16.05.2013 · IWW-Abrufnummer 131523
Oberlandesgericht Naumburg: Urteil vom 11.10.2012 – 1 U 2/12
Eine Beweisvereitelung liegt vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen. Als Folge kommen Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast in Betracht. Eine solche Beweisvereitelung liegt nicht vor, wenn eine dritte Autowerkstatt sog. Ausleseprotokolle nicht aufhebt, wozu sie auch nicht verpflichtet ist und ausgebaute Teile entsorgt, ohne dass die als Fahrzeugverkäufer wegen anfänglicher Mängel verklagte Werkstatt hierauf irgendeinen Einfluss genommen hätte.
Liegen die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung nicht vor, kann die nunmehr bestehende Lücke nicht über die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast überbrückt werden.
OLG Naumburg, 11.10.2012, 1 U 2/12
In dem Rechtsstreit
...
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 24.9.2012 durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Zettel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tiemann und den Richter am Oberlandesgericht Grimm für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 20.12.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg (9 O 1476/10) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten und der Streithelferin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,-- Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelferin Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 80.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger schloss mit der S. (i. F. Leasingbank) einen Leasingvertrag über einen T. (Bl. 10 ff. I). Die Leasingbank erwarb dieses Fahrzeug bei der Beklagten (dazu Rechnung Bl. 40 I). In XIII heißt es u. a.:
1. Der LG tritt - ... - sämtliche Rechte und Ansprüche aus dem Kaufvertrag mit dem ausliefernden Händler wegen Sachmängeln sowie etwaige zusätzliche Garantieansprüche gegen den Hersteller an den LN ab. Die Abtretung umfasst insbesondre nach Maßgabe des Kaufvertrages und der gesetzlichen Bestimmungen das Recht Nacherfüllung zu verlangen, vom Kaufvertrag zurückzutreten oder den Kaufpreis zu mindern und Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen zu verlangen. ...
4. Erklärt der LN aufgrund eines Fahrzeugsachmangels den Rücktritt vom Vertrag und ist der ausliefernde Händler zur Rückabwicklung bereit oder wird er hierzu rechtskräftig verurteilt, wird der Leasingvertrag wie folgt abgerechnet: ...
Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug mangelhaft ist und hat mit Anwaltsschreiben vom 6.7.2010 den Rücktritt vom Vertrag erklärt (Bl. 18/19 I). Vorangegangen sind mehrere Werkstattaufenthalte anlässlich derer der Kläger Mängel gerügt hat. Der genaue Umfang der Mängelrügen ist streitig. Hauptpunkt ist, ob der Kläger gerügt hat, dass die Anzeige Motorsteuerung aufgeleuchtet ist. Der Kläger behauptet dazu, dass er dies erstmals am 3.11.2008 gerügt habe (unter Hinweis auf den Werkstattauftrag vom 3.11.2008 [Bl. 20 I]), sowie ein weiteres Mal am 23.11.2009 (unter Hinweis auf seine E-Mail vom 23.11.2009 [Bl. 112 II]. Auch anlässlich der Werkstattaufenthalte vom 14.4.2010 und 9.6.2010 sei dieser Punkt jeweils problematisiert worden. Ob dies unstreitig ist oder nicht, wird vom Kläger in der Berufungsbegründung problematisiert. Jedenfalls unstreitig erfolgte die Rüge am 14.4.2010. In der Folge der Rüge wurde von einer Werkstatt das Steuerungsgerät neu konfiguriert, was aber nicht zu einem Erfolg führte. Am 9.6.2010 leuchtet die Anzeige erneut auf, das Fahrzeug blieb liegen bzw. konnte nur noch im Notprogramm bewegt werden. Das Fahrzeug wurde zu einer Werkstatt in B. verbracht und dort repariert. Als Ursache wurden letztlich Defekte an den beiden Turboladern ausgemacht, die von der Werkstatt in B. nacheinander (wobei dem Kläger am 5.7.2010 der Ausfall des 2. Turboladers von der Werkstatt angezeigt wurde) ausgetauscht wurden. Der Austausch des 2. Turboladers erfolgte erst rd. 2 Wochen nach der Mitteilung der Werkstatt vom 5.7.2010. Mit Anwaltsschreiben vom 6.7.2010 (Bl. 27/28 I) erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er hat zunächst die Rückzahlung des Kaufpreises an das Leasingunternehmen verlangt, wobei er eine Nutzungsentschädigung von 11.329,28 Euro berücksichtigt (wie Klageschrift Seite 7).
Das Landgericht hat einen Beweisbeschluss erlassen (Bl. 116 I), mit dem der Frage nachgegangen werden sollte, ob die beiden Turbolader bereits im Oktober 2008 (= im Zeitpunkt der Übergabe) mangelhaft waren und dies durch die Signalmeldung Motorsteuerung angezeigt worden sei. Der Sachverständige hat dann (SV S. 4) darauf hingewiesen, dass ihm weder die beiden Turbolader, noch die Ausleseprotokolle zur Verfügung gestanden hätten. Unstreitig sind die Turbolader vernichtet worden, Ausleseprotokolle wurden jedenfalls nicht vorgelegt. Die Beklagte behauptet insoweit, dass Auslesungen zwar erfolgt seien, aber erst im April 2010 eine Fehlermeldung im Fehlerspeicher hinterlegt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Kläger könne nicht nachweisen, dass die Turbolader bereits im April 2010 defekt gewesen seien und deshalb der Nachbesserungsversuch vom 14.4.2010 als gescheitert anzusehen sei. Der Rücktritt vom Vertrag sei daher zu einem Zeitpunkt erfolgt, als die Beklagte noch ein Nachbesserungsrecht gehabt habe. Obgleich die Turbolader dem Sachverständigen nicht zur Verfügung gestellt worden seien, folge daraus keine Beweiserleichterung oder gar eine Beweislastumkehr zugunsten des Klägers. Dass die Werkstatt in B. schuldhaft gehandelt habe, könne nicht festgestellt werden.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er rügt die Beweiswürdigung durch das Landgericht, insbesondere, dass das Landgericht ihm im Hinblick auf die Entsorgung der Turbolader und die unterbliebene Vorlage der Ausleseprotokolle (diese habe die Beklagte wie bei einer Patientenakte zu dokumentieren gehabt) keine Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt einer Beweisvereitelung zugebilligt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 8.3.2012 (Bl.102 ff. II). Mit Schriftsatz vom 11.6.2012 hat der Kläger eine Klageänderung vorgenommen. Er trägt vor, dass die Beklagte das streitgegenständliche Fahrzeug an die Leasingbank herausgegeben habe. Die Leasingbank habe nach Ablauf des Vertrages diesen ihm gegenüber abgerechnet. Auf den Inhalt der Abrechnung vom 1.6.2012 (Bl. 137 II) wird Bezug genommen. Der Kläger verlangt nunmehr Ausgleich der Forderung der Leasingbank; im Übrigen hat er den Rechtstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Senatstermin hat der Klägervertreter erklärt, den mit der Berufungsbegründung angekündigten Antrag als Hauptantrag und den Antrag aus dem Schriftsatz vom 11.6.2012 als Hilfsantrag zu stellen.
Wegen der vom Kläger in der Berufungsinstanz (nunmehr wiederum als Hauptantrag) gestellten Anträge wird Bezug genommen auf Seite 1 der Berufungsbegründung vom 8.3.2012 (Bl. 102 II).
Der Kläger beantragt weiter hilfsweise,
1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 20. Dezember 2011, Az. 9 O 1476/10, wird die Beklagte verurteilt, an die S., Niederlassung der F. Bank, J. - Allee 24 - 34 K. 27.795,61 Euro zu zahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 762,86 Euro zzgl. vorgerichtlich entstandener Kosten in Höhe von 300,-- Euro zuzüglich 1.580,-- Euro - diese zu leisten an die G. Rechtsschutz Schadensversicherung GmbH, H. - zu zahlen.
3. Im Übrigen wird der Rechtsstreit für erledigt erklärt.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Berufung zurückzuweisen;
sie schließen sich der Teilerledigungserklärung nicht an.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus 1. Instanz. Sie bestreitet das Vorliegen eines Mangels bei Übergabe. Die Anzeige "Motorsteuerung" sei im Rahmen eines technischen Prozesses allenfalls das Ergebnis einer vorliegenden technischen Störung, besage aber nichts über deren Ursache. Da vor der Reparatur der Turbolader die Ausleseprotokolle keine Fehler aufgewiesen hätten, hätten die Protokolle auch nicht aufbewahrt werden müssen. Die Beklagte bestreitet eine Beweisvereitelung. Der Kläger habe die Werkstatt in B. auch nicht aufgefordert, die Turbolader aufzubewahren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 17.4.2012 (Bl. 121 ff II).
Zum Termin vom 21.6.2012 war die Streithelferin versehentlich nicht geladen worden. Mit Beschluss vom 5.7.2012 wurde die mündliche Verhandlung daher wiedereröffnet.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat weder mit dem Haupt- (A) noch mit dem Hilfsantrag (B) Erfolg.
(A) Der Hauptantrag des Klägers ist unbegründet, weil die Voraussetzungen für einen Rücktritt am 6.7.2010 nicht vorgelegen haben. Der Kläger kann bereits nicht beweisen, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mit einem Mangel (der beiden Turbolader) behaftet war.
Da der Kaufgegenstand unstreitig übergeben worden ist (abzustellen ist insoweit auf den Leasinggeber, dessen Recht der Kläger [mit dem Hauptantrag] aus abgetretenem Recht geltend macht, weshalb auch § 476 BGB nicht in Betracht kommt), trifft die Beweislast für die Mangelhaftigkeit (bzw. dafür, dass der Mangel bereits angelegt war [Reinking/Eggert Der Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3286 m.w.N.) des Kaufgegenstandes zu diesem Zeitpunkt den Käufer (= Kläger nach Abtretung). Anders wäre die Situation zu beurteilen, wenn dem Kläger im Hinblick auf die
- entsorgten Turbolader
- fehlenden Ausleseprotokolle
Beweiserleichterungen oder sogar eine Beweislastumkehr zugute kommen würde (vom Landgericht [LGU S. 6] ausdrücklich verneint). Insoweit gilt (z. B. BGH Urteil vom 23.11.2005 - VIII ZR 43/05 - [NJW 2006, 434, 436]):
Eine Beweisvereitelung kann dann vorliegen, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden. Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen (Hervorhebung durch den Senat), also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen. Als Folge der Beweisvereitelung kommen Beweiserleichterungen in Betracht, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können.
Zwar ist zu berücksichtigen, dass (entgegen der Ansicht der Berufung) keine der ärztlichen Dokumentationspflicht entsprechende Pflicht der Werkstatt besteht, Ausleseprotokolle zu dokumentieren, in der Summe mit den entsorgten Turboladern dem Kläger jetzt aber jede Möglichkeit genommen ist, den Nachweis der Mangelhaftigkeit zu führen. Die Anzeige Motorsteuerung ist für sich genommen ohne Aussagekraft, weil dies auf ganz unterschiedliche Ursachen hindeuten kann (Anhörung des SV, Protokoll vom 22.11.2011, S. 3). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es keine konkreten Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Beklagte die Entsorgung (die zudem rein tatsächlich durch die Streithelferin erfolgt ist) unter dem Blickwinkel veranlasst hätte, dem Kläger den Beweis der Mangelhaftigkeit der Turbolader unmöglich zu machen. Die Bedeutung der fehlenden Ausleseprotokolle relativiert sich dann, wenn man keine Dokumentationspflicht annimmt und die Behauptung der Beklagten im Raum steht, dass ein Mangel dabei erst im Juni/Juli 2010 dokumentiert worden sei und Ausleseprotokolle ohne Mängelanzeige nicht aufbewahrt werden (das bestreitet der Kläger zwar mit Nichtwissen, für die Voraussetzungen einer Beweiserleichterung ist aber wiederum er beweispflichtig). Dies für sich genommen würde wiederum keinen Anhaltspunkt dafür liefern, dass auf Seiten der Beklagten eine Beseitigung mit Beweisvereitlungstendenz erfolgte. Konkrete Anhaltspunkte für die 2. Voraussetzung, die der Bundesgerichtshof (aaO.) grundsätzlich fordert, ergeben sich nicht. Der Kläger kann damit bereits die Voraussetzungen von § 434 Abs. 1 S. 1 BGB nicht beweisen.
Entgegen der Ansicht der Berufung kann man dann, wenn die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung zu verneinen sind, die nunmehr bestehende Lücke nicht über die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast überbrücken. Dies zum einem deshalb nicht, weil ohne den Wegfall des Beweismittels dem Kläger die Beweisführung ohne weiteres möglich gewesen wäre. Kann der Wegfall des Beweismittels nicht der Beklagten angelastet werden, muss ihr Vortrag auch nur den Umfang haben, den er haben müsste, wenn der Kläger den Beweis antreten könnte. Durch den ihr nicht anzulastenden Wegfall des Beweismittels können sich dann über die Hilfskonstruktion einer sekundären Darlegungs- und Beweislast die Anforderungen an ihren Vortrag nicht erhöhen. Es fehlt zudem auch an den konkreten Voraussetzungen für die Annahme einer sekundären Darlegungs- und Beweislast (dazu: Zöller/Greger ZPO, 29. Aufl. vor § 284, Rn. 34). Nachdem das Fahrzeug in B. nicht mehr fahrbereit war, wurde es - nach dem Vortrag des Klägers - in Abstimmung mit der Beklagten zu einem R. Vertragshändler in B. -S. verbracht und von diesem Vertragshändler repariert und von dort aus wurde auch der Transport der Turbolader zur Streithelferin veranlasst. Dass die Beklagte originär Kenntnisse darüber hatte, ob anlässlich der Reparatur in B. oder durch die Streithelferin die Ursache der Mängel an den Turboladern ermittelt wurde, behauptet der Kläger nicht.
Dass die Streithelferin dann die Turbolader vernichtet hat, muss sich die Beklagte (entgegen der Ansicht der Berufung) auch nicht über § 278 BGB zurechnen lassen müssen. Dafür gibt es keinen Anknüpfungspunkt, wenn es sich um einen anerkannten Garantiefall handelte, spielt sich das Ganze im Verhältnis dieses B. er Vertragshändlers zur Streithelferin ab. Die Garantievereinbarung besteht nur im Verhältnis zwischen der Streithelferin und der Leasingbank (bzw. nach Abtretung mit dem Kläger). Allein aus dem Umstand, dass der Hersteller eine Garantie gewährt, entsteht kein "Haftungsverband" und zwar auch nicht mit den ihm verbundenen Händlern (seien sie Handelsvertreter, Vertragshändler oder Franchisenehmer). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn sich aus der Garantieerklärung ergibt, dass auch der jeweilige Händler für Ansprüche aus der Garantie (mit)haften soll (dazu: BGH MDR 2003, 625 [BGH 29.01.2003 - VIII ZR 300/02]; OLG Düsseldorf Urteil vom 24.3.2003 - 1 U 149/02 -; hier: zitiert nach juris; Reinking/Eggert Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. 1590). Aus diesem Grund kann der Kläger auch nichts aus der von ihm im - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 25.6.2012 zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.11.2006 - VIII ZR 166/06 - [z.B. VersR 2007, 404 [BGH 15.11.2006 - VIII ZR 166/06]]; hier: zitiert nach juris) herleiten, dass einem Käufer generell das gesamte Vertragshändler- und Werkstättennetz zur Verfügung steht. In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ergab sich der Anspruch des Käufers aus einer entsprechenden Regelung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ob dies im vorliegenden Fall ebenso ist, wird indes nicht vorgetragen, ergibt sich insbesondere nicht aus der Fahrzeugbeschreibung (Anlage K 1 [Bl. 8 I], bzw. aus der Rechnung vom 26.9.2008 (Bl. 40 I). Originär hat der Händler als Verkäufer nur für die kaufrechtlichen Gewährleistungsrechte einzustehen. Dass die Beklagte mit in die Händlergarantie miteinbezogen wurde, trägt der Kläger nicht vor (bzw. ergibt sich nicht aus den mit Schriftsatz vom 12.7.2012 vorgelegten Garantiebestimmungen (Bl. 180 - 182 II). Der Kläger ergeht sich dazu auch im Schriftsatz vom 25.6.2012 (insbesondere S. 2) in Spekulationen, zumal dort (unter 1. Abs.1) Gewährleistungsansprüche und Ansprüche aus einer Garantie vermischt werden. Aber selbst wenn sich die Beklagte im Rahmen von § 440 BGB auch ohne vertragliche Regelung (oder im Hinblick auf die Abstimmung zwischen dem Kläger und der Beklagten) die Reparatur durch die Werkstatt in B. zurechnen lassen müsste, besagt dies immer noch nichts darüber, ob die Voraussetzungen einer Beweisvereitelung bei der Werkstatt in B. und/oder bei der Streithelferin vorliegen. Eine Beweisvereitelungstendenz ist dort nicht erkennbar. Wenn im Rahmen eines anerkannten Garantieanspruchs die Turbolader ausgetauscht wurden, war der Vorgang doch auch für die Streithelferin (im Sinne des Kunden erfolgreich!) erledigt. Warum sollte sie die defekten Teile daher aufbewahren?
Der Sachverständige hat bei seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, dass theoretisch (für konkrete Feststellungen müsse er die Turbolader untersuchen) ein anfänglicher Mangel aber auch betriebsbedingte Umstände (Ölstand/Öldruck/Viskosität des Öls/Schmutzeintrag über die Ansaugkomponente) ursächlich sein könnten für den Ausfall der beiden Turbolader. Aus diesem Umstand will der Kläger nun ebenfalls unter dem Gesichtspunkt einer sekundären Darlegungs- und Beweislast folgern, dass die Beklagte schlüssig darlegen müsse, dass ein anfänglicher Mangel ausscheide. Dem kann nicht gefolgt werden. Einerseits deshalb wiederum nicht, weil die Beklagte rein tatsächlich weitergehende Angaben nicht machen kann, weil sie die streitgegenständlichen Turbolader selbst gar nicht (mehr) untersucht hat und grundsätzlich nicht (s.o.), weil an ihren Vortrag nur "normale" Anforderungen gestellt werden können, wenn die Beweislast aus den oben genannten Gründen beim Kläger verbleibt.
Soweit die Berufung (BB S. 8) unter Hinweis auf ihren Schriftsatz vom 30.8.2011 (Bl. 106 I) in diesem Zusammenhang rügt, dass das Landgericht einen Beweisantritt übergangen habe, kann dem nicht gefolgt werden, weil der Sachverständige bei seiner mündlichen Anhörung (Bl. 237 I) zu beiden Fragen Stellung genommen und diese beantwortet hat.
Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben, ohne dass es noch auf die Frage ankäme, ob die Voraussetzungen von § 440 BGB im Übrigen vorliegen können. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Reparatur des streitgegenständlichen Fahrzeuges in B. mit Zustimmung des Klägers erfolgte. Unabhängig von der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen von § 440 BGB als Grundlage für einen Rücktritt im Übrigen vorgelegen haben, musste der Kläger unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben jetzt diesen Nachbesserungsversuch abwarten (dazu: BGH Urteil vom 5.11.2008 - VIII ZR 166/07 - [NJW 2009, 508, 509 re.Sp.]). Soweit dem Kläger das Fahrzeug am 5.7.2010 nicht mangelfrei übergeben werden konnte, weil auch noch der 2. Turbolader ersetzt werden musste, hätte der Kläger jetzt vor dem Rücktritt bezogen auf den von ihm selbst gestatteten Nachbesserungsversuch die Frist aus § 323 Abs. 1 BGB setzen müssen (bezogen auf die Terminologie des § 440 S. 2 BGB lag am 5.7. jetzt erst der 1. fehlgeschlagene Versuch vor). Dies selbst dann, wenn vor diesem Nachbesserungsversuch die Voraussetzungen von § 440 BGB bereits vorgelegen haben sollten. Da unstreitig eine Fristsetzung vor der Rücktrittserklärung nicht erfolgt ist, ist der Rücktritt unwirksam. Auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt haben sowohl die Beklagte vorprozessual (Schreiben vom 6.8.2010 [Bl. 30 I]), und in der Klageerwiderung (S. 2 [Bl. 50 I]), als auch die Streithelferin (Schriftsatz vom 28.3.2011, S. 4 [Bl. 98]) hingewiesen. Der Inhalt des Schreibens des Klägers vom 11.6.2010 (Bl. 25/26 I) führt entgegen der Ansicht im Schriftsatz vom 25.6.2012 nicht weiter, weil dort zwar auf eine mögliche Wandlung hingewiesen, aber keine Frist gesetzt wird.
Die Beklagte hat entgegen der Ansicht des Klägers mit dem Schriftsatz vom 6.8.2010 (S. 3 [Bl. 32 I]) das Vorhandensein eines anfänglichen Mangels auch nicht anerkannt. Dem im Schriftsatz des Klägers vom 25.6.2012 (S. 4) erneut zitierten Passus aus dem Schriftsatz vom 6.8.2010 kann allenfalls der Erklärungsinhalt beigemessen werden, dass - was zudem ja auch unstreitig ist - ein Defekt an den Turboladern vorlag. Dies besagt aber gerade nichts darüber, dass die Beklagte dessen Existenz auch bereits für den Zeitpunkt der Übergabe anerkennen wollte. Ein (Verteidigungsrechte beschränkendes) Anerkenntnis kann nur bei einem entsprechenden eindeutigen Wortlaut angenommen werden.
(B) Die Berufung hat auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg. Zwar bejaht der Senat die Voraussetzungen von § 533 ZPO, ein Anspruch aus der Abrechnung der Leasingbank vom 1.6.2012 steht dem Kläger aber ebenfalls nicht zu:
1. Wie der Klägervertreter im Senatstermin vom 21.6.2012 klargestellt hat, handelt es sich bei dem als Rückstand gekennzeichneten Betrag von 27.570,32 Euro um rückständige Leasingraten, die der Kläger der Leasingbank aus dem Vertrag schuldet. Eine Anspruchsgrundlage auf Ausgleich dieses Betrages gegen die Beklagte ist nicht ersichtlich:
(1) Der Kläger will diesen Forderungsteil unter Hinweis auf einen bestehenden Verzug der Beklagten mit der Herausgabe des Fahrzeuges begründen. Dies kann in doppelter Weise nicht durchgreifen:
(a) Da der Kläger den Rücktritt erklärt hatte, wollte er damit die Rückabwicklung des Vertrages erreichen, wozu dann auch die Rückgabe des Fahrzeuges an die Beklagte gehört hätte (dazu der Hauptantrag in der Berufungsinstanz). Soweit sich die Beklagte tatsächlich im Besitz des Fahrzeuges befand, ist bei dieser Konstellation nicht ohne weiteres ersichtlich (zudem wenn berücksichtigt wird, dass der Kläger den Besitz bei der Werkstatt in B. aufgeben wollte/aufgegeben hat), dass sich die Beklagte mit der Herausgabe des Fahrzeuges überhaupt im Verzug befand. Es hätte hier konkreten Vortrages zu den Voraussetzungen von § 286 Abs. 1 BGB bzw. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB bedurft, der indes nicht gehalten wurde.
(b) Selbst wenn man aber einen Verzug der Beklagten unterstellen würde, ergäbe sich immer noch keine Anspruchgrundlage zugunsten des Klägers. Der § 286 BGB bildet keine Haftungsnorm. Haftungsnorm für einen Verspätungsschaden ist vielmehr § 280 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift indes setzt ein Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten voraus. Ein Schuldverhältnis bezogen auf das streitgegenständliche Fahrzeug besteht aber nur zwischen der Leasingbank und der Beklagten, nicht aber zwischen den Parteien. Als Schuldverhältnis i. S. v. § 280 Abs. 1 BGB zugunsten des Klägers könnte man bei dem Kaufvertrag an einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter denken (dazu: Staudinger/Otto, Neubearbeitung 2009, § 280, Anm. B11). Die Schutzwirkung bei Lieferverträgen betrifft aber den Schutz Dritter, die mit dem Kaufgegenstand in Berührung kommen, die als eigenständigen Anspruch also Schutz quasi vor dem Kaufgegenstand erhalten sollen.
(c) Letztlich kann der Kläger auch keinen Anspruch aus abgetretenem Recht geltend machen, weil ein Verzugsschaden nicht vom Umfang der Abtretung aus XIII Nr. 1 des Leasingvertrages gedeckt, dort werden nur die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB erfasst.
(2) Auch andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, warum der Kläger rückständige Leasingraten schuldet. Dies beginnt schon damit, dass die Abrechnung vom 1.6.2012 aus sich heraus nicht verständlich ist, ihr nicht einmal der Zeitraum entnommen werden kann, auf den sich der Rückstand beziehen soll. Stammt er aus der Zeit vor dem 6.7.2010 wäre nicht ersichtlich, warum die Beklagte den Rückstand ausgleichen soll, weil der Kläger den Kaufgegenstand genutzt hat. Stammen die Rückstände aus der Zeit nach dem 6.7.2010 hätte der Kläger den Leasingvertrag fristlos kündigen können und müssen, weil ihm das Fahrzeug von der Leasingbank nicht zur Verfügung gestellt wurde (XIV Nr. 1 S. 2; X Nr. 6; XIV Nr. 2 S. 1 des Leasingvertrages; unabhängig von der Frage ob auch bei fortbestehenden Leasingvertrag im Hinblick auf die Nichtleistung der Leasingbank ein Zahlungsanspruch überhaupt bestehen kann). Demgegenüber liegen die Voraussetzungen von XIII Nr. 4 des Leasingvertrages nicht vor, weil die Beklagte weder zur Rückabwicklung bereit ist, noch dazu rechtskräftig verurteilt wurde.
(3) Ob der Leasingbank dann ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zustehen könnte, wenn der Kläger keine Leasingraten zu zahlen hatte und ob ein solcher Anspruch von der Abtretung in XIII Nr. 1 des Leasingvertrages erfasst würde, kann dahinstehen, weil ein solcher Anspruch nicht auf Ausgleich der Leasingraten, sondern allenfalls auf Ausgleich entgangenen Gewinns gerichtet sein könnte.
2. Soweit in der Abrechnung eine Wertminderung des Fahrzeuges in Höhe von 4.140,-- Euro geltend gemacht wird, kann darin grundsätzlich ein Verzugsschaden liegen. Es gilt dann aber vorweg das unter 1. (1) (a) Gesagte, dass bereits die Voraussetzungen von § 286 BGB nicht festgestellt werden können. Selbst wenn man dies wiederum unterstellen wollte, könnte der Anspruch aber nur der Leasingbank zustehen, nicht aber dem Kläger:
(1) Zwar wurden in XIII Nr. 1 des Leasingvertrages auch die Rechte aus § 437 Nr. 3 Alt. 1 BGB abgetreten. Ein Verspätungsschaden als Teil dieses Schadensersatzanspruchs betrifft aber nur die verspätete Übergabe des Kaufgegenstandes an sich. Ein Verzug mit der Herausgabe nach einer Mängelbeseitigungsmaßnahme unterfällt demgegenüber § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 286 BGB. Ein Anspruch aus abgetretenem Recht steht dem Kläger mithin nicht zu.
(2) Ginge man davon aus, dass die Leasingbank die Wertminderung auf den Kläger abwälzen kann, könnte ein Fall der Drittschadensliquidation vorliegen. Nur würde dies dem Kläger nicht weiterhelfen, weil dann die Leasingbank den Schaden des Klägers geltend machen könnte, dieser ihn aber mangels Abtretung nicht selbst.
3. Vorstehende Erwägungen gelten auch für den weiter beanspruchten Ausgleich für Minderkilometer in Höhe von 762,86 Euro.
4. Besteht der Hauptanspruch nicht, besteht auch kein Anspruch auf den Ausgleich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen. Eine Abweichung von der Entscheidung vom 15.11.2006 - VIII ZR 166/06 - [z.B. VersR 2007, 404 [BGH 15.11.2006 - VIII ZR 166/06]] liegt schon im Hinblick auf die dort anders lautende Klausel aus den Garantiebestimmungen nicht vor. Die Zulassung der Revision kommt auch nicht im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9.3.2011 (VIII ZR 266/09 - z.B. VersR 2011, 1193 [BGH 09.03.2011 - VIII ZR 266/09] -; hier: zitiert nach juris) in Betracht. Die vom Kläger im Schriftsatz vom 25.6.2012 aufgestellte abstrakte Rechtsfrage nach der Wirkung eines Anerkenntnisses stellt sich nicht, da der Senat dem Schreiben vom 6.8.2010 nicht den Erklärungswert eines Anerkenntnisses beimisst.