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  • 29.06.2021 · IWW-Abrufnummer 223185

    Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 20.03.1992 – 26 U 155/91

    Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. Juni 1991 verkündete Urteil der VIII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Verzinsung für beide Beträge am 3. Juni 1989 beginnt und die Verurteilung zu 5,- DM Mahnkosten entfällt.

    Die Kosten des Rechtsmittels werden der Beklagten auferlegt.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

     
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    Tatbestand:
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    Von der Darstellung eines
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    Tatbestandes
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    wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.
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    Entscheidungsgründe:
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    Die Berufung ist zulässig.
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    Sie ist im wesentlichen (bis auf die Zinsmehrforderung) unbegründet.
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    Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch gemäß §§ 631, 632 BGB auf Leistung der bereits vom Landgericht festgestellten Vergütung für die Reparatur von zwei gebrauchten Getrieben (unten zu I.). Dieser Anspruch ist nicht erloschen durch Aufrechnung mit einem Gegenanspruch aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer positiven Forderungsverletzung wegen Erbringung unwirtschaftlicher Arbeiten; ein solcher Anspruch besteht nicht (unten zu II.).
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    I.
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    1.
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    Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Klägerin ein Auftrag für die Erbringung derjenigen Leistungen erteilt worden, für welche sie nun eine Vergütung fordert. Die Beklagte kann zwar darauf verweisen, daß es in ihrem Lieferschein vom 13.02.1989 (Bl. 36 GA) heißt, die Getriebe würden "zur Überprüfung" angeliefert, was hinsichtlich des Umfangs der in Auftrag gegebenen Arbeiten, für sich allein betrachtet, Deutungen zuläßt. Mach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat durch Vernehmung der Zeugen ... und ... sich jedoch die Erteilung des Auftrages als einer "Eilreparatur" dargestellt; wenn ein Kunde etwa sage, so der Zeuge ... (nur) die Ketten sollten überprüft werden, dann vermerke er soetwas, was im vorliegenden Fall ausweislich eines zu den Gerichtsakten überreichten Notizzettels (Bl. 77 GA) aber nicht geschehen sei; er habe das Auftragsgespräch so aufgefaßt, daß eine eilige Reparatur anstehe. Insgesamt ist der Senat aufgrund der Aussagen der Zeugen davon überzeugt, daß der Auftrag zu einer Reparatur der Getriebe erteilt worden ist, daß die Klägerin entgegen dem Vortrag der Beklagten (vgl. auch den Inhalt des Schriftsatzes vom 19.03.1992) nicht lediglich angewiesen worden ist, die Getriebe durchzusehen und die Ketten vorsorglich auszutauschen.
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    2.
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    (Berufungsbegründung Bl. 2 f.)
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    Ohne Erfolg bestreitet die Beklagte den in den Rechnungen vorausgesetzten Umfang der Reparatur und die Erforderlichkeit des Einsatzes der Materialien. Dieses läßt sich zwar infolge Benutzung der Getriebe nach übereinstimmenden Angaben der Parteien im Senatstermin am Objekt selbst jetzt nicht mehr sicher überprüfen. Gleichwohl besteht an der Richtigkeit des diesbezüglichen Vertrages der Klägerin kein Zweifel, und zwar im wesentlichen unter Berücksichtigung der von den Zeugen ... und ... geschilderten Umstände, unter denen die Klägerin Reparaturaufträge der hier in Rede stehenden Art regelmäßig angeht: Die zu reparierenden Gegenstände werden im Betrieb der Klägerin gereinigt und auseinandergenommen, sie werden anschließend einem Schadensgutachter vorgeführt, welcher feststellt, was repariert werden muß; nach Maßgabe dessen wird eine Ausfassliste mit den erforderlichen Materialien erstellt, wie sie hier zu den Gerichtsakten überreicht worden ist. Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, daß im vorliegenden Fall andere als sachliche Gesichtspunkte dabei mitgewirkt haben zu bestimmen, welche Arbeiten zur Reparatur erforderlich und welche Materialien demgemäß auszuwählen waren.
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    3.
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    Hinsichtlich des vom Landgericht berücksichtigten Lohnanteils der Rechnungen der Klägerin ist, wie der Sachverständige ... im Senatstermin noch einmal bestätigt hat, nichts zu erinnern. Insgesamt steht der Klägerin deshalb der vom Landgericht zuerkannte Betrag zu.
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    II.
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    Die Beklagte hat keinen Gegenanspruch aus dem rechtlichen Gesichtspunkt einer persönlichen Forderungsverletzung wegen Erbringung unwirtschaftlicher Leistungen.
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    Die Beklagte hat der Klägerin dazu im einzelnen vorgeworfen, der Zeitwert der zum Zeitpunkt der Reparatur rund 15 Jahre alten Getriebe habe allenfalls 1.000,- bis 1.500,- DM betragen; die Klägerin hätte deshalb Reparaturen für 4.805,78 DM und 3.662,36 DM ohne vorausgegangenen Hinweis an sie, die Bestellerin, nicht durchführen dürfen.
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    Damit hat die Beklagte keinen Erfolg. Ein solcher Hinweis war im vorliegenden Fall nicht geboten.
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    1.
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    Eine positive Forderungsverletzung wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht kommt im Falle unwirtschaftlicher Arbeiten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht, daß eine Aufklärungspflicht über Umstände besteht, welche der Besteller nicht kennt, deren Kenntnis aber für seinen Willensentschluß von Bedeutung ist (Palandt, § 631 Rn. 13 und OLG Frankfurt NJW 80, 1756).
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    Als einen solchen Umstand wird man es regelmäßig werten müssen, daß sich eine Reparatur "nicht lohnt". In diesem Falle wird in geeigneten Fällen ein Hinweis des Unternehmers an den Besteller erforderlich sein, §§ 276, 242 BGB. Es entspricht allgemeiner Tendenz, die Vertragspartner zu verpflichten, unwirtschaftliche Unternehmungen tunlichst zu vermeiden. Dazu wird z.B. auf die Literatur und Rechtsprechung zu den "unverhältnismäßigen Aufwendungen" im Sinne von § 251 Abs. 2 BGB (vgl. Palandt, § 251, Rn. 25; EGH NJW 72, 1800, 1802, dort unter Hinweis auf den Grundgedanken des § 251 Abs. 2 BGB) verwiesen, oder zur Frage nach der Herstellung/Erforderlichkeit im Sinne von § 249 S. 1 und 2 (BGH NJW 92, 302; NJW 92, 305). Bei den zuletzt genannten Entscheidungen geht es um die Sicht des Geschädigten und um das, was er dem Schuldner anlasten darf. Ähnliche Überlegungen müssen aber auch angestellt werden, wenn es darum geht, daß der Besteller eines Werkes vor Schritten bewahrt wird, die er möglicherweise nicht voll überblicken kann, die aber zu wirtschaftlich unsinnigen Aufwendungen führen. Auch das ist ein "Wirtschaftlichkeitspostulat" (vgl. dazu BGH NJW 92, 302) zur Vermeidung wirtschaftlicher Schäden.
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    2.
    25

    Der Senat hat das Verhalten der Klägerin unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt geprüft, verneint jedoch eine Hinweispflicht im vorliegenden Fall.
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    Auf dem Hintergrund der oben dargelegten rechtlichen Gesichtspunkte ist die Frage, ob eine Hinweispflicht verletzt worden ist oder nicht, unter Berücksichtigung der obwaltenden konkreten Umstände zu entscheiden.
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    Im vorliegenden Fall kann es nach den Ausführungen des Sachverständigen ... nicht als gesichert gelten, daß es für Altgetriebe der vorliegenden Art einen Markt gibt, der es etwa zuläßt, einen "Wiederbeschaffungswert" solcher Getriebe, zumal nicht mit definiertem technischem Standard, sicher zu bestimmen. Aus einer anderen wirtschaftlichen Sicht betrachtet, hat die Reparatur im vorliegenden Fall nach der Darstellung des Sachverständigen angesichts der Auswechselung der wesentlichen Verschleißteile (was man hier im Ergebnis als Generalüberholung bezeichnen könne) zu einem Zustand der Getriebe geführt, dessen technischer und wirtschaftlicher Wert je 2/3 eines neuen Getriebes ausmache; gemessen am Erwerbspreis eines neuen Getriebes halte sich der hier getroffene Aufwand im wirtschaftlichen Rahmen.
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    Stützen bereits diese Erkenntnisse, denen sich der Senat aus eigener Überzeugung anschließt, den Standpunkt der Klägerin, sie habe nach wirtschaftlichen Maßstäben und auch im übrigen pflichtgemäß gehandelt, kommt folgendes hinzu: Die Beklagte hat nach der bereits oben behandelten Darstellung der Zeugen ... und ... einen "Eilauftrag" erteilt, hat die Getriebe nach eigener Darstellung am Sonntagabend angeliefert und schon in den Mittagsstunden des folgenden Montags abgeholt bzw. abholen wollen (nur eins war fertig), wie sie es angekündigt hatte. Dieses Verlangen der Beklagten nach äußerst schnellem Handeln, betont noch durch die Anlieferung der Gegenstände am Abend eines Feiertages, ließe angesichts auch der oben erörterten wirtschaftlichen Gegebenheiten jedenfalls (zum Fehlen schon einer Hinweispflicht siehe aber oben) ein Verschulden an der Unterlassung eines Hinweises entfallen.
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    Die geforderten Mahnkosten sind nicht nachgewiesen worden.
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    Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 284, 286 BGB.
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    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.
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    Verkündet am 20. März 1992
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    , Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts