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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 07.12.2004 – 11 K 271/00

    1. Die infolge der Aufstockung eines Gebäudes um ein zusätzliches Stockwerk und der gleichzeitigen Errichtung eines neuen Dachgeschosses anfallenden Kosten für den Neuaufbau des Daches sind als Herstellungskosten zu werten. Sie können auch nicht insoweit als Erhaltungsaufwand behandelt werden, als sie auch ohne die Aufstockung bei der Dachsanierung angefallen wären.

    2. Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die neu geschaffenen Mietwohnungen im zweiten Obergeschoss und Dachgeschoss zusammen mit den bereits bestehenden vermieteten Wohnungen im ersten Obergeschoss des vor 1900 errichteten Gebäudes ein in bautechnischer Hinsicht neues selbständiges Wirtschaftsgut „fremden Wohnzwecken dienender Gebäudeteil” bilden. Die Baumaßnahmen (Errichtung neuer tragender Außen- und Innenwände zumindest im zweiten Obergeschoss und mindestens einer neuen Geschossdecke) kommen einem Neubau des fremden Wohnzwecken dienenden Gebäudeteils gleich.


    Im Namen des Volkes

    Urteil

    wegen Einkommensteuer 1997 und 1998

    hat der 11. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 7. Dezember 2004 durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, Richter am Finanzgericht …, Richterin am Finanzgericht …, ehrenamtliche Richter …

    für Recht erkannt:

    I. Die Einkommensteuerbescheide für 1997 vom 14. März 2000 und für 1998 vom 7. November 2000 werden insoweit geändert, als die auf das neu errichtete zweite Obergeschoss und das Dachgeschoss entfallenden Herstellungskosten gemäß § 7 Abs. 5, 5 a Einkommensteuergesetz der degressiven Abschreibung unterliegen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Ermittlung der hiernach neu festzusetzenden Einkommensteuerschulden wird dem FA übertragen.

    II. Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegt.

    III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

    IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

    V. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

    Tatbestand

    Streitig ist in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998, ob die Kosten für Umbaumaßnahmen als Herstellungs- oder Erhaltungsaufwendungen zu qualifizieren sind und ob die Baumaßnahmen zur Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes geführt haben.

    Der mit seiner Ehefrau gemeinsam veranlagte Kläger ist Eigentümer eines vor 1900 erstellten, ursprünglich dreigeschossig bebauten Grundstücks in B, das er aufgrund eines notariellen Kaufvertrags vom 30. Mai 1996 für 800.000 DM erworben hatte. Im Erdgeschoss befanden sich eine fremd vermietete Gastwirtschaft und ein fremdvermietetes Büro mit einer Fläche von zusammen 120 m², im 1. Obergeschoss drei fremdvermietete Wohnungen mit einer Fläche von zusammen 108 m². Das Dachgeschoss mit einer Fläche von 61 qm (3 Zimmer, 1 Küche) war in den Streitjahren aufgrund des schlechten baulichen Zustandes unbewohnbar.

    Im Jahre 1997 nahm der Kläger erhebliche bauliche Veränderungen vor: Das bisherige Dachgeschoss wurde komplett entfernt und es erfolgte eine Aufstockung um ein weiteres Vollgeschoss sowie die Errichtung eines neuen Dachgeschosses. Hierdurch entstanden im neuen zweiten Obergeschoss zwei Wohnungen mit einer Wohnfläche von zusammen 113 m² und im Dachgeschoss ebenfalls zwei Wohnungen mit einer Wohnfläche von 104 m². Die Fertigstellung erfolgte Ende 1997. Die neuen Wohnungen wurden anschließend zu Wohnzwecken fremdvermietet.

    Unter Berufung auf den sog. „Dachgeschoss-Erlass” der Finanzverwaltung vom 10. Juli 1996 (BStBl I 1996, 689) behandelten die Kläger die Aufstockung als selbständiges Wirtschaftsgut und beanspruchten für die hierauf entfallenden Herstellungskosten (1997 = 321.929 DM und 1998 = 178.558 DM) und die anteiligen Anschaffungskosten (= 290.986 DM) degressive Abschreibungen i.H.v. 5 % gem. § 7 Abs. 5 Einkommensteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) (30.646 DM in 1997 bzw. 39.574 DM in 1998). Darüber hinaus wiesen die Kläger in ihren Steuererklärungen für die restlichen Anschaffungskosten von 329.623 DM Abschreibungen gem. § 7 Abs. 4 EStG (2,5 %) sowie Erhaltungsaufwendungen von 78.816 DM in 1997 bzw. 59.724 DM in 1998 aus. In den letztgenannten Beträgen sind Kosten für Dacharbeiten enthalten, die sich wegen der Baumaßnahmen (Entfernen des alten Daches, Herstellung eines 2. Obergeschosses und Neuerrichtung des Daches) als erforderlich erwiesen haben. Es handelt sich hierbei um Kosten der Dacheindeckung sowie Kosten für Zimmermann- und Blechnerarbeiten. Die Kläger errechneten hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von – 65.311 DM in 1997 bzw. – 165.586 DM in 1998. Wegen der Einzelheiten wird auf die Steuererklärungen der Kläger verwiesen.

    Das beklagte Finanzamt (FA) veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß.

    Aufgrund einer Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Aufwendungen für den Abriss des bisherigen Dachgeschosses sowie für dessen Wiederaufbau und die Aufstockung als nachträgliche Herstellungskosten zu behandeln seien. Ferner beurteilte es das neu geschaffene 2. Obergeschoss und das Dachgeschoss nicht als selbständiges Wirtschaftsgut, für das degressive Abschreibungen gem. § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden können, sondern gewährte lediglich – ebenso wie für die Gebäudeanschaffungskosten – lineare Abschreibungen gem. § 7 Abs. 4 EStG in Höhe von 2,5 %. Das FA errechnete hiernach für das gesamte Gebäude Abschreibungsbemessungsgrundlagen zum 31. Dezember 1997 in Höhe von 1.000.727 DM und zum 31. Dezember 1998 in Höhe von 1.170.632 DM. Erhaltungsaufwendungen wurden in Höhe von 24.933 DM (1997) bzw. in Höhe von 66.305 DM (1998) festgestellt, wobei das FA die auf die Neuherstellung des Daches und des 2. Obergeschosses entfallenden Aufwendungen den Herstellungskosten zugerechnet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 22. Dezember 1999 Bezug genommen.

    Gegen die hierauf ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 1997 vom 14. März 2000 und für 1998 vom 7. November 2000, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. – 39.356 DM (1997) bzw. – 97.625 DM (1998) festsetzten, wandten sich die Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit ihrer Klage, in deren Verlauf sie im Wesentlichen Folgendes vortragen lassen: Die sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen seien im Jahre 1997 in Höhe von insgesamt 53.884 DM anzusetzen und im Jahre 1998 um einen Betrag von 6.367 DM zu erhöhen, da das FA zu Unrecht die auf das neue Dach entfallenden Arbeiten als Herstellungskosten angesetzt habe. Entgegen der Auffassung des FA seien die gesamten Aufwendungen für das Dach nicht den Herstellungskosten zuzuordnen. Das „neue” Dach sei im Wesentlichen identisch mit dem alten Dach. Dies sei auch Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung gewesen. Die Dachform sei sowohl in den Abmessungen als auch in der Dachneigung gleich geblieben. Auch die Dachgauben seien bereits beim alten Dach vorhanden gewesen, da die Dachwohnung vor längerer Zeit bewohnt gewesen sei.

    Nach dem BFH-Urteil vom 16. Juli 1996 (IX R 34/94, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1996, 649), führe alleine das zeitliche Zusammentreffen von Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand nicht dazu, dass insgesamt Herstellungskosten vorlägen. Dies sei nur dann der Fall, wenn der Erhaltungsaufwand Bedingung für die nachträglichen Herstellungskosten sei. Bedingung für den Ausbau des Daches bzw. die Aufstockung des Gebäudes sei aber nicht ein neues Dach gewesen. Denn wäre das alte Dach in einem guten Zustand gewesen, wäre es durchaus möglich gewesen, das bestehende Dach anzuheben, um die gleichen Umbau- und Erweiterungsarbeiten durchzuführen. Da das neue Dach im Wesentlichen baugleich mit dem alten Dach sei, könne es gar nicht Voraussetzung für die durchgeführten Neubaumaßnahmen gewesen sein. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn eine neue Dachform gewählt worden wäre, um einen Dachgeschossausbau zu ermöglichen.

    Das FA habe auch zu Unrecht die Abschreibung gem. § 7 Abs. 5, 5 a EStG in Höhe von 5 v. H. nicht gewährt. Durch die Gebäudeaufstockung sei ein neues Wirtschaftsgut entstanden, für das degressive Abschreibungen beansprucht werden könne. Dem stehe nicht entgegen, dass das Wirtschaftsgut „Vermietung zu privaten Wohnzwecken” schon zuvor vorhanden gewesen sei, denn durch die Aufstockung und den Ausbau des Dachgeschosses habe sich die Substanz dieses Wirtschaftsgutes mehr als verdoppelt. Auch habe sich das äußere Erscheinungsbild des Hauses geändert. Außerdem sei gem. Abschnitt 43 Abs. 5 Einkommensteuerrichtlinien bei nachträglichen Herstellungsarbeiten an einem unbeweglichen Wirtschaftsgut von der Herstellung eines anderen Wirtschaftsguts auszugehen, wenn der angefallene Bauaufwand zuzüglich des Werts der Eigenleistung nach überschlägiger Berechnung den Verkehrswert des bisherigen Wirtschaftsguts übersteige.

    In einem Schreiben des Architekten vom 6. November 2000 hat dieser u.a. bestätigt, dass „die Dachform in den Abmessungen und die Dachneigung, genau wie das alte Dach geblieben ist. Bedingt durch die schlechte Substanz des alten Dachstuhles … war es erforderlich, die komplette Konstruktion zu erneuern. Ansonsten wäre es durchaus möglich gewesen, das alte, bestehende Dach anzuheben um die Umbau- und Erweiterungsarbeiten im 2. Obergeschoß auszuführen”.

    Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten vom 22. März 2001, 19. Juli 2001 und 17. August 2004 verwiesen.

    Die Kläger stellen den Antrag,

    die streitigen Einkommensteuerbescheide und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung zu ändern und die Einkommensteuerschuld auf 30.438 DM (= 15.562,70 Euro) in 1997 und auf 25.416 DM (= 12.995 Euro) in 1998 herabzusetzen.

    Das FA beantragt

    Klageabweisung

    und bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2000. Hierin hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (so z.B. BFH-Urteil v. 16. Juli 1996 IX R 34/94, BStBl. II 1996, 649) und der Verwaltungsauffassung (BdF-Schreiben v. 16. Dezember 1996, BStBl. I 1996, 1442) stellten die Aufwendungen für das neue Dach Herstellungskosten dar. Zur Durchführung der Aufstockung des Gebäudes habe das bisherige Dachgeschoss entfernt und anschließend durch ein neues Dach ersetzt werden müssen. Mithin lägen in den Aufwendungen für das neue Dach reguläre Herstellungskosten. Gleiches ergebe sich, sofern man in der Dacherneuerung bei einer isolierten Betrachtung Erhaltungsaufwendungen sehe. Jedenfalls bestehe insoweit ein räumlicher und zeitlicher, aber auch sachlicher Zusammenhang zwischen der Dacherneuerung und der Gebäudeaufstockung, als die Entfernung des alten Daches eine Bedingung für die Durchführung der Baumaßnahmen gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Kläger sei nicht lediglich ein zeitlicher Zusammenhang gegeben. Auch könne den Klägern nicht darin gefolgt werden, dass das alte Dach ebenso hätte nur angehoben werden können. Ferner sei unmaßgeblich, dass sich keine Änderung der Form des Daches ergeben habe. Wesentlich sei die erfolgte Herstellung eines baugleichen, aber neuen Daches.

    Hinzu komme, dass – ebenfalls entgegen dem Vortrag der Kläger – das neue Dach keinesfalls im Wesentlichen identisch mit dem alten Dach sei. Dies könne schon daraus ersehen werden, dass sich die Wohnfläche im Dachgeschoss von 61 m² auf 104 m² nahezu verdoppelt habe. Zudem sei der Bauakte zu entnehmen, dass der Einbau eines Kniestockes erfolgt sei, der zuvor nicht (Hofseite) bzw. nur in geringerer Höhe (Straßenseite) vorhanden gewesen sei. Aufgrund dessen habe sich auch eine Änderung der Dachneigung ergeben. Darüber hinaus unterscheide sich das neue Dach in konstruktiver Hinsicht wesentlich von dem alten Dach, da letzteres über 100 Jahre alt gewesen sei. Durch die Vergrößerung der Wohnfläche hätten insoweit andere Anforderungen bestanden. Schließlich zweifle das FA an, dass die im Dachgeschoss ursprünglich vorhanden gewesenen Räumlichkeiten die baurechtlichen Anforderungen an eine Nutzung zu Wohnzwecken erfüllt hätten.

    Auch die von den Klägern begehrte Abschreibung gem. § 7 Abs. 5 EStG komme nicht in Betracht. Eine degressive Abschreibung könne nicht für neu geschaffene Wohnungen gewährt werden, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit bereits vorhandenen Wohnzwecken dienenden Räumen stünden (so BFH-Urteil v. 7. Juli 1998 IX R 16/96, BStBl II 1998, 625). Baumaßnahmen zum Ausbau eines Dachbodens sowie für die Aufstockung eines Gebäudes seien nur dann Teil der erstmaligen Herstellung eines neuen, selbständigen Wirtschaftsgutes, wenn das ausgebaute und aufgestockte Dachgeschoss in einem anderen Nutzungs- und Funktionszusammenhang als das übrige Gebäude stehe. Nicht ausreichend sei dagegen, dass durch die Baumaßnahmen neuer Wohnraum geschaffen werde.

    Die erfolgte Aufstockung des Gebäudes sei kein selbständiges Wirtschaftsgut im vorbeschriebenen Sinn. Da hierdurch fremd vermieteter Wohnraum geschaffen worden und die zuvor schon vorhandenen Wohnungen im ersten Obergeschoss entsprechend genutzt worden seien, liege lediglich eine Erweiterung des diesbezüglichen Wirtschaftsgutes vor. Insoweit sei auch ein einheitlicher Nutzung- und Funktionszusammenhang gegeben.

    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

    Gründe

    I.

    Die Klage ist teilweise begründet.

    Das FA hat die Abgrenzung der Herstellungs- zu den Erhaltungsaufwendungen unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die auch vom erkennenden Senat vertreten wird, zutreffend vorgenommen (hierzu unter 1.). Soweit es allerdings die Auffassung vertritt, eine degressive Abschreibung komme für die Baumaßnahmen, die zur Herstellung der 2. Dachgeschossetage und zur Neuerrichtung des Dachgeschosses geführt haben, nicht in Betracht, kann das Gericht dem nicht folgen (hierzu unter 2.).

    1. Nach der auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltenden handelsrechtlichen Begriffsbestimmung des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) können Herstellungskosten auch Kosten für Baumaßnahmen sein, die für sich gesehen zwar als Erhaltungsmaßnahmen zu beurteilen wären, die jedoch mit reinen Herstellungsmaßnahmen in engem räumlichem, zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehen, sodass beide in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden. Ein sachlicher Zusammenhang in diesem Sinne besteht, wenn die einzelnen Baumaßnahmen bautechnisch ineinander greifen, d.h., wenn die eine Baumaßnahme durch die andere bedingt ist (BFH-Urteil vom 16. Juli 1996 IX R 34/94, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Alleine die Gleichzeitigkeit des Entstehens von Herstellungskosten mit Erhaltungsaufwendungen hat allerdings nicht zur Folge, dass die gesamten Kosten hierfür als Herstellungskosten zu werten seien. Soweit Instandsetzungsmaßnahmen nicht Bedingung für solche Baumaßnahmen sind, die als Herstellungsmaßnahmen anzusehen sind, müssen die Kosten für die Instandsetzungen als Erhaltungsaufwendungen angesehen werden.

    Hiernach sind die Kosten für den Neuaufbau des Daches als Herstellungskosten zu werten, da sie Folge der Aufstockung des Gebäudes waren. Entgegen der Auffassung der Kläger können diese Kosten auch nicht insoweit als Erhaltungsaufwand behandelt werden, als sie auch ohne die Aufstockung bei der Dachsanierung angefallen wären. Entscheidend für die Zuordnung zu den Herstellungskosten ist der tatsächliche Zusammenhang mit der Herstellungsmaßnahme. Wenn daher ein neues Dach zur Abdeckung des neu gebauten zweiten Obergeschosses errichtet werden musste, gehören dessen Kosten zu den Herstellungskosten dieser Baumaßnahme, weil die Abdeckung mit dem neuen Dach Teil der Herstellung des zweiten Obergeschosses gewesen ist. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, dass – wie vom Architekten vorgetragen – technisch eine Dachanhebung u. U. möglich gewesen wäre und die – vorherige oder nachfolgende – Sanierung des Daches dann ggf. Erhaltungsaufwand dargestellt hätte. Unabhängig davon, ob es sich hierbei um eine realistische Möglichkeit gehandelt hat, muss sich das Steuerrecht an dem tatsächlich verwirklichten Lebenssachverhalt orientieren und kann nicht theoretisch denkbare Gestaltungen seiner Beurteilung zugrunde legen.

    Auch wenn unterstellt wird, dass das neue Dach nur unwesentliche Veränderungen gegenüber dem alten Dach erfahren hat, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Neuerrichtung Bedingung der Aufstockung gewesen ist. Das Gericht ist davon überzeugt, dass angesichts des Zustandes des alten Daches die Aufstockung des Hauses sinnvollerweise nur durch vorherige Entfernung und Neuherstellung des Daches möglich gewesen ist. Die konkrete Veranlassung (auch) der Erneuerungsaufwendungen lag somit in der baulichen Erweiterung, weil diese wegen der auch vom Architekten bestätigten schlechten Substanz des Daches (Fäulnis und Wurmbefall) ohne Dacherneuerung praktisch ausgeschlossen war (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 14. Juni 2000 X B 101/99, BFH/NV 2001, 169).

    2. Dem Begehren der Kläger kann jedoch insofern entsprochen werden, als die auf die Aufstockung und das neue Dach entfallenden Herstellungskosten gem. § 7 Abs. 5, 5 a EStG degressiv abgeschrieben werden können.

    a) § 7 Abs. 5, 5 a EStG begünstigt nur den Neubau eines Gebäudes bzw. von Gebäudeteilen, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind. Durch die Aufstockung des Gebäudes und die Neuerrichtung des Daches ist unstreitig kein neues Gebäude entstanden, weil diese Baumaßnahmen dem Anwesen kein neues Gepräge im Sinne der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gegeben haben. Dies ist hiernach nämlich nur dann der Fall, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes verleihen. Diese Voraussetzung liegt insbesondere dann vor, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion (BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 175/87, BStBl II 1992, 808). Zwar gehört hiernach das komplett erneuerte Dach zu den Gebäudeteilen, die für die Nutzungsdauer eines Hauses bestimmend sind. Die Erneuerung des Daches alleine gibt jedoch dem Gesamtgebäude nicht das bautechnische Gepräge eines neuen Hauses, zumal Fundament und Außenwände keiner durchgreifenden Erneuerung unterzogen wurden (BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 X R 47/00, BFH/NV 2003, 1180). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch im Streitfall, in dem zusätzlich zur Erneuerung des Daches das Gesamtgebäude um eine Etage aufgestockt worden ist.

    b) Die neu geschaffenen Mietwohnungen im Dachgeschoss und im zweiten Obergeschoss sind auch kein als selbständiges unbewegliches Wirtschaftsgut zu qualifizierender Gebäudeteil, da sie in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit den im Zeitpunkt ihrer Herstellung zu Wohnzwecken vermieteten Wohnungen im ersten Obergeschoss des Gebäudes standen.

    aa) Nach ständiger und auch vom erkennenden Senat vertretener BFH-Rechtsprechung (grundlegend BFH-Beschluss vom 26. November 1973 GrS 5/71, BStBl II 1974, 132) ist ein Gebäude in so viele Wirtschaftsgüter aufzuteilen, wie einzelne Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Innerhalb eines bestimmten Nutzungs- und Funktionszusammenhangs ist eine weitere Aufteilung nicht vorzunehmen und zwar auch dann nicht, wenn die im selben Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehenden Räume von einander getrennt liegen. Im vorliegenden Falle stehen zum Einen die zu fremdbetrieblichen Zwecken im Erdgeschoss und zum Anderen die zu fremden Wohnzwecken vermieteten Räume im ersten Obergeschoss und die neu errichteten vier Wohnungen im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss, in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang und bilden daher jeweils ein Wirtschaftsgut. Das FA hat daher zutreffend die Aufwendungen für die neu geschaffenen Wohnungen im zweiten Obergeschoss und im Dachgeschoss als nachträgliche Herstellungskosten des selbständigen Wirtschaftsguts „fremden Wohnzwecken dienender Gebäudeteil” beurteilt (so auch BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 IX R 16/96, BStBl II 1998, 625, mit weiteren Nachweisen).

    bb) Zur Inanspruchnahme von AfA nach § 7 Abs. 5, 5 a EStG reicht es allerdings weder aus, dass neuer Wohnraum geschaffen wurde, noch dass die neu errichteten Wohnungen flächenmäßig dem selbständigen Wirtschaftsgut „fremden Wohnzwecken dienender Gebäudeteil” das Gepräge geben. Auch eine lediglich zur Nutzungs- und Funktionsänderung bzw. -erweiterung führende bauliche Umgestaltung des vorhandenen Gebäudeteils ohne Beeinträchtigung seiner wesentlichen Substanz würde nicht zur Inanspruchnahme der degressiven AfA berechtigen (BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 IX R 16/96, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Auch wenn Aufwendungen für die Instandsetzung, die Renovierung und ggf. Modernisierung dieses Gebäudeteils in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße Substanz erhaltende Bestandteilerneuerung hinaus den Gebrauchswert insgesamt erhöhen, kann eine Neuherstellung nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Generalüberholung”, angenommen werden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BStBl II 1996, 632 und vom 17. Dezember 1997 X R 54/96, BFH/NV 1998, 841 mit weiteren Nachweisen).

    Nur wenn ein Gebäudeteil infolge Abnutzung unbrauchbar geworden ist, d.h. bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit und die Nutzungsdauer des Gebäudeteils bestimmenden Teilen (wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion), wird durch das Ersetzen dieser Bauteile unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Wird nur ein einziger für die Nutzungsdauer bestimmender Bauteil erneuert, reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neuer Gebäudeteil nicht aus (BFH-Urteil vom 25. August 1999 X R 57/96, BFH/NV 2000, 186), weil in einem solchen Fall die Altbausubstanz regelmäßig nicht so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert worden sein dürfte, dass die neu eingefügten Bauteile dem hierdurch entstandenen Gebäudeteil das Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (BFH-Urteil vom 11. September 1996 X R 46/93, BStBl II 1998,94).

    cc) Bei Anwendung vorstehender Grundsätze gelangt der erkennende Senat zu der Auffassung, dass die hier durchgeführten Baumaßnahmen zur Neuherstellung des Wirtschaftsgutes „fremden Wohnzwecken dienender Gebäudeteil” geführt haben. Die neu geschaffenen Mietwohnungen im zweiten Obergeschoss und Dachgeschoss bilden zusammen mit den bereits bestehenden vermieteten Wohnungen im ersten Obergeschoss ein in bautechnischer Hinsicht neues selbständiges Wirtschaftsgut, da die Baumaßnahmen einem Neubau des fremden Wohnzwecken dienenden Gebäudeteils gleichkommen.

    Alleine die komplette Erneuerung des Daches als eines für die Nutzungsdauer auch des hier streitigen Gebäudeteils bestimmenden Bauteils würde diesem zwar nicht das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudeteiles geben (BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 X R 47/00, BFH/NV 2003, 1180). Hinzu kamen im Streitfall jedoch neue tragende Außen- und Innenwände, zumindest im zweiten Obergeschoss, und mindestens eine neue Geschossdecke. Unter Berücksichtigung der Erneuerung bzw. Neuherstellung der vorgenannten mehreren für die Nutzungsdauer entscheidenden Bauteile ist jedoch davon auszugehen, dass diese dem aus dem 1. und 2. Obergeschoss sowie dem Dachgeschoss bestehenden Grundstücksteil „fremden Wohnzwecken dienender Gebäudeteil” das bautechnische Gepräge geben.

    II.

    Die Kosten des Verfahrens waren den Beteiligten jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Diese den § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO folgende Regelung entspricht dem Maß des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.

    III.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    IV.

    Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

    V.

    Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war für notwendig zu erklären, da dem Verfahren ein Sachverhalt zugrunde lag, der in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein als einfach zu beurteilen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine Erfolg versprechende Rechtsverfolgung zu erreichen. Der Senat hält hiernach die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung).

    VorschriftenEStG 1997 § 7 Abs. 5, EStG 1997 § 7 Abs. 5a, EStG 1997 § 9 Abs. 1 S. 1, EStG 1997 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, HGB § 255 Abs. 2 S. 1