21.02.2013 · IWW-Abrufnummer 130557
Landgericht Bochum: Urteil vom 18.12.2012 – 9 S 166/12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Landgericht Bochum
9 S 166/12
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Berufungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil bleibt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht Ansprüche aus einer ebay-Auktion des Beklagten geltend.
Dieser stellte unter seinem Pseudonym „#“ am 25.7.2011 einen PKW der Marke Mercedes Benz, A 140 für 10 Tage zur Internetauktion mit einem Startpreis von 1,- € ein. Unter den Artikelmerkmalen war unter dem Punkt „Komfortausstattung“ angegeben, dass der Wagen über eine Zentralverriegelung verfüge. In der Artikelbeschreibung wurde auf kleinere Mängel wie Kratzer hingewiesen.
Die für die streitgegenständliche Auktion maßgeblichen AGB von ebay enthielten in § 10 Nr. 1 folgende Regelung:
„…Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. Nach einer berechtigten Gebotsrücknahme kommt zwischen dem Mietglied, das nach Ablauf der Auktion aufgrund der Gebotsrücknahme wieder Höchstbietender ist und dem Anbieter kein Vertrag zustande. Anbieter und Höchstbietender können sich einigen, dass ein Vertrag zustande kommt.“
Darüber hinaus waren auf der Website von ebay Hinweise zum Aktionsablauf einsehbar. Darin hieß es unter anderem unter der Rubrik „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“:
„Es kann vorkommen, dass Sie ein Angebot vorzeitig beenden müssen; z.B. wenn Sie feststellen, dass der zu verkaufende Artikel nicht funktioniert oder ein Teil fehlt.“
Unter der Überschrift „Gründe für die vorzeitige Beendigung des Angebots“ war außerdem aufgef ührt:
„Der Artikel ist verloren gegangen, beschädigt oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar.“
Der Kläger bot am 25.7.2011 um 22:55 h unter dem Pseudonym # bei der Auktion mit. Am 26.7.2011 um 23:29 h beendete der Beklagte das Angebot vorzeitig und löschte die darauf abgegebenen Gebote, unter ihnen das Höchstgebot des Klägers.
Mit email vom 31.7.2011 forderte der Kläger den Beklagten vergeblich auf, ihm bis zum 4.8.2011 seine Kontoverbindung mitzuteilen und Angaben zu machen, wann er das Fahrzeug abholen könne.
Nach Verstreichen dieser Frist beauftragte er seinen Prozessbevollmächtigten, der unter dem 30.8.2011 erneut die Erfüllung des Kaufvertrages anmahnte. Die dafür entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von ca. 445,- € verlangt der Kläger ebenfalls ersetzt.
Der Beklagte verkaufte das streitgegenständliche Fahrzeug später über ein anderes Internetportal zum Preis von 2.800,- €.
Der Kläger ist der Ansicht gewesen, der Beklagte habe durch Einstellen des Artikels ein wirksames Angebot abgegeben, das nur durch eine Anfechtung wieder beseitigt werden könne. Eine wirksame Anfechtung habe jedoch allein deshalb nicht vorgelegen, weil der Beklagte bei Beendigung des Angebots nicht den Grund für die Beendigung hinzugefügt hätte. Außerdem habe sich der Beklagte mit einer Anfechtung nicht der Sachmängelgewährleistung entziehen dürfen. Außerdem hat er behauptet, er habe ein Gebot von 1,- € abgegeben, das bei Beendigung der Auktion Höchstgebot gewesen sei. Das eingestellte Fahrzeug habe ausweislich der Fahrzeugbewertung des KfZ-Sachverständigenbüros I aus August 2011 einen Wert von 4.200,- € gehabt, so dass ihm – sollte das Fahrzeug nicht übereignet werden - ein Schaden von 4.199,- € entstanden sei. Trotz des groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung sei das Geschäft nicht sittenwidrig, weil es zu dem Wesen einer ebay-Auktion gehöre, ein „Schnäppchen“ machen zu können, wenn im richtigen Moment geboten werde.
Der Kläger hat beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, ihm den PKW der Marke Mercedes Benz A 140, Classic Automatik, Grau, Erstzulassung 12.1999, angeboten bei ebay zur Artikelnummer #, Zug um Zug gegen Zahlung von 1,- € zu übergeben und zu übereignen. Dem Beklagten wird für die Herausgabe eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft des Urteils gesetzt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich im Verzug der Annahme befindet.
Der Beklagte wird für den Fall, dass die Herausgabe nicht fristgerecht erfolgt, verurteilt, an den Kläger 4.199,- € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.9.2011 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 446,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.9.2011 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet, die Auktion beendet zu haben, weil neben den in der Artikelbeschreibung angegebenen Mängeln ein weiterer aufgetreten sei. Die Zentralverriegelung habe plötzlich nicht mehr funktioniert. Nach Beendigung der Auktion habe er daher am 31.7.2011 über ebay eine neue Zentralverriegelungspumpe für 65,- € bestellt und diese selber eingebaut. Das Höchstgebot des Beklagten sei überdies nicht 1,- €, sondern 555,- € gewesen, wie sich aus der Geboteübersicht ergebe.
Das Amtsgericht hat Beweis erhoben zu der Frage, ob die Zentralverriegelung des Fahrzeugs Ende Juli 2011 defekt war, durch Vernehmung der vom Beklagten benannten Zeugen X und T1.
Anschließend hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Nach § 10 der AGB komme ein Vertrag zwischen Anbieter und Bieter nicht zustande, wenn der Anbieter gesetzlich berechtigt war, das Angebot zurückzunehmen. Bei Auslegung dieser AGB seien die auf der Website von ebay gegebenen Hinweise mit zu berücksichtigen. Danach sei ein Grund für die vorzeitige Beendigung des Angebots gegeben, wenn der Artikel verlorengegangen, beschädigt oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar sei. Für den Fall des Diebstahls habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein solcher Grund vorliege. Gleiches müsse aber auch gelten, wenn nach Start der Auktion an dem Artikel ein Fehler auftritt, der den Käufer zum Rücktritt vom Vertrag berechtigen würde. Denn auch bei einer Internetauktion sei der Verkäufer nicht gehalten, sich erkennbaren Gewährleistungsansprüchen auszusetzen mit für ihn nicht übersehbaren finanziellen Folgen. Auch ein Käufer habe in der Regel kein Interesse am Vertragsschluss, wenn weitere Mängel vorhanden seien, die in der Artikelbeschreibung nicht angeführt seien. Es sei daher interessengerecht, wenn der Anbieter die Auktion vorzeitig beenden könne. Aufgrund der Beweisaufnahme sei darüber hinaus davon auszugehen, dass nach Einstellen des Fahrzeugs dessen Zentralverriegelungspumpe defekt geworden sei. Angesichts der Reparaturkosten sei auch von einem Sachmangel im Sinne des § 434 BGB auszugehen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vollumfänglichen Berufung. Das Amtsgericht habe fälschlicherweise angenommen, dass der Beklagte die Auktion hätte beenden können. Ein angeblicher Defekt berechtige den Beklagten nicht zu einer Anfechtung, da er sich damit als Verkäufer der Mängelhaftung nach § 437 ff. BGB entziehen könnte. Der Fall sei auch nicht mit dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vergleichbar, in dem die Sache gestohlen worden sei.
Weiterhin rügt der Kläger die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Die Aussage der Zeugen sei nicht glaubhaft gewesen. Selbst wenn ein Mangel nach Auktionsbeginn aufgetreten w äre, hätte der Beklagte diesen mühelos während der laufenden Auktion beseitigen können und das Fahrzeug dann mangelfrei verkaufen können. Dies gelte umso mehr, weil der Beklagte den Mangel schließlich mit geringen zeitlichem Aufwand und für nur 65,- € beseitigt habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Bochum vom 14.8.2012 zum Aktenzeichen 65 C 227/11 wie folgt zu erkennen:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den PKW der Marke Mercedes Benz A 140, Classic Automatik, Grau, Erstzulassung 12.1999, angeboten bei ebay zur Artikelnummer #, Zug um Zug gegen Zahlung von 1,- € zu übergeben und zu übereignen. Dem Beklagten wird für die Herausgabe eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft des Urteils gesetzt.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich im Verzug der Annahme befindet.
Der Beklagte wird für den Fall, dass die Herausgabe nicht fristgerecht erfolgt, verurteilt, an den Kläger 4.199,- € nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.9.2011 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 446,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.9.2011 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt im Wesentlichen das erstinstanzliche Urteil. Aus den Hinweisen bei ebay ergebe sich, dass der Anbieter auch bei Beschädigung des Artikels zur Beendigung der Auktion berechtigt sei. Im Übrigen lägen die klägerischen Ausführungen zur Anfechtung neben der Sache, weil eine Anfechtung nie erklärt worden sei.
II.
Die zulässige Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Dem Kläger steht kein Anspruch gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB auf Übereignung des streitgegenständlichen PKW, Mercedes Benz A Klasse bzw. auf Schadensersatz statt der Leistung aus §§ 433 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB zu.
Denn zwischen den Parteien ist kein Kaufvertrag über dieses Fahrzeug zustande gekommen. Zwar hat der Beklagte ein wirksames Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages abgegeben (1.); dieses hat er jedoch wirksam zurückgenommen. (2.)
1.
Durch Einstellen des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 25.7.2011 in eine Internetauktion bei ebay hat der Beklagte ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages abgegeben. Denn im Rahmen einer solchen Internetauktion kommt ein Kaufvertrag durch Willenserklärungen der Parteien, Angebot und Annahme, zustande. Der Anbieter gibt ein verbindliches Verkaufsangebot ab, das sich an denjenigen richtet, der innerhalb der Auktionslaufzeit das höchste Gebot abgibt. (BGH, Urteil vom 7.11.2001, Az. VIII ZR 13/01, NJW 2002, 363; Urteil vom 8.6.2011, Az. VIII ZR 305/10, MMR 2011, 653)
2.
Dieses Angebot hat der Beklagte indes wirksam zurückgenommen, indem er am 26.7.2011 um 23:29 h die Auktion beendete.
a)
Grundsätzlich ist der Antragende gemäß § 145 BGB an sein Angebot gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.
Der Erklärungsinhalt der im Rahmen einer ebay-Auktion abgegebenen Willenserklärungen richtet sich nach den Bestimmungen über den Vertragsschluss in den AGB von ebay, denen die Parteien vor der Teilnahme an der Internetauktion zugestimmt haben. In die Auslegung der Willenserklärungen ist daher die Bestimmung von § 10 Abs. 1 ebay-AGB über das Zustandekommen eines Vertrages bei vorzeitiger Beendigung der Auktion mit einzubeziehen. Das Verkaufsangebot des Anbieters ist somit dahingehend zu verstehen, dass es unter dem Vorbehalt einer berechtigten Angebotsrücknahme steht. Ein solcher Vorbehalt, der die Bindungswirkung des Verkaufsangebots einschränkt, verstößt nicht gegen die Grundsätze über die Bindungswirkung eines Angebots, sondern ist zulässig, weil gemäß § 145 BGB der Antragende die Bindungswirkung seines Angebots gerade ausschließen kann. Ebenso kann er sie einschränken, indem er sich den Widerruf vorbehält. (BGH, Urteil vom 8.6.2011, Az. VIII ZR 305/10, MMR 2011, 653; LG Bonn, Urteil vom 5.6.2012, Az. 18 O 314/11)
b)
Vorliegend kann sich der Beklagte auf einen solchen Widerrufsvorbehalt berufen.
aa)
§ 10 Abs. 1 der AGB bezeichnet nur vage, dass der Anbieter sein Angebot zurücknehmen kann, wenn er gesetzlich dazu berechtigt ist. Diese Bezugnahme auf eine gesetzliche Berechtigung ist nicht im engen Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Vielmehr sind die Hinweise von ebay, in denen als Gründe zur Angebotsbeendigung aufgeführt sind, dass der Artikel verloren gegangen, beschädigt oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar ist, heranzuziehen. Aus den Hinweisen zur Auktion ist für jeden Auktionsteilnehmer ersichtlich, dass der Anbieter berechtigt ist, das Verkaufsangebot aus einem dieser Gründe zurückzuziehen, und das Angebot daher unter diesem Vorbehalt steht. (BGH, Urteil vom 8.6.2011, Az. VIII ZR 305/10, MMR 2011, 653; LG Bonn, Urteil vom 5.6.2012, Az. 18 O 314/11; AG Menden, Urteil vom 24.8.2011, Az. 4 C 390/10; AG Nürtingen, Urteil vom 16.1.2012, Az. 11 C 1881/11, MMR 2012, 230)
Zu einer solchen vorzeitigen Beendigung des Angebots ist der Anbieter jedenfalls berechtigt ist, wenn der Gegenstand gestohlen wird. (BGH, Urteil vom 8.6.2011, Az. VIII ZR 305/10, MMR 2011, 653)
Gleiches muss jedoch gelten, wenn nach Beginn der Auktion ein Mangel an dem zu versteigernden Gegenstand auftritt, den der Anbieter nicht zu vertreten hat. (vgl. auch LG Bonn, Urteil vom 5.6.2012, Az. 18 O 314/11 unter Verweis auf AG Nürtingen, Urteil vom 16.1.2012, Az. 11 C 1881/11, MMR 2012, 230)
Dies ergibt sich zwar zunächst nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Hinweise von ebay. Denn unter „Beschädigung“ ist ein von außen kommendes Ereignis, das sich negativ auf den Zustand der Sache auswirkt, zu verstehen, so dass ein in dem zu verkaufenden Gegenstand angelegter Defekt nicht darunter zu fassen wäre. Eine derart strenge Auslegung wird dem Verständnis des objektiven Empfängers jedoch nicht gerecht. Denn der durchschnittliche, juristisch ungeschulte ebay-Nutzer wird nicht zwischen einer Beschädigung von außen und einem anderen Defekt unterscheiden. Für ihn kommt es lediglich darauf an, ob der Gegenstand eine Verschlechterung erfahren hat, die die angenommene Gebrauchstauglichkeit ausschließt oder zumindest einschränkt. Bei Fortführung der Auktion bekäme er nämlich nicht das, auf das er bieten wollte, sondern eine auch nach den Bestimmungen des Kaufrechts mangelhafte Sache. Demzufolge findet sich auch in der Einleitung zu den Hinweisen zur Auktionsbeendigung unter der Überschrift "Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?" die Formulierung „Es kann vorkommen, dass Sie ein Angebot vorzeitig beenden müssen; z.B. wenn Sie feststellen, dass der zu verkaufende Artikel nicht funktioniert oder ein Teil fehlt.“ Hierin findet sich daher gerade keine Beschränkung auf ein von außen kommendes schädigendes Ereignis.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass bei einer Internetauktion – anders als bei sonstigen Verkaufsangeboten, die in der Regel sofort angenommen werden - die Besonderheit eines nicht unerheblichen zeitlichen Auseinanderfallens zwischen Angebot und Annahme besteht. Zwar kann dies auch der Fall sein, wenn ein Angebot auf herkömmlichem Wege schriftlich unterbreitet wird. In einem solchen Fall hat der Verkäufer aber zumindest die Möglichkeit, gleichzeitig mit dem Angebot dessen Bindungswirkung für den Fall, dass sich die Sache verschlechtert, auszuschließen. Eine solche Möglichkeit hat der ebay-Anbieter aufgrund der Nutzungsbedingungen jedoch nicht. Dieser Besonderheit kann Rechnung getragen werden, wenn die Möglichkeiten zur wirksamen Beendigung einer Auktion großzügig verstanden werden.
bb)
Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass nach Auktionsbeginn ein Mangel an der Zentralverriegelung eingetreten ist. Dies haben die Zeugen X und T1 so bestätigt.
Hinsichtlich der W ürdigung der Zeugenaussagen ist die Kammer gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil gebunden. Eine solche Bindung des Berufungsgerichts besteht ausnahmsweise nur dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für fehlerhafte oder lückenhafte Feststellungen bestehen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründen, und sich die Notwendigkeit neuer Feststellungen durch wiederholte oder ergänzende Beweisaufnahme ergibt. Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen schon dann vor, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt. Konkrete Anhaltspunkte für fehler- oder lückenhafte Feststellungen können sich daraus ergeben, dass beweiswürdigende Darlegungen nachvollziehbarer Grundlagen entbehren. Das ist bei der Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen immer der Fall, wenn die erstinstanzliche Beweiswürdigung das Berufungsgericht nicht zu überzeugen vermag, d.h. das Berufungsgericht die Beweiswürdigung auf Grund konkreter Anhaltspunkte nicht für richtig hält. (BGH, Urteil vom 9.3.2005, Az. VIII ZR 266/03, NJW 2005, 1583, 1584) Dies kann z.B. gegeben sein, wenn die protokollierte Aussage im Widerspruch zu den Urteilsgründen steht, aus der Sicht des Berufungsgerichts die Zeugenaussage die Urteilsgründe nicht deckt oder weil das Berufungsgericht einer Aussage im Rahmen der Würdigung widersprechender Bekundungen abweichendes Gewicht beimisst. Demgegenüber ist die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts nicht etwa deshalb nicht nachvollziehbar, weil man auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Das Berufungsgericht ist vielmehr in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob die erstinstanzliche Beweiswürdigung vertretbar, insbesondere widerspruchsfrei ist, nicht den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder Teile des Beweisergebnisses bzw. des Sachverhalts ungewürdigt lässt. (BGH, Urteil vom 15.7.2003, Az. VI ZR 261/02, NJW 2003, 3480, 3481)
Vor diesem Hintergrund ist die erstinstanzliche Beweiswürdigung nicht zu beanstanden.
cc)
Die Kammer musste nicht entscheiden, ob ein solcher Mangel darüber hinaus eine gewisse Erheblichkeit aufweisen muss, wenngleich gute Gründe dagegen sprechen.
Denn zwar legt die Systematik der Aufzählung in den ebay-Hinweisen nahe, dass die Beschädigung mit dem Verlust bzw. der Nichtverfügbarkeit des Gegenstands vergleichbar sein, also eine gewissen Intensität aufweisen muss. In der Literatur wird daher sogar die Auffassung vertreten, dass die Beschädigung ein Ausmaß erreichen muss, dass der Verkäufer nach § 275 Abs. 1 – 3 BGB nicht mehr zu leisten braucht. (Hofmann, jurisPR-ITR 16/2012 Anm. 2) Gegen ein solches Merkmal spricht indes, dass weder das Sachmängelgewährleistungsrecht im Kaufrecht auf „erhebliche Mängel“ beschränkt ist, noch die Hinweise bei ebay nach ihrem Wortlaut eine „erhebliche Beschädigung“ fordern. Dass ohne eine solche Erheblichkeitsschwelle das ebay-Konzept in Frage gestellt wird, weil möglicherweise die Fälle der Aktionsbeendigungen - insbesondere wenn der beabsichtigte Preis nicht erzielt werden kann – zunehmen, muss als Argument außer Betracht bleiben. Denn letztlich liegt es im Risikobereich von ebay, seine AGB bzw. die dazugehörigen Hinweise eindeutig zu formulieren.
Die Frage, ob eine erhebliche Verschlechterung erforderlich ist, kann letztlich jedoch dahingestellt bleiben. Denn vorliegend ist jedenfalls von einem erheblichen Mangel auszugehen, da zum Zeitpunkt der Auktionsbeendigung die Zentralverriegelung aus ungeklärter Ursache nicht mehr funktionierte und daher die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs wesentlich beeinträchtigt war. Heutzutage gehört das Vorhandensein einer Zentralverriegelung nahezu zur Standardausstattung eines Fahrzeugs und ist aus Gründen der Bequemlichkeit ein für die Kaufentscheidung maßgeblicher Umstand. Auch der Beklagte hat in seiner Artikelbeschreibung gesondert darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug über eine Zentralverriegelung verfüge.
Ein zum Zeitpunkt der Auktionsbeendigung erheblicher Mangel wird auch nicht dadurch unerheblich, dass er – wie vorliegend – anschließend mit relativ geringem Kostenaufwand von dem Anbieter selbst beseitigt werden kann. (vgl. auch BGH, Urteil vom 5.11.2008, Az. VIII 166/07, NJW 2009, 508) Denn es wäre unbillig, den Anbieter einseitig mit dem Prognoserisiko zu belasten. Vielmehr muss es darauf ankommen, ob er nach Auftreten des Mangels davon ausgehen durfte, dass der Mangel nicht rechtzeitig vor Auktionsende mit vertretbarem (Kosten-) Aufwand wird beseitigt werden können. Der Bieter ist ausreichend dadurch geschützt, dass den Anbieter die Darlegungs- und Beweislast trifft, von einem (erheblichen) Mangel ausgehen zu dürfen.
Vorliegend steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, an das die Kammer aus oben genannten Gründen gebunden ist, fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Auktionsbeendigung nicht einschätzen konnte, mit welchem (Kosten-) Aufwand die Zentralverriegelung zu reparieren sei, da er nicht wusste, aus welchen Gründen diese nicht mehr funktionierte. Die vergleichsweise günstige Ersatzpumpe erwarb er erst einige Tage nach Beendigung der Auktion.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Es war entgegen § 708 Nr. 10 ZPO nicht auszusprechen, dass das erstinstanzliche Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Denn dies hätte eine unterschiedliche Vollstreckbarkeit des erst- und des zweitinstanzlichen Urteils zur Folge und liefe daher der von § 708 Nr. 10 ZPO beabsichtigten einheitlichen Vollstreckbarkeit von erstinstanzlichen Urteil und Berufungsurteil zuwider.
V.
Die Kammer hat gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen, weil es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites auf die Frage ankommt, ob bei einer ebay-Auktion ein nachträglich auftretender Sachmangel am Verkaufsgegenstand zu einer Rücknahme des Angebots berechtigt. Diese Frage ist höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden, berührt aber das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts, weil sie sich in einer unbestimmten Vielzahl von vergleichbaren Fällen von ebay-Auktionen stellen kann.