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  • 04.12.2020 · IWW-Abrufnummer 219350

    Landgericht Aachen: Urteil vom 03.09.2020 – 11 O 167/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Aachen


    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen neuen W2 aus der aktuellen Serienproduktion mit zumindest den folgenden technischen Merkmalen

    Motorisierung: XXX
    Manuelles 6-Gang-Schaltgetriebe, hilfsweise das Seriengetriebe
    Außenfarbe: XXX
    Innenfarbe: Titanschwarz/Titanschwarz/Schwarz
    Anhängervorrichtung anklappbar
    Navigationsdaten für Europa auf SD-Karte
    Seitenscheiben hinten und Heckscheibe abgedunkelt, zu 65 % lichtabsorbierend
    Parklenkassistent „Park Assist“ inklusive ParkPilot
    Fernlichtregulierung „Light Assist“
    Nebelscheinwerfer
    Telefonschnittstelle in Verbindung mit Car-Net oder Navigationssystem „Discover Pro“
    Soundsystem „DYNAUDIO Excite“, digitaler 10-Kanal-Verstärker, Subwoofer, acht Lautsprecher, 400 Watt Gesamtleistung
    Rückfahrkamera „RearView“
    adaptive Fahrwerksregelung DCC
    Austin 7,5 J x 18 (5-Arm-Design) Reifen 225/40 R 18
    Licht- und Sicht-Paket
    Navigationsfunktion „Discover Media“ (für „Composition Media“)
    Xenon-Scheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht und Kurvenfahrlicht
    „Business Premium“-Paket inklusive Navigation
    „Guide & Inform“ Laufzeit ein Jahr
    Radio „Composition Media“
    Car-Net „Guide & Inform“
    Geschwindigkeitsregelanlage inklusive Geschwindigkeitsbegrenzer
    proaktives Insassenschutzsystem
    Doppelton-Signalhorn
    Fensterheber elektrisch
    Lendenwirbelstützen vorn
    Mittelarmlehne vorn mit Ablagebox und zwei Luftausströmern hinten
    Multifunktionsanzeige „Premium“
    Müdigkeitserkennung
    Rückleuchten in LED-Technik, dunkelrot
    Rücksitzlehne asymetrisch geteilt umklappbar, mit Durchlademöglichkeit und Mittelarmlehne, zwei Becherhalter
    Scheibenwaschdüsen vorn automatisch beheizt
    Textilfußmatten vorn und hinten
    Vordersitze mit Höheneinstellung

    nachzuliefern Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften W2 mit der FIN XXX.

    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Personenkraftwagens W2 mit der Fahrzeugidentifikationsnummer XXX in Verzug befindet.

    Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 1.358,87 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
     
    1

    Tatbestand

    2

    Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Nacherfüllung in Form der Nachlieferung und Aufwendungs- beziehungsweise Schadenersatz wegen der behaupteten Mangelhaftigkeit des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs geltend.

    3

    Die Beklagte sowie das A-Zentrum gehören beide zur L-I. Nachdem der Kläger zunächst bei dem A-Zentrum am 18.02.2015 ein Fahrzeug der Marke A bestellte, erwarb er auf Vermittlung des A-Zentrums am 10.04.2015 bei der Beklagten das Fahrzeug der Marke A zu einem Kaufpreis von 29.779,35 Euro (Rechnung vom 12.06.2015, Anlage 1, Bl. 12f. der Akte und Auftragsbestätigung vom 10.04.2015, Bl. 15 der Akte). Dem Kaufvertrag liegen Neuwagenkaufbedingungen zugrunde, die folgende Klausel VIII. 2 enthielten: „a) Ansprüche auf Mängelbeseitigung kann der Käufer beim Verkäufer oder bei anderen, vom Hersteller/Importeur für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieben geltend machen; im letzten Fall hat der Käufer den Verkäufer hiervon unverzüglich zu unterrichten, wenn die erste Mängelbeseitigung erfolglos war. Bei mündlichen Anzeigen von Ansprüchen ist dem Käufer eine schriftliche Bestätigung über den Eingang der Anzeige auszuhändigen. (…) c) Für die zur Mängelbeseitigung eingebauten Teile kann der Käufer bis zum Ablauf der Verjährungsfrist des Kaufgegenstandes Sachmängelansprüche aufgrund des Kaufvertrages geltend machen. (…)“ (Neuwagen-Verkaufsbedingungen, Anlage 24, Bl 108f. der Akte). Unter dem 18.06.2015 entrichtete der Kläger den Kaufpreis, am 30.06.2015 holte er das Fahrzeug in S ab.

    4

    Mit E-Mail vom 27.10.2015, 10:23 Uhr, an die Ansprechpartnerin beim A-Zentrum, die Kundenbetreuung des Herstellers und die Beklagte informierte der Kläger diese über Mängel an dem streitgegenständlichen Fahrzeug und die diesbezüglich durch den örtlichen A-Vertragshändler, das Autohaus H, bereits ergriffenen Maßnahmen. Er teilte den Standort des Fahrzeugs und die Kontaktdaten des Autohauses H sowie einen für diesen Tag geplanten Fernwartungstermin mit (E-Mail vom 27.10.2015, 10:23 Uhr, Bl. 45ff. der Akte). Mit E-Mail vom selben Tag, 10:53 Uhr, erklärte der Kläger, dass die Adressaten als Verkäufer auf die Mängelbeseitigung Einfluss nehmen könnten (E-Mail vom 27.10.2015, 10:53 Uhr, Bl. 48 der Akte).

    5

    Mit E-Mail vom 27.10.2015, 14:13 Uhr, bestätigte die Ansprechpartnerin beim A-Zentrum dem Kläger, sich richtig entschieden zu haben, indem er einen A-Partner aufgesucht habe. Sie bedauerte die beschriebenen Mängel und erklärte, dass keine weiteren Meldepflichten bestünden.

    6

    Mit Schreiben vom 05.11.2015 machte der Kläger gegenüber dem A-Zentrum die Nachlieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeugs unter Fristsetzung zum 30.11.2015 geltend (Schreiben vom 05.11.2015, Bl. 50f. der Akte).

    7

    Mit E-Mail vom 27.11.2015 an die Beklagte, die Kundenbetreuerin des A-Zentrums und die Kundenbetreuung des Herstellers setzte der Kläger eine Nachfrist bis zum 09.12.2015, um seine Forderungen zu erfüllen. Dieser E-Mail waren das Schreiben vom 05.11.2015, eine Mängelliste sowie eine Liste mit den ergriffenen Maßnahmen angehängt.

    8

    Nachdem der Kläger am 09.12.2015 einen Anruf des Verkaufsleiters des Beklagten wegen der Konfiguration des Neufahrzeugs erhielt, rief ihn am 10.12.2015 der Serviceleiter der Beklagten an und erklärte, dass sich zunächst ein A-Mitarbeiter das Fahrzeug ansehen wolle. Dem stimmte der Kläger zu.

    9

    Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2015 forderte der Kläger das A-Zentrum sowie die Beklagte erfolglos zur Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung bis zum 23.12.2015 auf.

    10

    Am 23.12.2015 fand eine Untersuchung des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch einen Techniker statt, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind.

    11

    Am 01.02.2016 erhielt der Kläger einen Anruf des Verkaufsleiters der Beklagten, der mit ihm die Neukonfiguration des Fahrzeugs auf Grundlage eines Rücktritts besprechen wollte. Daraufhin setzte der Kläger der Beklagten mit E-Mail seines Prozessbevollmächtigten eine Nachfrist bis zum 16.02.2016.

    12

    Mit anwaltlichem Telefaxschreiben vom 10.02.2016 erhob die Beklagte den Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Ersatzlieferung. Die Beklagte bat darin des Weiteren erfolglos um Übermittlung einer aktuellen Mängelliste.

    13

    Der Kläger ließ in der Folge mehrere Updates betreffend Steuergeräte und Radio- und Navigationssystem nicht durchführen. Ihm sind vom 09.08.2016 bis zum 17.08.2017 Kosten für Motoröl, Inspektionen, Haupt- und Abgasuntersuchung, Reifenwechsel sowie aufgrund von Reparaturen in Höhe von 1.479,73 Euro entstanden.

    14

    Der Kläger behauptet, er habe das Fahrzeug als Verbraucher erworben. Er sei Beamter und habe bei Abschluss des Kaufvertrags keine selbständige Tätigkeit ausgeübt.

    15

    Bereits bei der Fahrzeugabholung in S sei bei der Vorführung der Rückfahrkamera das Display schwarz und ohne Darstellung geblieben. Darüber hinaus sei das gesamte Infotainment-System ausgefallen, so dass noch vor Ort eine Software-Neuinstallation durchgeführt worden sei. Seit Juli 2015 seien zum wiederholten Male während Fahrt ohne erkennbaren Grund sämtliche vorhandenen Kontrollleuchten angegangen, nach und nach innerhalb von etwa zehn Minuten jedoch wieder erloschen. Im August 2015 habe die Rückfahrkamera erneut nicht funktioniert. Diese sei nicht mehr in die Ursprungsposition zurück gefahren, so dass der Kofferraum nicht mehr zu öffnen gewesen sei. Dadurch sei auch die Bedienung der ausklappbaren Anhängerkupplung nicht möglich, da sich die Entriegelung hierfür ‒ insoweit unstreitig ‒ unter der Kofferraumklappe in der Laderaumkante des Kofferraums befinde. Am 18.09.2015 sei es wiederum ohne erkennbaren Grund zu einem Komplettausfall des elektronischen Systems gekommen. Das Navigationssystem, das Audiosystem, die Einstellmöglichkeiten des Fahrwerks, die Parkassistenz und andere mit dem Infotainmentsystem verbundene Systeme seien ohne Funktion gewesen. Die Rückfahrkamera fahre immer noch sehr häufig, etwa zwei bis drei Mal die Woche nicht in Ausgangsposition zurück, wodurch jeweils ein Be- und Entladen des Kofferraums nicht möglich sei. Auch falle weiterhin zeitweise das Infotainment-System aus beziehungsweise bleibe die Displayanzeige ohne Bild, so dass eine Nutzung des Navigationssystems, der Audioanlage, der Einparkhilfe und sonstiger Einstellungen nicht möglich sei. Darüber hinaus sei im Anhängerbetrieb das Rücklicht als defekt angezeigt worden, obgleich es nicht defekt gewesen sei. Das Fernlicht habe verspätet oder gar nicht auf Abblendlicht umgeschaltet, obwohl das Fahrzeug mit einem Fernlichtassistenten ausgestattet sei. Auch die Parksensoren seien zeitweise ohne Funktion beziehungsweise meldeten Hindernisse, die nicht vorhanden seien. Schließlich sei die Fehlermeldung „Startersystem defekt“ erschienen, obwohl kein Problem mit dem Startersystem erkennbar und das Fahrzeug zu starten und zu fahren gewesen sei.

    16

    Am 21.09.2015 habe der Kläger daher das Fahrzeug bei der Firma Autohaus H vorgeführt. Dort sei der Fehlerspeicher ausgelesen und gelöscht sowie das Steuergerät des Infotainment-Systems ausgetauscht worden.

    17

    Da einige Fehler, insbesondere das Problem mit der Rückfahrkamera nicht beziehungsweise nur kurzfristig haben behoben werden können, habe er das Fahrzeug erneut am 07.10.2015 und am 12.10.2015 dem Autohaus H vorgeführt, wobei der Fehlerspeicher jeweils erneut ausgelesen und gelöscht worden sei.

    18

    Am 26.10.2015 und am 27.10.2015 habe der Kläger sein Fahrzeug erneut beim Autohaus H vorgestellt. Bei diesem Termin sei eine Fernwartung durch einen A-Techniker aus S durchgeführt worden. Dabei sei der Vorschlag des Autohauses, die Rückfahrkamera auszutauschen, durch den Techniker aus S abgelehnt worden, da die Rückfahrkamera nicht die Ursache sei und deren Austausch die Probleme der Elektronik und der Rückfahrkamera nicht beheben würde. Daher sei im Ergebnis erneut nur der Fehlerspeicher gelöscht worden.

    19

    Die Besichtigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 23.12.2015 sei im Auftrag der Beklagten durch einen A-Mitarbeiter, Herrn Y, erfolgt. Dieser habe erklärt, dass die Elektronikprobleme bekannt seien und dass er seinen Bericht an die Beklagte senden würde.

    20

    Die Mängel seien bei Gefahrübergang bereits vorhanden gewesen. Auch seien sie durch eine Nachbesserung nicht behebbar. Eine Ersatzlieferung sei zudem nicht unverhältnismäßig, da weder eine relative noch eine absolute Unverhältnismäßigkeit vorliege. Darüber hinaus sei es treuwidrig, wenn sich die Beklagte, nachdem sie zwei Mal die Neukonfiguration des Fahrzeugs angeboten und damit ihre Eintrittspflicht anerkannt habe, auf die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung berufe.

    21

    Durch Aufspielen der bisher nicht durchgeführten Software-Updates würde insbesondere der Mangel der nicht mehr einfahrenden Rückkamera nicht behoben.

    22

    Bei dem als Ersatzlieferung begehrten W handele es sich, ebenso wie bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen W2. Auch handele es sich nicht um ein völlig anderes Fahrzeug als der streitgegenständliche W2. Zum Zeitpunkt des Nachlieferungsverlangens hätte die Beklagte unter Berücksichtigung der Händlermarge 26.853,57 Euro für ein Ersatzfahrzeug aufgewandt, hätte das streitgegenständliche Fahrzeug aber zu Kaufpreisen zwischen 28.999,00 Euro und 35.900,00 Euro, also ohne Verlust, verkaufen können.

    23

    Der Kläger ist der Ansicht, neben dem Ersatz der von ihm getätigten Aufwendungen in Höhe von 1.479,73 Euro habe ihm die Beklagte den kapitalen Nutzungsersatz zu erstatten, also die Verzinsung der Händler-Marge. Die Händler-Marge schätze er auf 6,09 %, der kapitale Nutzungsersatz belaufe sich daher, bezogen auf den Nettokaufpreis auf 1.523,82 Euro und unter Berücksichtigung eines Zinssatzes von 4 %, auf 227,28 Euro.

    24

    Hilfsweise erklärt der Kläger gegenüber einem Nutzungsersatzanspruch der Beklagten die Aufrechnung mit der Kapitalverzinsung auf den Kaufpreis in Höhe von 3.732,32 € (Verzinsung des Nettokaufpreises in Höhe von 25.023,82 Euro mit 4 %) vom 12.06.2015 bis zum 04.03.2019.

    25

    Mit Klageschrift vom 20.05.2016 hat der Kläger zunächst beantragt, 1) die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen neuen W2 mit der Ausstattung gemäß Rechnung der Beklagten vom 12.06.2015, Rechnung-Nr.: XXX Zug-um-Zug gegen Rückgabe des W2 mit der Fahrzeug-Ident-Nr. XXX zu liefern, 2) festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeugs mit der Fahrzeug-Ident-Nr. XXX seit dem 10.12.2015 in Annahmeverzug befinde, 3) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.358,87 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 zu zahlen. Unter dem 05.03.2019, der Beklagten am 18.03.2019 zugestellt, hat er die Klage erweitert und beantragt, 6) die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 1.707,11 Euro zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Unter dem 12.09.2019 hat der Kläger den Antrag zu 1) präzisiert und mit Schriftsatz vom 07.11.2019 nochmals geändert.

    26

    Er beantragt nunmehr,

    27

    1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen neuen W2 aus der aktuellen Serienproduktion mit zumindest den folgenden technischen Merkmalen

    28

    Motorisierung: XXX

    29

    Manuelles 6-Gang-Schaltgetriebe, hilfsweise das Seriengetriebe

    30

    Außenfarbe: XXX

    31

    Innenfarbe: Titanschwarz/Titanschwarz/Schwarz

    32

    Anhängervorrichtung anklappbar

    33

    Navigationsdaten für Europa auf SD-Karte

    34

    Seitenscheiben hinten und Heckscheibe abgedunkelt, zu 65 % licht-absorbierend

    35

    Parklenkassistent „Park Assist“ inklusive ParkPilot

    36

    Fernlichtregulierung „Light Assist“

    37

    Nebelscheinwerfer

    38

    Telefonschnittstelle in Verbindung mit Car-Net oder Navigationssys-tem „Discover Pro“

    39

    Soundsystem „DYNAUDIO Excite“, digitaler 10-Kanal-Verstärker, Subwoofer, acht Lautsprecher, 400 Watt Gesamtleistung

    40

    Rückfahrkamera „RearView“

    41

    adaptive Fahrwerksregelung DCC

    42

    Austin 7,5 J x 18 (5-Arm-Design) Reifen 225/40 R 18

    43

    Licht- und Sicht-Paket

    44

    Navigationsfunktion „Discover Media“ (für „Composition Media“)

    45

    Xenon-Scheinwerfer mit LED-Tagfahrlicht und Kurvenfahrlicht

    46

     „Business Premium“-Paket inklusive Navigation

    47

    „Guide & Inform“ Laufzeit ein Jahr

    48

    Radio „Composition Media“

    49

    Car-Net „Guide & Inform“

    50

    Geschwindigkeitsregelanlage inklusive Geschwindigkeitsbegrenzer

    51

    proaktives Insassenschutzsystem

    52

    Doppelton-Signalhorn

    53

    Fensterheber elektrisch

    54

    Lendenwirbelstützen vorn

    55

    Mittelarmlehne vorn mit Ablagebox und zwei Luftausströmern hinten

    56

    Multifunktionsanzeige „Premium“

    57

    Müdigkeitserkennung

    58

    Rückleuchten in LED-Technik, dunkelrot

    59

    Rücksitzlehne asymetrisch geteilt umklappbar, mit Durchlademög-lichkeit und Mittelarmlehne, zwei Becherhalter

    60

    Scheibenwaschdüsen vorn automatisch beheizt

    61

    Textilfußmatten vorn und hinten

    62

    Vordersitze mit Höheneinstellung

    63

    nachzuliefern und zu übereignen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs W2 mit der FIN XXX

    64

    2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeugs mit der Fahrzeug-Ident-Nr. XXX seit dem 10.12.2015 in Annahmeverzug befindet,

    65

    3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.358,87 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.12.2015 zu zahlen,

    66

    4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 1.707,11 € zuzüglich Jahreszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    67

    Die Beklagte beantragt,

    68

    die Klage abzuweisen.

    69

    Die Beklagte bestreitet das Vorhandensein der geschilderten Mängel ebenso mit Nichtwissen wie die durch das Autohaus H und von der A-AG ausgeführten Arbeiten. Hilfsweise macht sie sich das Vorbringen des Klägers allerdings zu Eigen. Sämtliche geschilderten Mängel seien Gegenstand von Garantiearbeiten im Rahmen der Herstellergarantie gewesen. Sie ist der Ansicht, dass dadurch das Recht der Beklagten zur zweiten Andienung vereitelt worden sei, weshalb dem Kläger keine Gewährleistungsansprüche zustünden. Darüber hinaus sei eine Information erst am 27.10.2015 erfolgt, ohne dass auf die für diesen Tag geplante Nachbesserungsmaßnahme noch hätte Einfluss genommen werden können. Welche Feststellungen der vermeintliche Volkswagenmitarbeiter Y getroffen habe, sei der Beklagten nicht bekannt. Zum Zeitpunkt des Nachlieferungsbegehrens seien Software-Updates betreffend das Navigationssystem und das MMI vorhanden gewesen, die zur Behebung der angezeigten Mängel geführt hätten. Ein erheblicher Mangel liege im Übrigen nicht vor.

    70

    Die Kosten für die Behebung der Mängel durch Software-Updates betrage etwa 100,00 Euro, die Kosten für Austausch einer Rückfahrkamera 295,00 Euro. Für die Beschaffung des neuen Fahrzeugs seien für die Beklagte unter Berücksichtigung der Händlermarge 31.467,85 Euro, also mehr als der ursprüngliche Kaufpreis aufzuwenden. Vor diesem Hintergrund scheitere die begehrte Neulieferung an deren Unverhältnismäßigkeit, auch unter Berücksichtigung des Parteiwillens. Die Verweigerung der Ersatzlieferung sei allerdings auch deshalb ungerechtfertigt, da die auf dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufgespielte Software dem zur Auslieferung des Fahrzeugs gegebenen Stand der Technik der gesamten Baureihe entsprochen habe; eine Nacherfüllung sei deshalb gänzlich unmöglich.

    71

    Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handele es sich um einen W2, begehrt werde allerdings die Lieferung eines W3. Da das begehrte Fahrzeug nicht mehr lieferbar sei, sei eine Nachlieferung unmöglich. Bei dem Ersatzfahrzeug handele es sich um eine neue Generation und somit um ein technisch und optisch anderes Fahrzeug. Es verfüge insbesondere über einen komplett neuartigen Motor und ein anderes Getriebe als das streitgegenständliche Fahrzeug.

    72

    Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem auf Grundlage einer zu erwartenden Gesamtlaufleistung von 250.000 Kilometern zu berechnenden, durch den Kläger geschuldeten Nutzungsersatz.

    73

    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    74

    Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 11.09.2017 (Bl. 205 ff. der Akte) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, wegen dessen Ergebnisses auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen M vom 05.09.2018 (Bl. 277 ff. der Akte) und die ergänzende sachverständige Stellungnahme vom 21.01.2019 (Bl. 327ff. der Akte) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.09.2019 (Bl. 440ff. der Akte) Bezug genommen wird, in welcher der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert hat. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2020 darüber hinaus den Zeugen B vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2020 (Bl. 605ff. der Akte) Bezug genommen.

    75

    Entscheidungsgründe

    76

    I.

    77

    Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

    78

    1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Klageantrag in seiner aktuellen Form hinreichend bestimmt. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Klageantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was der Kläger fordert, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt. Zur Einhaltung des Bestimmtheitserfordernisses des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt für den Klageantrag allerdings die genaue Bezeichnung von Art und Menge der gattungsmäßig geschuldeten Sache. Diesen Anforderungen genügt der Klageantrag. Der Kläger zählt die einzelnen Merkmale auf, die das von ihm als Nachlieferung geforderte Fahrzeug aufweisen muss. Daher kann die Beklagte aus der Aufzählung hinreichend genau erkennen, welche Merkmale das von ihr zu beschaffende Ersatzfahrzeug aufweisen muss. Aus dem Antrag ergibt sich auch, dass der Kläger ein Fahrzeug der aktuell produzierten Generation begehrt. (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.019, 13 U 144/17, Rn 45ff., zitiert nach juris, OLG Köln, Urteil vom 27.03.2020, 6 U 24/19).

    79

    2. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Nachlieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeuges der Marke A W2 aus der aktuellen Serienproduktion gemäß §§ 439 Abs. 1 Alt. 2, 437 Nr. 1, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.

    80

    a) Unstreitig haben die Parteien unter dem 10.04.2015 einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug geschlossen, wobei der Kläger als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB gehandelt hat. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.

    81

    Der Kläger hat unter Vorlage des Steuerbescheids für das Jahr 2015 vom 15.04.2016 dargelegt, dass er als Beamter beschäftigt sei, keiner selbständigen beruflichen Tätigkeit nachgehe und das streitgegenständliche Fahrzeug auch nicht zu unternehmerischen Zwecken erworben habe. Dem ist die Beklagte nicht mehr entgegen getreten, so dass der Vortrag des Klägers zugrunde zu legen ist. Denn im Zivilprozess gilt der Grundsatz, dass sich der Umfang der Darlegungslast nach der Einlassung des Gegners richtet. Eine Partei ist immer dann zur näheren Darlegung gezwungen, wenn die Gegenpartei ihre Darstellung substanziiert angreift (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2005, XII ZR 275/02, Rn 7, zitiert nach juris).

    82

    b) Das streitgegenständliche Fahrzeug eignete sich bei Gefahrübergang am 30.06.2015 auch nicht für die gewöhnliche Verwendung nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.

    83

    Denn in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen M, der seine Auffassung ausführlich, umfassend und gut nachvollziehbar sowie unter Überprüfung des streitgegenständlichen Fahrzeugs begründet hat, konnte nach einer Probefahrt mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug ein dauerhaftes Hervorstehen der Rückfahrkamera in der Heckklappe des streitgegenständlichen Fahrzeugs in jedem Betriebszustand festgestellt werden, wobei ein Hervorstehen der Rückfahrkamera in der Heckklappe regelhaft nur bei Einlegen des Rückwärtsgangs erfolgen sollte. Zudem war die Heckklappe dauerhaft verriegelt und konnte sich manuell nicht öffnen lassen. Dies wiederum macht die Nutzung der abschwenkbaren Anhängerkupplung unmöglich. Darüber hinaus lagen ein Ausfall des Infotainmentsystems sowie eine Fehlfunktion der Parksensoren während der Fahrt und bei freier Strecke vor. Dabei handelt es sich um dem Hersteller bekannte Mängel, die am ehesten auf Softwarefehler in der Kommunikation von Steuergeräten zurückzuführen sind. Diese Mängel treten allerdings nicht bei allen Fahrzeugen des Typs W der streitgegenständlichen Baureihe, sondern sporadisch auf.

    84

    Bei diesen Mängeln handelt es sich um erhebliche Mängel, da sie die Benutzung des Kofferraums des streitgegenständlichen Fahrzeugs unmöglich machen.

    85

    Da das streitgegenständliche Fahrzeug seit der Auslieferung kein Software-Update erhalten hat und deshalb die Software im Zeitpunkt der Auslieferung aufgespielt ist, handelt es sich auch um Mängel, die im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bereits vorlagen.

    86

    Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Beklagte die vorhandenen Mängel zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten hat oder diese als zugestanden gelten.

    87

    c) Der Nachlieferungsanspruch des Klägers ist auch nicht gemäß § 242 BGB ausgeschlossen, weil er die Beklagte nicht rechtzeitig über die Inanspruchnahme des Autohauses H beziehungsweise den fehlgeschlagenen Reparaturversuch am 21.09.2015 informiert hat.

    88

    Zwar kann die Ausübung eines Rechts nach Treu und Glauben im Einzelfall unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine mit seinem Anspruch in engem Zusammenhang stehende schwerwiegende Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt (BGH, Urteil vom 15.11.2006, VIII ZR 166/06, Rn 17, zitiert nach juris). Eine solch schwerwiegende Pflichtverletzung liegt allerdings nicht vor.

    89

    Nach Ziffer VII. 2. a) der in den Vertrag einbezogenen Neuwagen-Verkaufsbedingungen kann der Käufer Ansprüche auf Mängelbeseitigung neben dem Verkäufer auch bei anderen, vom Hersteller für die Betreuung des Kaufgegenstandes anerkannten Betrieben geltend machen. Allerdings hat er den Verkäufer hiervon unverzüglich zu unterrichten, wenn die erste Mängelbeseitigung erfolglos war. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gab es vorliegend lediglich einen Mängelbeseitigungsversuch, nämlich am 21.09.2015. An diesem Tag wurde nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen B das Steuergerät ausgetauscht, was allerdings nicht zu einer dauerhaften Lösung des Problems der vorstehenden Rückfahrkamera geführt hat. Der Zeuge führte weiter aus, dass am 07.10.2015 und 12.10.2015 jeweils nur der Fehlerspeicher ausgelesen worden sei. Ein Austausch von Fahrzeugteilen habe hingegen nicht mehr stattgefunden. Die Angaben des Zeugen waren schlüssig, detailreich und originell. Der Zeuge hat Erinnerungslücken eingeräumt und zwischen eigener Einschätzung und beobachteten Tatsachen getrennt.

    90

    Die Beklagte wurde über diese erfolgten Maßnahmen sowie die am 27.10.2015 beabsichtigte Fernwartung durch den Hersteller auch an diesem Tag durch den Kläger informiert. Insofern kann in Bezug auf den 21.09.2015 zwar nicht mehr von einer unverzüglichen Unterrichtung der Beklagten im Sinne von Ziffer VII. 2. a) der Neuwagen-Verkaufsbedingungen ausgegangen werden. Allerdings wurde das Recht der Beklagten, nach dem ersten gescheiterten Mängelbeseitigungsversuch den zweiten Nachbesserungsversuch selbst in die Hand zu nehmen, durch diese ‒ wenn auch späte ‒ Mitteilung nicht beeinträchtigt. Denn zum einen erfolgte die Mitteilung an die Beklagte noch vor der geplanten Fernwartung, so dass eine Einflussnahme, etwa durch telefonische Kontaktaufnahme mit dem Autohaus H, möglich gewesen wäre. Zum anderen hatte der Zeuge B zwar keine Erinnerung mehr an die Durchführung einer solchen Fernwartung. Er schilderte aber, dass sich dabei in der Regel ein Mitarbeiter der A-AG auf die softwaregesteuerte Fehlersuche aufschalte. Darüber hinaus habe A in der Folge auch mitgeteilt, dass eine Reparatur zurück zu stellen, da nicht möglich sei. Ein zweiter Mängelbeseitigungsversuch ist daher auch am 27.10.2015 nicht erfolgt. Insofern besteht auch keine Vergleichbarkeit mit dem der durch die Beklagte zur Akte gereichten Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 01.02.2016 zugrunde liegenden Sachverhalt (LG Darmstadt, Urteil vom 01.02.2016, 1 O 295/13).

    91

    Im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Pflichtverletzung ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Beklagte auf die E-Mail vom 27.10.2015 gar nicht reagiert und insbesondere den Kläger nicht zur Vorführung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgefordert hat. Auch nach Erhalt der E-Mail vom 27.11.2015 hat die Beklagte auf eine eigene Untersuchung beziehungsweise die Durchführung von Nachbesserungsarbeiten verzichtet. Die verantwortliche Mitarbeiterin des A-Zentrums ‒ die sich offensichtlich zuständig gefühlt hat ‒ hat dem Kläger sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass weiteres nicht zu veranlassen sei. Insofern kommt es nicht darauf an, ob sie diese E-Mail in der Annahme der Geltendmachung einer Herstellergarantie verfasst hat.

    92

    d) Der Anspruch auf Nachlieferung nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist nicht nach § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, sofern ‒ wie die Beklagte geltend macht ‒ das bei Vertragsabschluss maßgebliche Modell nicht mehr produziert wird und weder von dem Verkäufer noch von einem Dritten beschafft werden kann. Vielmehr umfasst der Nacherfüllungsanspruch auch die Nachlieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeuges aus der aktuellen Serienproduktion.

    93

    Denn eine interessengerechte Auslegung der Willenserklärungen der Parteien des Kaufvertrages nach §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Vertragsschlusses ergibt, dass nach dem Zweck des Kaufvertrages vom 10.04.2015 und nach dem Willen der Parteien das dem Kläger gelieferte Modell durch ein fabrikneues Fahrzeug der aktuellen Modellgeneration ersetzt werden können soll. Beim Kauf eines Neufahrzeugs handelt es sich zwar regelmäßig um eine Gattungsschuld nach § 243 Abs. 1 BGB. Allerdings ist für die Frage der Nachlieferung an der von dem Schuldner vertraglich übernommenen Beschaffungspflicht anzusetzen, deren Inhalt und Reichweite durch interessengerechte Auslegung des Kaufvertrags zu bestimmen ist. Dabei ist bei der Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der vertraglichen Beschaffenheitspflicht des Käufers zunächst dem Vorrang des Anspruchs auf Nacherfüllung Rechnung zu tragen, der den §§ 437ff. BGB zugrunde liegt und der einerseits dem Käufer gewähren will, was dieser vertraglich zu beanspruchen hat und andererseits dem Verkäufer eine letzte Chance einräumen will, den mit der Rückabwicklung des Vertrags verbundenen wirtschaftlichen Nachteil abzuwenden. Die Pflicht des Verkäufers zur Ersatzbeschaffung nach § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB erfasst gleichwertige und gleichartige Sachen, denn der Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung richtet sich darauf, dass anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige Sache zu liefern ist. Die Ersatzbeschaffung ist daher nicht auf die Lieferung einer mangelfreien, im Übrigen aber mit dem Kaufgegenstand identischen Sache beschränkt. Ob eine Nacherfüllung in der vom Käufer gewünschten Form in Betracht kommt, ist nach dem im Wege der Auslegung anhand der Interessenlage und der Verkehrsanschauung zu ermittelnden Willen der Parteien bei Vertragsschluss zu beurteilen. Möglich ist die Ersatzlieferung dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Für die Frage, ob ein Mangel durch eine gleichartige und gleichwertige Ersatzleistung behoben werden kann, kommt es darauf an, ob die Vertragsparteien die konkrete Leistung nach dem Vertragszweck und ihrem erkennbaren Willen als austauschbar angesehen haben. (vgl. insgesamt: BGH, Urteil vom 08.01.2019, VIII ZR 225/17, Rn 30ff.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2019, 13 U 144/17, Rn 73ff.; OLG Köln, Urteil vom 27.03.2020, 6 U 24/19).

    94

    Die Auslegung des Vertrages vom 10.04.2015 ergibt, dass nach dem Zweck des Vertrags und nach dem damaligen Willen der Parteien der im Jahr 2015 verkaufte W2 durch ein entwickeltes Nachfolgemodell würde ersetzt werden können. Denn beim Kauf eines Neuwagens ist typischerweise mit der Produktion und dem Markteintritt eines Nachfolgemodells zu rechnen. Den Parteien, namentlich dem Fahrzeughändler ist bei Abschluss des Kaufvertrags in der Regel bewusst, dass der Fahrzeughersteller nach gewisser Zeit einen Modellwechsel vornehmen kann und das bisherige Modell nicht mehr produziert. Am Markt tritt das Nachfolgemodell an die Stelle des nicht mehr aktuellen Vorgängermodells. Nachfolgemodelle sind dabei in mancherlei Hinsicht fortentwickelt, sei es durch Fortschritte bei Sicherheits- und Assistenzsystemen, Änderungen bei Abmessung, Gewicht, Kraftstoffverbrauch, Formensprache oder durch vermehrten Komfort. Auf diese Weise ersetzt das Nachfolgemodell am Markt seinen Vorgänger. Diese Gesichtspunkte erlangen auch bei der Beurteilung der Austauschbarkeit der Leistung nach einem Modellwechsel Gewicht. Ein mehr oder weniger großer Änderungsumfang ist für die Interessenlage der Vertragsparteien, insbesondere des Verkäufers, in der Regel ohne Belang, zumal der Fahrzeughersteller technische oder andere Änderungen auch ohne äußerlich erkennbaren Modellwechsel vornehmen kann. Für den mit einem Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung konfrontierten Verkäufer eines Neuwagens steht nach einem Modellwechsel ‒ sofern ein Neufahrzeug aus der nicht mehr aktuellen Modellreihe nicht mehr zu beschaffen ist ‒ im Mittelpunkt, welche Ersatzbeschaffungskosten er für das Nachfolgemodell aufwenden müsste. Die Interessenlage des Verkäufers ist in dieser Lage nicht wesentlich anders zu beurteilen, als sei das zur Zeit des Kaufvertragsschlusses produzierte Modell noch lieferbar. (vgl BGH, a.a.O., Rn 35ff.; OLG Karlsruhe, a.a.O. Rn 78ff.; OLG Köln, a.a.O.).

    95

    Soweit das neue Modell über einen komplett neuartigen Motor und ein anderes Getriebe verfügt, sieht der Verkehr und auch der Kläger das Fahrzeug weiterhin als Nachfolgemodell an. Die behauptete optische Unterscheidung des neuen Modells von dem streitgegenständlichen Fahrzeug hat die Beklagte nicht substanziiert dargelegt. Vielmehr ergibt sich aus den durch den Kläger zur Akte gereichten Lichtbildern kein wesentlicher optischer Unterschied.

    96

    Soweit die Beklagte geltend macht, bei einer interessengerechten Auslegung des Vertrags müssten die Kosten der Ersatzbeschaffung berücksichtigt werden, so führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn die Frage nach den Kosten der Ersatzbeschaffung des Nachfolgemodells ist nicht anhand von § 275 Abs. 1 BGB zu beantworten, sondern nach § 439 Abs. 3 BGB a. F. (vgl. BGH, a.a.O., Rn 37; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn 86f.)

    97

    e) Der von dem Kläger mit Schreiben vom 27.11.2015 getroffenen Wahl der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung einer mangelfreien Sache steht nicht entgegen, dass er zuvor, über das B, die Nachbesserung verlangt hat.

    98

    Gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB hat der Käufer bei Vorliegen eines Mangels die Wahl, ob er von dem Verkäufer Nacherfüllung in Form der Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs verlangt oder Nachbesserung begehrt. Allerdings kann der Käufer unter den besonderen Umständen des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Gebote von Treu und Glauben nach § 242 BGB gehindert sein, von seinem Nachbesserungsverlangen Abstand zu nehmen und Ersatzlieferung zu verlangen. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Verkäufer die vom Käufer zunächst gewählte Nachbesserung nicht fachgerecht zuwege gebracht hat und aus diesem Grund die verkaufte Sache zur Zeit der Ausübung des Nachlieferungsverlangens nicht vertragsgerecht war. In einem solchen Fall ist es umgekehrt dem Verkäufer unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, den Käufer an der ursprünglich getroffenen Wahl festzuhalten. (vgl. BGH; Urteil vom 24.10.2018, VIII ZR 66/17, Rn 47f., zitiert nach juris).

    99

    Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist jedoch von dem Fehlschlag der Nachbesserung auszugehen, da zum Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens eine Beseitigung des Mangels nicht möglich war. Denn nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen M wurden die Softwareaktualisierungen für das Radio-Navigationssystem (3Q0 035 …A/0629) und das Anzeige-Bedienteil Alpine/Continental (6C0 919 …/1031 Alpine beziehungsweise 3G0 919 …/4064 Continental), die zur Beseitigung der Mängel des streitgegenständlichen Fahrzeugs geeignet sind, am 13.11.2017 freigegeben. Zwar konnte er zu früheren Versionen des Software-Updates und deren Freigabe keine Angaben machen, aber auch die Beklagte als A-Vertragshändlerin konnte keine konkreten Angaben zu einer früheren Version des Software-Updates machen, die bereits im Jahr 2015 zur Verfügung stand. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Freigabe vom 13.11.2017 um den letzten Stand des Updates und damit um die beste Möglichkeit der Mangelbeseitigung handelt.

    100

    Dass es im Jahr 2015 keine Möglichkeit zur Beseitigung des Mangels gegeben hat, ergibt sich im Übrigen aus den Bekundungen des Zeugen B. Dieser hat ausgeführt, dass die A-AG mitgeteilt habe, dass für das Problem mit der hervorstehenden Rückfahrkamera keine Reparaturmöglichkeit bestanden habe. Soweit die Beklagte ausführt, dass nicht von einem Fehlschlag auszugehen sei, da die durch den Sachverständigen M geschilderten Möglichkeiten wie etwa ein Reset nicht durchgeführt worden seien, so stellt dies nach den Ausführungen des Sachverständigen M bereits keine gleich geeignete Lösung dar, da aus technischer Sicht für eine dauerhafte Mängelbeseitigung ein Software-Update erforderlich ist, welches eben nicht zur Verfügung stand. Sofern solche Maßnahmen zum anderen durch das Autohaus H nicht vorgenommen wurden, sind der Beklagten die durch die Vertragswerkstatt durchgeführten Arbeiten und abgegebenen Erklärungen nach § 278 BGB zuzurechnen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2008, I-1 U 151/07). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte in der Zeit nach dem 27.10.2015 keine eigenen Mangelbeseitigungsmaßnahmen, etwa in Form eines Resets, unternommen hat.

    101

    f) Die Beklagte kann die durch den Kläger gewählte Nachlieferung auch nicht wegen unverhältnismäßiger Kosten gemäß § 439 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. (§ 439 Abs. 4 S. 1 BGB n. F.) verweigern.

    102

    Die Beklagte hat die Einrede der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung erhoben. Danach sind die Kosten für die Ersatzbeschaffung unverhältnismäßig, wenn die Mängelbeseitigung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist, die sich aus dem Vergleich zur zweiten Nacherfüllungsmöglichkeit (relative Unverhältnismäßigkeit) oder aus dem Umstand ergeben können, dass die Mängelbeseitigung für sich allein betrachtet unverhältnismäßige Kosten verursacht (absolute Unverhältnismäßigkeit).

    103

    Die absolute Unverhältnismäßigkeit kommt bei einem Verbrauchgüterkauf nicht zur Anwendung, da die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie ein Recht des Verkäufers zur Verweigerung der vom Käufer verlangten Art der Nacherfüllung nur wegen Unmöglichkeit oder wegen relativer, nicht aber wegen absoluter Unverhältnismäßigkeit vorsieht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 25.05.2019, 13 U 144/17 Rn 126; OLG Köln, Urteil vom 27.03.2020, 6 U 24/19).

    104

    Eine relative Unmöglichkeit liegt nicht vor. Denn insofern muss der Verkäufer darlegen und beweisen, dass die nicht gewählte Art der Nachbesserung möglich ist und dabei keine relevanten Nachteile für den Käufer eintreten (OLG Köln, a.a.O.). Für die Beurteilung der Frage, ob der Verkäufer den Mangel vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigen kann, ist auf den Zeitpunkt des Zugangs des Nacherfüllungsverlangens abzustellen. Denn nach diesem Zeitpunkt hat der Verkäufer keinen berechtigten Anlass, danach entstandene Kostensteigerungen in die Bewertung einfließen zu lassen und mit der von dem Käufer beanspruchten Art der Nacherfüllung zuzuwarten beziehungsweise diese zu verzögern oder gar zu verweigern, wenn sie im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens möglich ist. Erst recht hat der Verkäufer aber kein schützenswertes Interesse, die Lieferung einer Ersatzsache zu verweigern, wenn eine Nachbesserung zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich ist. Sonst konnte er dadurch, dass er mit der Ersatzlieferung zuwartet, diese verzögert oder gar verweigert, den Anspruch vereiteln. (vgl. insgesamt OLG Karlsruhe, a.a.O. Rn 96f. und 103). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war eine endgültige Mangelbeseitigung jedoch noch nicht am 27.11.2015, dem Zugang des Nacherfüllungsbegehrens bei der Beklagten, sondern erst am 13.11.2017 möglich.

    105

    f) Sollte der W der aktuellen Serienproduktion nicht mit einem Schaltgetriebe geliefert werden können, ist die Ausstattung mit dem vorgesehenen Seriengetriebe auszuführen. Die erneute Ausstellung einer Anschlussgarantie kommt allerdings nicht in Betracht, da es sich nicht um ein Ausstattungsmerkmal des streitgegenständlichen Fahrzeugs handelt und insofern eine Überkompensation des Klägers eintreten würde.

    106

    g) Da wie oben dargelegt ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, ist der Kläger lediglich nach §§ 439 Abs. 4 a. F., 346 Abs. 1, 348 BGB Zug um Zug zur Herausgabe des mangelhaften Fahrzeugs, nach §§ 474 Abs. 2 S. 1, 475 Abs. 3 S. 1 BGB a. F. jedoch nicht zum Ersatz von Nutzungen verpflichtet (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn 127)

    107

    3. Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des streitgegenständlichen W2 gemäß §§ 293, 295 BGB in Verzugbefindet. Ausreichend war insofern das mit E-Mail vom 27.11.2015 beigefügte wörtliche Angebot vom 05.11.2015, da die Beklagte seine Forderung auf Nachlieferung gegen Rückgabe in der Folge abgelehnt hat. Darin hat der Kläger erklärt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug jederzeit nach Absprache an seiner Wohnanschrift in N zur Verfügung stehe.

    108

    4. Die Beklagte schuldet dem Kläger weiterhin die Zahlung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.358,87 Euro gemäß § 439 Abs. 2 BGB. Danach hat der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Kosten zu tragen. Dies umfasst auch die zur Durchsetzung einer Ersatzlieferung erforderlichen Anwaltskosten, wenn der Verkäufer die ihm zunächst gewährte Gelegenheit zur Beseitigung des Mangels nicht wahrgenommen hat. Dem steht der Fall gleich, in dem der Verkäufer zu einer Nacherfüllung in Form der Nachbesserung nicht in der Lage ist (OLG Karlsruhe, a.a.O., R 132f.). Dabei hat der Kläger seine Rechte zunächst selbst geltend gemacht und erst in einem zweiten Schritt anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen, so dass auch erforderliche Kosten im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB vorliegen.

    109

    Der tenorierte Zinsanspruch aus diesem Betrag resultiert aus dem Verzug der Beklagten mit dem Ausgleich der Kosten nach §§ 286 Abs. 1 Abs. 2, 288 Abs. 2 BGB. Denn der Kläger hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 11.12.2015 erfolglos zum Ausgleich der Kosten bis zum 23.12.2015 aufgefordert. Mit dem Rechtsgedanken des § 187 Abs. 1 BGB beginnt die Verzinsungspflicht am 24.12.2015.

    110

    5. Der Kläger hat allerdings keinen Anspruch auf Ersatz von Kosten für Motoröl, Inspektionen, Haupt- und Abgasuntersuchung, Reifenwechsel sowie Reparaturen in Höhe von 1.479,73 Euro. Es steht ihm darüber hinaus kein Anspruch auf Verzinsung der Händlermarge zu.

    111

    Ein Anspruch aus § 347 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht, da mangels Rücktritts des Klägers kein Rückgewährschuldverhältnis vorliegt. Es handelt sich auch nicht um die erforderlichen Kosten der Nacherfüllung nach § 439 Abs. 2 BGB. § 284 BGB setzt die Geltendmachung eines Schadenersatzes statt der Leistung voraus, was vorliegend gerade nicht der Fall ist.

    112

    II.

    113

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 S. 1, 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    114

    III.

    115

    Der Streitwert wird auf bis 35.000,00 Euro festgesetzt.

    116

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    117

    Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

    118

    1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder

    119

    2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.

    120

    Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Oberlandesgericht Köln, S-Platz, 50670 Köln, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

    121

    Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Köln zu begründen.

    122

    Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Köln durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

    123

    Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.