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  • 10.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123757

    Landgericht Bochum: Urteil vom 12.04.2012 – 4 O 250/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Bochum
    4 O 250/10
    Tenor:
    Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs S mit der Fahrgestell-Nr.: # an den Kläger 20.260 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.5.2010 zu bezahlen.
    Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
    Tatbestand
    Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des Kaufvertrages über den von ihm am 25.08.2009 bestellten S. Die Beklagte bestätigte die Bestellung unter dem 03.09.2009. Am 22.12.2009 erfolgte die Auslieferung des Wagens gegen Zahlung des Kaufpreises i.H. von 20.260 EUR.
    Wesentlich für die Kaufentscheidung des Klägers war ein Prospekt, welcher eine Produktbeschreibung des Kraftfahrzeugs enthielt. In diesem wird unter der Überschrift "Technische Daten" der Kraftstoffverbrauch (Super) wie folgt angegeben:
    "innerorts 10,3 l/100 km,
    außerorts 6,2 l/100 km,
    kombiniert 7,7 l/100 km."
    Neben dem Begriff "Verbrauch" befindet sich der Hinweis: "nach 1999/100/EG, g/km kombiniert." Ferner wird in Fußnote 6 angegeben "Verbrauchsmessung ohne Zusatzausstattung. Mit eingeschalteter Klimaanlage erhöht sich der Verbrauch um ca. 0,2l/100 km".
    Der Wagen des Klägers verbraucht im Normalbetrieb mehr als im Prospekt angegeben. Deswegen wendete sich der Kläger an die Beklagte und verlangte Abhilfe. Versuche der Beklagten, den Benzinverbrauch zu drosseln, scheiterten. Mit Schreiben vom 19.04.2010 teilte der Hersteller des Fahrzeugs, an den sich der Kläger gewandt hatte, dem Kläger mit, dass das Fahrzeug dem Serienstandard entspreche und der Benzinverbrauch nicht weiter gesenkt werden könne. Die Beklagte schloss sich dieser Einschätzung an. Hierauf erklärte der Kläger mit Schreiben vom 29.04.2010 den Rücktritt vom Kaufvertrag und setzte zur Erstattung des Kaufpreises eine Frist bis zum 15.05.2010.
    Der Kläger ist der Ansicht, das Fahrzeug sei mangelhaft. Hierzu behauptet er, der tatsächliche Kraftstoffverbrauch liege erheblich über den Herstellerangaben. Auch bei Einhaltung der Herstellervorgaben weise sein PKW einen Mehrverbrauch von 14,4 % bzw. 11,7 % auf.
    Der Kläger beantragt,
    1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs S mit der Fahrgestell-Nr.: # an den Kläger 20.260 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit 16.5.2010 zu bezahlen;
    2. festzustellen, dass die Beklagte sich im Annahmeverzug befindet.
    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 11.10.2010 und 05.09.2011 durch Einholung von schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. N1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf dessen Gutachten vom 13.5.2011 und das Ergänzungsgutachten vom 24.01.2012 Bezug genommen.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist begründet.
    Der Kläger konnte gem. §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB vom Kaufvertrag zurücktreten. Das vom Kläger gekaufte Fahrzeug weist einen so erheblichen Sachmangel i.S. von § 434 BGB auf, dass dieser zu einem Rücktritt rechtfertigt, vgl. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB.
    Das vom Kläger erworbene Fahrzeug weist einen Sachmangel gem. § 434 BGB auf.
    Es kann offen bleiben, ob die Parteien die Angaben des Herstellerprospekts zum Fahrzeugverbrauch als Beschaffenheit des erworbenen Fahrzeuges i.S. von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbart haben. Die im Herstellerprospekt enthaltenen Angaben zu dem Kraftstoffverbrauch des Neufahrzeugs sind zumindest öffentliche Äußerungen i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB mit der Folge, dass die gewöhnliche Beschaffenheit des Wagens i.S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB durch diese Angaben bestimmt wird.
    Nach dem eingeholten Sachverständigengutachten verbraucht der Wagen des Klägers mehr als im Prospekt angegeben. Hierbei ist auf die im Ergänzungsgutachten als Variante 2 ("Fahrzeug nach Wartung mit Referenzkraftstoff, realer Fahrwiderstand, Gewicht nach Herstellerangabe") abzustellen. Aus dem Prospekt ergibt sich, dass die Verbrauchswerte mittels der in der Richtlinie 1999/100/EG normierten Messmethode (also im Laborversuch) ermittelt wurden. Auf den tatsächlichen Verbrauch im "Normalbetrieb" kommt es nicht an. Für den Kläger als Erklärungsempfänger der Angaben im Prospekt war erkennbar, dass die Herstellerangaben auf einer verobjektivierten Grundlage beruhten und dass sich der bei individueller Fahrweise erzielte Kraftstoffverbrauch nicht mit den angegebenen Werten decken musste (vgl. hierzu BGH NJW 1997, 2590).
    Da in der Fußnote 6 des Prospektes bei der Verbrauchsangabe aufgeführt ist "Verbrauchsmessung ohne Zusatzausstattung" kann nicht auf das reale Gewicht des Fahrzeuges abgestellt werden, sondern es ist auf die sog. simulierte Schwungmasse von 1.470 kg abzustellen. Diese Masse entspricht dem Gewicht des Wagens des Klägers in der Grundausstattung. Die sog. Variante 1 (= Messung beim Ausgangsgutachten) scheidet damit aus. Diese geht von dem tatsächlichen Gewicht des Fahrzeuges des Klägers aus. Ferner spricht gegen diese Messung, dass keine Wartung durchgeführt wurde und Markenkraftstoff und kein Testkraftstoff verwendet wurde.
    Es kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die sog. Variante 3 abgestellt werden. Denn bei dieser Variante wurde nicht der tatsächliche Fahrwiderstand des Fahrzeuges des Klägers geprüft, sondern es wurde ein – fiktiver – Fahrwiderstand für die Messung zugrunde gelegt. Entscheidend ist aber nicht der Fahrwiderstand eines Referenzfahrzeuges bei der ursprünglichen Testung durch den Hersteller, sondern der konkrete Fahrwiderstand des Fahrzeugs des Klägers unter Laborbedingungen. So musste der Kläger die Angaben im Prospekt verstehen. Nach diesen Vorgaben hat der Sachverständige in der Variante 2 den Verbrauch berechnet. Der Sachverständige, an dessen Sachkunde das Gericht keinen Zweifel hat, und dessen Ausführungen sich das Gericht nach eigener Sachprüfung anschließt, führt die Abweichungen zwischen den sog. Varianten 2 und 3 darauf zurück, dass das Fahrzeug des Klägers einen deutlich höheren Fahrwiderstand hat, als es vom Hersteller vorgegeben wird. Ein deutlich höherer Fahrwiderstand und daraus resultierender höherer Kraftstoffverbrauch ist ein Sachmangel. In der sog. Variante 2 liegt der kombinierte Kraftstoffverbrauch, auf den abzustellen ist (vgl. BGH NJW 2008, 2111 zur Richtlinie 93/116/EG; BGHZ 136, 94 ff. noch zum mittlerweile überholen "Euro-Mix"), um 11,7 % über den Herstellerangaben.
    Dieser Sachmangel ist auch erheblich i.S. von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Insoweit schließt sich das Gericht der Rechtsprechung des BGH an (BGH NJW 2007, 2111 m. Anm. Reinking NJW 2007, 2111 und Anm. Diehl ZFsch2007, 512, sowie BGHZ 136, 94 ff. noch zum alten Schuldrecht). Hiernach ist ein Kraftstoffmehrverbrauch von mehr als 10 % erheblich i.S. von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB und rechtfertigt den Rücktritt.
    Der seitens des Klägers erklärte Rücktritt führt gem. § 346 BGB zur Rückgewähr der ausgetauschten Leistungen, dem Wagen und dem Kaufpreis.
    Die Zinsforderung rechtfertigt sich aus Verzug, § 286 Abs. 1 S. 1, § 288 Abs. 1 BGB
    Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB § 434 Abs. 1 S. 1, 2, 3 BGB § 437 Nr. 2 BGB