· Fachbeitrag · Umsatzsteuer/Innergemeinschaftlicher Handel
Wie geht es weiter nach der Insolvenz der Baumer Automobilvertriebs GmbH?
| Wie geht es weiter nach der Insolvenz der Baumer Automobilvertriebs GmbH (AVG)? Warum sollen die AVG-Lieferanten auf die Einrede der Verjährung verzichten? Darüber sprach die ASR-Redaktion mit dem Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt (RA) Hans W. Bauer aus Regensburg. Das Gespräch führte Chefredakteur Norbert Rettner. |
Redaktion: Warum nehmen Sie die Geschäftspartner der AVG auf Rückzahlung der in Rechnungen an die AVG ausgewiesenen Umsatzsteuer in Anspruch?
RA Bauer: Die bayerische Finanzverwaltung ist der Auffassung, dass die Lieferanten der AVG keine Lieferung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes an die AVG ausgeführt hätten. Vielmehr hätte die AVG die Lieferanten im Rahmen einer Dienstleistung beim Export von Kraftfahrzeugen ins Ausland an ausländische Kunden unterstützt. Die Folge dieser Ansicht ist: Die Lieferanten der AVG hätten an die AVG gerade keine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausstellen dürfen. Deshalb schuldete die AVG die darin ausgewiesene Umsatzsteuer nicht und war damit auch nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen berechtigt. In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der AVG bin ich daher gezwungen, die von den Lieferanten der AVG vereinnahmte Umsatzsteuer auf dem Zivilrechtsweg zurückzufordern.
Redaktion: Und die Mahnbescheide, die Sie gegenüber den Lieferanten der AVG veranlasst haben, dienten dazu, die Verjährung der Erstattungsansprüche zu verhindern?
RA Bauer: Richtig. Ich musste Ende 2012 handeln, weil sonst die Forderungen gegenüber denjenigen Lieferanten der Baumer AVG aus dem Jahr 2009 verjährt wären, die nicht auf meine Aufforderung hin auf die Einrede der Verjährung verzichtet haben. Mit den Mahnbescheiden wird die Verjährung gehemmt, wie das im Juristendeutsch heißt. Ich werde übrigens auch für die Jahre 2010 und 2011 wieder Mahnbescheide gegenüber den Lieferanten veranlassen, damit auch die Erstattungsansprüche aus diesen Jahren nicht verjähren. Dazu bin ich als Insolvenzverwalter verpflichtet.
Redaktion: Haben Lieferanten Widerspruch gegen Ihre Mahnbescheide eingelegt und was ist aus den Zivilgerichtsverfahren geworden, die dadurch anhängig geworden sind?
RA Bauer: Viele Lieferanten haben einen Verjährungseinredeverzicht unterzeichnet. Denjenigen, die nicht unterzeichnet und Widerspruch eingelegt haben, habe ich die Möglichkeit gegeben, bis 24. Mai 2013 einen Verjährungseinredeverzicht zu unterzeichnen, um zu vermeiden, dass ich die Streitfrage gerichtlich klären lassen müsste. Denn die Hemmungswirkung der Mahnbescheide dauert nur bis Ende Juni 2013 an. Insgesamt sind bisher vier Zivilgerichtsverfahren anhängig geworden. Davon wurde das erste bereits ausgesetzt, in den drei weiteren wird in Kürze über unseren Aussetzungsantrag entschieden werden. Das Aussetzen des Zivilverfahrens hat dieselbe Wirkung wie ein Verjährungseinredeverzicht, jedoch mit hohem Kostenrisiko, zum Beispiel Rechtsanwalts- und Gerichtskosten für den Lieferanten.
Redaktion: Wie kann die steuerrechtliche Frage geklärt werden?
RA Bauer: Die steuerrechtliche Frage kann allein auf dem Finanzrechtsweg, und nicht auf dem Zivilrechtsweg geklärt werden. Eine Entscheidung auf dem Zivilrechtsweg kann erst ergehen, wenn die steuerrechtliche Frage geklärt ist. Deshalb würden die Zivilgerichte anhängige Verfahren bis zu einer rechtkräftigen Entscheidung auf dem Finanzrechtsweg aussetzen.
Redaktion: Was unternehmen Sie als Insolvenzverwalter konkret, um die steuerliche Rechtslage zu klären?
RA Bauer: Sämtliche von mir bzw. von der eigens für das Besteuerungsverfahren beauftragten steuerrechtlich spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei unternommenen Bemühungen um eine befriedigende Lösung sind bislang von der Finanzverwaltung nicht aufgegriffen worden. Vor diesem Hintergrund werde ich alle Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpfen.
Redaktion: Wie informieren Sie die Lieferanten über den aktuellen Stand Ihrer Bemühungen im steuerlichen Verfahren?
RA Bauer: Dazu habe ich eine Internetseite eingerichtet, die die betroffenen AVG-Lieferanten über einen persönlichen Zugangscode einsehen können. Dort werde ich die Informationen über den Fortgang der Angelegenheit hinterlegen, soweit eine Veröffentlichung im Insolvenzverfahren erlaubt ist.
Redaktion: Wie sollten sich die Betroffenen, von denen Sie die Umsatzsteuer zurückfordern bzw. bereits zurückgefordert haben, verhalten?
RA Bauer: Wie schon erwähnt, muss ich die Lieferanten der AVG zivilrechtlich in Anspruch nehmen. Diese haben die Möglichkeit, die Verjährungsunterbrechung aktiv zu unterstützen, indem sie mir gegenüber den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklären. Ein solcher Verzicht ist kein Schuldeingeständnis und hat den Vorteil, dass ich keine (weiteren) gerichtlichen Schritte gegen die Lieferanten der AVG einleiten muss. Dadurch könnten (weitere) zeit- und kostenintensive zivilgerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Lieferanten der AVG und mir vermieden werden und das Kostenrisiko des Lieferanten damit auf nahezu Null reduziert werden
Redaktion: Vielen Dank, Herr Bauer, für das Gespräch.
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Exportdienstleister insolvent - Umsatzsteuer zurückzahlen?“, ASR 3/2013, Seite 9
- Beitrag „Insolvenz eines Exportdienstleisters - Autohäuser sollen Umsatzsteuer zurückzahlen“, http://tiny.cc/gsm5ow