31.03.2010 · IWW-Abrufnummer 101025
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 12.11.2009 – 12 K 273/04
1. Bei der Lieferung hochwertiger PKW sind an die Nachweispflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der Lieferung ein Barverkauf zu Grunde liegt. In solchen Fällen muss der Unternehmer sich über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht des angeblichen Vertreters des Abnehmers vergewissern und entsprechende Belege vorlegen können.
2. Die Nachweispflicht des Unternehmers ist keine materiellrechtliche Voraussetzung für die Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen.
3. Die innergemeinschaftliche Lieferung setzt voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist.
4. Einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist die Befreiung von der Mehrwertsteuer zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht Gegenstand einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen.
5. Der Unternehmer muss sich die Kenntnis seiner Gesellschafter zurechnen lassen.
FG Baden-Württemberg v. 12.11.2009
12 K 273/04
Tatbestand
Streitig ist, ob Lieferungen von Fahrzeugen als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne von § 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind.
1. Die Klägerin wurde als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Anfang 2000 gegründet. Gesellschafter-Geschäftsführer waren die 1965 und 1966 geborenen Geschwister X. (X. und Y. (Y. Z. Letzterer hat sein zuvor bestehendes Einzelunternehmen zum 01.01.2000 in die Klägerin eingebracht. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin wurde zwischenzeitlich eingestellt.
Laut der Gewerbeanmeldung vom 11. Februar 2000 (Bl. 1 der Allgemeinen Akte) war Gegenstand des Unternehmens der Klägerin „Mietwagen, Kfz-Handel, Import-Export, Handel mit Kfz-Ersatzteilen”. Tatsächlich lieferte die GbR im Inland beschaffte neue oder neuwertige PKW, vornehmlich der Marken Audi, BMW, Mercedes-Benz und Porsche, fast ausschließlich nach Italien, wo die Gesellschafter der Klägerin einige Jahre ihrer Jugend verbracht hatten und zur Schule gegangen waren.
Einige wenige Fahrzeuge wurden unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiung des § 4 Nr.1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG in die Vereinigten Staaten von Amerika oder in die Schweiz geliefert. Die diesbezüglichen Lieferungen sind jedoch nicht mehr streitbefangen.
Die Lieferungen der PKW nach Italien behandelte die Klägerin laut ihren beim beklagten Finanzamt eingereichten Umsatzsteuer(USt)-Voranmeldungen und USt-Jahreserklärungen sowie den mit diesen in Zusammenhang stehenden sog. „Zusammenfassende(n) Meldungen” (vgl. § 18a UStG) als nach § 4 Nr.1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs.1 UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Bei ca. 240 im Streitzeitraum gelieferten Fahrzeugen ergab sich nach den USt-Erklärungen der Klägerin ein Lieferwert von über xx Mio. DM (bzw. xx,xx Mio. EUR).
Da die Gesellschafter für die Klägerin die bei den Ankäufen der Fahrzeuge von den inländischen Lieferanten gesondert in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machten, ergaben sich im Streitzeitraum Vorsteuerüberschüsse zu Gunsten der Klägerin in Höhe von rund x,xx Mio EUR.
2. Eine im August 2003 begonnene Steuerfahndungsprüfung bei der Klägerin führte demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die vorgenannten Lieferungen nach Italien die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nicht erfüllten, da die von der Klägerin bezeichneten Abnehmer nicht ihre tatsächlichen Kunden gewesen seien (vgl. den Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004” sowie den geänderten Steuerfahndungsbericht vom 16. März 2004, Akte „Steufa-Bericht”).
Bei den wahren Kunden habe es sich um norditalienische Autohändler (Auto-O., A. (Inh. bzw. Vertreter: T.C.), Firma Auto-N., I. (Inh. bzw. Vertreter: B.Q.), Firma – M., Firma Autos …, Firma …car, L. (Inh. bzw. Vertreter: Ü.S.) sowie Firma R. u.a.) gehandelt. Auf deren ausdrücklichen Wunsch habe die Klägerin ihre Ausgangsrechnungen jedoch nicht auf diese, sondern auf andere von den Kunden genannte Personen bzw. Firmen in Italien ausgestellt. Von Januar 2000 bis September 2001 habe es sich dabei um W.E. bzw. dessen Firma „V…” in G. bzw. Ä. sowie in geringerem Umfang im Jahr 2000 auch um die Firma BN., M., vertreten durch H.B. gehandelt; von September bis Dezember 2001 nahezu ausschließlich um T.Ö. bzw. dessen Firma „UJ.”, ebenfalls G. und von Januar 2002 bis Juli 2003 nahezu ausschließlich um S.S. bzw. dessen Firma „MO.” in UFG… Der Grund hierfür sei gewesen, dass die tatsächlichen italienischen Abnehmer auf diese Weise die italienische Erwerbsumsatzsteuer hätten vermeiden und gleichzeitig aus den von den Scheinabnehmern, insbesondere dem genannten W.E., oder anderen Personen ihnen erteilten inneritalienischen Rechnungen Vorsteuer hätten abziehen wollen.
Zu dieser Erkenntnis kam die Steuerfahndung aufgrund von bei Durchsuchungen der Geschäftsräume der Klägerin und der Privaträume ihrer Gesellschafter vorgefundenen Urkunden und auf Datenträgern gespeicherten elektronischen Daten.
Nach den Feststellungen der Steuerfahndung haben die Gesellschafter der Klägerin (wobei X. hauptsächlich den kaufmännischen Bereich versah, während Y. sich um die gegenständlich-technische Abwicklung der Geschäfte k ümmerte) sämtliche deren wahre Kunden betreffenden Geschäftspapiere, z.B. per Fax erteilte Angebote und erklärte Annahmen, nicht aufbewahrt und diesbezügliche EDV-Dateien auf der Festplatte ihres PC umgehend nach Abwicklung der Geschäfte wieder gel öscht bzw. überschrieben. Allerdings seien einzelne aus Versehen nicht beseitigte Dokumente gefunden worden. Außerdem sei es gelungen, einen beträchtlichen Teil der gelöschten Daten wieder lesbar zu machen. Von den mehreren hundert wieder lesbar gemachten Angeboten sei kein einziges an die vier angeblichen Abnehmer gerichtet gewesen (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle KP. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 20, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004”).
Nach den weiteren Feststellungen der Steuerfahndung haben die Gesellschafter der Klägerin sich auf den auf die Scheinabnehmer lautenden Ausgangsrechnungen wahrheitswidrig die Abholung der Fahrzeuge im Inland bescheinigen lassen, verbunden mit der Erklärung, dass der angebliche Abholer sich verpflichte, das jeweilige Fahrzeug „in sein Land zu verbringen”. Tatsächlich seien die Fahrzeuge bis auf wenige Ausnahmen von dem (damaligen) Gesellschafter-Geschäftsführer Y. nach Italien verbracht und dort den Käufern oder deren Beauftragten übergeben worden. Die Kosten für die Überführung habe die Klägerin getragen (Bericht der Steuerfahndungsstelle KP. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 8, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004”).
Bei den Durchsuchungen wurden u.a. auch Blanko-Ausfertigungen einer Erklärung in italienischer Sprache (Dichiarazione) sichergestellt, wonach der – nach Auffassung der Steuerfahndung: angebliche – Abnehmer „MO.” jeweils bestätigt, „das Fahrzeug” erhalten und seine umsatzsteuerlichen Verpflichtungen aus dem innergemeinschaftlichen Kauf des Fahrzeugs erfüllt zu haben. Diese Erklärungen seien in Italien (gemäß Artikel 38/4 der italienischen Gesetzesverordnung Nr. 331 vom 30. August 1993) bei der Zulassung von Fahrzeugen, die von einem Importeur gekauft wurden, erforderlich (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle KP. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 19, Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004”).
Ferner fand die Steuerfahndung bei den Durchsuchungen eine sog. Schwarzgeldliste für den Zeitraum Januar bis Mai 2003. Nach Auffassung der Steuerfahndung würden sich aus dieser nicht nur die wahren Abnehmer der Klägerin und die Entgelte, die W.E. für seine Dienstleistungen erhielt bzw. einbehalten durfte, ergeben. Vielmehr ergebe sich aus dieser auch noch, dass die Klägerin tatsächlich höhere Verkaufserlöse erzielt habe, als ihre Gesellschafter in den Rechnungen an die Scheinabnehmer fakturiert und im Kassenbuch aufgezeichnet hätten. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung seien auch schon vor 2003 Schwarzgelder vereinnahmt worden (vgl. Bericht der Steuerfahndungsstelle KP. über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 25 f., Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004”).
Wegen weiterer Einzelheiten der Fahndungsfeststellungen wird auf den Bericht der Steuerfahndung über ihre steuerlichen Feststellungen vom 16. Dezember 2003/16. März 2004 (Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004”) sowie auf den bereits erwähnten Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004 (Akte „Steufa-Bericht”), einschließlich der dort dargestellten 15 Fallbeispiele, sowie die hierzu vom FA vorgelegten Aktenbände „Fallbeispiele 1-15 …” und „Fahrzeug-Unterlagen” verwiesen.
Aufgrund ihrer tatsächlichen Feststellungen kam die Steuerfahndung zu dem Ergebnis dass im Streitzeitraum nicht nur die Buchführung der Klägerin nicht ordnungsgemäß gewesen sei, sondern dass sie auch zu Unrecht sowohl die Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr.1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs.1 UStG (innergemeinschaftliche Lieferungen) als auch nach § 4 Nr.1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG (Ausfuhrlieferungen) in Anspruch genommen habe (vgl. insoweit wegen der Einzelheiten den Bericht über das steuerstrafrechtliche Ermittlungsergebnis vom 17. März 2004, Seite 31 ff., Bl. 1 ff. der Betriebsprüfungsakte „Bericht vom 17.03.2004” sowie den Bericht über die steuerlichen Feststellungen vom 16. Dezember 2003/16. März 2004, Seite 32 ff., Akte „Steufa-Bericht”).
Das Finanzamt folgte den Fahndungsfeststellungen und erließ demgemäß nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 jeweils vom 22. März 2004 (Bl. 1 ff. der Umsatzsteuerakte „Geänderte USt-Bescheide 2000 – 2001 – 2002”) sowie ebenso geänderte Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Juni 2003, jeweils vom 31. März 2004 (Akte „Geänderte USt-Vz-Festsetzungen”), als auch einen erstmaligen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für Juli 2003 ebenfalls vom 31. März 2004 (Akte „Geänderte USt-Vz-Festsetzungen”). Mit dem Letzteren wurde eine Umsatzsteuervergütung in Höhe von 6.168,31 EUR festgesetzt.
Für den Streitzeitraum ergaben sich danach die folgenden Umsatzsteuer-Nachzahlungsbeträge (alle Beträge in EUR; ohne Zinsen):
2000 2001 2002 1/2003 2/2003 3/2003 4/2003 5/2003 6/2003
xxx.xxx xxx.xxx xxx.xxx x.xxx xx.xxx xx.xxx xx.xxx xx.xxx xx.xxx
Die hiergegen für die Klägerin rechtzeitig eingelegten Einsprüche waren erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzamt im Wesentlichen aus:
Wie sich aus dem Steuerfahndungs-Bericht vom 16. März 2004 ergebe, liege hinsichtlich nahezu sämtlicher Fahrzeuglieferungen kein ordnungsgemäßer Verbringungsnachweis vor. Dies führe bereits für sich zur Versagung der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen. Daneben scheitere die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen auch daran, dass die wirklichen Abnehmer der Fahrzeuglieferungen von der Klägerin nicht benannt worden seien. Materiellrechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen sei der buchmäßige Nachweis der richtigen Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer des wirklichen Abnehmers (§ 17c Abs.1 Satz 1 UStDV). Dass diese Voraussetzung nicht erfüllt sei, ergebe sich aus den in den Steuerfahndungsberichten dargestellten Fallbeispielen sowie aus den von der Steuerfahndung sichergestellten Unterlagen.
Ob es sich bei den von der Klägerin vorgeschobenen Abnehmern um „Scheinfirmen” gehandelt habe oder nicht, sei steuerlich nicht entscheidend. Entscheidend sei lediglich, dass diese Abnehmer nicht die tatsächlichen Abnehmer, sondern „Scheinabnehmer” gewesen seien. Deshalb könne sich die Klägerin auch nicht auf die Gutglaubensvorschrift des § 6a Abs.4 UStG stützen. Wenn sie meine, es genüge, dass der angebliche innergemeinschaftliche Abnehmer über eine wirksame Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer verfüge, unterliege sie einem Irrtum.
Hiergegen richtet sich die vorliegende, am 9. August 2004 erhobene Klage.
3. Das Landgericht (LG) KP. verurteilte die Gesellschafter der Klägerin am 30. September 2004 wegen gemeinschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (…, Bl. 40 ff. des Anlagenbands zum Verfahren 12 V 85/04). Im Rahmen der Hauptverhandlung hatten die Gesellschafter der Klägerin nach den Ausführungen des LG zuvor ein umfassendes Geständnis abgelegt (vgl. insoweit auch das Protokoll zur Hauptverhandlung vor dem LG KP. vom 27. September 2004, Bl. 244 ff. der Akte „Unterlagen zum AdV-Antrag”). Insoweit führt das Urteil zum Sachverhalt u.a. aus:
„Den Angeklagten war bei dieser Vorgehensweise bewusst, dass die italienischen Autohäuser – also ihre wirklichen Kunden und Abnehmer – auf diese Weise die Bezahlung der in Italien anfallenden Erwerbsumsatzsteuer umgingen, indem sie sich von im Einzelfall nicht feststellbaren Personen oder Firmen, in erster Linie von dem gesondert verfolgten W.E., inneritalienische Rechnungen, in denen der an die Angeklagten bezahlte Kaufpreis als Bruttokaufpreis aufgeführt und die italienische Umsatzteuer ausgewiesen wurde, für ihre Buchhaltung ausstellen ließen.”
Weiter wird unter „Beweiswürdigung” ausgeführt:
„Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der beiden Angeklagten und zum Sachverhalt beruhen auf deren Angaben. Die beiden Angeklagten haben in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt.
Sie haben anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses „R.” kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf – vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer – zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, so die Angeklagten weiter, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser auf einem den Angeklagten nicht im einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten. Tatsächlich wurden einzelne solcher fingierter Rechnungen […] bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der Angeklagten auch aufgefunden.”
Das landgerichtliche Urteil wurde in der Revisionsinstanz vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 12. Mai 2005 (Umsatzsteuerakte „ Urteil des BGH vom 12.05.05 ”) unter ausdrücklicher Bezugnahme auf „das in der Hauptverhandlung abgelegte umfassende Geständnis” bestätigt.
Auf beide Urteile wird ergänzend Bezug genommen.
4. Gleichwohl erhielt die Klägerin ihre Klage aufrecht. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen vor, bei ihr seien „sämtliche kaufmännischen Unterlagen geordnet vorhanden” gewesen und „auf Anforderung uneingeschränkt ausgehändigt worden”.
Für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen sei allein der Umstand entscheidend, dass Ware in ein „Drittland” geliefert werde. Auf die Erfüllung der von dem Beklagten geforderten Nachweise komme es demnach in materiellrechtlicher Hinsicht nicht an. Bei den von der Steuerfahndung fälschlicherweise als Scheinabnehmer bezeichneten Firmen handele es sich zudem in Wahrheit um ihre vier „Gebietsimporteure”, wohingegen die laut Steuerfahndung als tatsächliche Abnehmer bezeichneten Firmen die italienischen Kunden der „Gebietsimporteure” gewesen seien. Den Letzteren sei von ihr, der Klägerin, Kunden- bzw. Gebietsschutz eingeräumt worden. Eine schriftliche Vereinbarung hierüber liege jedoch nicht vor. Die Geschäftsidee der Klägerin habe von Anfang an nachgerade darin bestanden, „sich auf ausgesuchte Stützpunkthändler zu konzentrieren”.
Dem stehe nicht entgegen, dass die ausgelieferten Fahrzeuge im verkürzten Leistungsweg an den Endbesteller ausgeliefert worden seien. Die Kosten hierfür habe nach den vertraglichen Vereinbarungen die Klägerin zu tragen gehabt, weshalb diese Kosten auch entsprechend aufwandswirksam geltend gemacht worden seien.
Die Lieferungen seien nach den Grundsätzen des Streckengeschäfts (bzw. Reihengeschäfts) im verkürzten Leistungsweg an Personen in der Lieferkette abgewickelt worden. Die Schlussfolgerungen, welche die Steuerfahndung aus den in ihrem Bericht vom 17. März 2004 dargestellten fünfzehn Fallbeispielen ableite, seien unzutreffend. Für die Meinung der Steuerfahndung sprächen auch nicht angebliche Vorteile, die mit der von ihr vermuteten Handhabung verbunden gewesen seien. Die „umsatzsteuerliche Empfängersteuer des italienischen Gebietsimporteurs” sei für diesen „gleichermaßen zum Vorsteuerabzug zugelassen”. Bei „Durchrechnung der Allphasenumsatzsteuer” ergebe sich „bei der gemutmaßten Handhabung kein steuerlicher bzw. wirtschaftlicher Vorteil”.
Die Klägerin habe zwar „mit Offerten unterschiedlicher Art” einen unbestimmten Abnehmerkreis in Italien beworben; die konkreten Einzelgeschäfte hätten aber „gleichwohl vor dem Hintergrund einer kundenschutzähnlichen Abrede” über die italienischen Importeure abgewickelt werden müssen, die diese dann im Rahmen der Lieferkette an die Endabnehmer ausgeliefert hätten. Dem trügen die „vertraglichen Konstellationen (nachgeschaltete Kaufverträge) Rechnung”. Hieran ändere sich rechtlich auch dadurch nichts, dass in Einzelfällen die Dritten die „Kontraktanbahnungen” mit der Klägerin bewirkt hätten und dass die Klägerin mit den Dritten über „Konditionen des Endkaufpreises verhandelt und diese Verhandlungen auch in ihren Unterlagen dokumentiert hat”. Die Klägerin habe nicht zuletzt aufgrund der exzellenten Beherrschung der italienischen Sprache durch ihre Gesellschafter in Italien Kunden akquiriert, jedoch bei Vertragsreife die Abwicklung ihren vier italienischen Abnehmern überlassen. Es sei durchweg zum Abschluss von zwei Liefergeschäften gekommen, wobei der Einkaufspreis des Importeurs, den dieser an die Klägerin zu zahlen hatte und der in deren Ausgangsrechnung erfasst gewesen sei, „insoweit durchweg unter dem mit dem Dritten verhandelten Preis” gelegen habe. Dabei spiele die Bezeichnung dieser „Handelsmarge keine Rolle”.
Eine derartige Verkaufspolitik sei keineswegs ungewöhnlich. Beispielsweise würden auf diese Weise in Deutschland der „ganz überwiegende Marktanteil in Sanitärprodukten” vertrieben. In dieser Branche verkaufe der Großhandel, welcher werbe und Ausstellungen bereithalte, an Handwerker, welche ihrerseits an die Endkunden lieferten und die Gegenstände bei diesen einbauten. Die Personen bzw. Firmen, „denen die Fahrzeuge tatsächlich ausgehändigt” worden seien, hätten „ausdrücklich nicht in rechtsgeschäftliche Beziehungen zur Klägerin treten” wollen. Vielmehr hätten sie darauf bestanden, „daß die Lieferverhältnisse, die sie betrafen, mit einem italienischen Vertragspartner, mithin dem Gebietsimporteur, zustande gekommen waren”.
Vielleicht würde die Kl ägerin „von Fall zu Fall” auch die Möglichkeit gehabt haben, mit einzelnen „Endabnehmern” direkt Kontrakte abzuschließen. Sie würde dann allerdings Gefahr gelaufen sein, ihre wichtigen Kunden, die „Gebietsimporteure”, zu verlieren.
In diesem Zusammenhang komme auch dem Umstand Bedeutung zu, dass die Klägerin bzw. der für sie handelnde Gesellschafter Y. „durchweg die Kaufpreiszahlung von den Rechnungsadressaten, mithin ihren Vertragspartnern (Gebietsimporteuren) in bar erhalten” habe, und „nicht etwa von denjenigen Personen, die das Fahrzeug (wiederum als Kunden der Gebietsimporteure) vor Ort (im Zuge der jeweiligen Direktlieferungen) übernommen hatten”. Bei vergleichbaren Konstellationen im KfZ-Handel entsprächen die Kaufpreis-Barzahlungen im unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit den jeweiligen KfZ-Auslieferungen den „(sicherlich auch gerichtsnotorischen) Usancen”. Mit dieser Vorgehensweise sei die „für die KfZ-Beschaffung auf Einkaufsseite erforderliche laufende Liquidität der Klägerin gestützt bzw. aufrechterhalten” worden.
Der zwischen der Klägerin und dem Dritten „ausgehandelte” Preis sei nicht derjenige gewesen, auf welchem der Kontraktschluss der Klägerin mit einem der vier Importeure basiert habe. Dieser Preis sei vielmehr der Lieferbeziehung des italienischen Importeurs mit seinem Kunden (eben dem Dritten) zugrunde gelegt worden. Der Einkaufspreis des Importeurs, den dieser an die Klägerin zu zahlen gehabt habe und der in deren Ausgangsrechnung erfasst worden sei, habe insoweit durchweg unter dem mit dem Dritten – teils vom Importeur, teils von der Klägerin – verhandelten Preis gelegen.
Die Tatsache, dass die Klägerin ihren Abnehmer W.E. aufgefordert habe, offen stehende Kaufpreisrechnungen zu bezahlen bzw. den ihm zustehenden Kaufpreisanteil beim Endkunden (z.B. „J.”) beizutreiben (vgl. Seite 26 des Steuerfahndungs-Berichts), unterstreiche zusätzlich die Richtigkeit des Vortrags der Klägerin und der gebotenen (hermeneutischen) Auslegung der Vertragsbeziehungen.
Aus dem Umstand, dass auf den Ausgangsrechnungen der Klägerin die Abholung der gehandelten Fahrzeuge durch die italienischen Abnehmer bescheinigt worden sei, obwohl der Gesellschafter Y. die Fahrzeuge selbst nach Italien überführt habe, könnten keine Nachteile zu Lasten der Klägerin abgeleitet werden. Zum einen sei der Gesellschafter Y. insoweit als Beauftragter der Abnehmer tätig gewesen. Deshalb sei die Überführung der Fahrzeuge nach Italien, ohne dass es im Ergebnis darauf ankäme, „sehr wohl als Abholvorgang in materieller umsatzsteuerlicher Sicht zu werten. Dass die Überführungskosten vereinbarungsgemäß von der Klägerin zu tragen gewesen seien, da für die Lieferungen „frei Empfangsort” vereinbart gewesen sei, ändere daran nichts. Zum anderen komme diesem Umstand auch im Hinblick auf die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 4 Nr.1 Buchst. b, § 6a Abs.1 UStG keine Bedeutung zu, da entscheidend sei, dass die Fahrzeuge tatsächlich nach Italien geliefert worden seien und die Sachherrschaft an ihnen übertragen worden sei, was unstreitig sei.
Auch § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) verlange lediglich den Belegnachweis, dass die Lieferantin oder deren Abnehmer „den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert …” hätten. Die erforderlichen Aufzeichnungen im Sinne des § 6a UStG i.V.m. §§ 17a, 17c UStDV, aus denen der Bestimmungsort der Fahrzeuge, der Tag der Lieferung und die mit dem Transportvorgang befassten Personen ersichtlich seien, ferner das in Rechnung gestellte Entgelt sowie die Bezeichnung der durch Selbstantrieb verbrachten Fahrzeuge, lägen in allen Fällen vor.
Die Gesellschafter der Klägerin hätten auch keine wie auch immer gearteten – für ihren Geschäftsverkehr oder für steuerliche Zwecke relevanten – Unterlagen verheimlicht oder unterdrückt bzw. Handelsbriefe aus der Buchhaltung entnommen.
Bei den von der Steuerfahndung als „Angebote” angesehenen Schriftstücken (vgl. Steuerfahndungs-Bericht vom 17. März 2004, Seite 20 vorletzter Absatz) habe es sich entgegen der Ansicht des FA nicht um Handels- bzw. Geschäftsbriefe, sondern ausnahmslos um Werbeaktionen bzw. Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin bzw. um die „Übermittlung von Daten” an die Kunden der „Gebietsimporteure” bzw. um „Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur gehandelt. Denn nur die Klägerin sei in der Lage gewesen, „durch geeignete werbliche Maßnahmen bei den in Betracht kommenden Interessenten (von der Ebene ihrer italienischen Vertragspartner aus gesehen) entsprechende Nachfrage zu kreieren” – oder wie es in werbewirtschaftlicher Terminologie heiße: „Bedarf zu wecken und zu lenken”. Denn sie – und nur sie – habe im Verhältnis zu ihren Geschäftspartnern über entsprechende Einkaufsmöglichkeiten für durchweg höher- oder auch hochwertige Fahrzeuge verfügt. So habe es Sinn gemacht, dass sich die Klägerin eben direkt an die gewerblichen Abnehmer ihrer Geschäftspartner, die in Zwischenhändlerfunktion tätig gewesen seien, gewandt habe, mitunter auch an sonstige Adressen, die ihr als potentielle Nachfrager (auf zweiter Stufe in der Lieferantenkette) bekannt waren.
Da die Klägerin mit den beworbenen Adressaten keine Geschäftsverbindungen unterhalten bzw. Geschäftsabschlüsse getätigt habe, habe es insoweit auch „nichts aufzubewahren” gegeben.
Die „Kaufbestätigungen der betreffenden beworbenen italienischen Adressaten” hätten in keinem Fall „die Qualität irgendwelcher rechtsgeschäftlicher konstitutiver Akte im Verhältnis zur Klägerin als Vertragspartnerin” gehabt. Sie seien für diese nur insoweit von Belang gewesen, „als sie nach Kenntniserlangung davon ausgehen konnte, das Liefergeschäft mit ihrem Vertragspartner auf erster Stufe, also dem italienischen Importeur, abzuwickeln”.
Bezüglich der Letzteren habe „ein Mindestma ß an Dokumentationsumfang und gleichwertigen Kommunikationsmitteln” genügt, zumal den Gesellschaftern der Klägerin (namentlich dem (damaligen) Gesellschafter-Geschäftsführer Y. die italienischen Geschäftspartner bzw. deren Organe persönlich bekannt gewesen seien und mit diesen ein persönliches Vertrauensverhältnis bestanden habe.
Auch die Tatsache, dass die Klägerin über verschiedene Blankoausfertigungen italienischer Erklärungen (dichiarazioni) verfügt habe, könne ihr nicht zur Last gelegt werden. Insbesondere habe kein wie auch immer gearteter „guter Eindruck gegenüber einem deutschen Finanzamt erweckt” werden sollen. Die geschäftsführende Gesellschafterin X. habe im Juli 2003 Herrn S.S. um die Übermittlung einer Bestätigung in Bezug auf ein übernommenes Fahrzeug ersucht, worauf dieser (während der Urlaubabwesenheit der X. mehrere Blankoausfertigungen übersandt habe.
Der Klägerin sei geraten worden, sich durch entsprechende Formularbestätigungen weitere Gewissheit zu verschaffen, dass ihre Kunden, die „Gebietsimporteure”, ihren umsatzsteuerlichen Verpflichtungen in Italien nachkämen. Allerdings habe die Klägerin keinesfalls nachzuweisen gehabt, dass die „Gebietsimporteure” die Erwerbsbesteuerung tatsächlich durchführen bzw. für den Erwerb die Umsatzsteuer entrichtet haben (vgl. hierzu auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 29. März 1996, BStBI I 1996, 458). Die Klägerin habe also mehr getan, als ihr oblegen habe. Die Verwendung derartiger Formulare spreche nicht gegen, sondern für das steuerlich einwandfreie Verhalten der Klägerin und ihrer Gesellschafter.
Die sog. Schwarzgeldlisten seien für die umsatzsteuerliche Behandlung ohne Belang. Einzelne „Unterpreisstellungen” des Veranlagungszeitraumes 2003 indizierten keineswegs, dass die Klägerin in Wirklichkeit keine Kontrakte mit ihren Gebietsimporteuren abgeschlossen habe. Richtig sei vielmehr, „daß auch derartige Unterpreisstellungen nur vor dem Hintergrund sachlogisch denkbar seien, daß hier in einigen Fällen eben mit den Importeuren besondere Abreden getroffen wurden, die damit auch in ihrer Rolle als Kontraktpartner fungierten”.
Die „Gebietsimporteure” – nicht etwa die „Endverbraucher” – hätten die Klägerin in den „betreffenden Einzelfällen dazu gedrängt, in den Rechnungen niedrigere Preise zu fakturieren”. Im Übrigen werde die Klägerin die Rechnungen berichtigen und daraus im Rahmen ihrer Steuererklärung für 2003 die gebotenen Konsequenzen ziehen.
Bei den als „Provisionen” vom FA in Bezug genommenen Beträgen (insgesamt 160.000,–EUR im Geschäftsjahr 2003) habe es sich nicht um solche im Rechtssinn gehandelt, „sondern um die Zwischenerlöse auf der zweiten Händlerstufe (Gebietsimporteur/dessen Kunde), mithin betriebswirtschaftlich gesehen, um den Deckungsbeitrag I des Gebietsimporteurs”. Die Klägerin habe demzufolge auch keine Provisionen an ihre italienischen Kunden entrichtet, „sondern zwangsläufig und sachgerecht (betriebswirtschaftlich logisch) niedrigere Rechnungen im Vergleich zu denjenigen gestellt, mit denen die Importeure ihrerseits die jeweiligen Kunden belastet haben”. Der Klägerin seien die Preise und Kalkulationen ihrer italienischen Importeure sehr wohl bekannt gewesen.
Was die „Vorlagen” der Gesellschafter der Klägerin bei Liquiditätsengp ässen anbelange, so seien diese insoweit „in die Bresche gesprungen”, als sie die Verkaufsrechnungen an die italienischen Abnehmer von Fall zu Fall als bezahlt quittiert und das Geld „aus privater Tasche” an die Klägerin abgeführt hätten.
Die zeitversetzt gezahlten Entgelte der italienischen Abnehmer hätten sie sodann für sich behalten. Dies habe „Umwegbuchungen über Einlage- und Entnahmekonten” erübrigt. Die Erträgnisse wie freilich auch die Ausgangsrechnungen seien korrekt erfasst und belegt. Es bleibe dabei, dass das Kassenbuch „perfekt” geführt worden sei.
Selbst wenn die von der Klägerin in ihren Rechnungen ausgewiesenen Abnehmer nicht die wirklichen Abnehmer gewesen sein würden, könne sich die Klägerin auf den Vertrauensschutztatbestand des § 6a Abs. 4 UStG berufen, da den Rechnungsadressaten in allen Fällen für die jeweils in Betracht kommenden Zeiträume eine wirksame Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer zugeteilt gewesen sei. Die Klägerin habe ihren Sorgfaltspflichten genügt.
Sofern in der Lieferkette, insbesondere auch auf Seiten der Importeure, aus Sicht des italienischen Fiskus Unregelmäßigkeiten begangen worden sein sollten, sei dies nicht Sache der Klägerin, aber auch nicht Sache des deutschen Fiskus. Die Klägerin könne nicht für ein etwaiges steuerunehrliches Verhalten ihrer Vertragspartner haftbar gemacht werden.
Im Übrigen habe das FA 2001 eine zeitnahe Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 01/2000 bis 04/2001 bei der Klägerin durchgeführt, wobei sich keine Beanstandungen ergeben hätten. Nach Ansicht der Klägerin sei das FA an seine damaligen Feststellungen für den genannten Zeitraum gebunden. Dieses habe sehr wohl „einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen”.
Die Auffassung der Klägerin werde auch durch die Verurteilung ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer durch das LG KP. (Urteil der 14. Wirtschaftsstrafkammer vom 30.9.2004,) nicht relativiert. Dieses Urteil sei für das finanzgerichtliche Verfahren nicht vorgreiflich.
Die Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin hätten im Strafverfahren die tatsächlichen Verläufe wahrheitsgemäß geschildert, „ohne daß hieraus in Wirklichkeit umsatzsteuerrechtliche Sanktionen oder gar eine strafrechtliche Verurteilung hätten folgen dürfen.” Die „sogenannten Geständnisse (seien) … unter außergewöhnlichen Bedingungen vor dem Hintergrund der totalen Einbuße der persönlichen Freiheitssphäre – damit unter enormem faktischem psychischem und körperlichem Zwang … auf Grund der U-Haft – zustande gekommen”.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens führte der Klägerin-Vertreter im Vorfeld der mündlichen Verhandlung sodann aus, „in Wirklichkeit” hätten die Organe der Klägerin im Strafverfahren kein Geständnis abgelegt, aus dem sich ergeben hätte, dass ihnen bekannt gewesen sei, dass „es um die Beteiligung an steuerlich sanktionsfähigen Warenumsätzen gehen könnte oder würde”. Auch sei ihnen nicht bekannt gewesen, dass es „um Handlungen gehen könnte, die geeignet waren, die Person des Warenerwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen”. Die Organe der Klägerin hätten vielmehr „über keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme angeblich steuerlich unehrlichen Verhaltens ihrer Abnehmer” verfügt. Die Organe der Klägerin h ätten „in dem Strafverfahren keine Erklärungen (mit „Geständnisqualität”) abgegeben, die auf eine derartige, ihnen zugemessene Bewusstseinslage schließen lassen”. Er teilte weiter mit, zwischenzeitlich sei die Einstellung des Strafverfahrens gegen die im Streitfall eingebundenen Unternehmer S.S., T.Ö. und W.E. beantragt worden. Auch hierdurch werde die den Organen der Klägerin unterstellte Bösgläubigkeit widerlegt. Bei dem vermeintlichen „Geständnis” handle es sich in Wirklichkeit um eine rechtsfehlerhafte „Wertung” von Einlassungen, die niemals das Handeln bzw. Auftreten von „Scheinabnehmern” auf der Erwerberseite zum Aussageinhalt gehabt hätten. Bei den streitbefangenen Lieferungen handle es sich zudem ausnahmslos um solche im „umsatzsteuerneutralen B-to-B-Bereich (business to business)”. Für ein bewusstes Zusammenarbeiten der Gesellschafter mit ihren Geschäftspartnern, um diesen in Italien die Möglichkeit zu verschaffen, Umsatzsteuer zu hinterziehen ergebe sich „kein auch nur entfernter Anhaltspunkt”.
Die „negativen Umsatzsteuerschulden” der Klägerin müssten „entsprechend dem Begehren der Klägerin erhöht und insoweit zu deren Gunsten neu festgesetzt werden”. Da unstreitig sämtliche liefergegenständlichen Fahrzeuge nach Italien verbracht worden seien, seien in allen Fällen innergemeinschaftliche Lieferungen bewirkt worden. Insoweit sei es unerheblich, ob die für diese erstellten Verbringungsnachweise sachlich zutreffend seien oder nicht. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass die Fahrzeuge tatsächlich anlässlich des jeweiligen Transportvorgangs in den EU-Mitgliedstaat gelangt seien. „Wenn dem – wie hier insoweit unstreitig und zweifelsfrei – so ist”, seien die Lieferungen als steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln. Die Klägerin bezog sich hierbei auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH und nahm weiter Bezug auf ein vom 9. Senat des erkennenden Gerichts unter dem Aktenzeichen 9 K 408/04 am 9. Juni 2008 ergangenes Urteil, aufgrund dessen „fest” stehe, „dass die Organe der Strafrechtspflege grundsätzlich unter Verkennung der maßgeblichen steuerrechtlichen Dimensionen gegen die (vermeintlich) Verantwortlichen – im Ergebnis (ebenso) niemals wiedergutzumachende – Freiheitsstrafen verhängt haben”. Gleiches gelte hinsichtlich der Gesellschafter der Klägerin im hier anhängigen Verfahren. Da die Abwicklung von innergemeinschaftlichen Lieferungen feststehe, „durfte eine Heranziehung zur Umsatzsteuer (der Klägerin) nicht in Betracht kommen”. Damit habe sich „bei sachgerechter Behandlung der Vorgänge eo ipso wegen des Grundsatzes der Akzessorietät auch nicht die Frage nach der Haftung ihrer Gesellschafter stellen” können, die „wegen Steuerfreiheit der einschlägigen Liefervorgänge sachlogisch keine Steuerhinterziehung begehen konnten”.
Sämtliche Abnehmer der Klägerin seien gewerblich tätige, nach italienischem Recht registrierte Unternehmen mit USt-ID-Nummer gewesen, wobei die Firmen CC, UJ. und MO. ihren Fahrzeugbedarf in erheblichem Umfang auch bei einer Fa. KK GmbH (KP. –) gedeckt hätten. Die Rechnungsadressaten der Klägerin seien die echten, wirklichen Abnehmer; insoweit seien die zivilrechtlichen Vereinbarungen maßgebend. Die Rechnungsadressaten hätten den Empfang der Fahrzeuge quittiert und ausnahmslos den Kaufpreis bezahlt. Auch seien einige Fahrzeuglieferungen unbar abgewickelt worden.
Die „Kontraktpartner (Abnehmer der Klägerin)” hätten die Fahrzeuge zudem nicht etwa an italienische Endabnehmer weitergeliefert. Auch diese seien nach dem Kenntnisstand der Klägerin durchweg Zwischenhändler gewesen und hätten, soweit dies der Klägerin bekannt sei, die meisten Fahrzeuge in der weiteren Verkaufsabwicklung in Italien über Leasing-Finanzierung weiterveräußert.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte schließlich mit, dass Y., der vormalige Gesellschafter-Geschäftsführer, mit Beschluss vom 26. August 2009 „als solcher” bei der Klägerin ausgeschieden und damit nicht mehr vertretungsberechtigter Geschäftsführer derselben sei.
Auf den umfangreichen schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin sowohl im hier vorliegenden Hauptsacheverfahren als auch im Verfahren auf gerichtliche Vollziehungsaussetzung (12 V 85/04) wird ergänzend vollumfänglich Bezug genommen.
5. Gleichzeitig mit ihren Einsprüchen gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide sowie Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide bzw. gegen den erstmaligen Vorauszahlungsbescheid für Juli 2003 hatte die Klägerin beim FA am 25. März 2004 bzw. am 22. April 2004 auch die Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide beantragt. Dies wurde vom Finanzamt mit Verwaltungsakt vom 06. April 2004 und – nach einem rechtzeitigen Einspruch auch hiergegen – mit Einspruchsentscheidung vom 29. April 2004 bzw. mit Verwaltungsakt vom 04. Mai 2004 jeweils abgelehnt, da keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen würden. Die hierauf beantragte gerichtliche Vollziehungsaussetzung (Az.: 12 V 85/04) wurde mit Beschluss vom 13. Februar 2006 (Bl. 150 ff. der Gerichtsakte 12 V 85/04) abgelehnt.
6. Am 25. Juli 2008 übersandte der Beklagte den Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2003 vom 24. Juli 2008 (Bl. 195 ff. der Gerichtsakte); dieser wurde gem. § 68 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin wird auf die Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten in dem vorliegenden Verfahren ergänzend vollumfänglich verwiesen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 2. April 2004 die Umsatzsteuerbescheide für 2000, 2001, 2002 vom 22. März 2004 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 24. Juli 2008 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2000 mit ./. xxx.xxx,xx EUR, für 2001 mit ./. xxx.xxx,xx EUR, für 2002 mit ./. xxx.xxx,xx EUR sowie für 2003 mit ./. xxx.xxx,xx EUR festgesetzt wird sowie
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung beruft er sich auf die Feststellungen der Steuerfahndung vom 16. Dezember 2003/16. März 2004 (steuerliche Feststellungen) bzw. vom 17. März 2004 (steuerstrafrechtliches Ermittlungsergebnis) und trägt im Wesentlichen noch das Folgende vor:
Die Feststellungen der Steuerfahndung seien durch den Verlauf der Hauptverhandlung vor dem Landgericht KP. bestätigt worden. Dort hätten die Gesellschafter der Klägerin Angaben zur Sache gemacht und glaubhafte Geständnisse abgelegt.
Indem die Klägerin im Rahmen des Antrags auf gerichtliche Vollziehungsaussetzung selbst vortragen lasse, dass ihre Gesellschafter vor dem LG die tatsächlichen Verläufe wahrheitsgemäß geschildert hätten, gleichzeitig jedoch gegenteilige Behauptungen aufstelle, sei dies widersprüchlich. Außerdem setze sich die Klägerin zu ihrem Vorbringen in dem Verfahren 12 V 39/03 wegen Aussetzung der Vollziehung der Arrestanordnung vom 14. August 2003 in Widerspruch.
Wenn die Klägerin weiter vortragen lasse, dass die Strafkammer die Feststellungen des Finanzamts bzw. der Steuerfahndung ungeprüft zugrunde gelegt habe, ohne sich mit den umsatzsteuerrechtlichen Spezifika und den zivilrechtlichen Vorfragen in der erforderlichen Weise auseinanderzusetzen, so sei diese Behauptung falsch. Während der Verhandlung vor dem LG seien mehrere Lieferfälle im Einzelnen angesprochen worden. Dabei habe sich zweifelsfrei ergeben, dass die vorgetäuschten Abnehmer nicht die tatsächlichen Abnehmer gewesen seien, was letztendlich zum Geständnis der Gesellschafter der Klägerin geführt habe. Dieses liege dem gegen die Gesellschafter der Klägerin ergangenen Straf urteil des LG vom 30. April 2004 zugrunde. Der damaligen Verhandlung hätten auch Vertreter des Beklagten beigewohnt. Hierbei sei ein Geständnis u.a. des Inhalts abgelegt worden, dass es dem Gesellschafter Y. bekannt gewesen sei, dass W.E. nicht der tatsächliche Abnehmer gewesen sei. Die Zwischenschaltung habe ausschließlich dem Zweck gedient, inneritalienische Rechnungen zu schaffen.
Wegen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Beklagten, insbesondere vom 11. Dezember 2004, 20. Juni 2005 und 10. November 2009, verwiesen.
7. Am 16. Juli 2009 fand ein Erörterungstermin statt. Hierbei haben die Beteiligten klargestellt, dass im vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die nach Italien verbrachten Fahrzeuge, die sich aus der vom Vertreter der Klägerin zur Vorbereitung des Termins als Anlage zum Schriftsatz vom 6. Mai 2009 vorgelegten Aufstellung (Bl. 234 ff. der Gerichtsakte) ergeben, streitgegenständlich seien. Auf das diesbezügliche Protokoll (Bl. 274 ff. der Gerichtsakte) wird vollumfänglich Bezug genommen.
8. Der Sach- und Streitstand beruht auf der Gerichtsakte, den vom Beklagten vorgelegten Steuerakten (§ 71 Abs. 2 FGO), den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und den Angaben der Beteiligten im Erörterungstermin und der mündlichen Verhandlung. Die Beteiligten haben zudem ihr jeweiliges Vorbringen im gerichtlichen Vollziehungsaussetzungsverfahren 12 V 85/04 vollumfänglich zum Inhalt des hier zu entscheidenden Hauptsacheverfahrens gemacht. Der erkennende Senat hat zu dem vorliegenden Verfahren auch die Akten des unter dem Aktenzeichen 12 V 85/04 geführten gerichtlichen Aussetzungsverfahrens mit Anlagenband sowie die Akten des zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Verfahrens 12 V 39/03 wegen Aussetzung der Vollziehung der Arrestanordnung vom 14. August 2003 beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO ändert das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Die angefochtenen Bescheide sind jedoch rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Die streitgegenständlichen Fahrzeugverkäufe sind nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen gem. § 4 Nr. 1 UStG i.V.m. § 6a UStG steuerfrei.
1. Nach § 4 Nr. 1 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden (steuerbaren) Umsätzen u.a. die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a UStG) steuerfrei.
a) Eine innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn
der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG),
der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) und
der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
Der Nachweis des Vorliegens dieser Tatbestandsvoraussetzungen obliegt gemäß § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG dem Unternehmer. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist das BMF ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie der Nachweis zu führen ist. Dies ist in Gestalt der §§ 17a bis 17c der UStDV geschehen.
Bei der Lieferung eines hochwertigen PKW sind nach der Rechtsprechung des BFH an die Nachweispflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung – wie vorliegend in der überwiegenden Zahl der Fälle – ein Barverkauf zu Grunde liegt. In solchen Fällen muss der Unternehmer sich über den Namen, die Anschrift und die Vertretungsmacht des angeblichen Vertreters des Abnehmers vergewissern und entsprechende Belege vorlegen können (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81).
Im Streitfall hat die Klägerin zum Nachweis der Identität ihrer italienischen Abnehmer und der Verbringung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet quittierte Kopien ihrer Ausgangsrechnungen bereitgehalten, in welchen der jeweilige angebliche Abholer schriftlich erklärte, das betreffende Fahrzeug erhalten zu haben und dieses „in sein Land” verbringen zu wollen. Allerdings waren die Erklärungen regelmäßig schon insoweit unzutreffend, als die Unterzeichner der Erklärungen die Fahrzeuge nicht bei der Klägerin abgeholt und nach Italien befördert haben. Vielmehr hat der Gesellschafter Y. nahezu alle Überführungen persönlich durchgeführt, was auch die Kl ägerin nicht in Abrede stellt.
b) Die Klägerin weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Nachweispflichten des Unternehmers keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung sind (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl 2009 II S. 297 ff.). Demnach ist es für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG letztlich nicht entscheidend, ob in den zum Nachweis dienenden Belegen oder Aufzeichnungen der Beförderungsvorgang durch den Unternehmer oder aber durch den Abnehmer unzutreffend dargestellt ist. Kommt der Unternehmer den ihm obliegenden Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung gem. § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl 2009 II S. 297 ff.).
Danach setzt die innergemeinschaftliche Lieferung neben den Voraussetzungen in Bezug auf die Eigenschaft der Steuerpflichtigen voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 26/05, BStBl 2009 II S. 49, unter II. 1. b, m. w. Nachw.). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007, V R 26/05, BStBl 2009 II S. 49, unter II. 1. b, m. w. Nachw.).
Der Senat geht im Streitfall davon aus, dass die gelieferten Fahrzeuge tatsächlich nach Italien verbracht worden sind. Er entnimmt dies den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beteiligten. Hierbei kann der Senat offenlassen, ob Abnehmer der Fahrzeuge die von der Klägerin (dazu nachfolgend zu e)) oder die von dem Beklagten (dazu nachfolgend zu c) und d)) benannten Erwerber waren. In beiden Fällen hätten die Erwerber ganz offenkundig als Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG den gewerblichen Handel mit den erworbenen Fahrzeugen betrieben.
Dennoch hat die Klägerin im Streitfall keinen Anspruch auf die von ihr geltend gemachte, von dem Beklagten aber bestrittene Steuerbefreiung.
c) Einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist die Befreiung von der Mehrwertsteuer nämlich auch dann zu versagen, wenn die Lieferung zwar ausgeführt wurde und diese selbst nicht unmittelbar Gegenstand einer Mehrwertsteuerhinterziehung war, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligt, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen (hierzu ausführlich BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009, 1 StR 41/09, EuGH-Vorlage, juris, m. w. Nachw.). Dies gilt auch, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer aus der Sicht eines objektiven Betrachters, namentlich eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet (vgl. hierzu auch § 6a Abs. 4 Satz 1, § 25d Abs. 1 Satz 1 UStG), dies jedenfalls hätte wissen müssen. Die Lieferung von Gegenständen an einen Abnehmer im übrigen Gemeinschaftsgebiet stellt danach etwa dann keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne des § 6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in kollusivem Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuscht, um den tatsächlichen Abnehmer zu verdecken, und so an der Vermeidung der Besteuerung des Abnehmers mitwirkt (siehe auch BGH-Beschluss vom 20. November 2008 1 StR 354/08, DStR 2009, 577 ff). Hierbei kommt es nach Überzeugung des Senats nicht darauf an, ob der Abnehmer nachweisbar tatsächlich eine Steuerhinterziehung begeht oder ob dieser hierfür im Verbringungsstaat tatsächlich belangt wird. Der Unternehmer muss sich ferner – entsprechend dem Grundgedanken der §§ 166, 278 BGB – die Kenntnis seiner Gesellschafter zurechnen lassen (Senats-Urteil vom 1. Oktober 2007, 12 K 160/04, Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst 2008, 449, m. Anm. Füllsack, Revision eingelegt, Az. des BFH: XI R 78/07; vgl. ferner BFH-Urteil vom 29. Juli 2003, VII R 3/01, BFH/NV 2003, 1521, unter II. 3.; BGH-Urteil vom 27. März 2001, VI ZR 12/00, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 2535, unter II 2 a bb, je m. w. Nachw.).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall die Steuerbefreiung als rechtsmissbräuchlich zu versagen. Die Klägerin konnte – aus der Sicht eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet – erkennen, dass die innergemeinschaftlichen Erwerber sich vorbehalten hatten, die Umsatzsteuer – jedenfalls – nicht zu entrichten, die auf den Erwerb der Fahrzeuge entsteht, die sie, die Klägerin, liefern sollte. So hat die Klägerin gemeinschaftlich mit den Italienischen „Gebietsimporteuren” und den tatsächlichen Abnehmern in der „Lieferkette” einen „Zwischenerwerb” der „Gebietsimporteure” fingiert, indem durch die Rechnungsstellung vorgetäuscht wurde, die Fahrzeuge an die „Gebietsimporteure” zu liefern. Darüber hinaus war es der Klägerin auf diese Weise möglich, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, deren tatsächliche Höhe durch angebliche Zwischengewinne oder „Differenzbeträge auf der zweiten Händlerstufe” verschleiert werden sollten. Insoweit widerspricht der Vortrag der Klägerin logischen Denkgrundsätzen, wenn sie vorträgt, bei den Provisionen habe es sich um „Zwischenerlöse auf der zweiten Händlerstufe” und somit um den „Deckungsbeitrag I des Gebietsimporteurs” gehandelt.
Der mit der Vorgehensweise einher gehende Effekt von zusätzlichen Fahrzeugverkäufen vermag dagegen dieses kollusive Zusammenwirken nicht mit der Folge der Gewährung einer Umsatzsteuerbefreiung zu überlagern, da dieser Effekt gerade und ausschließlich durch das steuerunehrliche Verhalten der Beteiligten und damit durch den Missbrauch gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ermöglicht werden konnte (ausdrücklich offen gelassen in FG Baden-Württemberg – Beschluss vom 11. März 2009, 1 V 4305/08, „juris”). Ein solches kollusives Zusammenwirken lag auch offenbar weder der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 27. November 2008 (6 K 1463/08, „juris”) noch der des 9. Senats des erkennenden Gerichts (Urteil vom 9. Juni 2008, 9 K 408/04, „juris”) zugrunde.
Seine Überzeugung, dass
die Gesellschafter der Klägerin die entsprechende Kenntnis hatten oder jedenfalls hätten haben müssen und
die tatsächlichen Abnehmer verschleiert wurden, indem die Klägerin in ihren Rechnungen nicht die wirklichen Abnehmer, sondern Dritte als solche benannt hatte, indem sie unzutreffende Angaben dazu machte, wer die Fahrzeuge nach Italien verbrachte,
die Klägerin (inhaltlich) falsche Rechnungen ausstellte und
sie sich in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle auf Bargeldzahlungen einließ, ohne hierfür triftige Gründe geltend zu machen,
entnimmt der Senat im Einzelnen dem gegen die Gesellschafter der Klägerin ergangenen Urteil des LG KP… Dessen Inhalt macht sich der Senat zu eigen. Das Finanzgericht kann sich den Inhalt eines Strafurteils grundsätzlich zu eigen machen, ohne die Akten des Strafverfahrens beizuziehen und weitere Ermittlungen anzustellen (BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2008 VII B 179/08, „juris” m. w. Nachw.). Das FG darf sich die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts jedenfalls dann zu eigen machen, wenn und soweit es – wie im Streitfall der Senat – zu der Überzeugung gelangt, dass diese zutreffend sind und im finanzgerichtlichen Verfahren keine substantiierten Einwendungen gegen diese Feststellungen erhoben werden (BFH-Beschluss vom 30. Januar 2007, VII B 4/06, BFH/NV 2007, 1374, unter 2. a. E., m. w. Nachw.).
Das LG hatte mit seinem Urteil insbesondere festgestellt, dass
die Geschäftsführer der Klägerin ihre Rechnungen in keinem Fall auf die tatsächlichen Kunden und Abnehmer, sondern auf andere von ihren Kunden genannte Personen bzw. Firmen in Italien ausgestellt hatten,
sie sich, obwohl die Autos weit überwiegend von Y. nach Italien verbracht und geliefert wurden, auf den Rechnungen jeweils wahrheitswidrig bestätigen ließen, dass ein Vertreter der in den Rechnungen als Abnehmer fingierten Firmen das Fahrzeug in Deutschland übernommen habe und „in sein Land” bringen werde, und
es den Geschäftsführern der Klägerin bewusst war, dass die italienischen Autohäuser, also ihre wirklichen Kunden und Abnehmer, auf diese Weise die Bezahlung der in Italien anfallenden Erwerbsumsatzsteuer umgingen, indem sie sich inneritalienische Rechnungen, in denen der an die Klägerin gezahlten Kaufpreis als Brutto-kaufpreis aufgeführt und die italienische Umsatzsteuer ausgewiesen wurde, ausstellen ließen.
Das LG berief sich zu den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen auf die Angaben der Geschäftsführer der Klägerin und verwies darauf, dass diese in der Hauptverhandlung ein umfassendes und glaubhaftes Geständnis abgelegt hätten. Das LG führte hierzu aus, die Geschäftsführer der Klägerin hätten „anhand von zahlreichen ihnen aus den Ermittlungsakten vorgehaltenen Urkunden und Schriftstücken ausführlich, detailliert und glaubhaft dargelegt, wie sie gegen Ende des Jahres 1999 in Kontakt zum Inhaber des italienischen Autohauses „R.” kamen, wie dieser sie in die in Italien offensichtlich weitverbreiteten illegalen Geschäftspraktiken einführte, ihnen W.E. als Scheinabnehmer vorstellte und wie sie im weiteren Verlauf – vor allem mit W.E. als Kontaktmann und Scheinabnehmer – zu weiteren Autohäusern in Kontakt kamen und auch bei Verkäufen an diese jeweils W.E. bzw. andere ihnen von ihren Geschäftspartnern vorgegebene Personen oder Firmen als Scheinabnehmer in ihre Ausgangsrechnungen aufnahmen. Ihnen sei immer klar gewesen, dass es vor allem um eine Steuerhinterziehung in Italien ging und dass die Autohäuser, auf einem den Angeklagten nicht im einzelnen bekannten Wege fingierte inneritalienische Rechnungen erhielten.” Die Geschäftsführer der Klägerin hätten überdies die Abläufe ihrer Verhandlungen mit den Autohäusern geschildert, die ihre tatsächlichen Abnehmer gewesen seien.
Diese Geständnisse und Feststellungen hat die Klägerin nicht substantiiert bestritten. Deren Ausführungen hierzu sind vielmehr widersprüchlich und großteils unschlüssig.
Wenn die Klägerin im vorliegenden Verfahren (zunächst) vortragen lässt, dass die „sogenannten” Geständnisse „unter außergewöhnlichen Bedingungen vor dem Hintergrund der totalen Einbuße der persönlichen Freiheitssphäre – damit unter enormem faktischem psychischem und körperlichem Zwang … auf Grund der U-Haft –”zustande gekommen seien, handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um eine bloße Schutzbehauptung. Zum anderen ist für das finanzrechtliche Verfahren maßgebend, dass die Geständnisse die wahren tatsächlichen Umstände zutreffend wiedergeben. Hieran bestehen für den erkennenden Senat ebenso wenig Zweifel, wie sie für das LG KP. bestanden. Die Geständnisse stimmen mit den von der Steuerfahndung aufgefundenen Dokumenten und rekonstruierten EDV-Daten überein und enthalten darüber hinaus Einlassungen, etwa über die Art und Weise der Geschäftsanbahnung sowie Geschäftsabwicklung mit den wahren italienischen Abnehmern, die authentisch klingen und nicht erfunden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des LG vom 30. September 2004 , Seite 11 ff. Bezug genommen.
Letztlich sind die Geständnisse auf die im Laufe des Strafverfahrens bei den Gesellschaftern gewachsene Erkenntnis zurückzuführen, dass die vorliegenden Beweismittel allzu erdrückend sind und Geständnisse zu einer günstigen Strafzumessung beizutragen geeignet sind.
Der insoweit lediglich erfolgte pauschale Hinweis auf den mit der Untersuchungshaft einhergehenden Druck auf die Gesellschafter der Klägerin genügt diesen Grundsätzen ersichtlich nicht. Ausweislich des Protokolls zur Hauptverhandlung vor dem LG vom 30. September 2004 , wurden die Geständnisse anhand von Unterlagen, einer detaillierten Darstellung des tatsächlichen Geschehensablaufs unter Nennung der Namen der Beteiligten in sich schlüssig abgelegt. Die jetzige Darstellung der Gesellschafter der Klägerin vermag hierfür aber keine schlüssige, in sich logische Erklärung zu geben, so dass die grundsätzliche Verwertbarkeit der strafprozessualen Geständnisse auch für den erkennenden Senat bestehen blieb.
Die von den Gesellschaftern der Klägerin angegebenen Gründe für den Widerruf der Geständnisse sind zudem auch deshalb unglaubhaft, als diese Geständnisse erst im Rahmen der Hauptverhandlung, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Untersuchungshaft bereits ca. 6 Monate angedauert hatte und das Verfahrensende und damit der aus Sicht der Gesellschafter, die ja nicht von einem strafrechtlich relevanten Verhalten ausgegangen sein wollen, zu erwartende Freispruch unmittelbar bevorstand und somit weder objektiv noch subjektiv die von den Gesellschaftern der Klägerin angegebene Drucksituation tatsächlich noch bestand. Der Senat ist vor diesem Hintergrund vielmehr davon überzeugt, dass die Geständnisse vor dem Eindruck der Hauptverhandlung abgelegt wurden, als die Gesellschafter der Klägerin erkannten, dass ein Freispruch aufgrund des festgestellten Sachverhalts immer unwahrscheinlicher wurde. Das Gericht war daher vorliegend auch nicht verpflichtet, seinerseits zusätzlich Zeugen zu vernehmen, da der streitgegenständliche Sachverhalt aufgrund der eigenen Geständnisse der Gesellschafter der Klägerin bereits festgestellt war.
Dem steht auch das vom Klägervertreter in Bezug genommene Urteil des BFH vom 23. Januar 1985 I R 30/81, BStBl 1985 II S. 305 nicht entgegen. In diesem ging es um die Verwertung eines in einem anderen Verfahren erstellten Sachverständigengutachtens, welches von dem Kläger mit einem Gegengutachten angegriffen worden war und an dem der Kläger offenbar nicht aktiv beteiligt war. Im hier zu beurteilenden Fall handelt es sich jedoch um die Verwertung eigener Aussagen der Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen eines Geständnisses, so dass ein Verwertungsverbot aus dem hinter diesem Sachverhalt weit zurück bleibenden Bezugsurteil nach Überzeugung des Senats nicht abgeleitet werden kann.
Der Klägerin-Vertreter trägt nunmehr mit Schriftsatz vom 9. September 2009 erstmals vor, derartige Geständnisse seien inhaltlich nie abgelegt worden, obwohl er bisher lediglich vorgetragen hatte, die Geständnisse seien aufgrund der angeführten angeblichen Zwangssituation nicht verwertbar, ohne indes deren Inhalt zu bestreiten. Hinzu kommt weiter, dass die diesbezüglichen Feststellungen des LG – wie der Klägerin-Vertreter selbst einräumt – im Rahmen der Revision „nicht in der gehörigen Form angegriffen” wurden. Der diesbezügliche klägerische Vortrag ist daher widersprüchlich und entspricht offensichtlich nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den von dieser angegriffenen Feststellungen nämlich nicht lediglich um eine bloße Beweiswürdigung des LG, sondern um die Wiedergabe des Inhalts des Geständnisses der Geschäftsführer der Klägerin in indirekter Rede. Diese haben demnach sowohl die Einschaltung fingierter Zwischenhändler als auch deren Kenntnis über die Hintergründe hierüber positiv bestätigt. Vor diesem Hintergrund ist der Vortrag der Klägerin weder schlüssig noch nachvollziehbar, zumal es auch auf eine positive Kenntnis der Geschäftsführer oder eine tatsächliche Verurteilung der Beteiligten auf italienischer Seite letztlich nicht ankommt.
Das Gericht konnte – auch insoweit – die Erkenntnisse aus dem Strafverfahren verwerten, ohne selbst nochmals eine weitergehende Beweiserhebung zu betreiben. Zum einen ist das FG nicht verpflichtet, Auslandszeugen im Ausland zu laden. Diese müssen vom Kläger ggf. in den Termin zur mündlichen Verhandlung gestellt werden (BFH-Beschluss vom 11. November 2005 II B 101/04, BFH/NV 2006, 577 f.). Da es im vorliegenden Falle zudem erheblich auf die Glaubwürdigkeit der betroffenen Zeugen angekommen wäre, kam auch eine konsularische Vernehmung nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 20. November 2008 XI B 222/07, BFH/NV 2009, 404 f.). Zum anderen hat die Klägerin die von deren Gesellschaftern im Rahmen des Strafverfahrens abgelegten Geständnisse – wie ausgeführt – nicht hinreichend substantiiert und glaubhaft bestritten. Von einem strafprozessual abgelegten Geständnis geht für das finanzgerichtliche Verfahren eine Indizwirkung aus, die nur dadurch ausgeräumt werden kann, dass der Kläger substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, weshalb sein Geständnis zu Unrecht abgelegt worden ist (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1999 VII B 37/99, BFH/NV 1999, 1496). Dies ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 24. April 2006 VII B 78/05, BFH/NV 2006, 1668 ff., m. w. Nachw.).
Der Senat ist von der tatsächlichen Bewusstseinslage der Geschäftsführer der Klägerin im Tatzeitpunkt wie oben angegeben überzeugt. Die Möglichkeit einer entsprechenden Sicht eines Unternehmers, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwendet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 „Kittel und Ricolta Recycling” C-493/04, DStR 2006, 1274), die tatsächlichen Umstände zu erkennen, steht im Streitfall außer Frage.
d) Selbst unabhängig von den tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des LG ist der Senat im Streitfall davon überzeugt, dass die gesetzlichen Vertreter der Klägerin wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz des Empfängers beteiligten, der darauf angelegt ist, durch systematischen Steuerbetrug Mehrwertsteuer zu hinterziehen oder jedenfalls nicht zu entrichten.
Dies ergibt die Zusammenschau der von der Klägerin vorgelegten, zweifelsfrei falschen Übernahme- und Beförderungserklärungen der angeblichen Abholer, den wieder lesbar gemachten (Kauf-)Angeboten der Klägerin sowie Annahmeerklärungen der objektiv wahren Abnehmer (u.a. zu den 15 Fallbeispielen), der Tatsache, dass in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle Bargeldgeschäfte erfolgt sind, die Kunden auf der zweiten Händlerstufe aquiriert wurden, um dann angeblich Verträge mit Kunden auf der ersten Händlerstufe abzuschließen, sowie den bei den Durchsuchungen vorgefundenen weiteren Unterlagen, einschließlich der von der Gesellschafterin X. geführten sog. Schwarzgeldliste. Die Einlassung der Klägerin, bei den Angeboten an die – nach ihrer Lesart – „Kunden ihrer Gebietsimporteure” und deren Annahmeerklärungen habe es sich lediglich um Werbeaktionen bzw. Akquisitionsmaßnahmen der Klägerin bzw. um die „Übermittlung von Daten” an die Kunden der „Gebietsimporteure” bzw. um „Hinweis(e) auf eine Erwerbsmöglichkeit über den italienischen Gebietsimporteur” gehandelt, wird bereits durch den objektiven Erklärungsinhalt der fraglichen Schriftstücke widerlegt.
Wenn die Klägerin die fraglichen Fahrzeuge an ihre angeblichen Kunden (die sog. Gebietsimporteure) verkauft haben will, hierüber aber keinerlei Geschäftspapiere vorlegen kann, da diese Verkäufe ausschließlich mündlich oder telefonisch erfolgt seien, ist dies auch deshalb völlig unglaubwürdig, weil unerfindlich ist, wie diese Verkäufe angesichts der umfangreichen Beschreibungen der gehandelten Kfz nach Motorisierung, Farben und Ausstattungen sowie 17-stelligen Fahrgestellnummern ohne jegliche Dokumentation praktikabel gehandhabt worden sein sollten. Selbstverständlich haben die Klägerin und ihre Lieferanten auch beim Einkauf der von der Klägerin weiterverkauften Fahrzeuge den Kaufgegenstand und die Vertragsmodalitäten jeweils auf kaufmännische, branchenübliche Weise – regelmäßig per Fax oder E-Mail – dokumentiert.
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Klägerin in dem Verfahren wegen Arrestanordnung mit den jetzt als „Endabnehmern” bezeichneten italienischen Autohändlern nichts zu tun gehabt haben und diese auch nur teilweise gekannt haben will (vgl. S. 18 der Einspruchsbegründung vom 4. September 2003, Bl. 3 ff. der Arrestakte), während sie später angesichts der ihren Gesellschaftern vorgehaltenen Beweismittel einräumt, mit diesen sogar sog. Endverkaufspreise vereinbart zu haben. Dass die Geschäftsführer der Klägerin sogar sehr intensive Kontakte zu den „Drittabnehmern” pflegten, belegt zudem die Tatsache, dass sie diese persönlich mit Vornamen ansprachen – wie z.B. aus dem Schreiben vom 26. März 2003 an „T.” (offenbar T.C., Auto-O., A.), dem zudem im eigenen Namen ein Fahrzeug ausdrücklich mit einer Lieferfrist von 20 Tagen angeboten wurde, ersichtlich wird (Übersetzung, Bl. 155 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen”). Seitens der Firma „Auto N.” wurde mit Telefax vom 6. Februar 2001 (Fallbeispiel 3, Akte Fallbeispiele: 1-15; ebenso Bl. 65 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen”) unter Bezugnahme auf ein Telefax der Klägerin vom gleichen Tag die Kaufbestätigung über einen Porsche übersandt. Auch hieraus wird deutlich, dass die Klägerin offenbar im eigenen Namen ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat. Gleiches ergibt sich aus dem Fallbeispiel 1. Mit diesem teilt die Klägerin mit Telefax vom 30. Juni 2003 im eigenen Namen gegenüber der Firma Auto N. die Verkaufsdaten für den Kauf eines BMW zum Gesamtpreis von 83.410,–EUR mit, welcher mit Rückfax vom 3. Juli 2003 gegenüber der Klägerin zu einem Preis von 68.500,–EUR bestätigt wird (Bl. 120 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen”). Auch hieraus und aus den handschriftlich vermerkten Zahlen „69” und „68,5” wird deutlich, dass sowohl das Verkaufsangebot und die Aushandlung des konkreten Preises als auch die Annahme des Kaufangebotes gegenüber der Klägerin als Vertragspartnerin erfolgt sind. Gleiches gilt für das Telefaxschreiben vom 14. Juli 2003 (Bl. 26 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen”), mit dem die Klägerin ausdrücklich ein Angebot über einen BMW über 42.500,–EUR abgibt.
Nach dem Vortrag der Klägerin sollen allerdings die „Kaufbestätigungen der betreffenden beworbenen italienischen Adressaten” in keinem Fall „die Qualität irgendwelcher rechtsgeschäftlicher konstitutiver Akte im Verhältnis zur Klägerin als Vertragspartnerin” gehabt haben, weshalb keine Aufbewahrungspflicht bestanden habe. Die Kaufbestätigungen seien nur insoweit von Belang gewesen, als sie (die Klägerin) nach Kenntniserlangung habe davon ausgehen können, „das Liefergeschäft mit ihrem Vertragspartner auf erster Stufe, also dem italienischen Importeur, abzuwickeln”. Wäre dem so gewesen, wären diese Kaufbestätigungen dennoch nach § 147 AO aufzubewahren gewesen, da sie den Warenausgang der Klägerin dokumentierten. Hierzu steht auch in Widerspruch, dass die Klägerin z.B. mit Email vom 24. Oktober 2002 (Fallbeispiel 8, Akte „Fallbeispiele: 1-15”; außerdem: Bl. 154 der Akte „Fahrzeug-Unterlagen”) W.E. aufgefordert hat, an „Ü.” (wohl Ü.S., Inhaber bzw. Vertreter der Firma …car, L.) –”die übliche Rechnung für folgenden Neuwagen zu schreiben”. Die Tatsache, dass die Klägerin ihren angeblichen „Gebietsimporteur” und „Vertragspartner” auffordert, eine „übliche” Rechnung an einen der angeblichen „Drittabnehmer” zu schreiben, obwohl nach deren Vortrag im Klageverfahren die Klägerin zu diesem angeblich keinerlei Vertragsbeziehungen unterhalten haben will, belegt, dass diese sehr wohl unmittelbaren und entscheidenden Einfluss auf die angeblich selbständige Vertragsbeziehung zwischen „Gebietsimporteuer” und „Drittabnehmer” gehabt hatte und die Leistungsbeziehung zum „Drittabnehmer” – ausweislich der Formulierung üblicherweise – unmittelbar gesteuert und – durch den Angewiesenen – mit eigener Verfügungsmacht ausgefüllt hat. Dass die eigentlichen Verkaufsgeschäfte zu dem tatsächlich zwischen der Klägerin und den „Drittabnehmern” erfolgt sind, belegen zudem die im eigenen Namen abgegebenen, nur als solche aufzufassenden Kaufangebote der Klägerin, wie z.B. das bereits in Bezug genommene Email vom 26. März 2003 an T.C..
Auch die Ausführungen, die Abwicklung der streitgegenständlichen Liefergeschäfte im Rahmen von Bargeschäften sei zum Liquiditätserhalt der Klägerin erforderlich gewesen, überzeugt nicht, nachdem die Klägerin selbst eingeräumt hat, teilweise Kaufpreise vorverauslagt zu haben. Hinzu kommt noch, dass offenbar – wenn auch nur vereinzelt – tatsächlich Scheck- und Überweisungszahlungen erfolgt sind. Wenn die Klägerin nunmehr weiter ausführen lässt, sie habe sich „anlässlich der Auslieferung der Fahrzeuge der Kaufpreiszahlungen sicher sein” müssen, ist auch dieser Vortrag widersprüchlich, nachdem diese bislang stets ausgeführt hatte, die italienischen Geschäftspartner bzw. deren Organe seien ihr persönlich bekannt gewesen und mit diesen habe ein persönliches Vertrauensverhältnis bestanden. Gänzlich unglaubhaft werden die nunmehrigen Ausführungen der Klägerin schließlich vor dem Hintergrund, dass deren Gesellschafter bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Dokumentation und schriftliche Verträge Verkaufsrechnungen an die italienischen Abnehmer von Fall zu Fall als bezahlt quittiert und das Geld „aus privater Tasche” an die Klägerin abgeführt und somit vorverauslagt haben. Vor dem Hintergrund dieser Besonderheiten des vorliegenden Falles kommt es auf eine Zulässigkeit oder gar Branchenüblichkeit solcher Barzahlungen nicht an.
Ebensowenig überzeugend ist auch die Behauptung der Klägerin, wonach ihr Gesellschafter Y. die verkauften Fahrzeuge nicht in seiner Eigenschaft als ihr Geschäftsführer nach Italien überführt habe, sondern als Beauftragter der italienischen Abnehmer, weshalb sehr wohl Beförderungen durch die Abnehmer (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV) – und nicht durch die Klägerin, wie der Beklagte meine – vorgelegen hätten. Wäre dem nämlich so gewesen, wären die diesbezüglichen Quittungen über die Übergabe der Fahrzeuge im Inland und die Verpflichtungserklärungen, die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen, gleichwohl falsch gewesen. In diesem Fall hätte nämlich der Gesellschafter Y. als Beauftragter des jeweiligen Abnehmers die jeweilige Erklärung abgeben, d.h. auch unterschreiben müssen, was er jedoch nicht getan hat.
Der Umstand, dass die Klägerin nicht nur ungenügende, sondern inhaltlich unzutreffende Schriftstücke als angebliche Nachweise i. S. der § 17a und 17c UStDV konstruiert hat, kann nur damit erklärt werden, dass ihre Gesellschafter von vornherein beabsichtigten, die wahren tatsächlichen Umstände in steuerunehrlicher Weise zu verschleiern und statt ihrer möglichst unverfängliche Sachverhalte darzustellen.
e) Ein anderes Ergebnis ergibt sich selbst dann nicht, wenn die Klägerin in ihren Rechnungen die wirklichen Abnehmer benannt haben sollte. Dann hätte sie allem Anschein nach nicht alle Maßnahmen unternommen gehabt, die sie vernünftigerweise hätte treffen müssen, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug – sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug – einbezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2007, V R 48/04, BFH/NV 2007, 2035, unter C. 3. a, m. w. Nachw.). Bei Bargeldgeschäften besteht nämlich regelmäßig die Gefahr, dass die erzielten Einnahmen verschwiegen werden. Dies gilt insbesondere, wenn – wie im Streitfall – ganz offensichtlich nicht nur geringfügige Beträge bezahlt werden. Deshalb hätte die Klägerin allen Anlass gehabt, darauf zu bestehen, lediglich mit Buchgeld, also etwa im Wege von Überweisungen oder Verrechnungsschecks, zu bezahlen. Danach hätte sie auch Anlass gehabt, gegenüber dem Beklagten oder dem Gericht darzulegen,
weshalb sie dennoch meinte, davon ausgehen zu können, dass ihre Abnehmer die von ihnen gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer entrichten würden, und
weshalb sie nicht darauf bestanden hatte, lediglich mit Buchgeld zu bezahlen.
Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Berufung auf die Gutglaubensvorschrift des § 6a Abs. 4 UStG aus.
Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung zwar nach § 6a Abs. 4 UStG gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. Ob die Grundsätze des Vertrauensschutzes die Gewährung der Steuerbefreiung gebieten, obwohl die Voraussetzungen einer Ausfuhrlieferung im Sinne des § 6 Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind, kann ohnehin nur im Billigkeitsverfahren entschieden werden (BFH-Beschluss vom 26. März 2009, V B 179/07, juris, unter II. 1. b, bb, m. w. Nachw.).
2. Der Beklagte war auch nicht gehindert, die angefochtenen geänderten Bescheide zu erlassen.
Hierzu bedurfte es nicht einmal eines Rückgriffs auf die Änderungsnorm des § 173 Abs.1 AO (neue Tatsachen), da die Umsatzsteuererklärungen und Voranmeldungen der Klägerin für den Streitzeitraum Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden (vgl. § 164 Abs.1, 2 i. V. m. § 168 AO). Soweit es die durchgeführte Umsatzsteuerprüfung für den Zeitraum 01/2000 bis 04/2001 anbelangt, hinderte diese den Erlass der streitigen Bescheide schon deshalb nicht, weil diese nicht aufgrund der Prüfung ergangen sind. Nach Aktenlage hat das Finanzamt der Klägerin auch keine Zusage bezüglich ihrer zukünftigen Umsatzbesteuerung gemacht oder einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand geschaffen.
3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zugelassen.
Zu klären ist, ob einer Lieferung die Befreiung von der Umsatzsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt worden ist, aber wie im vorliegenden Fall aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer
wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen, oder
Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen (vgl. hierzu Art. 28 c Teil A Buchstabe a der Sechsten Richtlinie und insbesondere BGH-Beschluss vom 7. Juli 2009 1 StR 41/09, DStR 2009, 1688-1693, EuGH-Vorlage C-285/09).
zu klären ist auch, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer wie im Streitfall bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juli 2009 XI B 24/09, BFH/NV 2009, 1567).
Zu klären ist ggf. des weiteren, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, wenn der inländische Unternehmer, der die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anwendet, wie im Streitfall mindestens erkennen konnte, dass die innergemeinschaftlichen Erwerber sich vorbehalten hatten, die Umsatzsteuer – jedenfalls – nicht zu entrichten, die auf den Erwerb der Fahrzeuge entsteht, die der inländische Unternehmer liefern sollte.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.