· Fachbeitrag · Innergemeinschaftlicher Handel
So tappen Sie bei EU-Exporten nicht in die „Stammkundenfalle“
von Sven Herpolsheimer, herpolsheimer fachberatung im automobilhandel, Kulmbach
| „Stammkundenfalle“ - der Begriff klingt im ersten Moment merkwürdig. Ist es im Vertrieb denn nicht gerade das Ziel, einen Kunden durch kontinuierliche Folgegeschäfte zu einem treuen Stammkunden zu machen? Selbstverständlich! Allerdings laufen Sie bei EU-Exporten Gefahr, dass Sie bei Stammkunden aus dem benachbarten Ausland - insbesondere bei den Firmendokumenten und sonstigen Belegnachweisen - nachlässiger und weniger aufmerksam werden. Die Folge sind vermeidbare Umsatzsteuernachzahlungen. |
Beispiel für eine „Stammkundenfalle“
Dazu folgender Sachverhalt aus der Praxis.
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Eine Autohausgruppe aus Nordrhein-Westfalen (NRW) pflegte viele Jahre eine intensive Geschäftsbeziehung mit einem freien Händler aus den Niederlanden. Dieser hatte sich vorwiegend auf den Import von Fahrzeugen der gehobenen Mittelklasse spezialisiert.
Im niederländischen Handelsregisterauszug war ausschließlich der ehemalige Gründer des Unternehmens als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter eingetragen. Seine zwei Söhne arbeiteten ebenfalls im Familienbetrieb, holten öfters Fahrzeuge zur Überführung ab, waren jedoch nicht in den Firmenpapieren als vertretungsberechtigte Personen eingetragen.
Krankheitsbedingt musste sich der Seniorchef relativ kurzfristig zum Jahreswechsel 2015/2016 aus dem aktiven Tagesgeschäft zurückziehen.
Seine beiden Söhne - die der deutschen Autohausgruppe aus NRW seit Jahren bestens bekannt waren - übernahmen sukzessive dessen Aufgaben. Hierzu zählte u. a. auch die Unterzeichnung der Kaufverträge und sonstiger für die Komplettierung des Belegnachweises erforderlichen Dokumente im Rahmen von steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen.
Der Seniorchef verstarb wenige Monate nach seinem Rückzug.
Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch die Finanzverwaltung in NRW stellte sich heraus: Sämtliche Vertragsunterlagen von mehr als 30 steuerfreien Fahrzeugverkäufen in einem Zeitraum von neun Monaten waren von den beiden Söhnen unterzeichnet worden. Der Seniorchef hatte jedoch nie die Geschäftsführung auf seine Söhne übertragen. Zudem hatten diese zu keinem Zeitpunkt über eine entsprechende Handlungsvollmacht verfügt. |
Fiskus fordert die Umsatzsteuer nach
Das Finanzamt in NRW fordert nun von der deutschen Autohausgruppe die Umsatzsteuer in Höhe von 233.700 Euro aus den über 30 Fahrzeugverkäufen zurück, u. a. weil die beiden Söhne für das niederländische Unternehmen nicht zeichnungsberechtigt waren.
Der deutsche Lieferant legte Einspruch ein und stellte einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Finanzamt und Finanzgericht lehnten ab. Die Erfolgsaussichten der nun eingereichten Klage sind trübe.
Das sollten Sie auch bei Stammkunden regelmäßig tun
Vermeiden Sie die Fehler, die die Autohausgruppe gemacht hat:
- Fordern Sie im Turnus von ca. sechs Monaten immer wieder einen offiziellen, aktuellen Handelsregisterauszug an. Aus diesem sollten Sie zweifelsfrei die tatsächlich zeichnungsberechtigten Personen herauslesen können. Legen Sie sich die Aufforderung zur Übersendung eines aktuellen Dokuments auf Termin!
- Wichtig | In manchen EU-Mitgliedstaaten, z. B. in Portugal, ist der Gültigkeitszeitraum des Handelsregisterauszugs schriftlich vermerkt.
- Achten Sie darauf, dass Sie von den zeichnungsberechtigten Personen stets eine gültige und gut lesbare Kopie eines anerkannten Legitimationspapieres in den Akten haben. Hierzu zählen ausschließlich Personalausweis, Identitätskarte oder Reisepass mit Meldebestätigung. Überprüfen Sie bei Folgegeschäften stets, ob der Ausweis des Geschäftspartners tatsächlich noch gültig ist; denn die Finanzbehörden behandeln einen abgelaufenen Ausweis wie einen nicht vorgelegten Ausweis.
- Wichtig | Das Gültigkeitsdatum eines Ausweisdokuments finden Sie unter „date of expiry“.
- Prüfen Sie auch bei Stammkunden bei jedem Verkauf und jeder Rechnungsstellung die USt-IdNr. beim Bundeszentralamt für Steuern auf Gültigkeit. Denn es kommt immer wieder vor, dass sich die Adresse und/oder die Gesellschaftsform ändern!
- Akzeptieren Sie keine Bevollmächtigungen zur Zeichnungsberechtigung für Personen, die nicht schriftlich in den Firmendokumenten mit entsprechender Befugnis eingetragen sind.
- Verzichten Sie auch bei Stammkunden möglichst auf Barzahlungen. Achten Sie darauf, dass Überweisungen vom Geschäftskonto des Erwerbers stammen.
- Vergleichen Sie bei jedem EU-Geschäft die Unterschrift auf den Vertragsunterlagen mit der Passkopie der zeichnungsberechtigten Person. Eine nicht oder nicht zweifelsfrei zuordenbare Unterschrift ist schädlich.