· Fachbeitrag · Personalmanagement
Besonderheiten im Berufsausbildungsverhältnis kennen und bewältigen
von Fachanw. für Arbeitsrecht Katharina Müller, LL.M. oec., Osborne Clarke, Köln
| Rund 25.000 Ausbildungsverträge werden im Kfz-Gewerbe deutschlandweit jährlich neu geschlossen. Damit Sie dabei nichts falsch machen, zeigt der folgende Beitrag, was Inhalt des Ausbildungsvertrags werden, welche Formalien dabei gelten, wann und wofür Auszubildende nicht eingesetzt werden dürfen, wie hoch die Ausbildungsvergütung mindestens sein muss und wie ein Ausbildungsverhältnis wieder aufgelöst werden kann. |
Unterschied zum regulären Arbeitsverhältnis
Ein Berufsausbildungsverhältnis ist nicht mit einem „normalen“ Arbeitsverhältnis gleichzusetzen. Die zwei wichtigsten Unterschiede sind:
- Im Zentrum der Berufsausbildung steht die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, die auf den Beruf vorbereiten. Deshalb ist das Entgelt nicht die Gegenleistung für erbrachte Arbeit, sondern Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts während der Heranbildung qualifizierten Nachwuchses.
- Der Ausbildende kann dem Auszubildenden lediglich Tätigkeiten übertragen, die für die Ausbildung förderlich sind, nicht jedoch solche, die mit den Ausbildungszielen in keinem Zusammenhang stehen.
Inhalt des Ausbildungsvertrags
Der Ausbildungsvertrag muss folgende Punkte regeln (§ 11 Berufsbildungsgesetz [BBiG]):
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Art, sachliche und zeitliche Gliederung sowie Ziel der Berufsausbildung mit Angabe der späteren Berufstätigkeit | Ergeben sich aus der jeweiligen Ausbildungsordnung. Nach Zeitabschnitten gegliederte Darstellung des Ausbildungsinhalts auf Grundlage des Ausbildungsrahmenplans. |
Beginn und Dauer der Berufsausbildung | Konkreter Tag (meist 1. August oder 1. September). Dauer je nach Ausbildungsordnung (meist zwei oder drei Jahre). |
Auswärtige Ausbildungsmaßnahmen | Zum Beispiel Auslandspraktikum oder überbetriebliche Ausbildungsstätte. |
Dauer der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit | In der Regel acht Stunden (für Minderjährige, § 8 Jugendarbeitsschutzgesetz [JArbSchG]). |
Dauer der Probezeit | Ein Monat bis vier Monate. |
Zahlung und Höhe der Vergütung | Staffelung, Auszahlungszeitpunkt und Zahlungsmodalitäten. |
Urlaubsanspruch | Für Minderjährige gesetzlich gestaffelt (§ 19 JArbSchG). Für Volljährige 24 Tage (§ 3 Bundesurlaubsgesetz). Ausnahmen nach Tarifrecht. |
Kündigungsvoraussetzungen | Ordentliche Kündigung nur in der Probezeit, danach nur außerordentlich möglich (§ 22 BBiG). |
Allgemeiner Hinweis auf andere Regelungen | Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen etc. |
Zu beachtende Formalitäten
Beim Abschluss eines Ausbildungsvertrags sind einige Formvorschriften einzuhalten. Hier die wichtigsten:
- Ausbilder und Auszubildender - bei Minderjährigkeit auch dessen gesetzliche Vertreter - müssen den Vertrag unterzeichnen. Im Falle einer nicht getätigten oder nicht ausgehändigten Niederschrift des Vertrags bleibt das Ausbildungsverhältnis zwar gültig, es liegt aber eine Ordnungswidrigkeit (§ 102 Nr. 1 BBiG) vor, die mit Geldbuße geahndet werden kann.
- Unmittelbar nach Abschluss des Ausbildungsvertrags muss der Ausbilder die Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bei der Handwerkskammer (bei Berufen der Handwerksordnung) bzw. Industrie- und Handelskammer (bei nichthandwerklichen Gewerbeberufen) beantragen (§ 34 BBiG). Diese prüfen, ob der Vertrag den gesetzlichen Bestimmungen entspricht und ob der Betrieb und dessen Ausbildungspersonal fachlich und persönlich geeignet sind.
- Mit dem Antrag (erhältlich bei den Kammern) müssen eine Ausfertigung des Ausbildungsvertrags, ein Ausbildungsplan des Betriebs sowie eine Bescheinigung über die Erstuntersuchung eingereicht werden.
Erstuntersuchung bei Minderjährigen
Soll ein Jugendlicher unter 18 Jahren ausgebildet werden, darf dieser erst beschäftigt werden, wenn eine Bescheinigung über die Erstuntersuchung vorliegt (§ 32 Abs. 1 JArbSchG). Bis dahin besteht ein Beschäftigungsverbot. Die Untersuchung darf nicht länger als 14 Monate zurückliegen.
PRAXISHINWEIS | Der Ausbildungsvertrag kann bereits abgeschlossen werden, bevor die Bescheinigung vorliegt. Die Bescheinigung muss erst im Zeitpunkt der Beschäftigungsaufnahme vorliegen. |
Wichtig | Hat der Auszubildende nach einem Jahr Beschäftigung das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, wird eine Nachuntersuchung erforderlich. Darauf muss der Arbeitgeber den Jugendlichen hinweisen. Die Nachuntersuchung muss innerhalb von zwei Monaten - also im 13. oder 14. Monate der Beschäftigung - erfolgen. Sonst besteht erneut ein Beschäftigungsverbot. Für die Dauer der Nachuntersuchung muss der Ausbilder den Jugendlichen unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freistellen.
Regelungsgrenzen - was nicht zulässig ist
Ausbildungsverträge unterscheiden sich von Arbeitsverträgen insbesondere dadurch, dass etliche in Arbeitsverträgen gängige Regelungen in Ausbildungsverträgen nichtig sind.
- Ausbildungsverträge dürfen keine Regelungen enthalten, die den Auszubildenden nach Abschluss seiner Berufsausbildung in der Aufnahme einer Tätigkeit einschränken (zum Beispiel Wettbewerbsverbote).
- Des Weiteren darf bei Abschluss des Ausbildungsvertrags noch keine Weiterbeschäftigung nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses geregelt werden. Eine Vereinbarung über die Übernahme des Auszubildenden ist erst ab sechs Monaten vor Beendigung der Ausbildung rechtlich zulässig.
- In den Ausbildungsvertrag dürfen keine Vertragsstrafen aufgenommen werden. Eine Ausnahme gilt für den Fall, dass frühestens sechs Monate vor Ausbildungsende eine Weiterbeschäftigung vereinbart wird. Eine Vertragsstrafe für den Fall des Nichtantritts der Weiterbeschäftigung nach erfolgreichem Ausbildungsabschluss ist hier zulässig.
- Wichtig | Auszubildende haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Übernahme in ein Arbeitsverhältnis. Eine Ausnahme gilt für Mandatsträger wie zum Beispiel Jugendvertreter oder Betriebsratsmitglieder (§ 78a Betriebsverfassungsgesetz). Nur in engen Grenzen gilt für sie kein Anspruch auf Weiterbeschäftigung.
- Nichtig wäre auch eine Kostenerstattungsklausel, nach der die Kosten für Ausbildungsleistungen im Ausbildungsbetrieb vom Auszubildenden getragen werden müssen. Der Ausbilder kann auch nicht einen Ersatz der Kosten für eine kostenpflichtige Schule verlangen, wenn er selbst die kostenpflichtige statt einer kostenlosen staatlichen Schule vorschreibt.
- Wichtig |Der Ausbilder darf vom Auszubildenden verlangen, dass er Fahrt- oder Übernachtungskosten, die ihm durch die Teilnahme an einer „Verbundausbildung“ oder an den Abschlussprüfungen entstehen, selbst trägt.
PRAXISHINWEIS | Von der Nichtigkeit einzelner Regelungen ist nicht der gesamte Vertrag betroffen. Lediglich die von Gesetzes wegen nichtigen Regelungen dürfen nicht angewendet werden. Im Übrigen bleibt der Vertrag wirksam. |
Höhe der Ausbildungsvergütung
Der Auszubildende hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung (§ 17 BBiG). Diese kann durch Tarifverträge oder einzelvertraglich festgelegt werden. Ist tarifvertraglich nichts geregelt, dienen die Empfehlungen der Industrie- und Handels- oder der Handwerkskammern als Anhaltspunkte für die Angemessenheit.
Wichtig | Eine Vergütung, die mehr als 20 Prozent unter den Empfehlungen liegt, ist unangemessen. Zu niedrige Vergütungen muss der Ausbilder sogar rückwirkend erhöhen, und zwar nicht nur auf das Mindestmaß, sondern auf die von den Kammern empfohlene oder durch Tarifvertrag festgeschriebene Vergütung (BAG, Urteil vom 16.7.2013, Az. 9 AZR 784/11; Abruf-Nr. 133338).
PRAXISHINWEIS | Die aktuellen Richtwerte der verschiedenen Ausbildungsberufe finden Sie im Internet auf den Seiten des Bundesinstituts für Berufsbildung. Zu beachten ist die Pflicht zur jährlichen Anhebung der Ausbildungsvergütung. |
Wichtig | Die Ausbildungsvergütung darf teilweise aus Sachleistungen bestehen, zum Beispiel Unterkunft und Verpflegung. Im Vertrag ist die Aufteilung klar zu regeln. Die Sachleistungen dürfen auf die Geldleistung angerechnet werden. Die Barvergütung muss mindestens 25 Prozent betragen.
Vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses
Die Möglichkeit einer Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vor dessen regulärem Abschluss ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:
- Kündigung durch den Auszubildenden
- Während der vereinbarten Probezeit (zwischen einem Monat und vier Monaten) kann der Auszubildende jederzeit kündigen.
- Nach Ablauf der Probezeit kann der Auszubildende mit einer Frist von vier Wochen eine „Berufsaufgabekündigung“ einreichen, wenn er sich zur Berufsaufgabe oder zu einer anderen Ausbildung entschließt. Ansonsten kann er den Vertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen. Dazu müsste er beispielsweise eine erheblich mangelhafte Ausbildungsleistung, Körperverletzung, sexuelle Belästigung, Verstöße gegen Ausbildungsvorschriften oder ausgebliebene Vergütungen nachweisen.
- Kündigung durch den Ausbilder
- Auch der Ausbilder kann in der Probezeit ohne Angabe von Gründen kündigen (bei Minderjährigen Zustellung an gesetzliche Vertreter).
- Eine spätere Kündigung erfordert einen wichtigen Grund und die Abwägung mit den Interessen des Auszubildenden, in die unter anderem die verbleibende Dauer der Ausbildung einzubeziehen ist. Als wichtige Gründe kommen beispielsweise die wiederkehrende Verweigerung der Abgabe von Berichtsheften oder die wiederholte schuldhafte Versäumung des Berufsschulunterrichts in Betracht. Es bedarf jedoch zwingend einer vorausgehenden Abmahnung.
- Betriebliche Gründe gelten nur in Ausnahmefällen als wichtiger Grund, insbesondere wenn der Betrieb gänzlich stillgelegt wird. In jedem Fall ist aber die gesetzliche Ausschlussfrist von zwei Wochen zu beachten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Ausbilder von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (§ 626 BGB).
- Die fehlende Eignung des Auszubildenden ist als Kündigungsgrund nach der Probezeit nicht mehr zulässig. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Gründe sich ausnahmsweise erst im späteren Verlauf ergeben.
FAZIT | Das BAG unterstreicht durch das Urteil zur Vergütung einmal mehr die Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses im Gegensatz zum Beschäftigungsverhältnis. Ausbildende sollten sich bei der Ausgestaltung von Ausbildungsverträgen dieser Unterscheidung stets bewusst sein. |