· Das geteilte Büro | Deutschland-Trend
Wie Coworking das Arbeitsrecht herausfordert
von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe, B. A., Leipzig
| Wer an einem Schreibtisch in einem Coworking-Raum sitzt und klickt, ist nicht allein und hat meist die Infrastruktur, die er braucht. Juristisch ist dieser ansteigende Trend nicht ganz so bequem, er bringt konkrete Probleme mit sich. Welche das sind und wie das Arbeitsrecht mit modernen Arbeitsformen Schritt hält, erklärt Jürgen Markowski, Fachanwalt für Arbeitsrecht, von der Nürnberger Kanzlei Manske & Partner im Interview mit dem IWW-Institut. |
Frage: Steigt die Gefahr arbeitsvertraglicher Verstöße, wenn Arbeitnehmer gemietete Büroarbeitsplätze nutzen?
Antwort: Der Trend, Arbeit nicht mehr an dem klassischen Arbeitspatz zu verrichten, sondern egal wann und egal wo zu arbeiten, ist ungebrochen. Neben dem klassischen Homeoffice wird von bestimmten Arbeitnehmergruppen gerade mobiles Arbeiten, z. B. im Café, auf der Parkbank oder eben auch in Coworking-Spaces, als vorteilhaft angesehen. Oft fehlt aber beiden Vertragsparteien die Sensibilität für die rechtlichen Auswirkungen. Dies liegt auch daran, dass derartige Arbeitsformen bisher vor allem von freien Mitarbeitern genutzt wurden. Arbeitsrechtliche Fragen stellten sich hier nicht.
Frage: Nun ist das Phänomen aber größer geworden. Was bedeutet das?
Antwort: Genau ‒ und damit nehmen auch die Konflikte zu. Da der Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis die Organisationshoheit hat und diese über sein Weisungsrecht auch ausüben kann, muss er den Arbeitnehmern verbindliche Weisungen mit auf den Weg geben, damit Konflikte gar nicht erst entstehen. Er muss die Arbeitnehmer sensibilisieren, dass gerade bei gemeinschaftlich genutzten Räumen und ggf. auch technischen Geräten wie Kopierern oder Druckern die Gefahr besteht, dass vertrauliche Informationen in falsche Hände gelangen. Er muss seine Mitarbeiter anweisen, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Daten vor dem unbefugten Zugriff Dritter zu treffen, und derartige Maßnahmen auch anbieten. Kleine Beispiele sind: Sichtschutzfolien zur Verfügung stellen, Notebooks entsprechend technisch ausrüsten usw.
Sinnvoll wäre auch, den Mitarbeitern eine Richtlinie zum Verhalten und zum Umgang mit vertraulichen Informationen an die Hand zu geben. Doch Achtung: Besteht ein Betriebsrat, sind dessen Mitbestimmungsrechte zu beachten. Es empfiehlt sich ohnehin, derartige Verhaltensregeln mit dem Betriebsrat abzustimmen, um die Akzeptanz zu erhöhen und mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Hat der Arbeitgeber keine klaren Anweisungen getroffen, kann den Arbeitnehmern im Schadensfall hieraus kein Vorwurf gemacht werden, es sei denn, sie haben grob fahrlässig gehandelt.
Frage: Welchen anderen Schwierigkeiten sehen sich Arbeitgeber noch gegenüber?
Antwort: Problematisch ist auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz. Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass Arbeitsstätten so eingerichtet und betrieben werden, dass Gefährdungen für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten möglichst vermieden bzw. möglichst gering gehalten werden. Bei Coworking-Räumen kann er dies nicht beeinflussen. Er kann allenfalls über vertragliche Gestaltungen mit dem Anbieter der Räume auf die Einhaltung der Standards hinwirken und sich Kontrollrechte einräumen lassen.
Frage: Sehen Sie konkreten Bedarf, das Arbeitsrecht an die Entwicklungen anzupassen?
Antwort: Der Gesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass einerseits der Schutzcharakter des Arbeitsrechts erhalten bleibt. Andererseits darf dieser Schutz nicht dazu führen, dass sich Arbeitnehmer gegängelt fühlen. Es darf aus dem für manche erstrebenswerten „Egal-wann-und-egal-wo-Arbeiten“ nicht ein Arbeiten immer und überall werden. Deshalb ist jede Neuregelung etwa des Arbeitszeitgesetzes sorgfältig abzuwägen. Meines Erachtens sollte hinsichtlich der Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes klargestellt werden, dass nicht der Arbeitgeber haftet, wenn Standards nicht eingehalten werden und er dies nicht wissen konnte. Vielmehr müssen die Anbieter von Coworking-Räumen verpflichtet werden, die gleichen hohen Anforderungen an den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu erfüllen, wie dies auch in einem Betrieb der Fall ist. Dann geht vielleicht ein wenig Coolness verloren, aber die Sicherheit für die Arbeitnehmer steigt.
TIPP | Weitere Informationen zum Interviewpartner: Kanzlei Manske und Partner |
Die Coworking-Branche wächst
Kaum ein Medium, das in den letzten Jahren den Coworking-Trend nicht aufgegriffen hätte. „Die Coworking-Branche ist 2017 durchgestartet“, zitiert die Welt José Martínez, Niederlassungsleiter des Immobilien-Spezialisten BNP Paribas Real Estate in Frankfurt. Ein immer stärker digital verwobenes Arbeitsleben macht es möglich. Eine Internetverbindung und ein Laptop auf dem Schoß genügen den Wissensarbeitern für ihre tägliche Arbeit mit Bits und Bytes ‒ und zwar nicht nur in den Großraumbüros von Arbeitgebern. Denn außerdem „entstehen seit einigen Jahren überall auf der Welt Coworking Spaces, die man spontan als Arbeitsort für wenige Stunden und Tage nutzen kann“, so Dennis Stolze, Projektleiter im Competence Center „Workspace Innovation“ beim Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart, in einem Blog-Beitrag.
Fragestellungen für Anwälte
Ein wenig im Schatten liegen dabei die juristischen Probleme, die entstehen, wenn Menschen nicht unmittelbar beim Arbeitgeber arbeiten, sondern extern unterwegs sind.
- Sind Firmengeheimnisse sicher?
- Wie vertraulich sind Telefonate, wenn fremde Ohrenpaare potenzielle Mithörer sind?
Da Coworking auch unter dem Banner des Netzwerkens und Ideenfischens mit anderen Arbeitsnomaden segelt, ist das nächste Fragezeichen nicht weit:
- Was darf wie weitgehend mit den Kollegen links und rechts besprochen werden, wenn man einem Auftraggeber verpflichtet ist?
Als moderner Unternehmer entstehen für Sie reichlich Fragen, bei denen nur juristischer Beistand helfen kann. Solche Spezialisten beraten Unternehmen, die Mitarbeiter oder Arbeitsteams so arbeiten lassen möchten. Aber auch Vermieter von Gewerbeimmobilien sowie Anbieter, die Coworking-Flächen und -räume einrichten und als Dienstleistungsangebot aufbauen möchten, haben derzeit noch viele Fragen. So will beispielsweise auch die Deutsche Bahn Pendlern Coworking-Arbeitsplätze anbieten, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet.
Weiterführende Links
- Handelsblatt (13.12.18): Die Generation Z könnte den Coworking-Boom beenden
- Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO): Competence Center „Workspace Innovation“