24.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112753
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Beschluss vom 29.07.2011 – 1 V 1151/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT RHEINLAND-PFALZ
BESCHLUSS
1 V 1151/11
In dem Verfahren XXX
wegen AO/FGO-Sachen; Androhung eines Verzögerungsgeldes; (Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 Abs. 3 FGO)
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - am 29. Juli 2011 durch
die Vizepräsidentin des Finanzgerichts als Vorsitzende,
den Richter am Finanzgericht
den Richter am Finanzgericht
beschlossen:
I. Der Antrag wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Gründe:
I.
Streitig ist die Androhung eines Verzögerungsgeldes.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Ausführung schweißtechnischer Arbeiten und die Arbeitnehmerüberlassung ist.
Mit Prüfungsanordnungen vom 18.05.2010 und 25.07.2010 ordnete der Antragsgegner die Durchführung einer Außen- und einer Lohnsteuer-Außenprüfung an, die am 11.10.2010 beginnen sollten. Nachdem der Antragsgegner im Rahmen dieser Prüfung mit Schreiben vom 19.11.2010 die Vorlage bestimmter Unterlagen zur Prüfung verlangt und dabei auf die bei bisheriger Beleganforderung eingetretene nicht zu rechtfertigende Verlängerung der Prüfungsdauer hingewiesen hatte, teilte der Steuerberater der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.12.2010 mit, dass diese Unterlagen noch vorgelegt würden. Er habe die Antragstellerin bereits vor Prüfungsbeginn über die Mitwirkungspflichten nach § 200 AO informiert. Mit Schreiben vom 17.01.2011 teilte der Steuerberater mit, seine Mandantin habe trotz hinreichend frühzeitiger und wiederholter Aufforderung durch ihn und seine Mitarbeiter die für die ordnungsgemäße Fortsetzung der Betriebsprüfung notwendigen Unterlagen zur Prüfung in seiner Kanzlei nicht zur Verfügung gestellt. Er habe seine Mandantin mehrfach und eindringlich auf ihre Mitwirkungspflichten hingewiesen.
Der Antragsgegner forderte sodann mit Schreiben vom 19. Januar 2011 (Bl. 192 Außenprüfungsakten) unter dem Betreff „Laufende Unternehmensprüfung (Lohnsteuer-Außenprüfung Dezember 2005 bis Juni 2010/Außenprüfung 2006 bis 2008) der S GmbH; hier: Anforderung der Belege/Unterlagen zur Fortsetzung der Prüfung“ von der Antragstellerin „zur Fortsetzung der Unternehmensprüfung ... für den Prüfungszeitraum (Lohnsteueraußenprüfung Dezember 2005 bis Juni 2010/Außenprüfung 2006 bis 2008) alle Unterlagen, insbesondere die im Schreiben des Finanzamts vom 19.11.2010 aufgeführten, zur Bereitstellung in den betrieblichen Räumen der Firma, hilfsweise im Steuerbüro H, bis zum 26.01.2011“ an. Ergänzend führte er aus:
„Sollten Sie der Aufforderung zur Vorlage vorab aufgeführter Belege/Unterlagen bis zu der gesetzten Frist nicht nachgekommen sein, beabsichtige ich ein Verzögerungsgeld von 2.500,- € festzusetzen.“
Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung (Hinweis auf Einspruch) beigefügt.
Mit Schreiben vom 20.01.2011 erhob die Antragstellerin Einspruch „gegen den Verwaltungsakt vom 19. Januar 2011 (Androhung eines Verzögerungsgeldes - gemeint wohl: Zwangsgeldes)“ und beantragte zugleich Aussetzung der Vollziehung. Der angefochtene Verwaltungsakt sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt (Verstoß gegen § 119 Abs. 1 AO), zudem erscheine die Anforderung der Unterlagen in der vorliegenden Form unverhältnismäßig, namentlich in zeitlicher Hinsicht. Denn es seien u.a. Dokumente angefordert worden, die sich nicht in ihrem Besitz befänden und deswegen noch besorgt werden müssten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 03.02.2011 wies der Antragsgegner den Einspruch zu-rück und lehnte gleichzeitig die beantragte Aussetzung der Vollziehung ab.
Die Anforderung der Unterlagen sei inhaltlich hinreichend bestimmt gewesen. Es seien alle pr üfungsrelevanten Unterlagen/Belege zur Fortsetzung der Außen- bzw. der Lohnsteueraußenprüfung bezogen auf den jeweiligen Prüfungszeitraum angefordert worden. Es handele sich fast ausschließlich um Dokumente, die bei einer turnusmäßigen Außen-prüfung standardmäßig bereitzustellen seien. Die wenigen etwas spezifischen Dokumente (betr. Fa. Si.) seien bereits mit dem Schreiben vom 19.11.2010 angefordert gewesen. Hieraus ergebe sich zugleich, dass die Anforderung der Unterlagen am 19.01.2011 in zeitlicher Hinsicht nicht unverhältnismäßig gewesen sei.
Komme der Steuerpflichtige seinen sich aus § 200 AO ergebenden Mitwirkungspflichten nicht, unvollständig oder verspätet nach, könne die Finanzverwaltung ein Verzögerungs-geld nach § 146 Abs. 2b AO festsetzen. Weil die Antragstellerin die Unterlagen nicht vor-gelegt habe, habe die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds ermessens-gerecht erfolgen können. Die Höhe entspreche mit 2.500 Euro dem gesetzlichen Mindest-betrag, eine weitere Begründung zum Auswahlermessen bezüglich der Höhe sei daher nicht erforderlich.
Mit Aktenvermerk vom 04.02.2011 (Bl. 202 Außenprüfungsakten) wies die Bp-Stelle des Antragsgegners den für die Antragstellerin zuständigen Veranlagungsbezirk „an, die Fest-setzung und Sollstellung des angedrohten Verzögerungsgelds zeitnah durchzuführen“ unter Verwendung einer mit übersandten Musterformulierung (Bl. 219 Außenprüfungsakten).
Die hiergegen am 08.02.2011 erhobene Klage (Az. des Gerichts 1 K 1150/11) und den gleichzeitig gestellten Antrag auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung begründete die Antragstellerin damit, dass es für den angefochtenen Verwaltungsakt keine Rechtsgrund-lage gebe. Bei einem Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO handele es sich um ein Druckmittel eigener Art, auf das die Vorschriften über die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht anwendbar seien. Die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds sei demzufolge rechtswidrig, weil sie im Gesetz nicht vorgesehen sei und daher eine Ermächtigungsgrundlage fehle. Die Androhung könne auch nicht in eine Anhörung nach § 90 Abs. 1 AO umgedeutet werden. Dies ergebe sich sowohl aus der Begrün-dung des Verwaltungsaktes als auch aus der Einspruchsentscheidung. Der Antragsgegner habe sich bereits bei Erlass des Verwaltungsaktes endgültig festgelegt und der Antragstellerin eine Erklärungsmöglichkeit nach § 91 Abs. 1 AO eindeutig nicht eröffnet und auch nicht eröffnen wollen.
Auch der Antragsgegner gehe nach der Einspruchsentscheidung davon aus, dass es ausschließlich um die Androhung eines Verzögerungsgelds gehe. Dies erscheine unter Berücksichtigung der BFH-Rechtsprechung auch folgerichtig, denn dieser sehe in der Anforderung von Belegen und anderen Unterlagen keinen Verwaltungsakt. Aber auch wenn Maßnahmen iSd § 200 Abs. 1 AO als Verwaltungsakte angesehen würden, würde sich deren Vollstreckung nach den §§ 328 ff AO richten, nicht nach § 146 Abs. 2b AO. Die Finanzbehörde könne demzufolge kein Verzögerungsgeld mehr verhängen. Denn dabei handele es sich um ein Druckmittel eigener Art, für das die §§ 328 ff AO nicht gelten würden. Der Behörde stehe daher nur der Weg einer Vollstreckung einer Maßnahme iSd § 200 Abs. 1 AO nach den §§ 328 ff AO offen oder aber die sofortige Festsetzung eines Verzögerungsgelds.
Könne das Ziel der Klage ausschließlich eine Maßnahme iSd § 200 Abs. 1 AO sein, läge ein inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Verwaltungsakt vor. Denn das Schreiben vom 19.01.2011 bezeichne die vorzulegenden Belege nicht ausreichend, sondern verweise auf das Schreiben vom 19.11.2010, das ebenfalls dem Bestimmtheitsgebot des § 119 Abs. 1 AO nicht genüge. So seien danach Belege sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach vorzulegen.
Zudem habe die bei Einleitung des vorliegenden Verfahrens noch nicht abgeschlossene Außenprüfung inzwischen insofern ein Ende gefunden, als der Antragsgegner gegen die Antragstellerin drei jeweils auf Schätzungen beruhende Haftungsbescheide erlassen habe. Die Festsetzung eines Verzögerungsgelds komme auch deswegen nicht mehr in Betracht.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Verwaltungsaktes des Antragsgegners vom 19. Januar 2011 über die Androhung eines Verzögerungsgeldes bis zur Bestandskraft, längstens bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung eines Urteils im Hauptsacheverfahren, auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antrag gehe angesichts dessen, dass ein Verwaltungsakt „Androhung eines Verzögerungsgelds“ nicht vorliege, ins Leere. Der Hinweis im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen mit Fristsetzung, dass im Falle der Nichtbefolgung ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden könne, sei für sich allein kein Verwaltungsakt iSd § 118 AO. Vielmehr handele es sich um einen rechtlichen Hinweis darauf, was der Gesetzgeber im Falle der Nichterfüllung der Vorlageverpflichtung durch die Steuerpflichtige als Folge daraus vorgesehen habe. Dies zeige auch die im Schreiben vom 19.01.2011 verwendete Formulierung „beabsichtige ich ein Verzögerungsgeld festzusetzen“, nicht „es wird“ festgesetzt. Es handele sich lediglich um die Gewährung rechtlichen Gehörs vor Erlass einer Sanktion. Der Antrag sei daher bezüglich der Androhung eines Verzögerungsgelds unzulässig.
Der klagefähige Verwaltungsakt „Aufforderung zur Vorlage von Belegen und Unterlagen“ werde von der Antragstellerin inhaltlich nicht angegriffen. Er sei im Übrigen rechtmäßig.
Der Senat hat die Verfahrensakten zu 1 K 1150/11 beigezogen.
II.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung liegen nicht vor.
Zwar hat der Antragsgegner mit der Einspruchsentscheidung vom 03.02.2011 eine Aus-setzung der Vollziehung ausdrücklich abgelehnt, sodass die Zugangsvoraussetzungen nach § 69 Abs. 4 FGO zunächst vorliegen.
Jedoch hat der vorliegende Antrag aus anderen Gründen keinen Erfolg.
Gemäß § 69 Abs. 3 iVm Abs. 2 S. 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken und wenn demgemäß ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der gegen den Verwaltungsakt eingelegte Rechtsbehelf Erfolg haben wird. Der Erfolg braucht dabei nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es müssen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne bestehen, dass eine Aufhebung oder Änderung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; es genügt vielmehr, dass der Erfolg des Rechtsbehelfes in dem summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist wie der Misserfolg (st. Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Beschluss vom 12. November 1992, Az.: XI B 69/92, BStBl II 1993, 263 m.w.N.; vgl. auch Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 69 FGO Rz 89 m.w.N.).
Die Erfolgsaussichten können sich nicht nur daraus ergeben, dass die Behörde in dem angefochtenen Bescheid das Recht unrichtig angewendet hat, sondern auch daraus, dass sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Voraussetzung einer rechtmäßigen Entscheidung ist die vollständige und zutreffende Erfassung und Aufklärung des Sachverhalts, über den zu entscheiden ist (vgl. Tipke/Kruse, FGO, § 69 Rz. 94). Dabei haben die Beteiligten die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht darzulegen und glaubhaft zu machen. Die Anforderungen an die Darlegungen hängen von der für das Hauptsacheverfahren geltenden objektiven Beweislast ab. Trifft den Antragsteller in der Hauptsache die objektive Beweislast, so hat er die aus seiner Sicht entscheidungserheblichen, ihn begünstigenden Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen. Mittel der Glaubhaftmachung sind neben präsenten Beweismitteln auch die eidesstattliche Versicherung des Beteiligten und Dritter, § 155 FGO iVm § 294 ZPO (BFH-Beschluss vom 17. März 1994, Az.: XI B 82/93, BFH/NV 1994, 833). Das Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ist ein selbstständiges Verfahren neben dem Verfahren über die Hauptsache; es ist ein abgekürztes, vereinfachtes, kurzes und bündiges Verfahren mit dem Ziel einer vorläufigen Entscheidung (vgl. Tipke/Kruse, FGO, § 69 Rz. 121). Als Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist es ein summarisches Verfahren, in dem wegen der grundsätzlichen Eilbedürftigkeit nur auf Basis der dem Gericht vor-liegenden Unterlagen, insbesondere der Akten der Finanzbehörde, und aufgrund präsenter Beweismittel entschieden wird (BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998, Az.: VIII B 38/98, BFH/NV 1998, 1582).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Aussetzungsantrag im Ergebnis deshalb keinen Erfolg, weil es im Streitfall ersichtlich an einem der Aussetzung der Vollziehung fähigen Verwaltungsakt fehlt.
Der Senat geht insoweit davon aus, dass sich die Antragstellerin mit dem vorliegenden Antrag ausschließlich gegen die Androhung der Festsetzung eines Verzögerungsgelds wendet. Dies ist mit hinreichender Klarheit sowohl dem ausdrücklich gestellten Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin als auch deren inhaltlichem Vorbringen zu entnehmen.
Aussetzung der Vollziehung setzt begrifflich das Vorliegen eines vollziehbaren Verwaltungsaktes voraus. Nicht vollziehbar und damit auch nicht aussetzungsfähig sind beispielsweise Wissenserklärungen oder Rechtsauskünfte einer Behörde oder auch Vorbereitungsmaßnahmen (Tipke/Kruse § 69 FGO Tz. 20). Ob ein Verwaltungsakt vorliegt und falls ja, mit welchem Inhalt, ist nach den Auslegungsgrundsätzen auszulegen, die für Willenserklärungen allgemein gelten. Maßgebend für den Inhalt der Erklärung ist nicht der innere Wille des Bearbeiters, sondern der erklärte Wille, wie ihn der Adressat von seinem Standpunkt bei verständiger Würdigung verstehen konnte (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 15. Oktober 1996, VII 552/95, EFG 1997, 447 m.w.N.).
Nach dem Empfängerhorizont der Antragstellerin handelte es sich im Streitfall bei dem Schreiben des Antragsgegners vom 19.01.2011 im Hinblick auf das Verzögerungsgeld nicht um einen Verwaltungsakt. Dieser „Androhung“, also dem Hinweis des Antragsgegners, er beabsichtige für den Fall der Nichtvorlage der Unterlagen und Belege innerhalb der gesetzten Frist ein Verzögerungsgeld festzusetzen, kommt nach der vorzunehmenden Auslegung keine Verwaltungsaktsqualität und damit auch kein aussetzungsfähiger Charakter zu. Nach dem klaren Wortlaut hat der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt ein Verzögerungsgeld gerade nicht festgesetzt - und auch nicht festsetzen wollen -, sondern lediglich auf die Folgen der Nichtvorlage der Unterlagen verwiesen und eine Absicht zum Ausdruck gebracht. Er hat damit nicht im Sinne des § 118 AO eine Regelung eines Einzelfalls getroffen, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die lediglich vorbereitende Absichtserklärung entfaltet keinerlei Rechtswirkung, sie hat keine andere Bedeutung als die, die Antragstellerin als deren Empfängerin auf einen künftig erfolgenden Verwaltungsakt hinzuweisen. Sie stellt sich als bloße Ankündigung oder das In-aussichtstellen eines Verwaltungsaktes, nicht aber als ein solcher selbst dar. Zu diesem vom Inhalt des Schreibens vom 19.01.2011 bestimmten Verständnis passt auch der Um-stand, dass der Antragsgegner das Schreiben im Hinblick auf das Verzögerungsgeld nicht als Verwaltungsakt oder Bescheid bezeichnet hat und sich auch aus dem „Betreff“ des Schreibens derartiges nicht entnehmen lässt.
Unabhängig davon, dass im Rahmen der vorzunehmenden Auslegung dem Fehlen oder dem Vorhandensein einer Rechtsbehelfsbelehrung lediglich indizielle Bedeutung für die Frage des Vorliegens eines Verwaltungsaktes zukommt (BFH-Urteil vom 19. Mai 2004, III R 18/02, BStBl II 2004, 980) und unabhängig davon, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht Bestandteil des Verwaltungsaktes ist (Tipke/Kruse § 118 AO Tz. 52), bezieht sich nach auslegender Einschätzung des Senats die dem Schreiben angefügte (Standard)-Rechtsbehelfsbelehrung ohnehin lediglich auf die Anforderung der bislang nicht vorgelegten Unterlagen und deren Bereitstellung bis zu dem genannten Termin. Die Rechtsbehelfsbelehrung erwähnt zudem ausdrücklich die „bekannt gegebene Entscheidung“. Zur Frage eines Verzögerungsgelds hat der Antragsgegner indes keine Entscheidung getroffen und auch nicht bekanntgegeben.
Nichts anderes ergibt sich aus einer vergleichenden Betrachtung der Regelungen zum Verzögerungsgeld in § 146 Abs. 2b AO einerseits und derjenigen zum Zwangsgeld in § 328 ff AO andererseits.
Das Verzögerungsgeld soll nach der Gesetzesbegründung den Steuerpflichtigen zur zeit-nahen Mitwirkung anhalten. Es steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zu dem Zwangsgeld gemäß § 328 Abs. 1, § 329 AO. Eine Verweisung auf diese Vorschriften findet sich beim Verzögerungsgeld nicht. Beide verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen. Während der Vollzug der Festsetzung eines Zwangsgelds bei Erfüllung der zwangsweise durchgesetzten Verpflichtung gemäß § 335 AO einzustellen ist und das Zwangsgeld somit präventiven Charakter besitzt, soll das Verzögerungsgeld als Druckmittel eigener Art zwar den Steuerpflichtigen auch zur zeitnahen Mitwirkung anhalten, es besitzt jedoch zugleich auch repressiven Charakter, indem es an ein vergangenes Verhalten anknüpft. Insbesondere bildet das Verzögerungsgeld gerade kein Zwangsmittel (vgl. Urteil des Finanzgerichts Schleswig-Holstein vom 01. Februar 2011, 3 K 64/10, EFG 2011, 846 m.w.N.), sondern eine eigenständige steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO), was sich bereits aus der Systematik der AO ergibt. Das Verzögerungsgeld ist auch dann zu entrichten, wenn der Mitwirkungspflicht nach seiner Festsetzung genügt worden ist. Der Maximalbetrag des Verzögerungsgelds von 250.000 Euro beträgt das Zehnfache des nach § 329 AO auf 25.000 Euro beschränkten Zwangsgelds und zeigt, dass Vorteile abgeschöpft werden sollen, die sich möglicherweise aus der Verzögerung der Mitwirkung ergeben (vgl. Beschluss des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 15. Oktober 2010, 3 V 1296/10, EFG 2011, 298 mit vielfältigen Nachweisen). Für das Zwangsgeld enthält § 332 AO das ausdrückliche gesetzliche Gebot, ein solches schriftlich anzudrohen. Das Schweigen des Gesetzgebers zu der Erforderlichkeit einer entsprechenden Androhung eines Verzögerungsgelds deutet daher darauf hin, dass eine solche für dieses nicht erforderlich ist. Eine analoge Anwendung des § 332 AO kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht, weil - wie ausgeführt - Verzögerungsgeld und Zwangsgeld nicht vergleichbar sind. Es ist nicht zu erkennen, dass das Fehlen einer solchen Regelung beim Verzögerungsgeld auf einem Versehen des Gesetzgebers beruht. Es fehlt damit an der für eine analoge Gesetzesanwendung erforderlichen planwidrigen Regelungslücke (vgl. insoweit auch den die Frage einer erneuten Festsetzung eines Verz ögerungsgelds behandelnden BFH-Beschluss vom 16. Juni 2011, IV B 120/10, DB 2011, 1616).
Handelt es sich somit bei dem Hinweis des Antragsgegners im Schreiben vom 19.01.2011 nicht um eine „Androhung“, die im Sinne der Regelungen zu den Zwangsmitteln nach § 332 AO zu verstehen ist, kommt ihr auch nicht die rechtliche Wirkung zu, die der Androhung eines Zwangsgelds als selbständigem Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung statthaft wäre, zukommt (vgl. Tipke/Kruse § 332 AO Tz. 4, 20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Für die Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz ergibt sich die Unanfechtbarkeit aus § 128 Abs. 3 FGO, da die Beschwerde nicht zugelassen worden ist, im Übrigen aus § 128 Abs. 4 FGO.