28.06.2011 · IWW-Abrufnummer 111950
Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 09.12.2010 – I-28 U 103/10
Die Nachbesserung eines behaupteten Sachmangels (hier: in bestimmten Fahrsituationen auftretendes Bremsenquietschen bei einem Sportwagen) ist fehlgeschlagen (§ 440 Satz 1 Alt. 2 BGB), wenn der Verkäufer das Fahrzeug repariert, die Instandsetzung aber unzulänglich bleibt und den beanstandeten Mangel nicht nachhaltig beseitigt. Entscheidend ist, ob der Käufer davon ausgehen darf, dass der Verkäufer nicht zu einer ordnungsgemäßen Nachbesserung in der Lage ist.
I-28 U 103/10
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. Mai 2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen "Porsche 911 GT 3" unter Berufung auf ein vom Kläger als störend beanstandetes Geräusch beim Bremsen in bestimmten Fahrsituationen.
Der Kläger erwarb das Fahrzeug im Oktober 2007 als Neuwagen von der Beklagten, einer Vertragshändlerin des Fahrzeugherstellers, zu einem Kaufpreis von 127.296,43 €. Er holte das Fahrzeug am 9. Oktober 2007 beim Fahrzeughersteller in Stuttgart ab. Auf dem Rückweg rief der Kläger bei der Beklagten an und teilte mit, dass die Bremsen quietschten. Die Beklagte gab dem Kläger die Auskunft, dass die Quietschgeräusche sich durch weiteres Fahren und Bremsen von selbst beheben würden.
Der Kläger stellte das Fahrzeug im folgenden Winter in einer Garage unter. Im Frühjahr 2008 beanstandete er, dass die Bremse extrem laut quietsche. Nach Absprache verbrachte der Kläger den Wagen am 24. April 2008 zur Instandsetzung zu der Beklagten. Den zunächst für den 2. Mai 2008 vereinbarten Abholtermin hielt die Beklagte nicht ein.
Der Kläger teilte der Beklagten durch Anwaltsschreiben vom 8. Mai 2008 mit, ihn irritiere die bisherige Abwicklung der Instandsetzung; er habe mittlerweile erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Reparaturleistungen. Mit einer Fax-Mitteilung vom 9. Mai 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Fahrzeug zur Abholung bereit stehe. Mit Schreiben vom 21. Mai 2008 gab die Beklagte dem Kläger den folgenden Überblick über die durchgeführten Arbeiten:
"1. Bremsscheiben und Bremsbeläge an der Vorderachse wurden erneuert, Anschlagbolzen am Bremssattel auf Festsitz geprüft und Bremssattel ausgerichtet.
2. Bremsscheiben und Bremsbeläge an der Hinterachse wurden erneuert, Anschlagbolzen am Bremssattel auf Festsitz geprüft und Bremssattel ausgerichtet.
3. Bremssättel an der Hinterachse wurden erneuert."
Am 22. Mai 2008 holte der Kläger das Fahrzeug bei der Beklagten ab. Bei einer rund zehn Kilometer langen Probefahrt wurden keine Quietschgeräusche beim Bremsen festgestellt.
Mit Anwaltsschreiben vom 29. Mai 2008 teilte der Kläger der Beklagten mit, nach Rückgabe des Fahrzeugs habe sich auf der Rückfahrt nach einer Fahrstrecke von 100 km das bereits zuvor bemängelte erhebliche Quietschgeräusch bei Bremsvorgängen ab einer Geschwindigkeit von 160 km/h wieder eingestellt, wobei das Geräusch nicht mehr so laut sei wie vor der Reparatur. Der Kläger erklärte, dass er nunmehr ein selbständiges Beweisverfahren einleiten werde. Er behielt sich vor, der Beklagten die M ängelbeseitigung nach den Feststellungen des Gutachters aufzuerlegen.
Am 10. Juni 2008 stellte der Kläger einen Antrag im selbständigen Beweisverfahren (1 OH 13/08 - Landgericht Arnsberg). Der beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. O führte auf der Grundlage einer vierstündigen Probefahrt in seinem Gutachten vom 21. Oktober 2008 im Wesentlichen aus, bei Bremsvorgängen aus einer Geschwindigkeit von etwa 160 bis 180 km/h, abbremsend auf etwa 120 km/h, wie es z.B. beim Wechsel vom linken auf den rechten Fahrstreifen beim Einbremsen in eine Lücke vorkommen könne, sei im Wagen ein lautes Quietschgeräusch zu vernehmen. Das Quietschgeräusch sei sicherheitsrelevant, denn es sei nicht auszuschließen, dass sich die Schwingungen der Bremse auf angrenzende Fahrzeugteile übertrügen und diese ebenfalls anfingen zu schwingen. Hierdurch könnten sich mit der Zeit Fahrzeugteile lösen.
Zu den Beseitigungskosten führte der Sachverständige aus, es sei zunächst, da er eine detaillierte Untersuchung des Bremssystems nicht vorgenommen habe, davon auszugehen, dass die derzeitige Bremsanlage eine schwingungsanregende Auslegung aufweise. Es sei ratsam, dieses schwingfähige System insgesamt gegen ein solches auszutauschen, welches besser abgestimmt sei, um ein Aufschwingen zu vermeiden. Die Kosten der Instandsetzung beliefen sich auf 6.631,51 € brutto für die Erneuerung der Bremsscheiben, der Bremssättel, der Bremsbacken und der Bremsklötze.
Der Fahrzeughersteller nahm mit Schreiben vom 11. Dezember 2008 zu dem Gutachten Stellung und führte aus, dass es abhängig von Geschwindigkeit, Bremskraft und Umgebungsbedingungen zu Bremsgeräuschen kommen könne; dies sei jedoch allenfalls ein "komfortbedingendes" Merkmal. Das Gutachten lasse mehrere Fragen aus bzw. unbeantwortet. Gleichwohl bot der Hersteller an, das Fahrzeug im Werk überprüfen zu lassen.
Die Beklagte vertrat den Standpunkt, dass die vom Sachverständigen festgestellten Schwingungen nicht sicherheitsrelevant seien. Die um die Bremsanlage herum angeordneten Bauteile nähmen Schwingungen klaglos entgegen. Bei Sportfahrzeugen sei es üblich, dass es zu solchen Bremsgeräuschen komme, die gerade wegen der Sportlichkeit von den Kunden als "systemimmanent" empfunden würden, was sie auch seien.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. O nahm in einem Ergänzungsgutachten vom 2. März 2009 zu den von der Beklagten aufgeworfenen Fragen Stellung. Darin führte er aus, es könne ohne Detailuntersuchungen am Bremssystem nicht mit letzter Sicherheit beantwortet werden, ob es sich bei dem Quietschen der Bremse lediglich um einen Komfortaspekt handele. Dies unterstellt, sei gleichwohl ein Austausch der Bremsanlage gerechtfertigt. Das eingebaute Bremssystem verursache beim Bremsen umfangreiche Stör- und Quietschgeräusche. Diese seien bei der Probefahrt durch den Sachverständigen so laut gewesen, dass sie im Innenraum mit einem herkömmlichen Diktiergerät aufnehmbar gewesen seien.
Der Kläger erklärte mit Anwaltsschreiben vom 11. Mai 2009 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er berief sich darauf, dass sich aus dem Gutachten vom 21. Oktober 2008 nebst Ergänzungsgutachten vom 2. März 2009 sicherheitsrelevante Mängel ergeben hätten. Die Reparaturmaßnahmen der Beklagten seien fehlgeschlagen. Denn laut Gutachter seien genau diejenigen Reparaturen notwendig, die die Beklagte angeblich bereits vorgenommen habe. Es sei ihm nicht zuzumuten, weiterhin Leistungen der Beklagten zu akzeptieren.
Die Beklagte nahm zum Ergänzungsgutachten Stellung, indem sie vertiefende Fragen aufwarf. Der Sachverständige Dipl.-Ing. O äußerte sich dazu in einem weiteren Ergänzungsgutachten vom 14. Oktober 2009. Er erläuterte seine Annahme, wonach es sich bei der Bremsanlage ein selbst aufschwingendes System handele. Es sei nicht ganz auszuschließen, dass sich eine Bremse in einem bestimmten Geschwindigkeitsbereich so weit aufschwinge, dass eine sogenannte "Resonanzkatastrophe" entstehe, welche die Zerstörung des schwingfähigen Systems zur Folge habe.
Der Kläger hat Klage erhoben und behauptet, dass das Fahrzeug mangelhaft sei. Ein weiterer Nachbesserungsversuch, so hat er geltend gemacht, sei ihm nicht zuzumuten. Die Beklagte habe den Abholtermin anlässlich der Reparatur im April/Mai 2008 mehrmals verschoben. Deshalb habe er das Fahrzeug erst am 22. Mai 2008 abholen können. Auf der anschließenden Rückfahrt nach Hause sei das bereits zuvor gerügte Bremsenquietschen erneut aufgetreten. Der Kläger hat vorgetragen, dass von einem Materialproblem ausgegangen werden müsse, weil Teile der Bremsen schon einmal ausgetauscht worden seien. Daher lasse ein erneuter Austausch der fraglichen Teile eine Verbesserung der technischen Situation nicht erwarten.
Die Beklagte hat geltend gemacht: Quietschgeräusche der Bremse seien bei einem Neufahrzeug normal. Diese würden sich nach einer Einfahrzeit vom mehreren hundert Kilometern von selbst geben. Die Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. O seien unzureichend und unzutreffend. Bei einem so sportlichen Fahrzeug seien auch nach der Einfahrzeit hinsichtlich der Geräusch-Kulisse beim Bremsen hohe Komfortabstriche zu machen. Abwegig sei es, wenn der Sachverständige aufgrund des Quietschens der Bremse sicherheitsrelevante Fahrzeugschäden für möglich halte. Der Abholtermin, so hat die Beklagte weiter ausgeführt, sei nur geringfügig nach hinten verschoben worden. Am 8. Mai 2008 seien die Arbeiten an der Bremse beendet gewesen. Es falle in die Sphäre des Klägers, wenn er das Auto erst vierzehn Tage später abhole. Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass der Kläger auch deshalb nicht zum Rücktritt berechtigt sei, weil er ihr nicht Gelegenheit zu einem zweiten Nachbesserungsversuch gegeben habe.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung von 126.443,54 € verurteilt (Kaufpreis abzüglich eines vom Kläger in Abzug gebrachten Nutzungswertersatzes) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Februar 2010 Zug um Zug gegen Rückgabe des "Porsche 911 GT 3". Ferner hat das Landgericht den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Wegen eines vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten Nutzungsausfalles hat es die Klage abgewiesen; dies ist nicht Gegenstand des Berufungsrechtszugs.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Das Quietschen der Bremsen stelle nach den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. O einen sicherheitsrelevanten Sachmangel dar. Auch unabhängig von der Frage der Sicherheitsrelevanz sei allein in dem wiederholten und lauten Quietschen der Bremsen angesichts des Kaufpreises von fast 130.000 € ein Mangel zu sehen, da die Komforteinbuße beträchtlich sei und der Käufer eines Fahrzeugs dieser Preiskategorie erwarten dürfe, dass ein solcher Komfortmangel nicht auftrete.
Eine weitere Fristsetzung zur Nacherfüllung sei gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3, § 440 Satz 2 BGB entbehrlich gewesen. Die Nachbesserung sei fehlgeschlagen und dem Kläger unzumutbar. Zu berücksichtigen sei, dass es der Beklagten weder bis zum ursprünglich vorgesehenen Termin am 2. Mai 2008 noch innerhalb des bis zum 8. Mai 2008 verlängerten Werkstattaufenthalts gelungen sei, den Wagen in mangelfreiem Zustand herauszugeben. Daher sei es der Beklagten zweimal misslungen, das Fahrzeug erfolgreich nachzubessern. Die Beklagte habe den Bremsschaden ferner bagatellisiert und in Abrede gestellt. Auch nachdem im selbständigen Beweisverfahren festgestellt worden sei, dass das Fahrzeug mangelbehaftet sei, habe die Beklagte den Schaden weiterhin verharmlost und keine nennenswerte Initiative gezeigt, diesen zu beseitigen. "Sie" [gemeint: der Fahrzeugsteller] habe dem Kläger zwar im Dezember 2008 angeboten, sich das Fahrzeug noch einmal ansehen zu wollen. Sie habe aber keine konkreten Angaben dazu gemacht, dass und wie sie das Fahrzeug nunmehr im zweiten Versuch erfolgreich habe nachbessern wollen. Hinzu komme, dass es sich um ein hochwertiges, fabrikneues Fahrzeug gehandelt habe, bei dem ein Käufer ein besonderes Interesse an der Mangelfreiheit habe. Der Käufer eines solchen Neufahrzeugs könne erwarten, das Fahrzeug nicht mehrfach in die Werkstatt geben zu müssen, um nach langer Zeit in den Genuss des Fahrzeugzustands zu kommen, der nach dem Kaufvertrag von Anfang an hätte vorhanden sein müssen.
Der Rücktritt sei auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB wegen Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ausgeschlossen. Dies gelte auch dann, wenn es sich beim Quietschen der Bremse lediglich um einen Komfortmangel handele. Denn die Komforteinbuße sei beträchtlich und der Kläger dürfe berechtigterweise erwarten, dass ein solcher Mangel bei einem Neufahrzeug mit einem Kaufpreis von fast 130.000 € nicht auftrete.
Mit der Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend: Das Fahrzeug sei nicht mangelhaft; ein Sachmangel sei auch im selbständigen Beweisverfahren nicht festgestellt worden. Der Sachverständige Dipl.-Ing. O habe die Sicherheitsrelevanz ohne eingehende Untersuchung des Fahrzeugs angenommen. Das Bremsenquietschen sei bei einem für niedrige Rundenzeiten ausgelegten Sportwagen auch kein Komfortmangel. Der Kläger sei zudem auch deshalb nicht zum Rücktritt berechtigt, weil eine Nachbesserung erst nach einem zweiten erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen gelte, den der Kläger ihr aber nicht eingeräumt habe.
Die Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beigezogenen Akten des selbständigen Beweisverfahrens 1 OH 13/08 - Landgericht Arnsberg, das Sitzungsprotokoll sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin über die Anhörung des Klägers und des Vertreters der Beklagten sowie des vom Senat beauftragten Sachverständigen Dipl.-Ing. C Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Abweisung der Klage insgesamt.
1. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen die Beklagte gemäß den §§ 434, 437 Nr. 2, §§ 440, 323, 346 BGB zu.
a) Das Landgericht hat einen Sachmangel nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend festgestellt.
aa) Im Hinblick auf die vermeintliche Sicherheitsrelevanz der Geräuschbildung hat bereits der Gutachter Dipl.-Ing. O betont, dass er noch eine Detailprüfung als erforderlich erachte. Der vom Senat beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. C hat zudem bei seiner Anhörung im Senatstermin erklärt, dass das Bremsenquietschen mit großer Wahrscheinlichkeit nicht sicherheitsrelevant sei, weil die Bremsanlage so gebaut sei, dass Schwingungen ohne Beschädigungen aufgenommen werden könnten. Zur Sicherheitsrelevanz des Störgeräuschs wären somit, sofern dies entscheidungstragend wäre, zusätzliche Feststellungen geboten.
bb) Das gilt auch für die unabhängig von der vermeintlichen Sicherheitsrelevanz zu beurteilende Frage, ob das vom Kläger in bestimmten Fahrsituationen beanstandete Störgeräusch, das er mit dem Quietschen eines in den Bahnhof einfahrenden Eisenbahnzuges verglichen hat, dazu führt, dass das Fahrzeug sich nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und aufgrund dessen eine Beschaffenheit aufweist, die unüblich ist und nicht der berechtigten Käufererwartung entspricht (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Zwar hat die Rechtsprechung quietschende Bremsgeräusche als Komfortmangel gewertet (OLG Schleswig, NJW-RR 2009, 1065 [OLG Schleswig 25.07.2008 - 14 U 125/07] - Mercedes Benz CLS 500; siehe auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 289). Es kann aber dahinstehen, ob - wie die Beklagte geltend macht - der Erwerber eines Sportwagens anders als etwa der Erwerber einer Limousine bzw. eines Coupés Einbußen im Hinblick auf zur sportlichen Fortbewegung nicht notwendige Komfortmerkmale hinzunehmen hat und ob dies auch für situationsbedingt quietschende Bremsgeräusche zu gelten hat. Weiterer Feststellungen zur Bewertung des Geräusches als Sachmangel bedarf es aus einem anderen Grund nicht.
b) Der vom Kläger unter dem 11. Mai 2009 erklärte Rücktritt ist unwirksam, weil er der Beklagten zuvor keine ausreichende Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben hat (§ 439 Abs. 1, § 440 BGB).
aa) Zwar war der erste Nachbesserungsversuch der Beklagten im April/Mai 2008 nicht erfolgreich. Das Bremsenquietschen in bestimmten Fahrsituationen hatte sich nach Angaben des Klägers reduziert, war aber nicht beseitigt. Ein zweiter Nachbesserungsversuch durch die Beklagte war entgegen der Auffassung des Landgerichts nach den besonderen Umständen der gegebenen Fallgestaltung nicht gemäß § 440 BGB entbehrlich. Nach § 440 Satz 1 Alt. 2 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen ist. Die Nachbesserung schlägt fehl, wenn der Verkäufer die Sache repariert, die Reparatur aber unzulänglich ist und den Mangel nicht nachhaltig beseitigt (Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Aufl., Rn. 630; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB [2004], § 440 Rn. 18). Unbeschadet des Umstands, dass § 440 BGB dem Verkäufer kein Recht zur zweimaligen Nachbesserung einräumt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Aufl., § 440 Rn. 2), hat der Verkäufer grundsätzlich zwei Chancen, nachdem er die mangelhafte Sache geliefert hat (BeckOK-BGB/Faust, Stand: Februar 2007, § 440 Rn. 32), denn die Nachbesserung gilt gemäß § 440 Satz 2 BGB erst nach dem zweiten erfolglosen Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
(1) Ein zweimaliges Fehlschlagen der Nachbesserung kann hier nicht darin gesehen werden, dass die erste Reparatur ab dem 24. April 2008 nicht wie zunächst prognostiziert am 2. Mai 2008 beendet war, sondern sich bis zum 9. Mai 2008 verlängert hat. Zwar hat der damalige Geschäftsführer der Beklagten im Senatstermin erklärt, dass das Fahrzeug "sozusagen zweimal" bearbeitet worden sei. Damit ist keine rechtliche Einordnung verbunden. Die Beklagte hat, wie der Kläger im Senatstermin ausgeführt hat, zunächst die Bremsbeläge ausgetauscht; ihm sei dann mitgeteilt worden, dass er den Wagen abholen könne; dann habe ihn die Beklagte informiert, dass er den Wagen doch noch nicht abholen könne; die Beklagte habe dann die Bremsscheiben ausgetauscht.
Dieser Vorgang lässt sich nicht in zwei Nachbesserungsversuche zerlegen. Wenn sich noch vor Übernahme durch den Käufer zeigt, dass die bisher vorgenommenen Maßnahmen dem Verkäufer zur Mangelbeseitigung noch nicht ausreichend erscheinen, ist ein Nachbesserungsversuch noch nicht fehlgeschlagen. Entscheidend ist, ob der Käufer davon ausgehen darf, der Verkäufer sei zu einer ordnungsgemäßen Nacherfüllung nicht in der Lage (Staudinger/Matusche-Beckmann, aaO, § 440 Rn. 18). Das ist nicht der Fall, wenn der Verkäufer von sich aus noch vor Übernahme durch den Käufer weitere Reparaturmaßnahmen vornimmt und sich die ursprünglich prognostizierte Reparaturdauer dadurch verlängert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Reparaturdauer insgesamt - wie hier vom 24. April 2008 bis zur endgültigen Mitteilung der Fertigstellung am 9. Mai 2008 - noch angemessen ist. Ein fehlgeschlagener Nachbesserungsversuch im Sinne des § 440 Satz 2 BGB setzt voraus, dass die Erwartung des Käufers in den Erfolg des ersten Versuchs enttäuscht worden ist. Davon kann aber, wenn die Behebung der Mangelursache lediglich etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich angenommen, weil der Verkäufer von sich aus ergänzende Maßnahmen vornimmt, bevor der Käufer das Fahrzeug wieder übernommen hat, nicht die Rede sein.
(2) Aus der Art der Sache, des Mangels oder sonstigen Umständen im Sinne von § 440 Satz 2 Halbsatz 2 BGB ergibt sich nicht, dass der Beklagten nur ein einziger Nachbesserungsversuch zuzubilligen ist. Sonstige Umstände im Sinne der vorgenannten Bestimmung sind zwar unter anderem solche, die Anlass geben können, ein Fehlschlagen der Nachbesserung schon bei weniger als zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen anzunehmen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341, Rn. 22, unter Hinweis auf BT-Drs. 14/6040, S. 234). Solche Umstände liegen hier aus den nachfolgend erörterten Gründen aber nicht vor. Ein zweiter Nachbesserungsversuch ist dem Kläger aus diesen Gründen auch nicht unzumutbar (§ 440 Satz 1 Alt. 3 BGB).
(a) Insbesondere lässt sich nichts daraus herleiten, dass die Beklagte das Bremsgeräusch "bagatellisiert" habe und dessen Sicherheitsrelevanz in Abrede gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Bestreiten von Mängeln das prozessuale Recht des Schuldners; das gilt auch für nachhaltiges Bestreiten (BGH, Urteile vom 20. Januar 2009 - X ZR 47/07, NJW-RR 2009, 667, [BGH 20.01.2009 - X ZR 45/07] Rn. 12; vom 21. Dezember 2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195, Rn. 25). Aus dem Umstand, dass die Beklagte einen Mangel der Bremsanlage in Abrede gestellt und den Befund des Sachverständigen Dipl.-Ing. O als sachlich unzutreffend zurückgewiesen hat, lässt sich nicht herleiten, dass dem Kläger ein zweiter Nachbesserungsversuch unzumutbar ist.
Die Beklagte hat die Beanstandungen des Klägers auch nicht unzulässiger Weise "bagatellisiert". In Bezug auf das vom Sachverständigen Dipl.-Ing. O angenommene vermeintlich sicherheitsrelevante Schwingungsphänomen hat die Beklagte vorgetragen, dass eine sicherheitsrelevante Beeinträchtigung mangels der von dem vorgenannten Sachverständigen selbst für notwendig erachteten Detailuntersuchung des Bremssystems nicht feststehe. Zu der streitigen Frage, ob es sich bei dem Bremsenquietschen um nicht mehr hinzunehmende Störlaute handele, hat die Beklagte den prozessual zulässigen Standpunkt vertreten, dass die vom Kläger gerügte Geräuschkulisse bei einem Fahrzeug, wie dem vorliegenden, einem für niedrige Rundenzeiten ausgelegten Sportwagen mit Straßenzulassung, nicht einmal einen Komfortmangel darstelle. Mit dem vorgenannten Sachvortrag hat die Beklagte lediglich von ihrem Recht zum substantiierten und nachhaltigen Bestreiten eines Sachmangels Gebrauch gemacht.
(b) Unzumutbar war ein zweiter Nachbesserungsversuch entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht deshalb, weil die Beklagte keine nennenswerte Initiative zur Mangelbeseitigung mehr gezeigt und keine konkreten Angaben gemacht habe, wie sie das Fahrzeug in einem zweiten Versuch erfolgreich nachbessern wolle. Es oblag dem Kläger, der Beklagten das Fahrzeug zur Überprüfung zur Verfügung zu stellen (siehe BGH, Urteil vom 10. März 2010 - VIII ZR 310/08, NJW 2010, 1448 [BGH 10.03.2010 - VIII ZR 310/08]). Zuvor musste die Beklagte nicht erneut tätig werden. Auch konkrete Angaben dazu, wie der zweite Nachbesserungsversuch nunmehr vorgenommen werden solle, waren nicht geschuldet, weil derartige Angaben regelmäßig eine erneute Fahrzeuguntersuchung voraussetzen, die der Beklagten gerade nicht ermöglicht wurde.
(c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Sachverständige Dipl.-Ing. O zur Schadensbehebung vorgeschlagen hat, Elemente der Bremsanlage auszutauschen, die zum überwiegenden Teil bereits beim ersten Werkstattaufenthalt durch die Beklagte ausgetauscht worden waren. Ein zweiter Nachbesserungsversuch wird zwar auch dann als unzumutbar angesehen, wenn der Käufer objektive Gründe für die Annahme hat, die Kaufsache werde trotz des Nachbesserungsversuchs wiederum nicht mangelfrei sein (Palandt/Weidenkaff, aaO, § 440 Rn. 8). Solche Gründe kann der Kläger hier aber nicht für sich in Anspruch nehmen. Sein Vorbringen, ein Austausch der fraglichen Teile lasse eine Verbesserung der technischen Situation nicht erwarten, weil von einem Materialproblem auszugehen sei, steht mit dem Befund des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahrens nicht in Einklang. Das vorgenannte Gutachten basiert darauf, dass die Elemente des konkret eingebauten Bremsensystems nicht richtig aufeinander abgestimmt seien und ein Austausch durch besser aufeinander abgestimmte Elemente deshalb eine geeignete Mangelbeseitigungsmaßnahme darstelle. Auf Materialprobleme als Ursache für das Bremsenquietschen stellt der Gutachter Dipl.-Ing. O nicht ab.
Auch der vom Senat bestellte Sachverständige Dipl.-Ing. C hat den erneuten Austausch von Teilen der Bremsanlage unter Einschluss der Bremssättel sowie ein anschließendes Einfahren der Bremse für durchaus erfolgversprechend gehalten, um das Bremsenquietschen zu beseitigen. Er hat außerdem für denkbar gehalten, dass es während der Stillstandzeiten im Winter zu Ablagerungen auf den Bremsscheiben gekommen ist, die sich zwar nicht im normalen Fahrbetrieb, wohl aber durch starkes Bremsen abfahren lassen.
(d) Ein zweiter Nachbesserungsversuch ist dem Kläger auch nicht deshalb unzumutbar, weil er einen besonders hochwertigen, fabrikneuen Sportwagen erworben hat. Ein allgemeiner Grundsatz, dass dem Verkäufer eines hochwertigen Neufahrzeugs nur ein einziger Nachbesserungsversuch einzuräumen sei, findet im Gesetz keine Stütze. Aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergibt sich hier nichts anderes. Das vom Landgericht angeführte Urteil des Landgerichts Mannheim (zitiert bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 487) betrifft ein Neufahrzeug, welches bereits große Roststellen aufwies. Dieser Sachverhalt ist nicht in dem Sinne verallgemeinerungsfähig, dass dem Käufer eines besonders hochwertigen Neuwagens ein zweiter Nachbesserungsversuch nicht zugemutet werden kann.
bb) Die Beklagte hat die weitere Nachbesserung auch nicht ernsthaft und endgültig verweigert (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Darauf hat auch das Landgericht nicht abstellt. Der Kläger hat dies ebenfalls nicht geltend gemacht. Er selbst hat die Beklagte nach dem ersten Nachbesserungsversuch weiterhin zu Recht als nachbesserungsbereit angesehen. Das folgt daraus, dass sich der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 29. Mai 2008 vorbehalten hat, der Beklagten die Mängelbeseitigung nach Feststellung des im selbständigen Beweisverfahren einzuholenden Gutachtens aufzuerlegen.
Das substantiierte und nachhaltige Bestreiten des Sachmangels durch die Beklagte im Laufe des selbständigen Beweisverfahrens und im anschließenden Klageverfahren lässt ebenfalls nicht auf eine ernsthafte und endgültige Verweigerung der Nachbesserung schließen, weil das Bestreiten - wie oben ausgeführt - prozessuales Recht des Schuldners ist. Zum Bestreiten hinzutretende Umstände, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Fristsetzung hätte oder werde umstimmen lassen (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2005 - VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195, Rn. 25; vom 11. März 2010 - III ZR 178/09, NJW 2010, 1956, [BGH 11.03.2010 - III ZR 178/09] Rn. 22), zeigt der Kläger nicht auf. Sie sind auch nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, weil der Fahrzeughersteller dem Kläger noch nach Erstattung des Erstgutachtens im selbständigen Beweisverfahren vom 21. Oktober 2008 unter dem 11. Dezember 2008 angeboten hat, den Wagen im Werk überprüfen zu lassen. Als Verkäuferin orientiert sich die Beklagte - wie den Angaben des damaligen Geschäftsführers der Beklagten im Senatstermin entnommen werden kann und auch nicht streitig ist - bei Nachbesserungsversuchen an Neufahrzeugen aber an den Vorgaben des Herstellerwerks.
2. Der auf die Feststellung des Annahmeverzugs gerichtete Antrag (§ 256 Abs. 1, §§ 756, 765 ZPO) ist unbegründet, weil der Kläger nicht in wirksamer Weise vom Kaufvertrag zurückgetreten ist.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 ZPO).