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  • 10.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241404

    Landgericht Arnsberg: Urteil vom 22.02.2024 – 4 O 273/23

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Arnsberg 

    Urteil vom 22.02.2024


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

    Tatbestand

    Die Beklagte produziert und vertreibt Elektrofahrzeuge. Sie vertreibt die Elektrofahrzeuge hauptsächlich über ihr Internetportal. Sie verfügt zudem über 36 physische sog. Tesla-Stores sowie diverse Auslieferungszentren.

    Sie unterhielt und unterhält einen geschäftlich genutzten Telefonanschluss, der auf ihrer Website dargestellt und unterhält diesen in dieser Form immer noch unter dem Reiter "find us" bzw. "uns finden" sowie unter "Kontakt" und im "Impressum".

    Der Kläger schloss mit Bestellung vom 11.03.2022 unter der Bestellnummer N01 mit der Beklagten einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug, Model Y 2022, Performance Dualmotor-Allradantrieb mit Anhängerkupplung mit der FIN N02 als Neuwagen zum Kaufpreis von 66.320,00 EUR (brutto). Bei der Ausstattung konnte er aus einer Vielzahl von Spezifikationen auswählen, die im Internet zur Auswahl bereitgestellt werden, so u.a. die Anhängerkupplung.

    Die Beklagte verwendete beim Vertragsschluss folgende Widerrufsbelehrung und fügte ein Muster-Widerrufsformular bei.

    Die Widerrufsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt:

    Widerrufsrecht

    Wenn Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.) geschlossen haben, haben Sie das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag nach den nachstehenden Regelungen zu widerrufen.

    Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.

    Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (Tesla Germany GmbH, Ludwig-Prandtl-Straße 27 - 29, 12526 X., germany_sales@tesla.com) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.

    Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.

    (...)

    Eine Telefonnummer wurde von der Beklagten in der Widerrufsbelehrung nicht angegeben. Wegen der Einzelheiten des Kaufvertrages, der Widerrufsbelehrung und des Muster-Widerrufsformulars wird auf die Anlage K 1, insb. Bl. 17 ff. d.A. Bezug genommen.

    Das Fahrzeug wurde am 12.08.2022 am Tesla-Center O. an den Beklagten ausgeliefert und am selben Tag erstzugelassen.

    Am 07.08.2023 erklärte der Kläger den Widerruf des Kaufvertrages, forderte die Beklagte zur Rückerstattung des Kaufpreises auf und forderte die Bestätigung, dass er das Fahrzeug am Sitz der Beklagten in X. oder im Tesla Delivery Center in O. abgeben könne. Er forderte die Beklagte zur Angabe eines konkreten Rückgabetermins auf. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 3 Bezug genommen.

    Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 08.08.2023 als verspätet zurück. Daraufhin setzte der Kläger der Beklagten mit anwaltlichem Aufforderungsschreiben vom 10.08.2023 eine Frist bis zum 24.08.2023. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 5 Bezug genommen.

    Am 07.02.2024 fuhr der Kläger zum Tesla-Center in O. und bot dort die Rückgabe des Fahrzeugs an. Zu einer Rückgabe des Fahrzeugs kam es bislang nicht. Der Kläger nutzt das Fahrzeug weiter.

    Die Beklagte hat die Hilfsaufrechnung mit einem von ihr geltend gemachten Wertersatzanspruch erklärt in Höhe von 28.020,00 Euro. Das Bestehen und die Höhe des Anspruchs sind streitig.

    Die Beklagte hat die Unzuständigkeit des Gerichts gerügt. Zudem hat sie die Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH angeregt, sofern das Gericht die Verpflichtung eines Unternehmens in Betracht ziehen sollte, eine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung anzugeben, und die fehlende Angabe derselben für den Beginn der Widerrufsfrist für entscheidend erachtet.

    Der Kläger ist der Ansicht, sein Widerruf sei nicht verfristet gewesen, da die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß belehrt habe und die Frist aus dem Grunde ab der Übergabe des Fahrzeugs ein Jahr und zwei Wochen laufe gem. § 356 Abs. 3 S. 2 BGB.

    Die Beklagte habe das Widerrufsbelehrungs-Muster "Anlage 1" (zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB) entgegen Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB nicht zutreffend ausgefüllt. Damit sei die Beklagte den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über das Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 BGB nicht nachgekommen.

    Der Beginn des Laufs der Widerrufsfrist gem. § 356 BGB sei abhängig von der Übermittlung der Pflichtinformationen.

    Er meint, es sei kein Nutzungsersatz für die gefahrenen Kilometer, die er zum Zeitpunkt des Widerrufs mit 14.729 km behauptet, angefallen. Ein Nutzungswertersatz für zurückgelegte Kilometer sei aufgrund der gesetzlichen Regelungen über die Rechtsfolgen eines ausgeübten Verbraucherwiderrufsrechts bei Fernabsatzgeschäften gemäß § 357a Abs. 1 i.V.m. § 361 BGB nicht vom zurückzuerstattenden Kaufpreis abzuziehen. Ein Wertersatzanspruch setze eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung voraus.

    Er meint, die Beklagte befinde sich im Verzug. Da die Rückgabe - unter Rückübertragung sowohl des Besitzes, als auch des Eigentums - die tatsächlichen Mitwirkungshandlungen der Beklagten erfordere, habe die Beklagte ihre Mitwirkungshandlung i.S.d. § 295 2. Fall BGB durch ihre Mitteilung vom 08.08.2023 (Anlage K4) der Klagepartei verweigert. Annahmeverzug sei spätestens mit der Ablehnung der Rücknahme des Fahrzeugs am 07.02.2024 eingetreten.

    Der Kläger hat zunächst den Antrag zu 1) wie folgt angekündigt:

    1.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 66.320,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.08.2023, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des TESLA Model Y mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer N02, zu zahlen.

    Letztendlich beantragt er, wie folgt zu erkennen:

    1.
    Die Beklagte wird verurteilt, unverzüglich nach Rückerhalt des Besitzes sowie des Eigentums am Fahrzeug Tesla Modell Y mit der FIN N02, an die Klagepartei 66.320,00 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.08.2023, hilfsweise seit dem 05.02.2024 zu zahlen.

    2.
    Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des TESLA Model Y mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer N02 in Annahmeverzug befindet.

    3.
    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 2.642,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.08.2023 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte ist der Meinung, es bestehe gem. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB schon kein Widerrufsrecht, da es sich um einen individuellen und nach den Wünschen des Käufers gestalteten Vertragsgegenstand handele. Es bestehe kein Widerrufsrecht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt seien und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich sei oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten seien.

    Zudem sei der Widerruf verfristet. Gründe, die einen späteren Widerruf ermöglichen würden, lägen hier nicht vor, weil die Beklagte dem Kläger bei Vertragsschluss eine Widerrufsbelehrung übermittelt habe, in der sie den Kläger korrekt und umfassend über die Bedingungen des Widerrufsrechts, die Fristen und das Verfahren gemäß § 356 Abs. 3 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB informiert habe. Die Nichtangabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung führe nicht zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist. Die Beklagte habe auch nicht das Widerrufsbelehrungs-Muster der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB verwendet, sondern es liege eine individuelle Belehrung vor.

    Die Angabe einer Telefonnummer sei - auch nach der EIS-Rechtsprechung des EuGH und des BGH - nicht erforderlich. Ein Verweis auf Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB (dort insbesondere auf Nr. 2 der alten Fassung und Nr. 3 der neuen Fassung) erfolge in § 356 Abs. 3 BGB nicht. Jedenfalls für die Frage des Fristbeginns nach § 356 Abs. 3 BGB seien in der Widerrufsbelehrung daher nur die Angaben erforderlich, die in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, und gerade nicht die Angaben aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB.

    Zudem sei das Verhalten des Klägers, soweit der Widerruf nicht verfristet sei, als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Wegen des Vortrags dazu wird auf Bl. 73 ff. d.A. Bezug genommen.

    Hilfsweise meint sie, ihr stehe ein - hilfsweise zur Aufrechnung gestellter - Wertersatzanspruch gem. § 357a BGB zu. Dazu behauptet sie, der Wertverlust betrage 28.020,00 Euro.

    Die Beklagte meint zudem, es liege kein ordnungsgemäßes Rückgabeangebot vor. Die Ausführungen des Klägers, dass er das streitgegenständliche Fahrzeug ordnungsgemäß zur Rückgabe angeboten habe, bestreitet sie. Der Kläger habe nicht ernstlich versucht, mit ihr einen Termin zur Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu vereinbaren. Es sei nicht richtig, dass sie das streitgegenständliche Fahrzeug an jedem Ort und zu jeder Zeit ohne eine vorherige Ankündigung oder Absprache zurücknehmen müsse. Diese Auffassung sei mit den realen Gegebenheiten eines Automobilherstellers nicht vereinbar und verkenne die Besonderheit, dass bei der Rücknahme von sehr hochpreisigen Fahrzeugen eine umfangreiche Prüfung und Dokumentation des Eingangszustands erforderlich sei, um z.B. etwaige Beschädigungen feststellen zu können. Sie, die Beklagte, verfüge an ihren Standorten nicht über die personelle Kapazität, um unangekündigte Fahrzeugrücknahmen an jedem Standort zu jeder Zeit zu verarbeiten, das heißt den Zustand des Fahrzeugs gewissenhaft zu erfassen und zu dokumentieren.

    Verzug sei mithin nicht eingetreten.

    Die Beklagte macht ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 357 Abs. 4 BGB geltend.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

    A.

    Die Zuständigkeit des Landgerichts Arnsberg ergibt sich aus § 29 ZPO. Der Erfüllungsort der streitigen Verpflichtung liegt am Wohnort des Klägers, der sich im hiesigen Landgerichtsbezirk befindet. In Fällen der Klage auf Rückgewähr der Leistung Zug-um-Zug ist die Klage einheitlich an dem Ort zu erheben, wo sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß befindet bzw. befinden müsste (sog. Austauschort, idR der Wohnsitz des Käufers) bzw. beim Grundstückskauf der Ort der Belegenheit desselben. Dies gilt auch, soweit Rückgewähransprüche bei Teilzahlung und Widerruf nach §§ 346, 357, 355, 495 Abs. 1, 503 Abs. 1 BGB geltend gemacht werden (Musielak/Voit/Heinrich, 20. Aufl. 2023, ZPO § 29 Rn. 28; LG Hildesheim, Az: 3 O 303/23, Urteil vom 16.01.2024, Anlage B 20).

    B.

    Die Klage ist jedoch unbegründet.

    I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückabwicklung des mit der Beklagten geschlossenen Vertrages aufgrund seines Widerrufs vom 07.08.2023 zu.

    1. Die Kammer geht zunächst davon aus, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Widerrufsrecht zusteht, da die bloße Wahl von Ausstattungsmerkmalen eines Neuwagens noch keine Individualisierung des Gegenstandes im Sinne des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ist (vgl. BeckOGK-BGB/Busch, § 312g Rn. 17). Gemeint sind in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB Fälle, in denen die Angaben des Verbrauchers, nach denen die Ware angefertigt wird, die Sache so individualisieren, dass diese für den Unternehmer im Falle ihrer Rücknahme wirtschaftlich wertlos ist, weil er sie wegen ihrer vom Verbraucher veranlassten besonderen Gestalt anderweitig nicht mehr oder allenfalls noch unter erhöhten Schwierigkeiten und mit erheblichem Preisnachlass absetzen kann. Davon kann bei einem Kraftfahrzeug, das nur über eine gängige Sonderausstattung mit vorgefertigten Serienbauteilen verfügt, nicht ausgegangen werden, weil insoweit in Gebrauchtwagenmarkt zur problemlosen Verwertung vorhanden ist (vgl. OLG München Endurteil v. 18.6.2020 - 32 U 7119/19, BeckRS 2020, 13248 Rn. 38, beck-online).

    2. Ein Rückgewähranspruch aus § 357 Abs. 1 i. V. m. § 355 Abs. 3 BGB scheitert jedoch an einem Ablauf der für den Widerruf gesetzlich vorgesehenen 14-tägigen Frist.

    a) Nach § 357 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen spätestens 14 Tage nach Erklärung eines wirksamen Widerrufs eines im Wege des Fernabsatzes geschlossenen Vertrages zurückzugewähren. Der Kläger als Verbraucher hat den im Wege des Fernabsatzes (§ 312c BGB) geschlossenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht wirksam nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB widerrufen, weil die 14-tägige Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2 Satz 1 BGB) zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen war.

    Gemäß §§ 355 Abs. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 a) BGB beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage und beginnt mit der Übergabe der Ware an den Verbraucher. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde dem Kläger am 12.08.2022 übergeben, sodass die Widerrufsfrist am 26.08.2022 endete (vgl. § 193 BGB). Der Kläger hat den Widerruf jedoch erst am 07.08.2023 erklärt.

    b) Die verlängerte Widerrufsfrist gem. §§ 356 Abs. 3 S. 2, 355 Abs. 2 S. 2, 356 Abs. 2 Nr. 1a BGB von 12 Monaten und 14 Tagen gilt vorliegend nicht. Der Umstand, dass die übermittelte Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer der Beklagten enthalten hat, ist unbeachtlich (so auch LG Münster, Urteil vom 14.09.2023, Az. 2 O 101/23 -, juris; LG X., Urteil vom 22.12.2023 - 1 O 29/23 -, juris sowie Urteil des Landgerichts Paderborn vom 31.01.2024, Az: 4 O 279/23 (Anlage B 21)).

    Wortlaut, Systematik, Gesetzesmaterialien und Kontext der einschlägigen Normen in BGB und EGBGB ergeben keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Angabe der Telefonnummer verpflichtend wäre (vgl. LG X., a.a.O. Rdn. 34, LG Paderborn, a.a.O.).

    aa) Gem. § 356 Abs. 3 S.1 BGB beginnt die Widerrufsfrist nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher entsprechend den Anforderungen des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder des Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB unterrichtet hat. Nach S. 2 erlischt das Widerrufsrecht spätestens 12 Monate und 14 Tage nach dem in Absatz 2 oder § 355 Absatz 2 Satz 2 genannten Zeitpunkt.

    Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 EGBGB a.F. ist der Unternehmer, wenn dem Verbraucher ein Widerrufsrecht nach § 312g Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zusteht, verpflichtet, den Verbraucher zu informieren über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2. Nach S. 2 kann der Unternehmer diese Informationspflichten dadurch erfüllen, dass er das in der Anlage 1 vorgesehene Muster für die Widerrufsbelehrung zutreffend ausgefüllt in Textform übermittelt.

    Die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist folglich nach dem Wortlaut der einschlägigen Normen für den Beginn der Widerrufsfrist bereits nicht notwendig.

    § 356 Abs. 3 BGB stellt für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB) auf Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ab. Ein Verweis auf Art. 246a § 1 Abs. 1 insbesondere auf Nr. 2 der alten Fassung und Nr. 3 der neuen Fassung, wonach der Unternehmer dem Verbraucher die Telefonnummer zur Verfügung stellen muss, erfolgt gerade nicht. Jedenfalls für die Frage des Fristbeginns nach § 356 Abs. 3 BGB sind in der Widerrufsbelehrung daher nur die Angaben erforderlich, die in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden und gerade nicht die Angaben aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB. Eine für den Fristbeginn allein maßgebliche vollständige Informationserteilung erfordert bei Fernabsatzverträgen somit nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (lediglich) eine ausreichende Information des Verbrauchers über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 (und nicht über die Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1). Die Verletzung weiterer, auf den Vertragsgegenstand bezogener Informationspflichten, die nicht in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB genannt werden, haben bei Fernabsatzverträgen dahingegen keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 356 Rn. 7, LG Paderborn, a.a.O.).

    bb) Für diese Sichtweise spricht neben dem Wortlaut auch die Systematik des § 356 Abs. 3 BGB. Denn für Finanzdienstleistungen wird ausdrücklich auf Art. 246b § 2 Abs. 1 EGBGB verwiesen, der durch einen Verweis auf § 1 (des Art. 246b) auch die Informationspflichten einbezieht, was Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB a. F. gerade nicht vorsieht. Der Gesetzgeber hat für den Fernabsatzvertrag bewusst die Informationspflichten aus Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB und damit insbesondere die Angabe einer Telefonnummer aus dem Verweis in § 356 Abs. 3 BGB herausgenommen und fordert folglich die Erteilung der Informationspflichten nicht für den Beginn der Widerrufsfrist. Bei Fernabsatzverträgen genügt im Gegensatz zu Verträgen über Finanzdienstleistungen die Information nach § 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl., § 356, Rn. 7).

    cc) Den Gesetzgebungsmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht grundsätzlich von einem telefonischen Widerruf ausging, weil neben dem Widerruf unter Verwendung des Widerrufsformulars lediglich die Möglichkeiten des Widerrufs per Post, E-Mail oder Telefax in Erwägung gezogen wurden (BT-Drs. 17/12637, Seite 60; https://dserver.bundestag.de/btd/17/126/1712637.pdf). Die insoweit relevanten Informationspflichten waren auch nach dem Willen des Gesetzgebers in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB geregelt (BT-Drs. 17/12637, Seite 61).

    dd) Auch folgt allein aus der Verpflichtung der Information über "das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts" nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB nicht das zwingende Erfordernis der Angabe der Telefonnummer. Über die Form des Widerrufs ist nach der Norm gerade nicht aufzuklären, sodass auch nicht über einen telefonischen Widerruf mitsamt Telefonnummer zu informieren ist. Durch die Nichtangabe der Telefonnummer entsteht im Übrigen auch nicht der Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da im Weiteren nur beispielhaft verschiedene Kommunikationsformen dargestellt werden und ohnehin für den Widerruf kein Formzwang besteht. Auch aus dem Verweis auf das Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB folgt, dass der Unternehmer seinen Namen und seine Anschrift angeben muss, die Angabe der Telefonnummer aber gerade nicht zwingend ist: ("[hier ist der Name, die Anschrift und die E-Mail-Adresse des Unternehmers durch den Unternehmer einzufügen]").

    Darüber hinaus übermittelte die Beklagte dem Kläger bei Vertragsschluss am 11.03.2022 eine individuelle Widerrufsbelehrung in Textform und verwendete nicht die in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB a.F. abgedruckte Muster-Widerrufsbelehrung, die unter [2] der Gestaltungshinweise vorsieht "Fügen Sie Ihren Namen, Ihre Anschrift, und, soweit verfügbar Ihre Telefonnummer und Ihre E-Mail-Adresse ein." Dass es sich nicht um die abgedruckte Muster-Widerrufsbelehrung handelt, ergibt sich aus den von dem Kläger selbst aufgezeigten Abweichungen, auch wenn diese nicht erheblich sein sollten.

    In dieser individuellen Widerrufsbelehrung hat die Beklagte den Kläger entsprechend ihrer Verpflichtung aus Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie über das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB (nicht identisch mit der Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB) informiert (vgl. LG Paderborn, a.a.O.). Die Benutzung des Belehrungsmusters in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 EGBGB ist nicht obligatorisch wie sich bereits aus dem Wortlaut ("kann") des Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB ergibt, sodass es der Beklagten freistand, eine eigene Widerrufsbelehrung zu formulieren. Auch regelt die Muster-Widerrufsbelehrung keinen Mindeststandard, der an alle individuellen Widerrufsbelehrungen anzulegen ist. Die Bedeutung der Muster-Widerrufsbelehrung liegt vielmehr in der Privilegierung des Unternehmers durch die Gesetzlichkeitsfiktion, vgl. Art. 6 Abs. 4 S. 2 der Verbraucherrechterichtlinie. Der Muster-Widerrufsbelehrung kommt keine eigene normative Wirkung zu und sie verändert nicht die Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie an die Widerrufsbelehrung (Art. 6 Abs. 1 lit. h Verbraucherrechterichtlinie). Einzige Auswirkung ist, dass der Unternehmer, der die Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwendet, gerade nicht in den Genuss der genannten Fiktion kommt, auf die sich die Beklagte vorliegend auch gar nicht beruft.

    ee) Auch die Anforderungen der Verbraucherrechterichtlinie sind erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers verlangt Art. 6 Abs. 1 lit. c) der sog. "Verbraucherrechterichtlinie" (Richtlinie (EU) 2011/83 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates) gerade nicht die Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung. Die Verbraucherrechterichtlinie gibt auf europäischer Ebene in Art. 6 Abs. 1 lit. c) lediglich vor, dass dem Verbraucher vorvertraglich die Kontaktdaten des Unternehmers und gegebenenfalls eine Telefonnummer mitzuteilen sind. Diese Informationspflicht steht jedoch nicht im Zusammenhang mit Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie, der die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung regelt. Nach dieser Vorschrift hat der Unternehmer den Verbraucher - wie im nationalen Recht auch - im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts lediglich über "die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts gemäß Artikel 11 Absatz 1 sowie das Muster-Widerrufsformular gemäß Anhang I Teil B" zu informieren. Eine Information über die Form des Widerrufs und somit eine Verpflichtung zur Angabe einer Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung ist auch in Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie nicht vorgesehen. Auch aus Art. 11 Abs. 1 S. 2 b) der Richtlinie ergibt sich nichts anderes. Darin ist lediglich geregelt, dass der Verbraucher zum Zweck der Information des Unternehmers über seinen Entschluss, den Vertrag zu widerrufen, entweder das Muster-Widerrufsformular des Anhangs I Teil B verwenden oder eine entsprechende Erklärung in beliebiger anderer Form abgeben kann, aus der sein Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht.

    Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch aus den sog. EIS-Entscheidungen des EuGH (Urteil vom 14.05.2020, C-266/19, GRUR 2020, 753) und des BGH (Urteil vom 24.09.2020, I ZR 169/17, GRUR 2021, 84 [BGH 15.10.2020 - I ZR 8/19]) nicht, dass die Angabe einer Telefonnummer für den Beginn der Widerrufsfrist im vorliegenden Fall notwendig ist (vgl. LG Paderborn, a.a.O). Diese Urteile ergingen in einem Rechtsstreit zwischen zwei Wettbewerbern und behandeln vor allem wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der allgemeinen Informationspflicht und dem Musterschutz bei der Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung. Die gesetzlichen Zielrichtungen und Schutzzwecke unterscheiden sich insoweit erheblich. Eine Aussage darüber, welche zivilrechtliche Rechtsfolgen die Nichtangabe einer Telefonnummer in einer individuellen Widerrufsbelehrung hat, insbesondere ob hiervon der Beginn der Widerrufsfrist nach § 356 Abs. 3 BGB abhängig ist, haben der EuGH und BGH gerade nicht getroffen. Da eine Telefonnummer zum damaligen Zeitpunkt nicht zwingend war, sondern nur anzugeben war "soweit verfügbar" spricht deutlich gegen eine Auswirkung der fehlenden Angabe auf den Beginn der Widerrufsfrist.

    3. Mit dem Landgericht Münster ist die Kammer zudem der Auffassung, dass es bei Annahme einer geringfügig fehlerhaften Widerrufsbelehrung dem Kläger aus Treu und Glauben verwehrt wäre, den Widerruf geltend zu machen (LG Münster, Urteil vom 14. September 2023 - 02 O 101/23 -, Rn. 35 - 36, juris).

    Die fehlende Angabe der Telefonnummer hat sich in keiner Weise ausgewirkt, da der Kläger auch bei Angabe dieser Telefonnummer den Widerruf sicher nicht telefonisch erklärt hätte, da er über andere Kommunikationswege verfügte, die deutlich sicherer waren und die er auch genutzt hat. Auch ohne juristische Bildung ist dem Verbraucher bewusst, dass er bei einem telefonischen Widerruf diesen in der Regel nicht beweisen kann. Insoweit wäre es unbillig, wenn dem Kläger ein fehlender Hinweis auf die Telefonnummer - die für den Kläger zudem nach seinem eigenen Vortrag ohne weiteres auffindbar war - dazu verhelfen würde, in den Vorteil der 12-monatigen Widerrufsfrist unter fortdauernder Nutzung des Kaufobjektes zu gelangen, obwohl er den Widerruf niemals in telefonischer Form erklärt hätte.

    Ähnliches hat auch der Bundesgerichtshof - allerdings zum Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers - entschieden und ausgeführt, dass es unverhältnismäßig wäre, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (BGH, Urteil vom 15. Februar 2023 - IV ZR 353/21 -, Rn. 13 - 18, juris).

    II. Weitergehende Anspruchsgrundlagen für das Rückzahlungsverlangen des Klägers sind nicht ersichtlich.

    Über die Hilfsaufrechnung muss entsprechend nicht entschieden werden.

    Eine Vorlage an den EuGH ist aus Sicht der Kammer nicht erforderlich.

    III. Der Feststellungsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Da die Beklagte, nachdem der Widerruf des Klägers nicht zur Beendigung des Kaufvertrages und zu seiner Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis geführt hat, nicht zur Rücknahme des Fahrzeugs gehalten war, konnte auch kein diesbezüglicher Annahmeverzug begründet werden.

    IV. Der Kläger war infolge des Unterliegens in der Hauptsache auch mit dem Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten abzuweisen.

    V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.