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  • 25.02.2011 · IWW-Abrufnummer 110534

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 28.10.2010 – 4 U 133/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    rechtskräftig
    Geschäftsnummer: 4 U 133/10
    12 O 68/10 Landgericht Freiburg
    Verkündet am 28. Oktober 2010
    Oberlandesgericht Karlsruhe
    4. Zivilsenat
    Im Namen des Volkes
    Urteil
    Im Rechtsstreit
    XXX
    wegen einstweilige Verfügung
    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2010 unter Mitwirkung von XXX
    für Recht erkannt:
    1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 28.06.2010 - Az. 12 O 68/10 - wird zurückgewiesen.
    2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
    Gründe
    I.
    Auf den Tatbestand wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet, da eine Revision gegen das Berufungsurteil nicht statthaft ist (§ 542 Abs.2 ZPO).
    II.
    Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der klägerische Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist jedenfalls unbegründet.
    1.
    Auf die mögliche Rechtsmissbräuchlichkeit ist nicht weiter einzugehen. Allerdings sieht der Senat durchaus Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend sachfremde Gründe für die vom Kläger verfolgten Anträge überwiegen.
    Der Kläger macht in größerer Zahl seit längerer Zeit ähnliche Anträge auf Erlass einstweiliger Verfügungen vor verschiedenen Gerichten in Deutschland anhängig. Es handelt sich bei ihm wohl um ein eher kleineres Kfz-Handelsunternehmen. Die beanstandeten Wettbewerbsverstöße der Mitbewerber bei Kfz-Angeboten sind im unteren Bereich anzusiedeln. Es ist kaum ersichtlich, dass dem Kläger aus der Unterbindung derartiger Wettbewerbsverstöße nennenswerte Vorteile bei der Veräußerung eigener Fahrzeuge über Internetplattformen erwachsen. Die Vielzahl von Unterlassungsanträgen ist auf der anderen Seite mit einem erheblichen Kostenrisiko für den Kläger verbunden.
    Einer weiteren Aufklärung - den Kläger trifft insoweit die (sekundäre) Darlegungslast für die Umstände, die gegen eine missbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sprechen (vgl. BGH, GRUR 2006, 243, 244 - MEGA SALE) - bedarf es hier aber nicht, weil der Antrag jedenfalls unbegründet ist.
    2.
    Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 8 Abs.1, 3 Abs.1, 2, 5 Abs.1 S.1, S.2 Nr.1, 5a Abs.1, Abs.2 UWG liegen nicht vor. Es liegt keine Irreführung der Verbraucher i.S.v. § 5 Abs.1 S.2 Nr.1 UWG vor. Die beanstandete Anzeige der Beklagten hat enthält keine unwahren oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über wesentlichen Merkmale der Ware wie deren Art und Beschaffenheit.
    a.
    Das Angebot auf ...de stellt eine geschäftliche Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Es wendet sich an den nach § 3 Abs. 1 UWG vor unlauteren geschäftlichen Handlungen geschützten Kreis, nämlich Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer. Im Falle eines Wettbewerbsverstoßes läge auch eine von § 3 Abs. 1, Abs.2 UWG generell vorausgesetzte spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Normadressaten vor. Außerdem wäre die Irreführung i.S.v. § 5 UWG relevant.
    b.
    Es fehlt eine Irreführung des angesprochenen Verkehrskreises.
    aa.
    Irreführend i.S.v. § 5 UWG ist eine durch irreführende Angaben in der Werbung hervorgerufene Fehlvorstellung und somit ein Auseinanderfallen von Vorstellung und Realität bei den durch die Angabe angesprochenen Verkehrskreisen. Da die Anzeige der Beklagten sich an „jedermann“ richtet - sie soll eine möglichst große Verbrauchergruppe ansprechen -, ist bei der Ermittlung des zur Beurteilung der Irreführungsgefahr angesprochenen Verkehrsverständnisses auf einen durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen, der der Werbung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt (BGH Urteil v. 07.04.2005 - I ZR 314/02 - NJW 2005, 2229-2231 - Internet-Versandhandel; Urteil v. 19.04.2001 - I ZR 46/99 - GRUR 2002, 81/83 = WRP 2002, 81 - Anwalts- und Steuerkanzlei).
    bb.
    Die Einstufung des angebotenen Pkw´s in die Fahrzeugkategorie „Jahreswagen“ beinhaltet keine Irreführung.
    Das Verständnis vom Begriff hat sich aufgrund der Marktgegebenheiten seit seiner Entstehung gewandelt. Früher wurde unter einem Jahreswagen ein gebrauchter Pkw verstanden, der von einem Werksangehörigen ein Jahr lang ab der Erstzulassung gefahren worden ist (vgl. u.a. OLG Köln NJW-RR 1989, 699). Diese Begriffsbestimmung wird zwar heute noch teilweise vertreten, ist aber nicht mehr zeitgemäß (vgl. Reinking/Eggert Der Autokauf 10.A. Rn. 1432, 1594) und entspricht nicht dem heutigen Verständnis. Beispielhaft ist im Glossar des Kodex für den Fahrzeughandel im Internet, dessen Initiatoren u.a. der ADAC e.V. und der Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes e.V. (ZDK) sind, unter dem Begriff „Jahreswagen“ ein Fahrzeug zu verstehen, dass zum Zeitpunkt der Werbung nicht älter als 24 Monate und maximal 13 Monate ununterbrochen zugelassen war, wobei sich die Zulassung auf einen Besitzer beschränken muss. Auch der Bundesgerichtshof hat zuletzt (Urteil vom 10.03.2009 - VIII ZR 34/08) zum Begriff ausgeführt, es handele sich um einen „jungen“ Gebrauchtwagen aus erster Hand, der sich hinsichtlich seines Alters von einem Neufahrzeug im Wesentlichen lediglich durch die einjährige Nutzung seit der Erstzulassung unterscheide, mithin bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung keine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweise. Die in der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009 (mit Änderungen der Richtlinie vom 17. März 2009 und vom 26. Juni 2009) - dort Ziff. 4.3 - gegebene Definition ist ebenfalls beredter Ausdruck dieses durch die tatsächlichen Marktverhältnisse bewirkten Bedeutungswandels. Danach ist ein „Jahreswagen“ ein Fahrzeug, dass zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Zulassung auf den Antragsteller/die Antragstellerin - längstens 14 Monate einmalig auf einen Kfz-Hersteller, dessen Vertriebsorganisationen oder dessen Werksangehörigen, einen Kfz-Händler, eine herstellereigene Autobank, ein Automobilvermietungsunternehmen oder eine Automobilleasinggesellschaft zugelassen gewesen ist. Mietwagen sind folglich nicht allein aufgrund dieses Umstandes von der Einstufung als Jahreswagen ausgeschlossen. Die Herkunft des Fahrzeuges ist kein bestimmendes Merkmal des Begriffes.
    Dies entspricht zwischenzeitlich auch dem Verständnis eines Durchschnittsverbrauchers, auf den hier abzustellen ist. Der Senat kann dies aus eigener Sachkunde beurteilen.
    cc.
    Die Irreführung ist auch nicht darin zu sehen, dass von der Beklagten zu der Fahrzeugkategorie „Jahreswagen“ noch in Klammern die Angabe (1 Vorbesitzer) hinzugefügt worden ist. Ein Durchschnittsverbraucher wird hieraus lediglich schließen, das im Kraftfahrzeugbrief nur 1 Halter eingetragen ist, es also keinen 2. Vorbesitzer gegeben hat (vgl. insoweit auch den bereits angesprochenen Kodex, der verlangt, dass die Zulassung auf einen Besitzer, nicht aber, dass die Nutzung auf einen oder eine geringe Anzahl von Nutzern beschränkt war).
    Das OLG Hamm (Urteil vom 20.07.2010 - I-4 U 101/10 - WRP 2010, 1275) wie auch das OLG Oldenburg (Urteil vom 16.09.2010 - 1 U 75/10) meinen zwar, die Irreführung folge in einem Fall wie dem vorliegenden daraus, dass zusätzlich zur Verwendung des Begriffs Jahreswagen auf die Anzahl der Vorbesitzer abgestellt werde, dass Fahrzeug aus erster Hand angeboten werde, ohne dass über die Art des Vorbesitzes aufgeklärt werde. Der Adressat eines solchen Angebots werde die Formulierung „1 Vorbesitzer" so verstehen, dass das Fahrzeug nicht von beliebigen Nutzern gefahren worden sei.
    Dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Der Begriff „Vorbesitzer“ bezeichnet in Bezug auf Kraftfahrzeuge nicht die Zahl der Nutzer, sondern lediglich diejenige der Halter, auf welche das Fahrzeug zugelassen war. Ein auf eine Privatperson zugelassenes Fahrzeug hat nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur einen Vorbesitzer, auch wenn es etwa von allen Mitgliedern einer mehrköpfigen Familie genutzt worden war. Gleiches gilt für ein auf einen Handwerksmeister zugelassenes Fahrzeug, dass von allen bei ihm beschäftigten Monteuren abwechselnd gefahren worden ist. Ein Durchschnittsverbraucher wird beim Kauf eines solchen Fahrzeuges beim Hinweis auf lediglich einen Vorbesitzer sich regelmäßig nicht getäuscht fühlen, wenn er außerdem erfährt, dass nicht nur der Verkäufer/Eigentümer sondern auch dessen Ehefrau und Kinder bzw. die Monteure des Handwerksbetriebes den Pkw gefahren haben. Der Begriff „1 Vorbesitzer“ signalisiert nämlich nicht, es habe nur einen oder wenige Nutzer gegeben.
    Der vom OLG Hamm angestellte Vergleich zum „Rentnerfahrzeug" überzeugt ebenfalls nicht. Denn es werden unterschiedliche Sachverhalte verglichen. Der Begriff „Rentnerfahrzeug" soll in der Tat die Vorstellung vermitteln, das Fahrzeug sei besonders schonend gefahren und pfleglich behandelt worden. Dieses Verständnis wird von dem Bild geprägt, dass sich der Verkehrskreis von Rentnern im allgemeinen macht. Ein entsprechendes Verständnis ist beim Begriff „1 Vorbesitzer“ nicht angebracht. Wie ein Fahrzeug gefahren und gepflegt worden ist, hängt nicht von der Zahl, sondern den persönlichen Eigenschaften der Nutzer ab. Dies gilt auch bei nur einem Nutzer.
    dd.
    Eine Irreführung liegt auch nicht darin, dass die Angabe „Jahreswagen“ in Bezug auf die daneben gegebene Beschaffenheit „Mietwagen“ unvollständig ist, indem die Beklagte den Verbrauchern diese Eigenschaft verschwiegen habe. Ob der Anbieter eines gewerblich genutzten Fahrzeuges, wenn er dieses in der Fahrzeugkategorie „Jahreswagen“ platziert, grundsätzlich diesen Umstand anzuzeigen hat, braucht nicht beantwortet zu werden. Denn der Beklagte kann hier unter dem allein maßgeblichen Gesichtspunkt der Irreführung nicht vorgeworfen werden, sie habe die angesprochenen Verbraucher über Herkunft und Nutzung des Fahrzeuges im Ungewissen gelassen.
    Aus dem gesamten Inhalt des Anzeige kann ein durchschnittlich informierter und verständigen Verbraucher, der der Werbung der Beklagten die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, ohne weiteres erkennen, dass es sich bei dem Angebot um ein solches eines Mietwagenunternehmers handelt. Dass die als „K. ... ... GmbH“ firmierende Beklagte für jeden Durchschnittsverbraucher erkennbar ein Mietwagenunternehmen ist, hat auch der Kläger nicht mehr angegriffen. Hinzu kommt die in diesem Zusammenhang eine Privatnutzung ausschließende Laufleistung von 42.000 km.
    Hieraus kann und muss der Durchschnittsverbraucher schließen, wenn, wie hier, keine weiteren Angaben gemacht werden, dass der angebotene Pkw ein zuvor als Mietwagen eingesetztes Fahrzeug ist. Zu Recht hebt das Landgericht darauf ab, dass Mietwagenunternehmen regelmäßig keinen Kfz.-Handel mit Fremdfahrzeugen betreiben und auch nicht die Privatfahrzeuge ihrer Mitarbeiter verkaufen, dagegen in größerem Umfang bereits nach kürzeren Nutzungszeiten die Fahrzeuge ihrer „Flotte“.
    III.
    Die Nebenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

    RechtsgebieteKfz-Handel, WettbewerbsrechtVorschriften§§ 2, 3, 5, 5a, 8 UWG