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  • · Fachbeitrag · Liquidität/Bilanz

    Verlustrücktrag verfünffacht: So verschaffen Sie Ihrem Autohaus mehr Liquidität

    von Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

    | Die Kfz-Branche wurde von den Auswirkungen der Corona-Krise hart getroffen. Viele Betriebe werden im Jahr 2020 erhebliche Verluste verzeichnen. Das Steuerrecht kennt zwar einen Verlustrücktrag, allerdings ist dieser betragsmäßig begrenzt. Zudem kann der Verlustrücktrag erst bei Abgabe der Steuererklärung für 2020 genutzt werden. Die Liquidität aus der Steuererstattung für 2019 wird allerdings jetzt benötigt. Daher hat der Gesetzgeber jetzt nachgebessert und neue Möglichkeiten geschaffen. |

    Die neuen Regeln im „Zweites Coronahilfe-Steuergesetz“

    Konkret

    • 1. sind der höchstmögliche Verlustrücktrag erhöht und
    • 2. eine frühzeitige Verlustnutzung ermöglicht worden.

     

    Erhöhung des höchstmöglichen Verlustrücktrags

    Der in § 10d Abs. 1 EStG verankerte Verlustrücktrag sieht vor, dass bei Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichene negative Einkünfte bis zu einem Höchstbetrag von einer Mio. Euro (bei zusammenveranlagten Ehegatten zwei Mio. Euro) vom Gesamtbetrag der Einkünfte des vorangegangenen Jahres abzuziehen sind (Verlustrücktrag). Übersteigende Beträge sind mit künftigen Gewinnen zu verrechnen (Verlustvortrag).

     

    Die Höchstbeträge des Verlustrücktrags werden durch die Gesetzesänderung auf fünf bzw. zehn Mio. Euro angehoben und damit verfünffacht. Dabei gelten die erhöhten Beträge gemäß § 52 Abs. 18b EStG ausschließlich für den Veranlagungszeitraum 2020. Ab 2021 gelten wieder die bisherigen Höchstbeträge von einer bzw. zwei Mio. Euro.

     

    • Beispiel 1

    Sie sind alleinstehend, betreiben ein großes Autohaus mit mehreren Filialen und haben im Jahr 2019 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte von zwölf Mio. Euro erzielt. Durch die Corona-Krise erwirtschaften Sie für das Jahr 2020 einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte von acht Mio. Euro.

    Lösung: Bisher war ein steuerwirksamer Verlustrücktrag mit einer Mio. Euro möglich. Durch die Gesetzesänderung können Sie nun Verluste in Höhe von fünf Mio. Euro in das Jahr 2019 zurücktragen. Die übersteigenden Beträge werden in Folgejahre vorgetragen. Bei einem Steuersatz von 45 Prozent fließt Ihnen dadurch frühzeitig zusätzliche Liquidität in Höhe von 1,8 Mio. Euro zu (vier Mio. x 45 Prozent).

     

    Möglichkeit zur frühzeitigen Verlustnutzung

    Es wurden § 110 und § 111 EStG eingeführt und gleichzeitig das BMF-Schreiben vom 24.04.2020 zum pauschalen Verlustrücktrag aufgehoben. Diese im Einkommensteuerrecht verankerten Regelungen gelten über §§ 8 Abs. 1 S. 1 bzw. 31 Abs. 1 S. 1 KStG auch für Kapitalgesellschaften. Damit können Sie rechtsformunabhängig von den neuen Regelungen profitieren. Egal, ob Sie Ihr Autohaus als Einzelunternehmen, Personengesellschaft (z. B. OHG oder GmbH & Co. KG) oder Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH) führen. Sie haben folgende Möglichkeiten zur frühzeitigen Verlustnutzung:

     

    • Einfache Anpassung von Vorauszahlungen für das Jahr 2019 möglich
    • Auf Antrag wird der für die Bemessung der Vorauszahlungen für 2019 zugrunde gelegte Gesamtbetrag der Einkünfte pauschal um 30 Prozent gemindert. Dies gilt nicht, soweit hierin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit enthalten sind. Ferner sind die neuen Höchstbeträge von fünf bzw. zehn Mio. Euro als Obergrenze zu beachten. Einzige Voraussetzung ist, dass die Vorauszahlungen für das Jahr 2020 bereits auf 0 Euro herabgesetzt wurden und Sie einen Antrag stellen (§ 110 EStG).

     

      • Beispiel 2

      Sie betreiben eine Autohaus-GmbH. Auf Grundlage des Körperschaftsteuerbescheids für 2018 wurden die Vorauszahlungen für 2019 festgesetzt. Zugrunde gelegt wurde ein voraussichtlicher Gesamtbetrag der Einkünfte von 200.000 Euro. Die Vorauszahlungen wurden deshalb mit 31.650 Euro festgesetzt (15 % Körperschaftsteuer zzgl. 5,5 % Soli) und von Ihnen fristgerecht beglichen. Die Vorauszahlungen für 2020 wurden bereits auf null Euro herabgesetzt, und von Ihnen wird ein Antrag nach § 110 EStG gestellt.

       

      Lösung: Das Finanzamt ermittelt basierend auf den zugrunde gelegten Einkünften einen pauschalen Verlustabzug von 60.000 Euro (200.000 Euro x 30 %). Die Vorauszahlungen werden ausgehend von 140.000 Euro berechnet und betragen inkl. Soli 22.155 Euro. Da Sie bereits 31.650 Euro beglichen haben, erhalten Sie eine Erstattung von 9.495 Euro.

       
    • Pauschaler Verlustrücktrag auch bei der Steuerfestsetzung 2019 zulässig
    • Geben Sie Ihre Steuererklärung für 2019 ab, können Sie ebenfalls vom pauschalen Verlustabzug in Höhe von 30 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte mit Ausnahme der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit profitieren (§ 111 Abs. 1 EStG). Voraussetzung ist auch hier, dass Sie einen Antrag stellen und die Vorauszahlungen für das Jahr 2020 auf null Euro herabgesetzt wurden. Wurde im Ausnahmefall die Veranlagung für 2020 vor der Veranlagung für 2019 durchgeführt, ist die Möglichkeit eines vorläufigen Verlustrücktrags ausgeschlossen (§ 111 Abs. 4 EStG).

     

      • Fortführung Beispiel 2

      Die Vorauszahlungen für 2019 wurden bereits auf 22.155 Euro gemindert (s. o.), und Sie geben Ihre Körperschaftsteuererklärung ab. Das Finanzamt ermittelt einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 180.000 Euro.

      Lösung: Ohne weitere Anträge Ihrerseits würde das Finanzamt ausgehend von 180.000 Euro die Körperschaftsteuer zzgl. Soli auf 28.485 Euro festsetzen und von Ihnen die Differenz zu den geleisteten Vorauszahlungen (22.155 Euro) for-dern. Sie müssten demnach 6.330 Euro nachbezahlen. Grund: Im Rahmen der Steuerfestsetzung kann der bisher beantragte und gewährte pauschale Verlustabzug nicht weiter angesetzt werden, er galt nur für die Vorauszahlungen.

       
    • PRAXISTIPP | Im Rahmen der Steuerfestsetzung sollten Sie ebenfalls einen Antrag auf pauschalen Verlustabzug stellen (diesmal nach § 111 EStG). Das Finanzamt mindert dann die Einkünfte von 180.000 Euro um 30 Prozent auf 126.000 Euro und setzt die Steuern mit 19.940 Euro fest. Da Sie bereits 22.155 Euro entrichtet haben, wird Ihnen die Differenz von 2.215 Euro erstattet. Der Liquiditätsvorteil beträgt 8.545 Euro.

       
    • Abgabe der Steuererklärung für 2020
    • Mit der Veranlagung für 2020 ist die Steuerfestsetzung für 2019 zu ändern. Der bislang berücksichtigte vorläufige Verlustrücktrag von 30 Prozent ist dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen (§ 111 Abs. 3 EStG). Stattdessen wird der tatsächliche Verlust des Jahres 2020 entsprechend der Grundsätze des § 10d EStG berücksichtigt. Für die Steuerfestsetzung 2019 enthält § 111 Abs. 3 EStG eine eigenständige Ablaufhemmung nebst Korrekturvorschrift sowie einen abweichenden Beginn für die potenzielle Verzinsung nach § 233a AO.

     

      • Fortführung Beispiel 2

      Aus Ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2020 ermittelt das Finanzamt einen Verlust von 80.000 Euro und legt ihn der Besteuerung zugrunde.

       

      Lösung: Die Steuer des Jahres 2020 wird auf null Euro festgesetzt. Da die Vorauszahlungen ebenfalls null Euro betragen, ergeben sich keine Zahlungsverpflichtungen. Für das Jahr 2019 entfällt der bisher berücksichtigte pauschale Verlustabzug und das Finanzamt legt der Besteuerung nicht mehr die 126.000 Euro, sondern die tatsächlich erwirtschafteten 180.000 Euro zugrunde. Allerdings wird nun der tatsächlich im Jahr 202O erzielte Verlust von 80.000 Euro abgezogen. Die Steuer auf Grundlage der nun maßgebenden 100.000 Euro beträgt damit 15.825 Euro. Von Ihnen wurden bereits 19.940 Euro entrichtet (vorherige Steuerfestsetzung), sodass Sie eine Erstattung von 4.115 Euro erhalten.

       

    Verluste bei Kapitalgesellschaften und § 8c KStGt

    Wird bei einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschafts-, Beteiligungs- oder Stimmrechte an einen Erwerber oder diesem nahestehende Personen übertragen oder liegt ein vergleichbarer Sachverhalt vor (= schädlicher Beteiligungserwerb), sind bis zu diesem Beteiligungserwerb nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Einkünfte (nicht genutzte Verluste) gar nicht mehr abziehbar (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG). Als schädlicher Erwerber gilt auch eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen. Ausnahmen vom Verlustuntergang regeln § 8c Abs. 1 S. 4 ff. KStG.

     

    • Beispiel 3

    Sie beabsichtigen schon lange, eine Autohaus-GmbH im Nachbarort zu übernehmen. Dazu haben Sie bereits im Jahr 2005 40 Prozent der GmbH-Anteile erworben. Im Jahr 2017 erwarben Sie weitere 25 Prozent. Infolge der Corona-Krise verkauft der Inhaber seine restlichen 35 Prozent der Gesellschaftsanteile an Sie zum 31.12.2020. Die GmbH hat bis zu diesem Tag erhebliche Verluste erlitten. Der Verlustvortrag auf den 31.12.2020 beträgt 1,5 Mio. Euro. Sie rechnen mit künftigen Gewinnen durch Synergieeffekte und beabsichtigen, diese Gewinne steueroptimal mit den Verlusten zu verrechnen.

     

    Lösung: Sie haben im Jahr 2020 einen schädlichen Beteiligungserwerb nach§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG verwirklicht, da Sie mehr als 50 Prozent der Anteile innerhalb von fünf Jahren erworben haben (2016 bis 2020: Erwerb innerhalb dieses Zeitraums von insgesamt 60 Prozent). Folglich gehen die zum 31.12.2020 nicht ausgeglichenen oder abgezogenen Einkünfte (Verlustvortrag von 1,5 Mio. Euro) vollständig verloren. Diese Verluste werden vom Finanzamt nicht weiter vorgetragen und können nicht mit künftigen Gewinnen ab dem 01.01.2021 verrechnet werden. Dies gilt selbst für den Anteil von 40 Prozent an den Verlusten, bei dem Ihre Beteiligung bereits vor dem schädlichen Fünf-Jahres-Zeitraum bestand. Der effektive steuerliche Nachteil beträgt damit 237.375 Euro (1,5 Mio. Euro x 15 % Körperschaftsteuer zzgl. 5,5 % Soli).

     

    Erster Notanker: Auf Musterprozess beim BVerfG hoffen

    Das BVerfG muss prüfen, ob § 8c Abs. 1 S. 1 KStG verfassungsgemäß ist. Im konkreten Fall (Az. 2 BvL 19/17 ) geht es um die Übertragung von 80 Prozent Gesellschaftsanteilen innerhalb von fünf Jahren mit dem Ergebnis eines vollständigen Verlustuntergangs. Sind Sie von § 8c Abs. 1 S. 1 KStG betroffen, sollten Sie deshalb gegen entsprechende Steuerbescheide Einspruch einlegen und unter Hinweis auf das anhängige Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG eine Verfahrensruhe erwirken (§ 363 Abs. 2 S. 2 AO).

     

    Zweiter Notanker: Verluste möglicherweise über § 8d KStG rettbar

    Die Regelungen zum Verlustuntergang des § 8c KStG finden auf Antrag nach § 8d KStG keine Anwendung, wenn die GmbH seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem des schädlichen Beteiligungserwerbs vorausgeht, ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des Veranlagungszeitraums des schädlichen Beteiligungserwerbs kein (weiteres) schädliches Ereignis im Sinne des § 8d Abs. 2 KStG stattgefunden hat. Schädliche Ereignisse wären z. B. die Einstellung des Geschäftsbetriebs oder die Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs.

     

    • Fortführung Beispiel

    Seit der Gründung hat die zu übernehmende Autohaus-GmbH im Nachbarort nur den Autohandel betrieben. Den führen Sie unverändert fort.

     

    Lösung: Es liegt zwar weiterhin ein schädlicher Erwerb nach § 8c Abs. 1 S. 1 KStG vor. Allerdings sind die Voraussetzungen des § 8d KStG erfüllt. Stellen Sie einen entsprechenden Antrag, bleiben die bisherigen Verluste von 1,5 Mio. Euro erhalten, und Sie können diese mit künftigen Gewinnen verrechnen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 10 | ID 46646437