14.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133465
Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.10.2013 – VIII ZR 273/12
Der Verkäufer, der vorprozessual nur das Vorhandensein von Mängeln bestreitet und aus diesem Grund die Nacherfüllung insgesamt verweigert, ist in der Regel nicht daran gehindert sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider und die Richterin Dr. Fetzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg - 5. Zivilsenat - vom 20. Juli 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Der Kläger schloss am 8. August 2009 mit der A. L. Zweigniederlassung der V. L. GmbH in B. einen Leasingvertrag über einen als Geschäftsfahrzeug genutzten Neuwagen A. . Das Fahrzeug wurde am 6. Oktober 2009 ausgeliefert. Der Kläger begehrt aus abgetretenem Recht der Leasinggeberin unter Berufung auf verschiedene Mängel des Fahrzeugs Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs.
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Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision hat Erfolg.
I.
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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
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Dem Kläger stehe aus abgetretenem Recht der Leasinggesellschaft gemäß § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Lieferung einer mangelfreien Sache zu. Die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat habe ergeben, dass das Fahrzeug des Klägers zumindest einen wesentlichen, die Verkehrssicherheit berührenden Mangel aufweise. Die Zeugin K. habe die Behauptung des Klägers bestätigt, dass die beiden Außenspiegel, die beim Abstellen des Fahrzeuges - möglicherweise auch erst beim Absperren - selbsttätig anklappten, beim Starten des Motors jedoch wieder ausklappen müssten, diese Funktion nicht zuverlässig ausführten. Auf das Vorliegen weiterer Fahrzeugmängel komme es daher nicht an.
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Der Anspruch aus § 439 Abs. 1 BGB setze keine Fristsetzung voraus. Da die Beklagte die Behebung des Mangels hinsichtlich der Funktion der Außenspiegel verweigert habe, die möglicherweise mit verhältnismäßig geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte erreicht werden können, könne sie sich nun nicht gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB darauf berufen, gerade die vom Kläger geltend gemachte Art der Nacherfüllung sei für sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden.
II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Beklagte nicht gehindert ist, die Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung zu erheben.
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1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Außenspiegel des Fahrzeugs ihre Funktion, beim Starten des Motors wieder auszuklappen, nicht zuverlässig ausführen und das Fahrzeug damit einen wesentlichen, die Verkehrssicherheit berührenden Mangel aufweist. Die gegen diese Tatsachenfeststellung von der Revision erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch; von einer näheren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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2. Auch die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte die Mangelbeseitigung insgesamt und damit auch hinsichtlich der Außenspiegel verweigert hat, ist nicht zu beanstanden. Die Revision hält dem entgegen, die Beklagte dürfe die Mangelbeseitigung verweigern, bis der Kläger das Vorliegen eines Mangels bewiesen habe. Das trifft nicht zu.
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Wenn der Verkäufer einen Mangel weiterhin bestreitet, nachdem er Gelegenheit zur Überprüfung des Mangels erhalten hat, so geschieht dies auf eigenes Risiko. So war es hier. Der Kläger hatte im September 2010, also noch vor Klageerhebung, unter anderem auch das zeitweise Nichtfunktionieren der Außenspiegel beanstandet. Im Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5. Oktober 2010 wurde das nochmals wiederholt. Darauf erwiderte die Beklagte mit E-Mail vom 8. Oktober 2010, dass das Fahrzeug keine Mängel aufweise beziehungsweise der Kläger die Mängel nicht habe vorführen können. Ebenso hätten die Beanstandungen des Klägers den Herren der A. AG nicht vorgeführt werden können; das Fahrzeug entspreche dem Stand der Technik. Sodann heißt es: "Wir werden das Fahrzeug daher auch nicht mehr überprüfen." Das ist eine hinreichend deutliche Verweigerung der Mangelbeseitigung (auch) hinsichtlich der Funktionsweise der Außenspiegel.
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3. Die Revision beanstandet aber mit Recht, dass das Berufungsgericht es der Beklagten versagt hat, sich gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) auf das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 BGB zu berufen.
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a) Nach § 439 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 BGB verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Beklagten wäre die Lieferung eines Neufahrzeugs für die Beklagte im Vergleich zur Mangelbeseitigung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Funktion der Außenspiegel möglicherweise mit verhältnismäßig geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte erreicht werden können.
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b) Bei dieser Sachlage ist der Beklagten die Berufung auf das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 BGB gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb verwehrt, weil die Beklagte eine Mangelbeseitigung insgesamt und damit auch hinsichtlich der Außenspiegel verweigert hat.
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Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung zu Unrecht mit der Begründung, dass keine Mängel vorhanden seien, so stehen dem Käufer die sekundären Käuferrechte aus § 437 Nr. 2 und 3 BGB zu. Der Käufer kann aber auch - wie hier - den Anspruch auf Nacherfüllung aus § 437 Nr. 1, § 439 BGB klageweise geltend machen mit der Folge, dass dem Verkäufer unter den Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB das Recht zusteht, gerade die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Die Beklagte ist deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, sich gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung darauf zu berufen, dass die Lieferung eines Neufahrzeugs für sie im Vergleich zur Beseitigung der vorhandenen Mängel mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre. Die vom Berufungsgericht vertretene Einschränkung dieses Rechts kann aus der gesetzlichen Regelung nicht hergeleitet werden.
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c) Die Berufung auf das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 BGB ist entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung des Klägers auch nicht "verfristet".
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Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Verkäufer auf die Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB dann nicht mehr berufen kann, wenn der Käufer bereits wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist (so OLG Celle, NJW-RR 2007, 353 f. [OLG Celle 28.06.2006 - 7 U 235/05]; vgl. dazu Lorenz, NJW 2007, 1, 5 f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger ist nicht vom Vertrag zurückgetreten, sondern begehrt weiterhin Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung.
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Soweit der Kläger meint, der Verkäufer sei bereits dann mit der Einrede der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn er sie nicht vor Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Nacherfüllung erhoben habe (ebenso Palandt/ Weidenkaff, BGB, 72. Aufl., § 439 Rn. 14 unter Bezugnahme auf OLG Celle, aaO), kann dem nicht gefolgt werden. Der Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung ist nicht von einer Fristsetzung des Käufers gegenüber dem Verkäufer abhängig. Ebenso wenig schreibt § 439 Abs. 3 BGB vor, dass der Verkäufer sich nur dann auf die Einrede berufen kann, wenn er diese innerhalb einer vom Käufer gesetzten Frist zur Nacherfüllung erhebt. Der Verkäufer ist deshalb in der Regel nicht daran gehindert, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen, auch wenn er vorprozessual nur das Vorhandensein von Mängeln bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung verweigert hatte. Insoweit gilt nichts anderes als für die Verjährungseinrede, die ebenfalls auch dann noch im Rechtsstreit geltend gemacht werden kann, wenn vorprozessual der Anspruch insgesamt bestritten worden war.
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d) Die von der Beklagten im Rechtsstreit erhobene Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB ist auch nicht aus dem Grund unbeachtlich, dass die Beklagte die behauptete Unverhältnismäßigkeit, wie der Kläger in der Revisionserwiderung meint, nicht substantiiert hätte.
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Das Berufungsgericht hat die Einrede nicht als unsubstantiiert angesehen; auch der Kläger hat dies in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht. Vielmehr hat das Berufungsgericht die Einrede - zu Unrecht - aus materiellrechtlichen Gründen für unbeachtlich gehalten. Es hat daher die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB nicht abschließend geprüft, sondern nur für möglich gehalten, dass die Funktion der Außenspiegel mit verhältnismäßig geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte erreicht werden können.
III.
20
Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
21
Das Berufungsgericht wird die prozessualen und materiell-rechtlichen Folgen zu berücksichtigen haben, die sich aus der im Revisionsverfahren eingetretenen Beendigung des Leasingvertrages für den Klageanspruch ergeben, soweit dieser nicht von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
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Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht abschließend geprüft hat, ob hinsichtlich des festgestellten Mangels der Außenspiegel die Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 BGB gegenüber dem Anspruch auf Ersatzlieferung vorliegen, wird es dies nachzuholen und hierzu - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Wenn die Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB insoweit begründet sein sollte, wird zu prüfen sein, ob weitere Mängel vorliegen und der Klage auf Ersatzlieferung -unter Berücksichtigung der Einrede aus § 439 Abs. 3 BGB -zum Erfolg verhelfen.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Schneider
Dr. Fetzer
Von Rechts wegen
Verkündet am: 16. Oktober 2013