· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Der neue Fernverkauf seit dem 01.07.2021: Checkliste und Praxishinweise für das Kfz-Gewerbe
von Diplom-Finanzwirt Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund
| Trug der Lieferer die Transportverantwortung, galt für Verkäufe an Nicht-Unternehmer (B2C-Geschäft) in der EU umsatzsteuerlich bis Juni 2021 die Versandhandelsregelung. Zum 01.07.2021 hat sich diese Regelung grundlegend geändert. Für die Kfz-Branche hat das Auswirkungen auf den Handel mit Gebrauchtfahrzeugen und Ersatzteilen. Der Handel mit Neufahrzeugen bleibt außen vor. ASR bringt Sie auf den Stand der Dinge. |
Die „Versandhandels“-Regelung bis zum 30.06.2021
Bei grenzüberschreitenden EU-Verkäufen konnte der Händler bis zum 30.06.2021 zunächst die deutsche Mehrwertsteuer in Rechnung stellen (§ 3c UStG a. F.). Das galt solange, bis die Verkäufe einen Schwellenwert ‒ die „Lieferschwelle“ ‒ überschritten. Die Höhe der Lieferschwelle hat das Land, in das die Ware geliefert wurde („Bestimmungsland“), in einem von der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgegebenen Rahmen selbst festgelegt. Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten hatten also unterschiedliche Lieferschwellen.
Wurde eine Lieferschwelle überschritten, musste der Händler die Mehrwertsteuer des jeweiligen Bestimmungslands in Rechnung stellen. Dazu musste er sich in diesem Bestimmungsland zunächst für Zwecke der Umsatzsteuer registrieren lassen und in der Folge auch dort Umsatzsteuererklärungen abgeben und allen weiteren umsatzsteuerlichen Pflichten genügen.
PRAXISTIPP | Eine Registrierung im EU-Ausland ist teuer und muss daher in die Kalkulation der Umsätze eingehen. Dies nicht, weil die Erteilung einer Steuernummer Gebühren auslösen würde. Kosten entstehen vielmehr u. a. durch die
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Der neue „Fernverkauf“ seit dem 01.07.2021
Der bisherige Versandhandel hat einen anderen Namen bekommen. Er heißt jetzt „Fernverkauf“ (§ 3c UStG n. F.). EU-weit gilt dafür ein einheitlicher Schwellenwert von 10.000 Euro, die „Geringfügigkeitsschwelle“. Für die Berechnung des Schwellenwerts gelten komplett neue Spielregeln:
- Die Berechnung erfolgt nicht mehr gesondert für jeden EU-Mitgliedstaat.
- Die Schwelle gilt für alle Fernverkäufe zusammen. Betrachtet wird also die Summe aller EU-Umsätze grenzüberschreitender Lieferungen an Nichtunternehmer mit (Wohn-)Sitz in der EU. Bis zu dieser Schwelle muss der Händler die deutsche Umsatzsteuer in Rechnung stellen.
- Wird die Schwelle im vorangegangenen oder im laufenden Kalenderjahr überschritten, muss für Fernverkäufe in allen Ländern die EU-ausländische Mehrwertsteuer berechnet werden.
- Erforderlich ist in diesem Fall eigentlich die per Saldo teure Registrierung des (deutschen) Fernverkäufers in den jeweiligen (EU-ausländischen) Bestimmungsländern (s. o.). Abhilfe schafft die Teilnahme des Kfz-Händlers am One-Stop-Shop (s. u.).
- In die Berechnung der Umsatzschwelle gehen ab dem 01.07.2021 neben den innergemeinschaftlichen Fernverkäufen auch bestimmte sonstige Leistungen ein. Diese dürften allerdings für das Kfz-Gewerbe ohne Bedeutung sein.
PRAXISTIPP | Gesamtbetrag der Entgelte i. S. v. § 3c Abs. 4 S. 1 UStG ist die Summe der Entgelte für die maßgeblichen Lieferungen, d. h. die Nettobeträge ohne Umsatzsteuer. Für die Überprüfung der Lieferschwellen ist nur auf die Umsätze i. S. v. § 3c UStG n. F. abzustellen. Die Höhe der anderen Umsätze im Bestimmungsland ist ohne Bedeutung. Bei der Berechnung der Lieferschwelle bleiben ferner die Entgelte aus Versendungsumsätzen mit verbrauchsteuerpflichtiger Ware unberücksichtigt. |
Teilnahme am One-Stop-Shop (OSS) vermeidet Aufwand
Um für Fernverkäufer die Abgabe der ausländischen Steuererklärungen sowie die Zahlung der ausländischen Mehrwertsteuer zu erleichtern, bietet die EU ein zentrales Portal, den „One-Stop-Shop ‒ O“. Dieser ermöglicht es dem Verkäufer, im EU-Ausland geschuldete Umsatzsteuer zentral zu erklären und abzuführen. Die Meldepflichten erfüllt er über den OSS. Dieser steht deutschen Verkäufern über die Homepage des BZSt (www.bzst.de → one stop shop → EU-Regelung) zur Verfügung.
PRAXISTIPPS |
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Wann tätigen Sie umsatzsteuerlich einen Fernverkauf?
Ob Sie unter die Neuregelung des § 3c UStG n. F. fallen, können Sie anhand der folgenden Checkliste leicht überprüfen:
CHECKLISTE / Fernverkäufe durch deutsche Autohäuser | |
Der Kunde ist kein Unternehmer und tritt insbesondere ohne Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf („Privatkunde“). | ❒ |
Ihr Autohaus trägt die Transportverantwortung. Das ist der Fall, wenn Sie nach dem Kaufvertrag auch den Transport des Fahrzeugs zum Kunden schulden. Wie Sie den Transport dann tatsächlich durchführen, ob Sie also
ist ohne Bedeutung. | ❒ |
Die Warenbewegung beginnt und endet in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten, z. B.
Wichtig | Auch wenn Sie einen deutschen Kunden beliefern, der Warenweg aber im EU-Ausland beginnt, liegt unter den weiteren Voraussetzungen ein Fernverkauf vor. | ❒ |
Der Liefergegenstand ist
Wichtig | Ein Fahrzeug ist „neu“ im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 UStG, wenn es nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hat oder die erste Inbetriebnahme nicht mehr als sechs Monate zurückliegt. Neufahrzeuge sind damit z. B. auch
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Die Geringfügigkeitsschwelle ist überschritten. Die Schwelle beträgt 10.000 Euro netto ohne Umsatzsteuer (s. o.) | ❒ |
Die Rechnungsstellung für einen Fernverkauf
Ist die Geringfügigkeitsschwelle überschritten, muss der deutsche Fernverkäufer auf seinen Ausgangsrechnungen die Umsatzsteuer des jeweiligen Bestimmungslands ausweisen. Nach der offiziellen Website der Europäischen Union (https://Europa.eu → Mehrwertsteuersätze in den EU-Ländern - www.iww.de/s5245) galten bei „Redaktionsschluss 01.01.2021“ folgende Mehrwertsteuersätze.
Wichtig | Die EU schränkt die „Belastbarkeit“ dieser Website aber durch den Hinweis ein, dass man die jeweils aktuellen Steuersätze doch bitte beim BZSt erfragen möge.
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Land | Ländercode | Normalsatz | Ermäßigter Satz | Stark ermäßigter Satz | Zwischensatz |
Österreich | AT | 20 | 10 / 13 | - | 13 |
Belgien | BE | 21 | 6 / 12 | - | 12 |
Bulgarien | BG | 20 | 9 | - | - |
Zypern | CY | 19 | 5 / 9 | - | - |
Tschechien | CZ | 21 | 10 /15 | - | - |
Deutschland | D | 19 | 7 | - | - |
Dänemark | DK | 25 | - | - | - |
Estland | EE | 20 | 9 | - | - |
Griechenland | EL | 24 | 6 / 13 | - | - |
Spanien | ES | 21 | 10 | 4 | - |
Finnland | FI | 24 | 10 / 14 | - | - |
Frankreich | FR | 20 | 5,5 / 10 | 2,1 | - |
Kroatien | HR | 25 | 5 / 13 | - | - |
Ungarn | HU | 27 | 5 / 18 | - | - |
Irland | IE | 23 | 9 / 13,5 | 4,8 | 13,5 |
Italien | IT | 22 | 5 / 10 | 4 | - |
Litauen | LT | 21 | 5 / 9 | - | - |
Luxemburg | LU | 17 | 8 | 3 | 14 |
Lettland | LV | 21 | 12 / 5 | - | - |
Malta | MT | 18 | 5 / 7 | - | - |
Niederlande | NL | 21 | 9 | - | - |
Polen | PL | 23 | 5 / 8 | - | - |
Portugal | PT | 23 | 6 / 13 | - | 13 |
Rumänien | RO | 19 | 5 / 9 | - | - |
Schweden | SE | 25 | 6 / 12 | - | - |
Slowenien | SI | 22 | 9,5 | - | - |
Slowakei | SK | 20 | 10 | - | - |
Ausblick auf die weitere Berichterstattung in ASR
Die Änderungen beim „Fernverkauf“ haben auch Auswirkungen auf einige Fälle der Beitragsserie „Handel über die Grenzen“. ASR wird darauf in den nächsten Ausgaben wie folgt eingehen:
- Praxisfall 7.1: Verkauf eines GW an einen Privatkunden in der EU ‒ Transportfall regelbesteuert (Oktober-Ausgabe)
- Praxisfall 9.1: Verkauf eines GW an einen Privatkunden in der EU ‒ Transportfall differenzbesteuert (November-Ausgabe)
- Praxisfall 47.1: Ersatzteile-Verkauf an eine Privatperson in der EU ‒ Transportfall (Dezember-Ausgabe)