· Fachbeitrag · Garantiezusagen
Die Krux mit der Garantie ‒ Die steuerrechtlichen Konsequenzen der Rechtsänderung im Autohaus
von Steuerberater und Dipl.-Finw. (FH) Andreas Masuch, WTS GmbH und Rechtsanwalt und Steuerberater Uwe Fetzer, WTS Wirtschaftstreuhand GmbH
| Ab dem 01.01.2023 ist es so weit: Die Versicherungssteuer auf entgeltliche Garantiezusagen kommt. Konkret bedeutet das, dass Kfz-Händler künftig steuerrechtlich als Versicherer anzusehen sind. Doch was bedeutet die Rechtsänderung für Ihr Autohaus? Welche umsatz- und versicherungsteuerrechtlichen Konsequenzen bringt sie mit sich? Und vor allem: Was müssen Sie künftig beachten? ASR macht Sie mit den Details vertraut und erläutert, welche Mammutaufgabe durch die Rechtsänderung im Bereich der Garantiezusagen auf Sie zukommt. |
Die geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung
Garantiezusagen sind in der Kfz-Branche seit jeher gang und gäbe. Im Sommer 2021 hat die Finanzverwaltung aber plötzlich mit zwei BMF-Schreiben für Verunsicherung gesorgt. Denn darin hat sie ihre Rechtsauffassung zum Thema Garantiezusagen vollständig geändert und verkündet, dass entgeltliche Garantien künftig nicht mehr der Umsatzsteuer, sondern der Versicherungsteuer unterliegen. Konkret: Verkaufen Sie eine Neuwagenanschluss- oder Gebrauchtwagengarantie, treten Sie als Versicherer auf und müssen Versicherungsteuer entrichten (BMF-Schreiben vom 11.05.2021, Az. III C 3 ‒ S 7163/19/ 10001 :001, 2021/0533686, Abruf-Nr. 222584 und BMF-Schreiben vom 18.06.2021, Az. III C 3 ‒ S 7163/19/10001 :001, 2021/0706884, Abruf-Nr. 223038).
Betroffen sind nur entgeltliche Garantiezusagen
Unklar war zum damaligen Zeitpunkt noch, ob es Unterschiede zwischen entgeltlichen und „unentgeltlichen“ Garantiezusagen, d. h. solchen für die kein gesondertes Entgelt ausgewiesen wird, geben wird. Jetzt ist klar: Von der Rechtsänderung betroffen sind nur entgeltliche Garantiezusagen, also solche, die Sie gegen ein zusätzliches Entgelt gewähren.
Steuerliche Übergangsfrist endet am 31.12.2022
Nach einer Übergangszeit von eineinhalb Jahren tritt die Rechtsänderung nun zum 01.01.2023 endgültig in Kraft. Damit führt jede gegen gesondertes Entgelt gewährte Garantiezusage zu einem umsatzsteuerfreien, aber vorsteuerschädlichen Ausgangsumsatz. Vollkommen irrelevant ist, ob es sich um
- eine Garantiezusage in Form einer Sachleistung (z. B. Reparatur) oder
- einer Geldleistung (z. B. Kostenersatz) handelt oder ob
- der Garantienehmer ggf. ein Wahlrecht zwischen Sach- und Geldleistung hat.
Die steuerrechtlichen Konsequenzen für Ihr Autohaus
Durch die Rechtsänderung kommen auf Ihr Autohaus umsatz- und versicherungssteuerrechtliche Konsequenzen zu.
Versicherungssteuerrechtliche Konsequenzen
Durch die vertragliche Garantiezusage wird zwischen Ihrem Autohaus und Ihrem Kunden ein Versicherungsverhältnis im Sinne des Versicherungsteuer-gesetzes (VersStG) begründet. Unter einem Versicherungsverhältnis ist ein durch Vertrag oder auf sonstige Weise entstandenes Rechtsverhältnis des einzelnen Versicherungsnehmers ‒ in dem Fall Ihres Kunden ‒ zum Versicherer ‒ Ihr Autohaus ‒ zu verstehen.
Wesentliches Merkmal für ein Versicherungsverhältnis ist das Vorhandensein eines vom Versicherer gegen Entgelt übernommenen fremden Wagnisses. Das von Ihrem Kunden hierfür entrichtete Entgelt ist als sog. Versicherungsentgelt anzusehen. Der Vorgang unterliegt der Versicherungsteuer.
In Ihrer Rechnung über das Versicherungsentgelt müssen Sie
- den darauf entfallenden Steuerbetrag offen ausweisen und
- den maßgeblichen Versicherungsteuersatz, sowie
- die Ihnen vom Bundeszentralamt für Steuer (BZSt) erteilte Versicherungsteuernummer angeben.
Die Versicherungsteuerschuld entsteht mit der Vereinnahmung des Versicherungsentgelts. Sie ist gegenüber dem BZSt zu deklarieren und abzuführen. Dazu müssen Sie sich entsprechend registrieren. Der Anmeldezeitraum für die Versicherungsteuer ist grundsätzlich der Kalendermonat. Hat die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr insgesamt nicht mehr als 6.000 Euro betragen, so ist Anmeldungszeitraum das Kalendervierteljahr. Hat die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 Euro betragen, so ist Anmeldungszeitraum das Kalenderjahr. Die Anmeldung ist jeweils innerhalb von 15 Tagen nach Ablauf des Anmeldezeitraums zu übermitteln.
Wichtig | Die Versicherungsteuer beträgt ‒ wie die Umsatzsteuer ‒ 19 Prozent. Sie berechtigt aber ‒ anders als die Umsatzsteuer ‒ nicht zum Vorsteuerabzug. Somit wird sie bei Ihrem Kunden zwangsläufig zum Kostenfaktor.
Umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen
Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der entgeltlichen Garantiezusage leitet die Finanzverwaltung davon ab, ob aus Sicht des VersStG ein Versicherungsverhältnis vorliegt. Sie schließt sodann von der versicherungsteuerrechtlichen Bewertung auf die umsatzsteuerrechtliche Behandlung:
- Umsatzsteuerfreiheit: Besteht ein Versicherungsverhältnis zwischen Ihrem Autohaus und Ihrem Kunden, gilt die entgeltliche Garantiezusage zwingend als umsatzsteuerbefreit nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG.
- Wichtig | Weisen Sie für die Versicherungsleistung dennoch Umsatzsteuer in Ihren Rechnungen aus, müssen Sie diese auch an das Finanzamt entrichten ‒ ohne dass das an der Steuerfreiheit Ihrer Garantiezusage etwas ändern oder Ihren Kunden zum Vorsteuerabzug berechtigen würde.
- Der Steuerfreiheit unterfallen auch die Leistungen für die tatsächliche Schadenbeseitigung, d. h. die gewährten Sach- und Geldleistungen.
Die Umsatzsteuerfreiheit von entgeltlichen Garantiezusagen vor und nach der Rechtsänderung fasst die folgende Grafik überblicksartig zusammen:
- Vorsteuerabzug: Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 10 UStG ist eine sog. unechte Steuerbefreiung. Das bedeutet, dass zwar die Leistung selbst von der Umsatzsteuer befreit ist, Sie aber im Gegenzug bei der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs aus den für die Erbringung der Leistung bezogenen Eingangsleistungen beschränkt sind. Von der Beschränkung betroffen sind alle Eingangsleistungen, die in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der entgeltlichen Garantiezusage stehen. Sprich:
- Nimmt Ihr Kunde die Garantiezusage in Anspruch, stellt die erbrachte Reparatur aus umsatzsteuerlicher Sicht keine steuerbare Leistung dar. Kommen bei dieser Reparatur Ersatzteile zum Einsatz, steht Ihnen aus dem Einkauf dieser eingesetzten Ersatzteile kein Vorsteuerabzug zu. Da Sie im Zeitpunkt des Leistungsbezugs der Ersatzteile deren späteren Einsatz im Rahmen einer Reparatur aufgrund einer Garantiezusage nicht kennen, ist durch einen entsprechenden unternehmensinternen Prozess sicherzustellen, dass aufgrund der tatsächlichen späteren Verwendung der Ersatzsteile eine Überprüfung des bislang geltend gemachten Vorsteuerabzugs erfolgt.
- Neben diesen vorsteuerschädlichen Tätigkeiten des Garantiegeschäfts erbringen Sie in Ihrem Autohaus mit dem Verkauf von Fahrzeugen und deren Reparaturen umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze. Diese berechtigen uneingeschränkt zum Vorsteuerabzug.
- Eine Vielzahl der von Ihnen bezogenen Eingangsleistungen wird gemischt genutzt, d. h. sowohl für Ausgangsumsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen als auch für solche, die den Vorsteuerabzug ausschließen (Garantiegeschäft). Exemplarisch sei hier der Schreibtisch genannt, den Sie sowohl für die Abwicklung des Kaufvertrags nutzen als auch für die Eingehung der Garantiezusage, oder Werkzeuge, die einerseits für umsatzsteuerpflichtige Reparaturen aber andererseits auch im Zuge der Reparatur im Rahmen von Garantiefällen verwendet werden. Darüber hinaus betrifft die Abzugsbeschränkung auch den Vorsteuerabzug aus den Allgemeinkosten wie z. B. Büromaterial, IT-Leasing, Reinigung der Büroräume, Buchhaltungskosten und Jahresabschlusskosten. Auch für diese Eingangsleistungen ist eine Vorsteuerquote zu ermitteln. Der Vorsteuerabzug richtet sich hier regelmäßig nach dem Umsatzverhältnis, das aber durch die umsatzsteuerfreien Garantieumsätze ebenfalls beeinflusst wird.
PRAXISTIPP | Wollen Sie bei gemischt verwendeten Eingangsleistungen nicht gänzlich auf den Vorsteuerabzug verzichten, müssen Sie die Nutzung der vorsteuerschädlichen bzw. -unschädlichen Tätigkeiten aufteilen und zuordnen. Die potenziellen Vorsteuerbeträge werden dann anhand einer Vorsteuerquote teilweise als abzugsfähig und teilweise als nicht abzugsfähig qualifiziert. Die nicht abzugsfähigen Vorsteuern stellen folglich einen Kostenfaktor dar. Die Vorsteuerquote muss eine sachgerechte Aufteilung widerspiegeln. In der Praxis erfolgt eine Aufteilung häufig anhand der Umsatzverhältnisse oder eines Gebäudeflächenschlüssels ‒ abhängig von der Eingangsleistung, um deren Vorsteuerabzug es geht.
- Anhand der exemplarisch aufgeführten, vorsteuerbehafteten Kosten lässt sich unschwer erkennen: Das Diskussionspotenzial mit den Finanzbehörden, welche Aufwendungen letztlich in die Ermittlung einer Vorsteuerabzugsquote einzubeziehen wären, ist hoch.
Bedeutung für die Autohaus-Praxis
Neben der Tatsache, dass jegliche nicht abzugsfähige Vorsteuerbeträge zum Kostenfaktor im Autohaus werden und das Geschäftsmodell „entgeltliche Garantiezusage“ allein schon dadurch verteuern, sollten Sie den administrativen Aufwand, der mit der Rechtsänderung verbunden ist (Ermittlung eines Vorsteuerabzugsschlüssels, Risiko nachträglicher Anpassungen durch das Finanzamt etc.), nicht unterschätzen. Wägen Sie daher gut ab, ob sich der Verkauf entgeltlicher Garantiezusagen künftig noch für Ihr Autohaus lohnt. Um den administrativen Aufwand zu relativieren, bieten sich zwei Optionen:
- Auslagerung des Garantiegeschäfts auf separate Gesellschaft: Einige Autohäuser lagern das Garantiegeschäft in eine separate Gesellschaft aus ‒ mit dem Hintergrund, dass die Fahrzeugverkäufe von einer Gesellschaft getätigt, die Garantiezusagen ausschließlich von der anderen Gesellschaft hingegeben werden. Der Haken: Auch hier werden der garantiegebenden Gesellschaft Vorsteuerbeträge aus Eingangsleistungen (administrative Leistungen, Kosten für Beseitigung von Schäden im Rahmen der Garantiefälle etc.) entstehen, für die der Vorsteuerabzug dann gänzlich ausgeschlossen ist.
- Wahl eines alternativen Garantie-Geschäftsmodells: Probate Alternativen sind die Geschäftsmodelle „unentgeltliche Garantiezusage“ (d. h. in den Kaufpreis inkludierte Garantiezusagen bei fehlendem günstigeren Vergleichsfahrzeug) und der „Vollwartungsvertrag“. Beide Geschäftsmodelle unterfallen nicht der Versicherungsteuerpflicht. Dazu mehr auf den Seiten 8 bis 12 dieser ASR-Ausgabe.