschriebene Klausel(11):

    „Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. …“

    45.      VK übernahm das Fahrzeug. Er zahlte von Januar 2019 an regelmäßig die vereinbarten Monatsraten. Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 widerrief er den Vertrag. Die BMW Bank lehnte diesen Widerruf ab.

    46.      Mit seiner Klage gegen die BMW Bank vor dem vorlegenden Gericht begehrt VK die Feststellung, dass die Bank aus dem Leasingvertrag keine Rechte, insbesondere keinen Anspruch auf Zahlung der Leasingraten, mehr herleiten kann. Er meint, die Widerrufsfrist habe nicht begonnen, weil die Pflichtangaben im Leasingvertrag unzureichend und nicht lesbar seien. Da es sich bei dem Leasingvertrag um einen Fernabsatzvertrag und/oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag handle, stehe ihm auch ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu. Die Möglichkeit, Rückfragen bei der BMW Bank zu stellen und verbindliche Auskünfte von ihr zu erhalten, sei nicht gegeben, wenn bei der Vertragsanbahnung in den Geschäftsräumen des Autohändlers kein Mitarbeiter oder Vertreter der Bank zugegen sei.

    47.      Nach Ansicht der BMW Bank ist die Klage des VK als unbegründet abzuweisen. Die für Verbraucherdarlehensverträge geltenden Widerrufsvorschriften seien auf Kilometer-Leasingverträge nicht anwendbar. Jedenfalls seien VK im Leasingvertrag alle Pflichtangaben, einschließlich seines Widerrufsrechts, ordnungsgemäß mitgeteilt worden. Die Widerrufsinformation entspreche genau dem gesetzlichen Muster, weshalb fingiert werde, dass sie den Anforderungen von Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 3 EGBGB genüge, so dass die 14-tägige Widerrufsfrist abgelaufen gewesen sei, lange bevor VK sein Widerrufsrecht ausgeübt habe. Da VK in persönlichen Kontakt mit einem Kreditvermittler getreten sei, der ihn über die angebotene Dienstleistung habe informieren können, handle es sich bei dem Leasingvertrag um keinen Fernabsatzvertrag. Es liege auch kein Außergeschäftsraumvertrag vor, da die Tätigkeit des Kreditvermittlers als ein Handeln im Namen oder für Rechnung des Unternehmers im Sinne des 22. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2011/83 zu werten sei.

    48.      Das vorlegende Gericht führt aus, die deutsche Rechtsprechung habe bei Leasingverträgen mit Kilometerabrechnung bislang die Existenz eines Widerrufsrechts anerkannt, und zwar durch analoge Anwendung der nationalen Vorschriften für Verträge, durch die ein Unternehmer einem Verbraucher einen entgeltlichen Zahlungsaufschub oder eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gewähre(12). Mit Urteil vom 24. Februar 2021(13) habe der Bundesgerichtshof (BGH, Deutschland) allerdings diese analoge Anwendung abgelehnt. Dem BGH zufolge stehe bei derartigen Leasingverträgen daher dem Kfz-Leasingnehmer kein Widerrufsrecht nach den §§ 495 und 355 BGB zu. Der BGH halte dieses Ergebnis für unionsrechtskonform, da die Richtlinie 2008/48 gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d nicht für Miet- oder Leasingverträge gelte, bei denen weder im Vertrag selbst noch in einer gesonderten Vereinbarung eine Verpflichtung zum Erwerb des Miet- oder Leasinggegenstands vorgesehen sei. Da bei Kilometer-Leasingverträgen keine Kaufverpflichtung bestehe, komme eine analoge Anwendung der Richtlinie 2008/48 für die Gerichte nicht in Betracht. Das vorlegende Gericht bezweifelt die Richtigkeit dieser Rechtsprechung.

    49.      Das vorlegende Gericht möchte erstens geklärt wissen, ob ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, wie er hier in Rede steht, unter die Richtlinie 2008/48, die Richtlinie 2011/83 oder die Richtlinie 2002/65 fällt. Es zieht die Möglichkeit einer analogen Anwendung der Richtlinie 2008/48 in Betracht(14), da Kilometer-Leasingverträge in der Regel so ausgestaltet würden, dass sie kalkulatorisch und im praktischen Ergebnis auf eine Vollamortisation der Fahrzeugnutzung ausgerichtet seien. Alternativ möchte das vorlegende Gericht wissen, ob kilometerabhängiges Kfz-Leasing eine Finanzdienstleistung im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 und Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83 ist(15). Hierfür spreche, dass bei Kilometer-Leasingverträgen keine sachliche Nähe des Leasinggebers zum Leasinggegenstand bestehe, da sich der Leasingnehmer diesen Gegenstand nach seinen Bedürfnissen aussuche. Anders als ein Mieter trage der Leasingnehmer in der Leasingzeit sämtliche Risiken, müsse das Fahrzeug versichern und Mängel des Fahrzeugs gegenüber Dritten geltend machen, während der Leasinggeber nur die Nutzung des Fahrzeugs durch den Leasingnehmer finanziere.

    50.      Für den Fall, dass ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, wie er Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, durch die Richtlinie 2008/48 erfasst wird, möchte das vorlegende Gericht sodann wissen, ob mit deren Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 eine nationale Regelung vereinbar ist, die eine gesetzliche Vermutung aufstellt, wonach die Pflicht zur Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht ungeachtet einer etwaigen Unzulänglichkeit der erteilten Informationen erfüllt ist, wenn der Vertrag eine Klausel enthält, die einem dieser Regelung als Anlage beigefügten gesetzlichen Muster entspricht (im Folgenden: Gesetzlichkeitsfiktion). Das vorlegende Gericht fragt auch, ob es diese Regelung gegebenenfalls unangewendet lassen muss.

    51.      Das vorlegende Gericht hat Zweifel, ob sich die Gesetzlichkeitsfiktion mit dem Urteil Kreissparkasse Saarlouis(16) vereinbaren lässt, in dem der Gerichtshof u. a. entschieden habe, Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 sei dahin auszulegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben nicht auf eine nationale Vorschrift verweisen dürfe, die selbst auf weitere nationale Rechtsvorschriften verweise(17). Der XI. Zivilsenat des BGH habe sich an einer Befolgung dieser Rechtsprechung gehindert gesehen, weil sowohl der Wortlaut sowie Sinn und Zweck von Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB als auch die Gesetzgebungsgeschichte einer der Richtlinie 2008/48 konformen Auslegung entgegenstünden(18). Für den XI. Zivilsenat komme eine unmittelbare Anwendung dieser Richtlinie auch deshalb nicht in Betracht, weil es der Gerichtshof im Bereich des Verbraucherkredits ausgeschlossen habe, das nationale Recht bis zur Grenze des contra legem unionsrechtskonform auszulegen. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hat der Gerichtshof jedoch bisher offen gelassen, ob der Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts in Bezug auf die Richtlinie 2008/48 gilt(19).

    52.      Das vorlegende Gericht ersucht zweitens um Klärung, welche Informationen in Verbraucherkreditverträgen gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. l, p und t der Richtlinie 2008/48 enthalten sein müssen. Es möchte wissen, ob der Beginn der Widerrufsfrist nach Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie nur bei fehlenden Pflichtangaben oder auch bei unvollständigen oder unrichtigen Angaben gehemmt werden kann.

    53.      Drittens wirft das vorlegende Gericht im Wesentlichen die Frage auf, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch einen Verbraucher im Fall eines Verbraucherdarlehensvertrags wegen Verstoßes gegen das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben verwirkt sein kann.

    54.      Das vorlegende Gericht möchte viertens wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen es als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, wenn ein Verbraucher sein Widerrufsrecht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ausübt. Der BGH habe in einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden, dass die Ausübung des Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich sein und somit gegen § 242 BGB verstoßen könne, wenn der Verbraucher unter Berufung auf das Fehlen der mit dem gesetzlichen Muster verbundenen Gesetzlichkeitsfiktion versuche, eine formale Rechtsstellung auszunutzen. In diesem Zusammenhang sollte es dem BGH zufolge möglich sein, eine Reihe von Umständen zu berücksichtigen, wie zum Beispiel, dass der Verbraucher die Irrelevanz der vom gesetzlichen Muster abweichenden Information in seinem Fall habe erkennen können, dass er eine Abweichung vom gesetzlichen Muster erstmals in der Revisionsinstanz geltend gemacht habe oder dass er gegebenenfalls „sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, um das Fahrzeug nach einer verhältnismäßig langen bestimmungsgemäßen Nutzung in der ‒ irrigen ‒ Vorstellung, nicht zum Wertersatz verpflichtet zu sein, zurückgeben zu können“.

    55.      Falls ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung wie der hier fragliche hingegen in der Erbringung einer Finanzdienstleistung im Sinne der Richtlinien 2002/65 und 2011/83 bestehen sollte, möchte das vorlegende Gericht erstens wissen, ob in einem solchen Vertrag ein „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag“ gemäß Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 zu sehen ist(20). Es frage sich, ob die Geschäftsräume einer Person, die wie hier der Autohändler nur mit der Anbahnung des Vertrags befasst sei, ohne den Unternehmer beim Abschluss dieses Vertrags vertreten zu dürfen, Geschäftsräume dieses Unternehmers im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 seien. Konkret gehe es darum, ob die Mitwirkung einer solchen Person einem Handeln im „Namen oder Auftrag“ des Unternehmers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 und damit von § 312b Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB gleichgestellt werden könne.

    56.      Zweitens erscheint es dem vorlegenden Gericht unklar, ob der streitige Kilometer-Leasingvertrag unter die Ausnahme vom Widerrufsrecht für Dienstleistungen im Bereich der Autovermietung in Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 und in § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB fällt. In diesem Kontext bemerkt das vorlegende Gericht u. a., nach einem Urteil des OLG München (Deutschland) vom 18. Juni 2020(21) umfasse die „Kraftfahrzeugvermietung“ nur die kurzfristige Automiete, nicht aber Leasingverträge mit Kilometerabrechnung.

    57.      Das vorlegende Gericht möchte drittens wissen, ob ein Kilometer-Leasingvertrag wie der hier fragliche ein „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 und Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 sein kann, wenn der Verbraucher nur mit einem Vermittler in persönlichen Kontakt tritt, der das Geschäft lediglich anbahnt, aber nicht befugt ist, den Unternehmer beim Vertragsschluss zu vertreten(22). Nach Ansicht des BGH sei die in diesen Bestimmungen aufgestellte Voraussetzung, wonach „ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet“ werden müssten, nicht erfüllt, wenn der Verbraucher im Rahmen der Vertragsanbahnung persönlichen Kontakt mit einer dritten Person habe, die ihm im Auftrag des Unternehmers Informationen zum Vertrag erteile.

    58.      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.      Zur Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB:

    a)      Sind Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären, unvereinbar mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48?

    Wenn ja:

    b)      Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 10 Abs. 2 Buchst. p und Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, dass Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB nicht anwendbar sind, soweit sie den Vorgaben des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 widersprechende Vertragsklauseln als den Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EGBGB genügend und den in Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EGBGB gestellten Anforderungen genügend erklären?

    Wenn die Frage 1 b) nicht bejaht wird:

    2.      Zu den Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48:

    a)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die im Kreditvertrag anzugebende Höhe der Zinsen pro Tag sich rechnerisch aus dem im Vertrag angegebenen vertraglichen Sollzinssatz ergeben muss?

    b)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass der bei Abschluss des Kreditvertrags geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist, und muss der Verbraucher über den Bezugszinssatz (Basiszinssatz) und dessen Veränderlichkeit aufgeklärt werden?

    c)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Text des Kreditvertrags die wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Zugang zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren mitgeteilt werden müssen?

    Wenn mindestens eine der vorstehenden Fragen 2 a) bis c) bejaht wird:

    d)      Ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vollständig und richtig erteilt wurden?

    Wenn nein:

    e)      Welches sind die maßgeblichen Kriterien dafür, dass die Widerrufsfrist trotz unvollständiger oder unrichtiger Angaben in Lauf gesetzt wird?

    Wenn die vorstehenden Fragen 1 a) und/oder mindestens eine der Fragen 2 a) bis c) bejaht werden:

    3.      Zur Verwirkung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

    a)      Unterliegt das Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 der Verwirkung?

    Wenn ja:

    b)      Handelt es sich bei der Verwirkung um eine zeitliche Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

    Wenn nein:

    c)      Setzt eine Verwirkung in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

    Wenn nein:

    d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Anwendung der Verwirkungsregeln nach Treu und Glauben entgegen?

    Wenn nein:

    e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

    Wenn ja:

    f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzulösen?

    4.      Zur Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

    a)      Kann die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 rechtsmissbräuchlich sein?

    Wenn ja:

    b)      Handelt es sich bei der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts um eine Begrenzung des Widerrufsrechts, die in einem Parlamentsgesetz geregelt sein muss?

    Wenn nein:

    c)      Setzt die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts in subjektiver Hinsicht voraus, dass der Verbraucher von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts Kenntnis hatte oder zumindest seine Unkenntnis im Sinne grober Fahrlässigkeit zu vertreten hat?

    Wenn nein:

    d)      Steht die Möglichkeit des Kreditgebers, dem Kreditnehmer nachträglich die Informationen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zu erteilen und damit den Lauf der Widerrufsfrist auszulösen, der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts nach Treu und Glauben entgegen?

    Wenn nein:

    e)      Ist dies vereinbar mit den feststehenden Grundsätzen des Völkerrechts, an die der deutsche Richter nach dem Grundgesetz gebunden ist?

    Wenn ja:

    f)      Wie hat der deutsche Rechtsanwender einen Konflikt zwischen bindenden Vorgaben des Völkerrechts und den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union aufzulösen?

    5.      Fallen Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung mit einer Laufzeit von ca. zwei bis drei Jahren, die unter formularmäßigem Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts abgeschlossen wurden, bei denen der Verbraucher für eine Vollkaskoversicherung des Fahrzeugs zu sorgen hat, ihm außerdem die Geltendmachung von Mängelrechten gegenüber Dritten (insbesondere gegenüber Händler und Hersteller des Fahrzeugs) obliegt und er zudem das Risiko des Verlusts, der Beschädigung und sonstiger Wertminderungen trägt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/83 und/oder der Richtlinie 2008/48 und/oder der Richtlinie 2002/65? Handelt es sich dabei um Kreditverträge im Sinne von Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/48 und/oder um Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83 sowie Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65?

    6.      Wenn Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung (wie in Frage 5 beschrieben) Verträge über Finanzdienstleistungen sind:

    a)      Gelten als unbewegliche Geschäftsräume im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 auch Geschäftsräume einer Person, die für den Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern anbahnt, aber selbst keine Vertretungsmacht zum Abschluss der betreffenden Verträge hat?

    Wenn ja:

    b)      Gilt dies auch dann, wenn die Person, die den Vertrag anbahnt, unternehmerisch in einer anderen Branche tätig ist und/oder aufsichtsrechtlich und/oder zivilrechtlich nicht befugt ist, Finanzdienstleistungsverträge abzuschließen?

    7.      Wenn eine der Fragen 6 a) oder b) verneint wird:

    Ist Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 so auszulegen, dass Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung (wie in Frage 5 beschrieben) unter diesen Ausnahmetatbestand fallen?

    8.      Wenn Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung (wie in Frage 5 beschrieben) Verträge über Finanzdienstleistungen sind:

    a)      Liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 und Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 auch dann vor, wenn bei den Vertragsverhandlungen persönlicher Kontakt nur mit einer Person bestand, die für den Unternehmer Geschäfte mit Verbrauchern anbahnt, aber selbst keine Vertretungsmacht zum Abschluss der betreffenden Verträge hat?

    Wenn ja:

    b)      Gilt dies auch dann, wenn die Person, die den Vertrag anbahnt, unternehmerisch in einer anderen Branche tätig ist und/oder aufsichtsrechtlich und/oder zivilrechtlich nicht befugt ist, Finanzdienstleistungsverträge abzuschließen?

    B.      Rechtssache C‑47/21

    59.      F. F. schloss am 12. April 2017 als Verbraucher mit der C. Bank AG einen Darlehensvertrag über 15 111,70 Euro für den Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs zur privaten Nutzung.

    60.      Bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrags fungierte der Autohändler, bei dem F. F. das Fahrzeug kaufte, als Kreditvermittler für die C. Bank und verwendete das von der Bank bereitgestellte Vertragsformular. Der Kaufpreis betrug 14 880 Euro. Nach Abzug einer Anzahlung von 2 000 Euro sollte der Restbetrag von 12 880 Euro durch ein Darlehen finanziert werden. Dieser Darlehensvertrag sah für die Rückzahlung 60 Monatsraten sowie eine Schlussrate in einer bestimmten Höhe vor.

    61.      Er enthält die folgende Klausel(23):

    „Widerrufsrecht

    Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angaben zur Vertragslaufzeit) erhalten hat. …“

    62.      Das Eigentum an dem Fahrzeug wurde als Sicherheit für die Rückzahlung des Darlehens auf die C. Bank übertragen. F. F. zahlte nach Auskehrung des Darlehensbetrags regelmäßig die vereinbarten Monatsraten. Am 1. April 2020 widerrief er den Darlehensvertrag. Die C. Bank lehnte diesen Widerruf ab.

    63.      Mit seiner Klage beim vorlegenden Gericht begehrt F. F. nach Rückgabe des Fahrzeugs an die C. Bank die Erstattung der von ihm gezahlten Monatsraten und der von ihm an den Autohändler geleisteten Anzahlung, d. h. 10 110,11 Euro. Außerdem begehrt er, festzustellen, dass sich die C. Bank mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. F. F. meint, sein Widerruf sei wirksam, da die Widerrufsfrist wegen der unklaren Belehrung über das Widerrufsrecht und wegen der ihm übermittelten fehlerhaften Pflichtangaben noch nicht begonnen habe.

    64.      Die C. Bank ist der Ansicht, die Klage sei als unbegründet abzuweisen. Sie habe F. F. mit Hilfe des gesetzlichen Musters alle Pflichtangaben übermittelt, so dass diese Angaben gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 3 EGBGB als richtig anzusehen seien. Der von F. F. erklärte Widerruf sei daher verfristet. Hilfsweise rügt die C. Bank das Verhalten von F. F. als rechtsmissbräuchlich.

    65.      Das vorlegende Gericht möchte erstens wissen, ob die nationale Regelung über die Gesetzlichkeitsfiktion mit der Richtlinie 2008/48 vereinbar ist und ob es diese Regelung gegebenenfalls unangewendet lassen muss. Zwar habe die C. Bank das gesetzliche Muster verwendet, aber nicht in zutreffender Weise, da sie auch Informationen zu verbundenen Verträgen erteilt habe, die für F. F. irrelevant seien, weil er solche Verträge nicht abgeschlossen habe. Da die vom BGH für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs aufgestellten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt seien, könne F. F. nicht die Unanwendbarkeit der Gesetzlichkeitsfiktion geltend machen. Das vorlegende Gericht führt im Übrigen dieselben Gründe an, wie in den Nrn. 50 und 51 dieser Schlussanträge dargelegt.

    66.      Das vorlegende Gericht bittet zweitens um Klärung, welche Informationen in Verbraucherkreditverträgen gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. l, r und t der Richtlinie 2008/48 enthalten sein müssen. Es fragt sich, ob die bloße Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der erteilten Informationen den Beginn der Widerrufsfrist hemmt.

    67.      Das vorlegende Gericht wirft drittens im Kern die Frage auf, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch einen Verbraucher bei einem Verbraucherdarlehensvertrag wegen Verstoßes gegen das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben verwirkt sein kann.

    68.      Das vorlegende Gericht möchte viertens wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen es als rechtsmissbräuchlich angesehen werden kann, wenn ein Verbraucher sein Widerrufsrecht im Fall eines Verbraucherdarlehensvertrags ausübt. Hierzu führt das vorlegende Gericht dieselben Gründe an, wie in Nr. 54 dieser Schlussanträge dargelegt.

    69.      Fünftens ersucht das vorlegende Gericht um Klärung, wie es sich mit dem Anspruch des Verbrauchers auf Erstattung der von ihm gezahlten Monatsraten verhält, wenn er einen mit einem Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrag widerrufen hat. Nach Ansicht des BGH sehe das nationale Recht vor(24), dass im Fall des von einem Verbraucher erklärten Widerrufs eines mit einem Kfz-Kaufvertrag verbundenen Darlehensvertrags der Darlehensgeber(25) die Rückzahlung der Monatsraten und gegebenenfalls der Anzahlung so lange verweigern könne, bis ihm das Fahrzeug zurückgegeben worden sei oder der Verbraucher nachgewiesen habe, dass er es abgesandt habe. Der BGH nehme zivilprozessual in entsprechender Anwendung von § 322 Abs. 2 BGB an, dass wegen dieser Vorleistungspflicht eine Zahlungsklage, die der Verbraucher nach Ausübung seines Widerrufsrechts gegen den Kreditgeber erhebe, nur dann begründet sei, wenn der Verbraucher entweder den Kreditgeber in Bezug auf dieses Fahrzeug durch ein „tatsächliches Angebot“ im Sinne von § 294 BGB in Annahmeverzug gesetzt habe oder wenn er nachweise, dass er das Fahrzeug dem Kreditgeber zurückgegeben habe.

    70.      Das vorlegende Gericht bezweifelt, dass sowohl die Vorleistungspflicht als auch deren verfahrensrechtliche Konsequenzen mit der Effizienz des in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Widerrufsrechts vereinbar sind. Die Ausübung des Widerrufsrechts würde in der Praxis erheblich eingeschränkt, wenn der Verbraucher das Fahrzeug zurückgeben müsste, bevor er die Rückzahlung der Darlehensraten gerichtlich einklagen könnte. Darüber hinaus ist sich das vorlegende Gericht nicht sicher, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 unmittelbare Wirkung hat, so dass es die vorerwähnten nationalen Bestimmungen unangewendet lassen müsste.

    71.      Das vorlegende Gericht ‒ hier ein Einzelrichter ‒ erklärt sechstens, nach der Rechtsprechung des BGH dürfe ein Einzelrichter aufgrund der nationalen Verfahrensvorschriften dem Gerichtshof kein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV vorlegen, sondern müsse das Verfahren in einem solchen Fall an einen mit mehreren Richtern besetzten Spruchkörper verweisen. Er fragt sich, ob diese Vorschriften mit Art. 267 AEUV vereinbar sind und ob sie verneinendenfalls unangewendet bleiben müssen.

    72.      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, wobei die Fragen 1, 3 und 4 mit den jeweiligen Fragen in der Rechtssache C‑38/21 übereinstimmen:

    1.      …

    Unabhängig von der Beantwortung der Fragen 1 a) und b):

    2.      Zu den Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48:

    a)      (Frage 2 a wurde zurückgezogen)

    b)      Zu Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48:

    aa)      Ist diese Regelung so auszulegen, dass die Informationen im Kreditvertrag zu der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung so genau sein müssen, dass der Verbraucher die Höhe der anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann?

    (falls die vorstehende Frage bejaht wird:)

    bb)      Stehen Art. 10 Abs. 2 Buchst. r und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegen, wonach bei unvollständigen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. r dieser Richtlinie die Widerrufsfrist gleichwohl mit Vertragsschluss beginnt und lediglich der Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits entfällt?

    c)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass der bei Abschluss des Kreditvertrags geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist, und muss der Verbraucher über den Bezugszinssatz (Basiszinssatz) und dessen Veränderlichkeit aufgeklärt werden?

    d)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Text des Kreditvertrags die wesentlichen formalen Voraussetzungen für den Zugang zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren mitgeteilt werden müssen?

    Wenn mindestens eine der vorstehenden Fragen 2 a) bis d) bejaht wird:

    e)      Ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vollständig und richtig erteilt wurden?

    Wenn nein:

    f)      Welches sind die maßgeblichen Kriterien dafür, dass die Widerrufsfrist trotz unvollständiger oder unrichtiger Angaben in Lauf gesetzt wird?

    Wenn die vorstehenden Fragen 1 a) und/oder mindestens eine der Fragen 2 a) bis d) bejaht werden:

    3.      …

    4.      …

    5.      Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen:

    a)      Ist es vereinbar mit Unionsrecht, insbesondere mit dem Widerrufsrecht gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48, wenn nach nationalem Recht bei einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrag nach wirksamer Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie

    aa)      der Anspruch eines Verbrauchers gegen den Kreditgeber auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten erst dann fällig wird, wenn er seinerseits dem Kreditgeber den gekauften Gegenstand herausgegeben oder den Nachweis erbracht hat, dass er den Gegenstand an den Kreditgeber abgesandt hat?

    bb)      eine Klage des Verbrauchers auf Rückzahlung der vom Verbraucher geleisteten Darlehensraten nach Herausgabe des Kaufgegenstands als derzeit unbegründet abzuweisen ist, wenn der Kreditgeber nicht mit der Annahme des Kaufgegenstands in Gläubigerverzug gekommen ist?

    Wenn nein:

    b)      Folgt aus Unionsrecht, dass die unter a) aa) und/oder a) bb) beschriebenen nationalen Regelungen unanwendbar sind?

    Unabhängig von der Beantwortung der vorstehenden Fragen 1 bis 5:

    6.      Ist § 348a Abs. 2 Nr. 1 der Zivilprozessordnung, soweit diese Regelung sich auch auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV bezieht, unvereinbar mit der Vorlagebefugnis der nationalen Gerichte gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV und daher auf den Erlass von Vorlagebeschlüssen nicht anzuwenden?

    C.      Rechtssache C‑232/21

    73.      Der diesem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegende Sachverhalt entspricht weitgehend dem Sachverhalt in der Rechtssache C‑47/21. Aufgrund von Darlehensanträgen vom 30. Juni 2017, 28. März 2017, 26. Januar 2019 bzw. 31. Januar 2012 schlossen CR, AY, ML und BQ als Verbraucher mit der Volkswagen Bank GmbH (im Fall von CR) bzw. mit deren Zweigniederlassung Audi Bank Darlehensverträge über Nettobeträge in Höhe von 21 418,66 Euro, 28 671,25 Euro, 18 972,74 Euro und 30 208,10 Euro. Mit jedem dieser Darlehensverträge sollte der Kauf eines gebrauchten Kraftfahrzeugs zur privaten Nutzung finanziert werden. Die Kaufpreise der von CR, AY, ML und BQ erworbenen Fahrzeuge betrugen 30 490 Euro, 31 920 Euro, 28 030 Euro bzw. 27 750 Euro. CR, AY und ML leisteten Anzahlungen an die Autohändler und finanzierten den Restbetrag des Kaufpreises sowie die Kosten für eine Lebens- und Arbeitsunfähigkeitsversicherung über ihre jeweiligen Darlehen. BQ leistete keine Anzahlung, sondern finanzierte die Zahlung des gesamten Kaufpreises für das Fahrzeug sowie für eine Lebens- und Arbeitsunfähigkeitsversicherung über das Darlehen.

    74.      Die Darlehensverträge enthalten eine Klausel, die mit der in Nr. 61 dieser Schlussanträge wiedergegebenen Klausel übereinstimmt bzw. ihr sehr ähnlich ist.

    75.      Bei der Vorbereitung und dem Abschluss der Darlehensverträge fungierten die Autohändler, bei denen die Fahrzeuge gekauft wurden, als Kreditvermittler für die Banken und verwendeten die von Letzteren bereitgestellten Vertragsformulare. Die Rückzahlung der Darlehen sollte in 48 (im Fall von CR und AY), 36 (im Fall von ML) und 60 (im Fall von BQ) Monatsraten erfolgen. CR, AY, ML und BQ sollten auch jeweils eine Schlussrate in einer bestimmten Höhe zahlen.

    76.      Nach Auskehrung der Darlehensbeträge zahlten CR, AY, ML und BQ regelmäßig die vereinbarten Monatsraten. Am 31. März 2019, 13. Juni 2019, 16. September 2019 bzw. 20. September 2020 widerriefen sie jedoch ihren jeweiligen Darlehensvertrag. CR, ML und BQ boten die Übergabe der Fahrzeuge am Geschäftssitz der Bank Zug um Zug gegen Erstattung der von ihnen geleisteten Zahlungen an. BQ zahlte das Darlehen in voller Höhe zurück. Die Volkswagen Bank und die Audi Bank lehnten diese Widerrufe der Verträge allesamt ab.

    77.      CR, AY, ML und BQ erhoben vor dem vorlegenden Gericht Klagen gegen die Volkswagen Bank und die Audi Bank. Sie machen geltend, die Widerrufsfrist habe, als sie ihre jeweiligen Darlehensverträge widerrufen hätten, noch nicht zu laufen begonnen, da ihnen die Widerrufsinformation und die sonstigen Pflichtangaben nicht ordnungsgemäß übermittelt worden seien. CR begehrt u. a. die Rückzahlung der von ihm entrichteten Monatsraten und der an den Händler geleisteten Anzahlung Zug um Zug gegen bzw., hilfsweise, nach Rückgabe des Fahrzeugs. Er beantragt außerdem, festzustellen, dass er ab dem Widerruf keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr schuldet und dass sich die Bank mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. ML begehrt im Wesentlichen dasselbe wie CR. AY beantragt in der Hauptsache die Feststellung, dass er ab dem Widerruf keine Zins- und Tilgungsleistungen mehr für sein Darlehen schuldet. BQ beantragt in der Hauptsache die Rückzahlung der geleisteten Monatsraten und die Feststellung, dass sich die Bank mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

    78.      Die Volkswagen Bank und die Audi Bank sind in erster Linie der Ansicht, die Klagen seien als unbegründet abzuweisen. Sie hätten CR, AY, ML und BQ unter Verwendung des gesetzlichen Musters alle Pflichtangaben übermittelt, weshalb die 14-tägige Widerspruchsfrist abgelaufen sei. Im Fall von CR und AY tragen sie hilfsweise vor, dass der Widerspruch verfristet sei und sie berechtigterweise darauf vertraut hätten, dass diese Verbraucher ihr Widerrufsrecht nicht mehr ausüben würden, nachdem sie die Fahrzeuge genutzt und ihre monatlichen Raten regelmäßig bedient hätten. Im Fall von ML und BQ machen sie außerdem geltend, mit der Rücknahme der Fahrzeuge nicht in Annahmeverzug zu sein, da diese Verbraucher ihnen kein tatsächliches Angebot im Sinne von § 294 BGB unterbreitet hätten.

    79.      Das vorlegende Gericht führt aus, nach der Rechtsprechung des BGH kämen eine Verwirkung und eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Widerrufsrechts in erster Linie bei Verträgen in Betracht, die von den Parteien schon vollständig erfüllt worden seien.

    80.      Unter diesen Umständen hat das Landgericht Ravensburg aufgrund von Erwägungen, die im Kern den in den Nrn. 65 bis 71 dieser Schlussanträge wiedergegebenen entsprechen, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, wobei die Fragen 1, 3 und 4 bis 6 mit den jeweiligen Fragen in der Rechtssache C‑47/21 nahezu identisch sind:

    1.      …

    2.      Zu den Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48:

    a)      Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die im Kreditvertrag anzugebende Höhe der Zinsen pro Tag sich rechnerisch aus dem im Vertrag angegebenen vertraglichen Sollzinssatz ergeben muss?

    b)      …

    Wenn mindestens eine der vorstehenden Fragen 2 a) oder 2 b) bejaht wird:

    c)      Ist Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist nur dann beginnt, wenn die Informationen gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vollständig und richtig erteilt wurden?

    Wenn nein:

    d)      Welches sind die maßgeblichen Kriterien dafür, dass die Widerrufsfrist trotz unvollständiger oder unrichtiger Angaben in Lauf gesetzt wird?

    Wenn die vorstehenden Fragen 1 a) und/oder eine der Fragen 2 a) oder 2 b) bejaht werden:

    3.      Zur Verwirkung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

    a)      …

    b)      …

    c)      … Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

    d)      … Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

    e)      …

    f)      …

    4.      Zur Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48:

    a)      …

    b)      …

    c)      … Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

    d)      … Gilt dies auch bei beendeten Verträgen?

    e)      …

    f)      …

    5.      …

    6.      …

    IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

    81.      Mit Beschluss vom 22. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C‑38/21 und C‑47/21 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

    82.      Mit Beschluss vom 3. August 2021 hat das vorlegende Gericht die Frage 2 a) in der Rechtssache C‑47/21 zurückgezogen, da der Rechtsstreit in einem der beiden Fälle des Ausgangsverfahrens gütlich beigelegt worden sei.

    83.      In der Rechtssache C‑38/21 hat das vorlegende Gericht mit Vorlagebeschluss vom 24. August 2021 sein ursprüngliches Ersuchen ergänzt und weitere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

    84.      Mit Beschluss vom 31. Mai 2022 hat der Gerichtshof die Rechtssache C‑232/21 sowie die verbundenen Rechtssachen C‑38/21 und C‑47/21 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

    85.      Die BMW Bank, die C. Bank, die Volkswagen Bank, die Audi Bank, die deutsche Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Verfahrensbeteiligten sowie CR haben eine Frage des Gerichtshofs vom 31. Mai 2022 schriftlich beantwortet.

    86.      In der Sitzung vom 7. September 2022 haben CR, die BMW Bank, die C. Bank, die Volkswagen Bank, die Audi Bank, die deutsche Regierung und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

    V.      Rechtliche Würdigung

    87.      Auf Wunsch des Gerichtshofs soll ich in den vorliegenden Schlussanträgen die folgenden Fragen prüfen:

    ‒        die erste Frage in den Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21;

    ‒        die zweite Frage in den Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21, soweit sie den Beginn der Widerrufsfrist für den Fall betrifft, dass der Verbraucher unvollständig oder fehlerhaft informiert wurde;

    ‒        die vierte Frage in den Rechtssachen C‑38/21, C‑47/21 und C‑232/21, soweit es darum geht, ob im Hinblick auf das Verhalten des Verbrauchers nach seinem Widerruf des Vertrags ein Rechtsmissbrauch geltend gemacht werden kann, um die Ausübung des Widerrufsrechts einzuschränken, und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Tatsache zukommt, dass die Parteien den Vertrag vollständig erfüllt haben;

    ‒        die fünfte Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21;

    ‒        die fünfte, die sechste und die siebte Frage in der Rechtssache C‑38/21.

    88.      Um das vorlegende Gericht sachdienlich zu unterrichten, werde ich auch eine Antwort auf die achte Frage in der Rechtssache C‑38/21 vorschlagen.

    89.      Ich werde diese Fragen in zwei Schritten prüfen. Zunächst werde ich mich dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑38/21 zuwenden und dabei mit der fünften Frage beginnen, die das Wesen des Leasingvertrags mit Kilometerabrechnung betrifft. Von der Antwort auf diese Frage hängt ab, welche der übrigen Fragen beantwortet werden müssen. Anschließend werde ich auf die Fragen des vorlegenden Gerichts in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 eingehen.

    A.      Rechtssache C‑38/21

    1.      Zur fünften Frage in der Rechtssache C‑38/21

    90.      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug mit Kilometerabrechnung, wie er Gegenstand des bei ihm anhängigen Rechtsstreits ist, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65, der Richtlinie 2008/48 oder der Richtlinie 2011/83 fällt.

    91.      Nach der Schilderung des vorlegenden Gerichts, der BMW Bank und der deutschen Regierung besteht der Zweck eines solchen Vertrags darin, dem Leasingnehmer gegen Zahlung einer monatlichen Rate ein Kraftfahrzeug für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren zu überlassen, wobei die Laufleistung des Fahrzeugs begrenzt ist. Wird am Ende dieses Zeitraums die vereinbarte Laufleistung überschritten, zahlt der Leasingnehmer eine Entschädigung an den Leasinggeber. Umgekehrt erhält der Leasingnehmer vom Leasinggeber eine Erstattung, wenn er die vereinbarte Laufleistung unterschritten hat. Der Leasingnehmer trägt während der gesamten Vertragsdauer das Risiko des Verlusts, der Beschädigung und sonstiger Wertminderungen des Fahrzeugs und muss daher eine Vollkaskoversicherung abschließen. Zudem obliegt dem Leasingnehmer die Geltendmachung von Mängelrechten gegenüber Dritten, insbesondere dem Autohändler und dem Hersteller. Weder der Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung noch ein gesonderter Vertrag enthält eine Verpflichtung des Leasingnehmers zum Erwerb des Fahrzeugs. Schließlich übernimmt der Leasingnehmer bei Vertragsende keine Restwertgarantie; er muss nur dann für den Wertverlust aufkommen, wenn sich bei der Rückgabe des Fahrzeugs herausstellen sollte, dass dieses nicht in einem seinem Alter entsprechenden Zustand ist oder die im Vertrag festgelegte maximale Kilometerzahl überschritten wurde.

    92.      Ich schlage vor, die fünfte Frage in der Rechtssache C‑38/21 in drei Schritten zu beantworten. Erstens steht für mich außer Frage, dass ein Kfz-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, wie vorstehend beschrieben, nicht unter die Richtlinie 2008/48 fällt(26). Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 bezieht sich auf „Kreditverträge“ gemäß der Definition in deren Art. 3 Buchst. c. Aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. d ergibt sich, dass die Richtlinie 2008/48 nur dann für Leasingverträge gilt, wenn in diesen selbst oder in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung des Leasingnehmers zum Erwerb des Vertragsgegenstands vorgesehen ist(27). Daher können Leasingverträge nur unter diesen eindeutigen Voraussetzungen als Kreditverträge im Sinne der Richtlinie 2008/48 eingestuft werden. Laut Vorlagebeschluss in der Rechtssache C‑38/21 enthält weder der Kilometer-Leasingvertrag noch ein gesonderter Vertrag eine Verpflichtung zum Kauf des betreffenden Kraftfahrzeugs.

    93.      Dem Argument des vorlegenden Gerichts, die Richtlinie 2008/48 könne analog angewendet werden, da Kilometer-Leasingverträge in der Regel auf eine Vollamortisation der Fahrzeugnutzung während der Laufzeit des Leasingvertrags ausgerichtet seien, vermag ich nicht zu folgen. Ich komme zu diesem Schluss aus dem einfachen Grund, dass die Richtlinie 2008/48 Leasingverträge ohne Kaufverpflichtung eindeutig von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt(28). Jedenfalls besteht, wie die BMW Bank und die deutsche Regierung zutreffend bemerken, im vorliegenden Fall keine Regelungslücke, die eine analoge Anwendung anderer Vorschriften rechtfertigen könnte.

    94.      Was zweitens die Anwendung der Richtlinie 2002/65 betrifft, so ist deren Gegenstand gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher(29). In Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie wird der Begriff „Finanzdienstleistung“ als „jede Bankdienstleistung sowie jede Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Altersversorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung“ definiert(30).

    95.      Ich teile die Auffassung der deutschen Regierung, dass ein Kilometer-Leasingvertrag wie der hier fragliche kein Vertrag über eine „Bankdienstleistung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 ist. Die in Rede stehende Vertragsform wird fast ausschließlich von Banken, die wie im vorliegenden Fall Automobilherstellern gehören, oder von Unternehmen angeboten, die sich wie etwa Mietwagenfirmen auf das Kfz-Leasing spezialisiert haben. Wenngleich die nähere Prüfung Sache des vorlegenden Gerichts ist, gehören Kilometer-Leasingverträge doch nicht zum Kerngeschäft von gemeinhin als „Großbanken“ bezeichneten Geldhäusern. Dass eine Bank an einem Kfz-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung beteiligt ist, reicht für sich allein nicht aus, um darin eine „Bankdienstleistung“ zu sehen. Wie ich nachstehend erläutern werde, ist hierfür erforderlich, dass der betreffende Vertrag eine Finanzierungsfunktion erfüllt.

    96.      Die Frage ist vielmehr, ob ein solcher Leasingvertrag einen Vertrag über eine „Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65 darstellen kann. Da in dieser Richtlinie der Begriff „Kredit“ nicht definiert ist, könnte zu seiner Auslegung die Definition des Begriffs „Kreditvertrag“ in Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/48 herangezogen werden. So betrachtet, haben Leasingverträge ohne Kaufverpflichtung keine „Dienstleistung im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung“ zum Gegenstand, da sie, wie in Nr. 92 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, keine Kreditverträge im Sinne der Richtlinie 2008/48 sind. Diese Lösung erscheint mir etwas konstruiert, denn es lässt sich nicht ausschließen, dass der Gesetzgeber beim Erlass der Richtlinie 2002/65 den Begriff des Kredits umfassender als beim späteren Erlass der Richtlinie 2008/48 verstanden hat.

    97.      Ich teile die Auffassung der Verfahrensbeteiligten, die in der Rechtssache C‑38/21 Erklärungen eingereicht haben, dass die Antwort auf diese Frage davon abhängt, welcher Hauptzweck mit einem Kfz-Kilometer-Leasingvertrag verfolgt wird, der keine Verpflichtung zum Kauf des Fahrzeugs enthält. Meines Erachtens kann ein solcher Vertrag nur dann als Finanzdienstleistung angesehen werden und damit unter die Richtlinie 2002/65 fallen, wenn er hauptsächlich eine Finanzierungsfunktion erfüllt.

    98.      Ich stimme mit der BMW Bank und der deutschen Regierung darin überein, dass es der Hauptzweck eines solchen Vertrags ist, dem Verbraucher gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts die Nutzung eines Fahrzeugs seiner Wahl für einen bestimmten Zeitraum zu ermöglichen.

    99.      Zwar erhält der Verbraucher, wie die Kommission geltend macht, aufgrund eines Leasingvertrags eine finanzielle Leistung, um die Nutzung von Waren oder sonstigen Gegenständen zu erleichtern. Ein Leasingvertrag ersetzt die Finanzierung dieses Vorgangs, für die der Verbraucher andernfalls aufkommen müsste. Wie die Kommission etwas zweideutig weiter vorträgt, soll durch einen solchen Vertrag „die Nutzung eines Fahrzeugs finanziert“ werden.

    100. Nach meiner Meinung erfüllt ein Kilometer-Leasingvertrag, wie er Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, streng genommen aber keine Finanzierungsfunktion für den Verbraucher in dem Sinne, dass er diesen in die Lage versetzen würde, ein Fahrzeug durch Ratenzahlung zu erwerben. Der Leasinggeber stellt dem Verbraucher kein Kapital für diese Zwecke zur Verfügung. Obwohl der Verbraucher das Fahrzeug ausgewählt hat, wird es vom Leasinggeber erworben und verbleibt während und nach Ablauf des Kilometer-Leasingvertrags in dessen Eigentum. Der Verbraucher hat nicht die Vollamortisation der Kosten zu tragen, die dem Leasinggeber durch die Anschaffung des Fahrzeugs entstanden sind, und die im Rahmen des Leasingvertrags geleisteten Zahlungen decken diese Kosten nicht zwangsläufig in vollem Umfang ab. Der Leasinggeber trägt auch die mit dem Restwert des Fahrzeugs am Ende der Vertragslaufzeit verbundenen Risiken. Wie die deutsche Regierung zutreffend bemerkt, wird dem Leasinggeber durch den im Leasingvertrag vorgesehenen Ausgleich für eine Mehr- oder Mindernutzung des Fahrzeugs weder ein bestimmter Restwert noch die Vollamortisation der Fahrzeugnutzung garantiert.

    101. Die Kommission weist ferner darauf hin, dass der Verbraucher im Rahmen eines solchen Vertrags in die Rechte und Pflichten eintrete, die normalerweise dem Eigentümer eines Fahrzeugs zufielen, einschließlich der Übernahme von Versicherungsprämien, Wartungskosten und Steuern sowie des Schadens- oder Verlustrisikos. Der Verbraucher müsse auch etwaige Mängelrechte gegenüber Dritten geltend machen. Diese Rechte und Pflichten bestehen jedoch nur während der im Leasingvertrag festgelegten Dauer der Fahrzeugnutzung und beschränken sich auf die Risiken, die sich aus dieser letztlich dem Verbraucher zuzurechnenden Nutzung ergeben.

    102. Daher fällt ein Kilometer-Leasingvertrag über ein Kraftfahrzeug ohne Erwerbsverpflichtung meines Erachtens nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65(31).

    103. Drittens bin ich der Ansicht, dass ein solcher Vertrag den Charakter eines Dienstleistungsvertrags im Sinne der Richtlinie 2011/83 hat, die „für jegliche Verträge [gilt], die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden“(32). In der Richtlinie 2011/83 wird der Begriff „Dienstleistungsvertrag“ als jeder Vertrag definiert, der kein Kaufvertrag im Sinne von Art. 2 Nr. 5 dieser Richtlinie ist(33) und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt(34). Zu dieser Vertragsart gehört eindeutig ein Vertrag, mit dem ein Unternehmer wie in der Rechtssache C‑38/21 einem Verbraucher gegen Entgelt das Recht einräumt, für einen bestimmten Zeitraum ein Kraftfahrzeug zu nutzen(35).

    104. Der Vollständigkeit halber füge ich als Ergebnis meiner Prüfung hinzu, dass mit dem in Rede stehenden Kilometer-Leasingvertrag nicht die Finanzierung und zugleich die Übertragung des Rechts zur Fahrzeugnutzung bezweckt werden. Daher stimme ich nicht mit der Kommission überein, der zufolge die Richtlinie 2002/65 und die Richtlinie 2011/83 parallel gelten sollen. Diese Auffassung ist mit zwei Gegebenheiten unvereinbar: Der Anwendungsbereich jeder der beiden Richtlinien ist genau abgegrenzt. Es liegt ein einziger und unteilbarer Vertrag vor, wonach der Verbraucher ein Fahrzeug gegen Zahlung eines Entgelts nutzt. Die gleichzeitige Anwendung mehrerer Richtlinien auf diesen Vertrag würde daher die Rechtssicherheit und das Ziel, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, beeinträchtigen.

    105. Ich schlage dem Gerichtshof somit vor, die fünfte Frage in der Rechtssache C‑38/21 dahin zu beantworten, dass Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung und einer Laufzeit von ca. zwei bis drei Jahren, die unter formularmäßigem Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts abgeschlossen wurden, die weder im Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung des Verbrauchers zum Erwerb des Vertragsgegenstands vorsehen, bei denen aber davon auszugehen ist, dass eine solche Verpflichtung besteht, wenn der Leasinggeber darüber einseitig entscheidet, und bei denen der Verbraucher für eine Vollkaskoversicherung des Fahrzeugs zu sorgen hat, ihm außerdem die Geltendmachung von Mängelrechten gegenüber Dritten (insbesondere gegenüber Händler und Hersteller des Fahrzeugs) obliegt und er zudem das Risiko des Verlusts, der Beschädigung und sonstiger Wertminderungen trägt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/83 fallen. Es handelt sich weder um Kreditverträge im Sinne von Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/48 noch um Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83 und Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65.

    2.      Zur sechsten Frage in der Rechtssache C‑38/21

    106. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob der streitige Kilometer-Leasingvertrag angesichts der in Nr. 42 dieser Schlussanträge beschriebenen Umstände des Vertragsschlusses als „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 anzusehen ist. Konkret fragt es, ob die Geschäftsräume des Autohändlers, in denen der Verbraucher einen Kfz-Leasingantrag stellt, als „Geschäftsräume“ des Unternehmers im Sinne von Art. 2 Nr. 9 dieser Richtlinie anzusehen sind, wenn der Händler nur an der Anbahnung des Vertrags beteiligt ist, ohne zu dessen Abschluss befugt zu sein.

    107. Gemäß Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83 bezeichnet der Ausdruck „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, „der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist“. Nach Art. 2 Nr. 9 Buchst. a dieser Richtlinie sind „Geschäftsräume“ „unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt“.

    108. Aus dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 ergibt sich, dass der Begriff „Geschäftsräume“ weit zu verstehen ist und dass die Räumlichkeiten einer Person, die im Namen oder für Rechnung des Unternehmers gemäß dieser Richtlinie handelt, als solche anzusehen sind. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 definiert einen „Unternehmer“ als jede natürliche oder juristische Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen selbst „oder durch eine andere Person, die in ihrem Namen oder Auftrag handelt, zu Zwecken tätig wird, die ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“.

    109. Dem ist zu entnehmen, dass das entscheidende Kriterium dafür, ob die Geschäftsräume einer als Vermittler handelnden Person, hier des Autohändlers, als „Geschäftsräume“ des Unternehmers eingestuft werden können, darin besteht, ob diese Person im Namen oder Auftrag dieses Unternehmers handelt.

    110. Die Richtlinie 2011/83 soll laut ihrem 16. Erwägungsgrund die nationalen Rechtsvorschriften über die gesetzliche Vertretung, wie z. B. die Vorschriften zu der Person, die im Namen des Unternehmers oder auf dessen Rechnung handelt, unberührt lassen. Daher muss das vorlegende Gericht zur Beantwortung der vorliegenden Frage das zwischen Autohändler und Bank bestehende Rechtsverhältnis unter den Umständen des vorliegenden Falles anhand des nationalen Rechts beurteilen und feststellen, ob aus diesem Rechtsverhältnis gefolgert werden kann, dass der Autohändler im Namen oder Auftrag der Bank gehandelt hat.

    111. Obwohl es sich um eine Frage des nationalen Rechts handelt, enthält die Richtlinie 2011/83 einige Anhaltspunkte dafür, wie diese Frage angegangen werden sollte. So spricht Art. 2 Nr. 8 Buchst. a dieser Richtlinie zwar davon, dass ein Vertrag „geschlossen“ wird, doch scheint es mir für die Anerkennung der Geschäftsräume des Vermittlers als „Geschäftsräume“ des Unternehmers nicht erforderlich zu sein, dass der Vermittler eigens den Auftrag erhält, den Vertrag mit dem Verbraucher abzuschließen.

    112. Es reicht somit aus, wenn der Vermittler an den Vertragsverhandlungen beteiligt ist, damit seine Geschäftsräume den Geschäftsräumen des Unternehmers gleichgestellt werden, sofern diese Beteiligung substanziell genug ist und die Pflicht des Vermittlers umfasst, dem Verbraucher die in Art. 5 der Richtlinie 2011/83 genannten Informationen zu erteilen.

    113. Schließlich wird im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 das Ziel der Bestimmungen über „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ aufgezeigt. Dort heißt es, dass der Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers möglicherweise psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist, wobei es keine Rolle spielt, ob er den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht(36). Diese Bestimmungen sollen eindeutig keinen Verbraucher schützen, der von sich aus Geschäftsräume betritt, in denen er damit rechnen muss, vom Unternehmer wegen eines Vertragsabschlusses angesprochen zu werden. Folglich dürfte es meines Erachtens einen Verbraucher, der ein Fahrzeug kaufen möchte, nicht überraschen, wenn ihm beim Besuch eines Autohauses, das mit einer Bank Geschäftsbeziehungen unterhält, die Leasingverträge anbietet, Angebote zum Abschluss eines solchen Vertrags gemacht werden.

    114. Ich schlage dem Gerichtshof somit vor, auf die sechste Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass die Geschäftsräume einer Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers gemäß Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie handelt, als „Geschäftsräume“ dieses Unternehmers anzusehen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob der Vermittler unter den konkreten Umständen des bei ihm anhängigen Falles und nach nationalem Recht im Namen oder Auftrag des Unternehmers gehandelt hat, um den Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung auszuhandeln oder abzuschließen.

    3.      Zur siebten Frage in der Rechtssache C‑38/21

    115. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht auf einen Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung, wie er Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, Anwendung findet.

    116. Die Art. 9 bis 15 der Richtlinie 2011/83 verleihen dem Verbraucher, wenn er einen Fernabsatzvertrag oder einen Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen im Sinne von Art. 2 Nr. 7 bzw. Art. 2 Nr. 8 dieser Richtlinie geschlossen hat, ein Widerrufsrecht und regeln die Bedingungen und Modalitäten der Ausübung dieses Rechts. Art. 16 der Richtlinie 2011/83 enthält Ausnahmen vom Widerrufsrecht, besonders für Dienstleistungsverträge im Mietwagenbereich, die für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsehen. Diese Bestimmung ist eng auszulegen, da sie eine Ausnahme von unionsrechtlichen Verbraucherschutzvorschriften darstellt(37).

    117. Was zunächst die Frage anbelangt, ob es sich bei Kilometer-Leasingverträgen um Verträge über die Erbringung von Mietwagen-Diensten handelt, so bezieht sich nach der Rechtsprechung der Begriff „Autovermietungsdienstleistungen“ darauf, dass „dem Verbraucher ein Beförderungsmittel zur Verfügung gestellt wird“(38). Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass ein Mietvertrag über ein Kraftfahrzeug darauf abzielt, die Beförderung von Personen zu ermöglichen(39). In Anbetracht dessen mag es auf den ersten Blick so aussehen, als falle ein Kilometer-Leasingvertrag, dessen Zweck darin besteht, einem Verbraucher ein Kraftfahrzeug zur Nutzung zu überlassen, unter den Begriff der „Erbringung von Autovermietungsdienstleistungen“.

    118. Aus dem 49. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 geht jedoch hervor, dass mit deren Art. 16 Buchst. l das Ziel verfolgt wird, Unternehmer gegen das Risiko im Zusammenhang mit der Bereitstellung bestimmter Kapazitäten zu schützen, die sie möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen könnten, wenn es ein Widerrufsrecht gäbe(40). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich auch, dass Art. 16 Buchst. l insbesondere die Anbieter bestimmter Dienstleistungen vor den unverhältnismäßigen Nachteilen schützen soll, die sich ergäben, wenn kurzfristige Stornierungen erleichtert würden, ohne dass der Verbraucher hierfür Kosten tragen oder Gründe angeben müsste(41). Im Gegensatz zur Kommission sehe ich bei einem Kfz-Leasingvertrag weder ein derartiges Risiko noch solche unverhältnismäßigen Konsequenzen. Der Leasinggeber bleibt Eigentümer des Fahrzeugs und kann es, falls das Widerrufsrecht ausgeübt wird, anderweitig verwerten, z. B. durch Vermietung oder durch Weiterverkauf. Daher bin ich der Ansicht, dass die in Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht in einem Fall, wie er beim vorlegenden Gericht anhängig ist, keine Anwendung findet. Aus dem Umstand, dass die Ausnahmeregelung gilt, wenn der Vertrag „für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht“, ergibt sich meines Erachtens außerdem, dass der Gesetzgeber nur die kurzfristige Vermietung von Fahrzeugen erfassen wollte.

    119. Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die siebte Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Ausnahme nicht für Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung gilt.

    4.      Zur achten Frage in der Rechtssache C‑38/21

    120. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob ein Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung wie der in Rede stehende als „Fernabsatzvertrag“ im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 und Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 eingestuft werden kann, wenn der Verbraucher persönlichen Kontakt nur zu einem Vermittler hat, der den Vertrag anbahnt und ihn über die angebotene Dienstleistung informieren kann, aber nicht befugt ist, den Unternehmer beim Abschluss dieses Vertrags zu vertreten.

    121. Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 definiert „Fernabsatzvertrag“ als jeden Vertrag, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65 enthält eine nahezu identische Definition(42).

    122. Meines Erachtens kommt ein Vertrag nicht dadurch zustande, dass „bis zum Zeitpunkt“ seines Abschlusses „ausschließlich“ ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden, wenn ein Vermittler im Namen oder Auftrag des Unternehmers an den Vertragsverhandlungen mitgewirkt hat, indem er den Verbraucher in dessen Beisein ausführlich über den Vertragsinhalt informiert und dessen Fragen beantwortet hat.

    123. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/83 behandelt als Unternehmer auch jede Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt. Dabei halte ich es nicht für entscheidend, dass diese Person nicht befugt ist, den Vertrag im Namen oder Auftrag des Unternehmers zu schließen; es genügt, wenn sie in dieser Eigenschaft bei den Vertragsverhandlungen mitwirkt. Insoweit ergibt sich aus dem 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83, dass die Definition von Fernabsatzverträgen zwar auch Situationen erfasst, in denen ein Verbraucher Geschäftsräume aufsucht, um sich über Waren oder Dienstleistungen zu informieren, und anschließend den Vertrag aus der Ferne verhandelt und abschließt, dass jedoch ein in den Geschäftsräumen des Unternehmers verhandelter und über ein Fernkommunikationsmittel geschlossener Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag gilt.

    124. Im vorliegenden Fall geht aus dem vom vorlegenden Gericht geschilderten Sachverhalt hervor, dass der Autohändler im Beisein von VK die verschiedenen Einzelheiten des Kilometer-Leasingvertrags (Laufzeit, Anzahlung und Höhe der Monatsraten) kalkulierte und mit VK besprach sowie befugt und in der Lage war, alle Fragen von VK zu beantworten. Deshalb dürfte davon auszugehen sein, dass VK nicht nur Informationen über einen Kilometer-Leasingvertrag eingeholt, sondern „persönlich“ zusammen mit dem Autohändler an der Aushandlung dieses Vertrags beteiligt war, der somit nicht als Fernabsatzvertrag anzusehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand des nationalen Rechts und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles festzustellen, ob der Händler befugt war, zumindest beim Aushandeln des streitigen Kilometer-Leasingvertrags im Namen oder Auftrag der Bank tätig zu werden, und ob der Umfang der Mitwirkung dieses Händlers Vertragsverhandlungen gleichzusetzen ist.

    125. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das vorlegende Gericht nicht angibt, ob der Vertrag im Rahmen eines „für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems“ geschlossen wurde(43). Es ist auch insoweit Sache dieses Gerichts, zu prüfen, ob dieses Kriterium erfüllt ist.

    126. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, auf die achte Frage in der Rechtssache C‑38/21 zu antworten, dass Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag eingestuft werden kann, wenn eine Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, an den Verhandlungen über diesen Vertrag bei körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers mitwirkt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob unter den konkreten Umständen des Falles der Vermittler nach nationalem Recht im Namen oder Auftrag des Unternehmers gehandelt hat, um den Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung auszuhandeln.

    5.      Zwischenergebnis

    127. Sollte das vorlegende Gericht in Anbetracht der Antworten des Gerichtshofs feststellen, dass es sich bei dem streitigen Kilometer-Leasingvertrag um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder um einen Fernabsatzvertrag handelt und dass die in Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht auf diesen Vertrag nicht anwendbar ist, müsste es grundsätzlich zu dem Ergebnis kommen, dass VK dieses Recht nach Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie zusteht(44).

    128. In diesem Fall hätte das vorlegende Gericht noch zu prüfen, ob VK dieses Recht innerhalb der Frist gemäß Art. 9 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83, gegebenenfalls in Verbindung mit deren Art. 10, ausgeübt hat. Da nicht auszuschließen ist, dass VK ein solches Widerrufsrecht zustand, sind die dritte und die vierte Frage, die das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑38/21 gestellt hat, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits relevant(45). Was die Antwort auf die vierte Frage in der Rechtssache C‑38/21 betrifft, um deren Prüfung mich der Gerichtshof gebeten hat, so verweise ich auf meine Beurteilung der entsprechenden Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21, die ich in den Nrn. 149 bis 158 dieser Schlussanträge vornehmen werde.

    B.      Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21

    1.      Zur ersten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21

    129. Die erste Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 geht im Wesentlichen dahin, ob die Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegensteht, die eine gesetzliche Vermutung dafür aufstellt, dass der Unternehmer seine Pflicht zur Belehrung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht erfüllt, wenn er in den Vertrag eine Klausel aufnimmt, die einem gesetzlichen Muster entspricht, das den Anforderungen dieser Richtlinie nicht genügt. Muss das vorlegende Gericht in diesem Fall diese nationale Regelung unangewendet lassen?

    130. Zum ersten Teil der Frage ist festzustellen, dass die Darlehensverträge, um die es in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 geht, jeweils eine Klausel enthalten, wonach die Widerrufsfrist nach Abschluss des Vertrags beginnt, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat. Diese Vorschrift verweist ihrerseits auf Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB, der seinerseits auf andere Vorschriften des BGB verweist. Eine solche Klausel ist praktisch identisch mit derjenigen, die der Gerichtshof im Urteil Kreissparkasse Saarlouis als unvereinbar mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 angesehen hat(46).

    131. Die Klausel in den vorerwähnten Darlehensverträgen entspricht auch dem Muster in Anlage 7 zum EGBGB in ihrer damals geltenden Fassung(47). Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB begründen eine Gesetzlichkeitsfiktion, wonach der Vertrag, wenn er eine diesem Muster entsprechende Klausel enthält, den gesetzlichen Anforderungen an die Belehrung über das Widerrufsrecht genügt.

    132. Was die Angaben betrifft, auf die Art. 10 der Richtlinie 2008/48 verweist, so hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie einem Kreditvertrag entgegensteht, der auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere nationale Rechtsvorschriften verweist. Folglich ist auch eine nationale Regelung, die eine Gesetzlichkeitsfiktion wie die in Nr. 131 der vorliegenden Schlussanträge beschriebene aufstellt, mit dieser Richtlinie unvereinbar. Die meisten der am Verfahren vor dem Gerichtshof Beteiligten scheinen diese Auffassung zu teilen. Die deutsche Regierung hat sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der mündlichen Verhandlung sogar darauf hingewiesen, dass das in Anlage 7 zum EGBGB enthaltene gesetzliche Muster mit Wirkung vom 15. Juni 2021 geändert worden sei, um es mit der Auslegung in Einklang zu bringen, die der Gerichtshof im Urteil Kreissparkasse Saarlouis(48) vorgenommen habe.

    133. Der zweite Teil dieser Frage betrifft die Rechtsfolgen, die sich aus der Feststellung ergeben, dass die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und Art. 247 § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB aufgestellte Gesetzlichkeitsfiktion mit der Richtlinie 2008/48 unvereinbar ist.

    134. Nach ständiger Rechtsprechung wird durch die Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts, die der Gerichtshof vornimmt, erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Die Gerichte müssen die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift und vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, wenn die sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen(49). Es ist auch ständige Rechtsprechung, dass die nationalen Gerichte ihr nationales Recht so weit wie möglich unionsrechtskonform auslegen und dem Einzelnen die Möglichkeit zuerkennen müssen, für den Fall eine Entschädigung zu erlangen, dass seine Rechte durch einen Verstoß gegen das Unionsrecht verletzt worden sind, der einem Mitgliedstaat zuzurechnen ist(50). Hierbei darf ein nationales Gericht nicht davon ausgehen, dass es eine nationale Vorschrift nicht im Einklang mit dem Unionsrecht auslegen könne, nur weil sie in einem nicht mit dem Unionsrecht vereinbaren Sinne ausgelegt worden ist(51).

    135. Die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, findet jedoch in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken. Sie darf auch nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen(52). In den vorliegenden Rechtssachen erklärt das vorlegende Gericht, der BGH habe entschieden, dass eine der Richtlinie 2008/48 konforme Auslegung der streitigen nationalen Vorschriften nicht möglich sei und daher contra legem wäre. Die C. Bank, die Volkswagen Bank, die Audi Bank und die deutsche Regierung schließen sich dieser Auffassung an.

    136. Kann ein nationales Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden hat, eine nationale Regelung nicht den Anforderungen des Unionsrechts entsprechend auslegen, so ist es nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts verpflichtet, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede ‒ auch spätere ‒ entgegenstehende Vorschrift des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Vorschrift auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste(53). Jedoch kann eine Bestimmung des Unionsrechts, die keine unmittelbare Wirkung hat, im Rahmen eines dem Unionsrecht unterliegenden Rechtsstreits nicht geltend gemacht werden, um die Anwendung einer ihr entgegenstehenden Vorschrift des nationalen Rechts auszuschließen(54).

    137. In den vorliegenden Rechtssachen bedarf es nicht der Prüfung, ob die fraglichen Bestimmungen der Richtlinie 2008/48 unmittelbare Wirkung haben. Wie der Gerichtshof unlängst in seinem Urteil Thelen Technopark Berlin(55) bekräftigt hat und wie die C. Bank, die Volkswagen Bank, die Audi Bank, die deutsche Regierung und die Kommission in ihren jeweiligen schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, kann eine Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche vor nationalen Gerichten nicht möglich ist. Da es in den Ausgangsverfahren um Rechtsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Privatbanken geht, kann das vorlegende Gericht nicht verpflichtet sein, die streitigen nationalen Vorschriften allein wegen der Richtlinie 2008/48 unangewendet zu lassen.

    138. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, kommt allerdings eine außervertragliche Haftung der Bundesrepublik Deutschland wegen Verstoßes ihrer nationalen Rechtsvorschriften gegen die Richtlinie 2008/48 in Betracht. Wie der Gerichtshof ebenfalls in seinem Urteil Thelen Technopark Berlin(56) bestätigt hat, kann sich eine durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigte Partei auf die mit dem Urteil Francovich u. a.(57) begründete Rechtsprechung berufen, um angemessenen Ersatz des daraus entstandenen Schadens zu erlangen.

    139. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, auf die erste Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. p in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die eine Gesetzlichkeitsfiktion aufstellt, wonach eine einem gesetzlichen Muster entsprechende Klausel in einem Kreditvertrag den nationalen gesetzlichen Anforderungen an die Belehrung über das Widerrufsrecht entspricht, obwohl sie den Anforderungen in Art. 10 Abs. 2 Buchst. p dieser Richtlinie nicht genügt. Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anhängig ist, ist nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, eine solche nationale Regelung unangewendet zu lassen, selbst wenn sie gegen Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 verstößt. Hiervon unberührt bleibt das Recht der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigten Partei, Ersatz des ihr daraus entstandenen Schadens zu verlangen.

    140. In Anbetracht des Antwortvorschlags zu dieser Frage erübrigt sich meines Erachtens eine Entscheidung über den Antrag der deutschen Regierung, die Wirkungen des Urteils des Gerichtshofs auf die Zeit ab seiner Verkündung zu beschränken. Es sei angemerkt, dass dieser Antrag für den Fall gestellt wird, dass der Gerichtshof entweder „das Konzept der Gesetzlichkeitsfiktion für sich genommen ‒ d. h. unabhängig davon, ob diese in Übereinstimmung mit Art. 10 und Art. 14 der Richtlinie [2008/48] ausgestaltet ist ‒ als unvereinbar mit dem Unionsrecht ansehen“ oder davon ausgehen sollte, dass diese Fiktion wegen Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 außer Acht bleiben und Letztere unmittelbar angewendet werden müsse. Keine dieser beiden Konstellationen ist hier gegeben.

    2.      Zur zweiten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21

    141. Die zweite Frage, die in mehrere Unterfragen aufgeteilt ist, betrifft die Informationen, die ein Verbraucherkreditvertrag gemäß Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 enthalten muss. Das vorlegende Gericht möchte u. a. wissen, ob die Widerrufsfrist nach Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie nur dann beginnt, wenn die Informationen vollständig und richtig übermittelt wurden. Sollte dies nicht der Fall sein, fragt es, welche Kriterien für den Beginn dieser Widerrufsfrist maßgeblich sind.

    142. Durch das Gebot, in den Kreditvertrag die in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 benannten Punkte in klarer, prägnanter Form aufzunehmen, soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, seine Rechte und Pflichten aus dem Vertrag zur Kenntnis zu nehmen(58). Für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung und insbesondere für die Ausübung der Rechte des Verbrauchers, zu denen das Widerrufsrecht zählt, ist es erforderlich, dass der Verbraucher diese Punkte kennt und gut versteht(59). Wie der Gerichtshof im Urteil Kreissparkasse Saarlouis festgestellt hat, dient dieses Gebot der Verwirklichung des mit der Richtlinie 2008/48 verfolgten Ziels, in Bezug auf Verbraucherkredite eine vollständige und obligatorische Harmonisierung in einigen Schlüsselbereichen vorzusehen, die als notwendig erachtet wird, um allen Verbrauchern in der Union ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern(60).

    143. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zutreffend hervorhebt, ist Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 Ausdruck des dieser Richtlinie zugrunde liegenden Schutzsystems, das auf der Vorstellung beruht, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Kreditgeber in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Kreditgeber vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können(61).

    144. Aus Art. 10 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 ergibt sich, dass die 14-tägige Widerrufsfrist am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags beginnt, wenn der Vertrag alle Pflichtangaben enthält. Wird dem Verbraucher bis zu diesem Tag eine der Pflichtangaben nicht übermittelt, beginnt die 14-tägige Widerrufsfrist an dem Tag, an dem er die fehlende Angabe erhält.

    145. Angesichts des in Nr. 142 dieser Schlussanträge dargelegten Ziels, das mit Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 verfolgt wird, und wegen des Gebots, die in dieser Bestimmung benannten Angaben „klar und prägnant“ zu formulieren, bin ich mit der Kommission der Ansicht, dass Pflichtangaben als nicht im Sinne dieser Richtlinie übermittelt anzusehen sind, wenn sie so unvollständig oder unrichtig sind, dass ihr Inhalt den Verbraucher über seine Rechte und Pflichten irreführt(62). Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob es sich im vorliegenden Fall tatsächlich so verhält.

    146. Soweit die C. Bank, die Volkswagen Bank, die Audi Bank und die deutsche Regierung bemerken, das nationale Recht sehe für den Fall unrichtiger Pflichtangaben im Kreditvertrag bereits Sanktionen vor, weshalb es unverhältnismäßig wäre, die Widerrufsfrist gemäß Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 nicht beginnen zu lassen, vermag mich diese Argumentation nicht zu überzeugen. Dass die Widerrufsfrist nicht beginnt, folgt unmittelbar daraus, dass der Kreditgeber es versäumt hat, dem Verbraucher die in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie genannten Pflichtangaben zu übermitteln. Da die Richtlinie 2008/48 eine vollständige Harmonisierung vorsieht, dürfen die Mitgliedstaaten deren Art. 14 Abs. 1 nicht ignorieren oder außer Kraft setzen. Abgesehen von der Einschränkung in Nr. 145 der vorliegenden Schlussanträge lässt sich dieses Erfordernis daher nicht als unverhältnismäßig bezeichnen.

    147. Im Übrigen kann entgegen dem Vorbringen der beklagten Banken keine Rede davon sein, dass ein „ewiges Widerrufsrecht“ drohe. Wie ich in Nr. 150 der vorliegenden Schlussanträge darlegen werde, kann das in Art. 14 der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Widerrufsrecht, sobald die Parteien den Vertrag vollständig erfüllt haben, nicht mehr ausgeübt werden.

    148. Infolgedessen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die zweite Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass die Widerrufsfrist erst dann beginnt, wenn dem Verbraucher die Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vollständig und richtig übermittelt worden sind, es sei denn, die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit seiner Belehrung ist nicht geeignet, den Verbraucher bei seiner Beurteilung des Umfangs seiner Rechte und Pflichten zu beeinträchtigen, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

    3.      Zur vierten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21

    149. Mit seiner vierten Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21(63) möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausübung des Widerrufsrechts durch einen Verbraucher im Rahmen eines Verbraucherkreditvertrags als missbräuchlich angesehen werden kann. Der Gerichtshof bittet mich, zwei Aspekte zu prüfen: erstens, ob die Ausübung des Widerrufsrechts wegen des Verhaltens des Verbrauchers nach dem Widerruf eingeschränkt werden kann, und zweitens, ob der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausüben kann, wenn die Parteien den Kreditvertrag vollständig erfüllt haben(64).

    150. Was den zweiten Aspekt dieser Frage angeht, so schließe ich mich der Argumentation des Generalanwalts Hogan in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Volkswagen Bank u. a.(65) an. Nachdem er festgestellt hatte, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ein Widerrufs- und kein Rücktrittsrecht begründe und dass die Vertragserfüllung die natürliche Form des Erlöschens vertraglicher Verpflichtungen sei, kam er zu dem Schluss, dass diese Bestimmung dahin auszulegen sei, dass das darin vorgesehene Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werden könne, sobald beide Parteien den Kreditvertrag vollständig erfüllt hätten. Seine Schlussfolgerung werde durch den 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 bestätigt. Danach sehe die Richtlinie 2008/48 ein Widerrufsrecht entsprechend den in der Richtlinie 2002/65 vorgesehenen Bedingungen vor, während nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der letztgenannten Richtlinie das durch sie geschaffene Widerrufsrecht ausgeschlossen sei bei „Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt“. Generalanwalt Hogan führte weiter aus, der Zweck der Informationspflichten in Art. 10 der Richtlinie 2008/48 bestehe darin, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, vom Umfang seiner Rechte und Pflichten bei der Vertragsdurchführung Kenntnis zu nehmen. Diese Verpflichtungen seien daher obsolet, sobald der Vertrag vollständig erfüllt worden sei.

    151. Was den ersten Aspekt betrifft, so hat der Gerichtshof in seinem Urteil Volkswagen Bank u. a. zunächst festgestellt, dass die Richtlinie 2008/48 keine Vorschriften enthält, die einen vom Verbraucher begangenen Missbrauch der durch sie eingeräumten Rechte regeln, und sodann den allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts bestätigt, wonach eine missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf eine unionsrechtliche Bestimmung nicht erlaubt ist(66). Er hat daher geprüft, ob nicht in jenem Fall die Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie durch den Verbraucher infolge der Anwendung dieses allgemeinen Grundsatzes eingeschränkt war(67).

    152. Ich schlage dem Gerichtshof vor, diese Argumentation zu übernehmen. Art. 14 der Richtlinie 2008/48 gibt dem Verbraucher ausdrücklich das Recht, einen Kreditvertrag zu widerrufen. Die Ausübung dieses Rechts muss mit dem Unionsrecht, zu dem auch das allgemeine Verbot des Rechtsmissbrauchs gehört, in Einklang stehen. Auch hier teile ich die Auffassung, die Generalanwalt Hogan in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Volkswagen Bank u. a. geäußert hat, wonach in den unionsrechtlich geregelten Bereichen die Möglichkeit, sich auf den missbräuchlichen Charakter der Ausübung eines Rechts, das aus dem Unionsrecht erwächst, ausschließlich anhand dieses allgemeinen Verbots und nicht anhand der Anforderungen des nationalen Rechts zu beurteilen ist(68).

    153. In seinem Urteil in der Rechtssache Cussens u. a., in deren Rahmen die Ablehnung einer Mehrwertsteuerbefreiung von Immobilienverkäufen beanstandet wurde, hat der Gerichtshof entschieden, dass das Verbot missbräuchlicher Praktiken, unabhängig von nationalen Maßnahmen zu seiner Durchsetzung, in der innerstaatlichen Rechtsordnung unmittelbar zur Begründung dieser Ablehnung angewandt werden kann, ohne dass die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes dem entgegenstünden(69). Dieser Rechtsprechung und den Feststellungen in Nr. 152 der vorliegenden Schlussanträge lässt sich entnehmen, dass der deutsche Gesetzgeber kein Gesetz zu erlassen braucht, das die nationalen Gerichte ermächtigt, die Ausübung des Widerrufsrechts zu beschränken, wenn sich diese Ausübung als missbräuchlich erweisen könnte(70).

    154. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Feststellung eines Missbrauchs zum einen eine Gesamtheit objektiver Umstände voraus, aus denen sich ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der in der einschlägigen unionsrechtlichen Regelung festgelegten Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde, zum anderen ein subjektives Element, nämlich die Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden(71). Obschon der Gerichtshof in einer Vorabentscheidung gegebenenfalls Klarstellungen vornehmen kann, um das vorlegende Gericht bei der Anwendung seiner Auslegung zu unterstützen, obliegt es stets diesem Gericht, unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit erfüllt sind(72).

    155. In seinem Urteil Volkswagen Bank u. a. hat der Gerichtshof seine Prüfung auf die objektiven Umstände beschränkt und entschieden, dass der Unternehmer, wenn er dem Verbraucher die in Art. 10 der Richtlinie 2008/48 genannten Informationen nicht erteilt und dieser beschließt, den Kreditvertrag nach Ablauf der Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrags zu widerrufen, dem Verbraucher keinen Missbrauch seines Widerrufsrechts vorwerfen kann, auch wenn zwischen dem Vertragsschluss und dem Widerruf durch den Verbraucher erhebliche Zeit vergangen ist. Der Gerichtshof kam zu diesem Ergebnis aufgrund der Feststellung, dass durch Art. 14 der Richtlinie 2008/48 dem Verbraucher ermöglicht werden soll, den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Ein Verbraucher soll deshalb von einem Vertrag zurücktreten können, bei dem sich nach dessen Abschluss innerhalb der für die Ausübung des Widerrufsrechts vorgesehenen Überlegungsfrist herausstellt, dass er nicht seinen Bedürfnissen entspricht. Zudem besteht der Zweck von Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 darin, sicherzustellen, dass der Verbraucher alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung zu beurteilen, und den Kreditgeber, der ihm diese Informationen nicht erteilt, zu bestrafen(73).

    156. Ich bin mit den in den Ausgangsverfahren beklagten Banken und der deutschen Regierung der Ansicht, dass der Gerichtshof mit dieser Entscheidung nicht ausgeschlossen hat, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher in einem konkreten Fall, der durch über den bloßen Zeitablauf hinausgehende besondere Umstände geprägt ist, als missbräuchlich angesehen werden kann(74). Insbesondere bin ich der Meinung, dass grundsätzlich aus dem Verhalten des Verbrauchers nach dem Widerruf gefolgert werden kann, dass er sein Recht aus Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 missbräuchlich ausgeübt hat. Da die nationalen Gerichte bei der Ermittlung eines Rechtsmissbrauchs alle relevanten Tatsachen und Umstände berücksichtigen müssen, können sie auch Tatsachen heranziehen, die erst nach dem Widerruf eines Vertrags zutage treten(75).

    157. So könnte der Verbraucher durch sein Verhalten nach dem Widerruf des Vertrags zu erkennen geben, dass die mit Art. 14 der Richtlinie 2008/48 verfolgten Ziele, wie sie in Nr. 155 dieser Schlussanträge dargelegt sind, tatsächlich nicht erreicht wurden oder, anders ausgedrückt, dass das Ergebnis der Ausübung des Widerrufsrechts diesen Zielen zuwiderläuft. Die Berücksichtigung dieses Verhaltens erlaubt auch Rückschlüsse darauf, ob das subjektive Element gegeben ist und ob der Verbraucher insbesondere sein Widerrufsrecht allein zu dem Zweck ausgeübt hat, sich künstlich einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen, den das Unionsrecht nicht vorsieht.

    158. Ich schlage dem Gerichtshof deshalb vor, Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass das darin vorgesehene Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann, sobald der Kreditvertrag von den Vertragsparteien vollständig erfüllt worden ist. Diese Bestimmung hindert die nationalen Gerichte nicht, in einem konkreten Fall, der durch über den bloßen Zeitablauf hinausgehende besondere Umstände gekennzeichnet ist, zu prüfen, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher missbräuchlich ist. Um einen solchen Missbrauch im Einzelfall festzustellen, muss das nationale Gericht alle relevanten Tatsachen und Umstände berücksichtigen, gegebenenfalls auch Ereignisse, die erst nach dem Widerruf zutage treten.

    4.      Zur fünften Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21

    159. Mit seiner fünften Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Verbraucher, nachdem er einen mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrag widerrufen hat, die Rückzahlung der Darlehensraten erst dann verlangen kann, wenn er den gekauften Gegenstand dem Kreditgeber zurückgegeben oder den Nachweis dieser Rückgabe erbracht hat. Das vorlegende Gericht ist sich auch nicht sicher, ob die zivilprozessualen Konsequenzen, die der BGH aus dieser Vorleistungspflicht zieht, mit dem Unionsrecht vereinbar sind.

    160. Wie die Kommission zutreffend bemerkt, enthält die Richtlinie 2008/48 keine Bestimmung darüber, welche Konsequenzen der Widerruf eines Kreditvertrags für einen mit diesem Vertrag verbundenen Kaufvertrag hat(76).

    161. Ich teile die Auffassung der deutschen Regierung und der Kommission, dass es unter diesen Umständen Sache der Mitgliedstaaten ist, diese Konsequenzen in ihrem nationalen Recht zu regeln. Diese Sichtweise wird durch den 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 bestätigt, denn dort heißt es, dass die Richtlinie, wenn ein Verbraucher einen Kreditvertrag widerruft, aufgrund dessen er Waren erhalten hat, „unbeschadet anderer Vorschriften der Mitgliedstaaten gelten [sollte], die die Rückgabe der Waren oder damit zusammenhängende Fragen regeln“(77).

    162. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den schriftlichen Erklärungen der deutschen Regierung, dass die streitigen nationalen Rechtsvorschriften auf Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83 beruhen. Das ist an sich nicht zu beanstanden, sofern diese Vorschriften nicht ungünstiger sind als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der den Verbrauchern durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip)(78).

    163. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof nicht um Hilfe bei der Prüfung, ob die streitigen nationalen Rechtsvorschriften mit dem Äquivalenzprinzip in Einklang stehen. Dem Gerichtshof liegen auch keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit diesem Prinzip wecken könnten.

    164. Was das Effektivitätsprinzip betrifft, so kann meines Erachtens die Vorleistungspflicht angesichts der dem Gerichtshof vorliegenden Informationen und vorbehaltlich einer etwaigen Überprüfung durch das vorlegende Gericht dem Verbraucher die Ausübung seines Widerrufsrechts nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 in der Regel weder praktisch unmöglich machen noch übermäßig erschweren. Die vom vorlegenden Gericht geäußerten Bedenken beruhen im Wesentlichen auf der Prämisse, dass der Kreditgeber die Unwirksamkeit des Widerrufs geltend mache und der Verbraucher den Rechtsweg beschreiten müsse, um die Rückzahlung der geleisteten Monatsraten zu erreichen. Stelle sich im Rahmen dieses Rechtsstreits heraus, dass die vorherige Rückgabe des Fahrzeugs zu Unrecht erfolgt sei, müsse der Verbraucher versuchen, das Fahrzeug zurückzubekommen, wodurch er sich einem weiteren Prozessrisiko aussetze. Sei die vorherige Rückgabe zu Recht erfolgt, müsse der Verbraucher seinen Rückzahlungsanspruch geltend machen, ohne das Fahrzeug behalten zu können. Das vorlegende Gericht verweist auch darauf, dass ein Kraftfahrzeug häufig für die Berufsausübung erforderlich sei und erhebliche Kapitalbeträge binde. Wenn der Verbraucher das Fahrzeug an den Kreditgeber zurückgeben müsse, ohne zu wissen, ob der Widerruf überhaupt wirksam sei und wie schnell er somit eine Rückzahlung der geleisteten Raten erhalte, um sich einen Ersatzwagen kaufen zu können, werde ihn das davon abhalten, sein Recht auf Widerruf des Vertrags auszuüben.

    165. Die verschiedenen Argumente, auf die sich das vorlegende Gericht stützt, scheinen spekulativer Art zu sein. Sie reichen nicht für den Nachweis aus, dass die Vorleistungspflicht ein wesentliches Hindernis darstellt, das geeignet wäre, die Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Wie die beklagten Banken und die deutsche Regierung nämlich sowohl in ihren schriftlichen Erklärungen als auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, ohne dass ihnen in der Sache widersprochen worden wäre, ist es durchaus üblich, dass der Verbraucher das Fahrzeug nach Ausübung des Widerrufsrechts nicht zurückgibt, sondern weiter nutzt, ohne dem Kreditgeber den Wertverlust in diesem Zeitraum zu ersetzen.

    166. Eine Verletzung des Effektivitätsprinzips scheint mir in den vorliegenden Fällen schon deshalb nicht vorzuliegen, weil der Unternehmer nach Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83 im Fall des Widerrufs eines unter diese Richtlinie fallenden Kaufvertrags durch den Verbraucher die Rückzahlung des Kaufpreises so lange verweigern kann, bis die Waren zurückgegeben worden sind oder der Verbraucher den Nachweis ihrer Rückgabe erbracht hat.

    167. Der zweite Teil der fünften Frage ist meines Erachtens genauso zu beantworten wie der erste. Wie die deutsche Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, ist die entsprechende Anwendung von § 322 Abs. 2 BGB durch den BGH nur eine verfahrensrechtliche Folge der Vorleistungspflicht.

    168. Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die fünfte Frage in den Rechtssachen C‑47/21 und C‑232/21 zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, der zufolge bei einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrag nach der wirksamen Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher dessen Anspruch gegen den Kreditgeber auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten erst dann entsteht, wenn er den Kaufgegenstand dem Kreditgeber zurückgegeben oder den Nachweis dieser Rückgabe erbracht hat, und eine Klage des Verbrauchers auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten nach Herausgabe des Kaufgegenstands als unbegründet abzuweisen ist, wenn der Kreditgeber nicht mit dessen Annahme in Gläubigerverzug gekommen ist.

    VI.    Ergebnis

    169. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen des Landgerichts Ravensburg (Deutschland) wie folgt zu beantworten:

    1.      Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung und einer Laufzeit von ca. zwei bis drei Jahren, die unter formularmäßigem Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts abgeschlossen wurden, die weder im Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung des Verbrauchers zum Erwerb des Vertragsgegenstands vorsehen, bei denen aber davon auszugehen ist, dass eine solche Verpflichtung besteht, wenn der Leasinggeber darüber einseitig entscheidet, und bei denen der Verbraucher für eine Vollkaskoversicherung des Fahrzeugs zu sorgen hat, ihm außerdem die Geltendmachung von Mängelrechten gegenüber Dritten (insbesondere gegenüber Händler und Hersteller des Fahrzeugs) obliegt und er zudem das Risiko des Verlusts, der Beschädigung und sonstiger Wertminderungen trägt, fallen in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates. Es handelt sich weder um Kreditverträge im Sinne von Art. 3 Buchst. c der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates noch um Verträge über Finanzdienstleistungen im Sinne von Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83 und Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG.

    2.      Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass die Geschäftsräume einer Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers gemäß Art. 2 Nr. 2 dieser Richtlinie handelt, als „Geschäftsräume“ dieses Unternehmers anzusehen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob unter den konkreten Umständen des bei ihm anhängigen Falles der Vermittler nach nationalem Recht im Namen oder Auftrag des Unternehmers gehandelt hat, um den Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung auszuhandeln oder abzuschließen.

    3.      Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Ausnahme nicht für Leasingverträge über Kraftfahrzeuge mit Kilometerabrechnung gilt.

    4.      Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag nicht als Fernabsatzvertrag eingestuft werden kann, wenn eine Person, die im Namen oder Auftrag des Unternehmers handelt, an den Verhandlungen über diesen Vertrag bei körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers mitwirkt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob unter den konkreten Umständen des Falles der Vermittler nach nationalem Recht im Namen oder Auftrag des Unternehmers gehandelt hat, um den Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung auszuhandeln.

    5.      Art. 10 Abs. 2 Buchst. p in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die eine Gesetzlichkeitsfiktion aufstellt, wonach eine einem gesetzlichen Muster entsprechende Klausel in einem Kreditvertrag den nationalen gesetzlichen Anforderungen an die Belehrung über das Widerrufsrecht entspricht, obwohl sie den Anforderungen in Art. 10 Abs. 2 Buchst. p dieser Richtlinie nicht genügt. Ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen Privatpersonen anhängig ist, ist nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet, eine solche nationale Regelung unangewendet zu lassen, selbst wenn sie gegen Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48 verstößt. Hiervon unberührt bleibt das Recht der durch die Unvereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geschädigten Partei, Ersatz des ihr daraus entstandenen Schadens zu verlangen.

    6.      Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass die Widerrufsfrist erst dann beginnt, wenn dem Verbraucher die Pflichtangaben gemäß Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vollständig und richtig übermittelt worden sind, es sei denn, die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit seiner Belehrung ist nicht geeignet, den Verbraucher bei seiner Beurteilung des Umfangs seiner Rechte und Pflichten zu beeinträchtigen, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

    7.      Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass das darin vorgesehene Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann, sobald der Kreditvertrag von den Vertragsparteien vollständig erfüllt worden ist. Diese Bestimmung hindert die nationalen Gerichte nicht, in einem konkreten Fall, der durch über den bloßen Zeitablauf hinausgehende besondere Umstände gekennzeichnet ist, zu prüfen, ob die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher missbräuchlich ist. Um einen solchen Missbrauch im Einzelfall festzustellen, muss das nationale Gericht alle relevanten Tatsachen und Umstände berücksichtigen, gegebenenfalls auch Ereignisse, die erst nach dem Widerruf zutage treten.

    8.      Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, der zufolge bei einem mit einem Kaufvertrag verbundenen Kreditvertrag nach der wirksamen Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher dessen Anspruch gegen den Kreditgeber auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten erst dann entsteht, wenn er den Kaufgegenstand dem Kreditgeber zurückgegeben oder den Nachweis dieser Rückgabe erbracht hat, und eine Klage des Verbrauchers auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten nach Herausgabe des Kaufgegenstands als unbegründet abzuweisen ist, wenn der Kreditgeber nicht mit dessen Annahme in Gläubigerverzug gekommen ist.

    1      Originalsprache: Englisch.

    2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16).

    3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66).

    4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).

    5      Diese Bestimmung findet im vierten Fall des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑232/21 in der am 31. Januar 2012 geltenden Fassung Anwendung.

    6      Ebd.

    7      Diese Bestimmung findet im vierten Fall des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑232/21 in der am 31. Januar 2012 geltenden Fassung Anwendung. Sie lautet:

          „(1) Auf das Widerrufs- und Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung.

          …“

    8      Diese Bestimmung findet im vierten Fall des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑232/21 in der am 31. Januar 2012 geltenden Fassung Anwendung. Sie lautet:

          „(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.

          …

          (4) § 357 gilt für den verbundenen Vertrag entsprechend. …

          …“

    9      BGBl. 1994 I S. 2494, berichtigt in BGBl. 1997 I S. 1061.

    10      Diese Bestimmung, die in der am 31. Januar 2012 geltenden Fassung im vierten Fall des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑232/21 Anwendung findet, weist die folgenden Unterschiede auf:

          ‒      in § 6 Abs. 2 Satz 3 und in § 12 Abs. 1 Satz 3 wird nicht auf „Anlage 7“, sondern auf „Anlage 6“ verwiesen;

          ‒      in § 12 Abs. 1 Sätze 1 und 3 wird nicht auf „§ 360 Abs. 2 [BGB]“, sondern auf „§ 359a Absatz 1 [BGB]“ verwiesen;

          ‒      in § 12 Abs. 1 Satz 2 wird nicht auf „§§ 358 und 359 oder § 360 [BGB]“, sondern auf „§§ 358 und 359 [BGB]“ verwiesen.

    11      Laut vorlegendem Gericht entspricht diese Klausel dem in Anlage 7 zum EGBGB vorgesehenen gesetzlichen Muster, auf das Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB verweist.

    12      Vgl. § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und § 495 Abs. 1 BGB. Diese Rechtsprechung beruhe darauf, dass bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung durch die Kalkulation der Leasingraten und ‑anzahlung eine Vollamortisation des Fahrzeugs durch den Leasingnehmer sichergestellt sei. Anders als bei normalen Gebrauchsüberlassungsverträgen decke die Berechnung des Restwerts nur den laufleistungsbedingten Wertverlust, nicht aber sonstige Faktoren wie Beschädigungen in Form von typischen Gebrauchsspuren ab. Bei diesem Vertrag stehe somit nicht die Gebrauchsüberlassung des Fahrzeugs, sondern deren Finanzierung im Vordergrund.

    13      Az. VIII ZR 36/20, DE:BGH:2021:240221, juris UVIIIZR36.20.0.

    14      Die Richtlinie 2008/48 gilt nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. d nicht für Miet- oder Leasingverträge, bei denen weder im Vertrag selbst noch in einem gesonderten Vertrag eine Verpflichtung zum Erwerb des Vertragsgegenstands vorgesehen ist. Der in Rede stehende Kilometer-Leasingvertrag enthält keine solche Verpflichtung.

    15      Die Richtlinie 2011/83 gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 3 Buchst. d nicht für Verträge über Finanzdienstleistungen.

    16      Urteil vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, im Folgenden: Urteil Kreissparkasse Saarlouis).

    17      Wie sich aus Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, enthält der im Ausgangsverfahren fragliche Leasingvertrag einen solchen Verweis. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die in diesem Vertrag enthaltene Widerrufsinformation infolge des Urteils in der Rechtssache Kreissparkasse Saarlouis als unzureichend anzusehen ist, so dass die Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 492 Abs. 2 BGB sowie Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und § 12 Abs. 1 Satz 2 EGBGB nicht in Lauf gesetzt wurde.

    18      Das vorlegende Gericht führt im Vorlagebeschluss aus, in der deutschen Literatur werde teilweise die Auffassung vertreten, die Gesetzlichkeitsfiktion sei dahin zu verstehen, dass nur die Übereinstimmung mit nationalen gesetzlichen Vorgaben, nicht aber mit Vorgaben des Unionsrechts angeordnet werde.

    19      Das vorlegende Gericht verweist auf das Urteil vom 21. April 2016, Radlinger und Radlingerová (C‑377/14, EU:C:2016:283, Rn. 76 bis 79).

    20      Das vorlegende Gericht meint, dem Leasingnehmer stehe, wenn der Kilometer-Leasingvertrag als Außergeschäftsraumvertrag eingestuft werde, ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu. Obwohl die Richtlinie 2011/83 den Verbrauchern für Finanzdienstleistungsverträge kein Widerspruchsrecht einräume, sei für die Auslegung des Außergeschäftsraumverträge betreffenden § 312b Abs. 1 Satz 2 BGB maßgebend, wie die Richtlinie 2011/83 ausgelegt werde. Es verweist auf das Urteil vom 19. Oktober 2017, Solar Electric Martinique (C‑303/16, EU:C:2017:773, Rn. 26), und auf das Urteil Kreissparkasse Saarlouis (Rn. 29), in denen der Gerichtshof entschieden hat, dass, „wenn sich nationale Rechtsvorschriften zur Regelung von Sachverhalten, die nicht in den Geltungsbereich des betreffenden Unionsrechtsakts fallen, nach den in diesem Rechtsakt getroffenen Regelungen richten, ein klares Interesse der Union daran besteht, dass die aus diesem Unionsrechtsakt übernommenen Bestimmungen einheitlich ausgelegt werden, um künftige Auslegungsunterschiede zu verhindern“.

    21      Az. 32 U 7119/19, DE:OLGMUEN:2020:0618.32U7119.19.0A, BeckRS2020,13248, Rn. 39.

    22      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts steht dem Leasingnehmer, wenn der Kilometer-Leasingvertrag als Fernabsatzvertrag eingestuft wird, ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB zu.

    23      Diese Klausel entspricht dem in Anlage 7 zum EGBGB vorgesehenen gesetzlichen Muster, auf das Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB verweist.

    24      § 358 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB.

    25      § 358 Abs. 4 Satz 5 BGB.

    26      Dieser Ansicht sind sowohl alle Verfahrensbeteiligten, die in der Rechtssache C‑38/21 Erklärungen eingereicht haben, als auch der BGH.

    27      Von einer solchen Verpflichtung ist auszugehen, wenn der Kreditgeber darüber einseitig entscheidet. In der Rechtssache C‑38/21 erklärt die BMW Bank, dass sie eine solche einseitige Entscheidung nicht habe treffen können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu beurteilen.

    28      Vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 18. September 2019, Riel (C‑47/18, EU:C:2019:754, Rn. 43).

    29      Im 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/65 heißt es auch, dass diese Richtlinie „Finanzdienstleistungen jeder Art [erfasst], die im Fernabsatz erbracht werden können“.

    30      Die Definition deckt sich mit der Definition in Art. 2 Nr. 12 der Richtlinie 2011/83, nach deren Art. 3 Abs. 3 Buchst. d diese Richtlinie nicht für Verträge über Finanzdienstleistungen gilt.

    31      In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission etwas widerstrebend angenommen, der streitige Kilometer-Leasingvertrag falle unter diese Richtlinie.

    32      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83. Diese Richtlinie gilt nach ihrem Art. 3 Abs. 3 Buchst. d nicht für Verträge über Finanzdienstleistungen.

    33      Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2011/83 definiert den Begriff „Kaufvertrag“ als „jeden Vertrag, durch den der Unternehmer das Eigentum an Waren an den Verbraucher überträgt oder deren Übertragung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, einschließlich von Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben“.

    34      Urteil vom 31. März 2022, CTS Eventim (C‑96/21, EU:C:2022:238, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 ergibt sich, dass der Begriff „Dienstleistungsvertrag“ so zu verstehen ist, dass er alle Verträge erfasst, die nicht unter den Begriff „Kaufvertrag“ fallen (Urteil vom 12. März 2020, Verbraucherzentrale Berlin, C‑583/18, EU:C:2020:199, Rn. 22).

    35      Wie in Nr. 100 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, wird mit dem streitigen Kilometer-Leasingvertrag nicht das Sacheigentum übertragen. Die Bank bleibt während und nach Beendigung des Vertrags Eigentümerin des Fahrzeugs.

    36      Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin (C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 33 und 34).

    37      Urteil vom 14. Mai 2020, NK (Planung eines Einfamilienhauses) (C‑208/19, EU:C:2020:382, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    38      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2005, easyCar (C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 23, 26 und 27), und vom 12. März 2020, Verbraucherzentrale Berlin (C‑583/18, EU:C:2020:199, Rn. 30).

    39      Urteil vom 12. März 2020, Verbraucherzentrale Berlin (C‑583/18, EU:C:2020:199, Rn. 34).

    40      Urteil vom 31. März 2022, CTS Eventim (C‑96/21, EU:C:2022:238, Rn. 44).

    41      Vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2005, easyCar (C‑336/03, EU:C:2005:150, Rn. 28).

    42      Ich beschränke meine Prüfung auf Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83, da die Richtlinie 2002/65 meines Erachtens auf den in Rede stehenden Kilometer-Leasingvertrag nicht anwendbar ist.

    43      Vgl. Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83.

    44      Sollte das vorlegende Gericht hingegen feststellen, dass der streitige Kilometer-Leasingvertrag weder ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag noch ein Fernabsatzvertrag ist oder dass er zwar ein solcher ist, aber die in Art. 16 Buchst. l der Richtlinie 2011/83 vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht auf diesen Vertrag anwendbar ist, müsste es grundsätzlich zu dem Ergebnis kommen, dass VK dieses Recht nicht zustand.

    45      In der Ergänzung seines ursprünglichen Ersuchens führt das vorlegende Gericht aus, die erste und die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache C‑38/21 würden gegenstandslos, wenn der Gerichtshof zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der streitige Kilometer-Leasingvertrag nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 fällt.

    46      Siehe oben, Fn. 16.

    47      Zum maßgeblichen Zeitpunkt enthielt das in Anlage 7 zum EGBGB vorgesehene Muster nicht alle Informationen, die dem Darlehensnehmer zu erteilen waren, sondern verwies lediglich auf § 492 Abs. 2 BGB.

    48      Siehe oben, Fn. 16.

    49      Urteil vom 5. September 2019, Pohotovosť (C‑331/18, EU:C:2019:665, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    50      Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    51      Urteil vom 5. September 2019, Pohotovosť (C‑331/18, EU:C:2019:665, Rn. 55).

    52      Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    53      Urteil vom 24. Juni 2019, Popławski (C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    54      Ebd., Rn. 62.

    55      Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    56      Ebd., Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung.

    57      Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (C‑6/90 und C‑9/90, EU:C:1991:428).

    58      Vgl. 31. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 und Urteil Kreissparkasse Saarlouis (Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in den verbundenen Rechtssachen Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:629, Nr. 46).

    59      Urteil Kreissparkasse Saarlouis (Rn. 45).

    60      Ebd., Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. auch neunter Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48.

    61      Vgl. entsprechend Urteil vom 1. Oktober 2015, ERSTE Bank Hungary (C‑32/14, EU:C:2015:637, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    62      Zu diesem letzteren Punkt möchte ich bemerken, dass der Gerichtshof im Urteil Home Credit Slovakia entschieden hat, dass manche der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 genannten Angaben ihrer Art nach die Möglichkeit des Verbrauchers, den Umfang seiner Verpflichtung einzuschätzen, nicht beeinträchtigen können. Das gilt z. B. für den Namen und die Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. v dieser Richtlinie (Urteil vom 9. November 2016, C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 72).

    63      Wie in Nr. 128 der vorliegenden Schlussanträge erwähnt, gelten die nachstehenden Erwägungen auch für die vierte Frage in der Rechtssache C‑38/21.

    64      Dieser zweite Aspekt der Frage ist für die Rechtssache C‑232/21 relevant, in der BQ das Darlehen in vollem Umfang zurückgezahlt hat.

    65      Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in den verbundenen Rechtssachen Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:629, Nrn. 106 bis 108).

    66      Die Anwendung des Unionsrechts geht nicht so weit, dass Vorgänge geschützt würden, die zu dem Zweck durchgeführt werden, betrügerisch oder missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen (Urteil vom 6. Februar 2018, Altun u. a., C‑359/16, EU:C:2018:63, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    67      Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 120 und 121).

    68      Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in den verbundenen Rechtssachen Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:629, Nr. 112).

    69      Urteil vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 44).

    70      Vgl. hierzu Frage 4 b) des vorlegenden Gerichts.

    71      Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 122 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    72      Urteil vom 14. April 2016, Cervati und Malvi (C‑131/14, EU:C:2016:255, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    73      Urteil vom 9. September 2021, Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:736, Rn. 123 bis 126).

    74      Auch die Kommission erkennt an, dass der Verbraucher ausnahmsweise gehindert sein könne, sein Widerrufsrecht auszuüben, wenn sowohl die objektiven Umstände als auch das subjektive Element nahelegten, dass ein Missbrauch durch diesen Verbraucher vorliege, was das vorlegende Gericht zu beurteilen habe.

    75      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2014, SICES u. a. (C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 34).

    76      Ein solcher Kreditvertrag gilt als „verbundener Kreditvertrag“, wenn die Voraussetzungen nach Art. 3 Buchst. n der Richtlinie 2008/48 erfüllt sind.

    77      Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Hogan in den verbundenen Rechtssachen Volkswagen Bank u. a. (C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20, EU:C:2021:629, Nrn. 126 bis 128).

    78      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 2020, Caixabank und Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C‑224/19 und C‑259/19, EU:C:2020:578, Rn. 83).