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· Arbeitszeugnis richtig formulieren (Teil 1)

Das Arbeitszeugnis zwischen Wahrheit und Wohlwollen: Ein Drahtseil-Akt für Arbeitgeber

Bild: ©Flamingo Images - stock.adobe.com

von Jörg Thole, Chefredakteur, IWW Institut

| Wenn ein Mitarbeiter ausscheidet, müssen Sie das Zeugnis formulieren. Ohne rechtliche bzw. sprachliche Werkzeuge kann das unangenehm werden. Denn der Gesetzgeber verlangt „Wahrheit“ und gleichzeitig „Wohlwollen“ ‒ Ein Drahtseil-Akt für Sprachakrobaten. CE Chef easy öffnet die Tool-Box der Personaler ‒ gratis und kompakt. Teil 1: Formgebung und Füllmaterial. |

Rechtsanspruch

Den Rechtsanspruch auf ein Arbeitszeugnis regelt § 109 Gewerbeordnung (GewO). Er unterscheidet das einfache vom qualifizierten Arbeitszeugnis.

 

  • Einfaches Zeugnis verlangt nur: Art und Dauer der Tätigkeit
  • Qualifiziertes Zeugnis (optional): zusätzlich Leistung und Verhalten

 

Das Einfache Zeugnis reicht i.d.R. für Aushilfskräfte, Praktikanten, Kurzarbeiter etc. Geht es nach dem Gesetz, könnte es immer ausreichen, soweit nichts anderes vom Arbeitnehmer verlangt wird. Das ist aber Quatsch: Es sollte zum guten Ton in Ihrem Unternehmen gehören, bei allen anderen Mitarbeitern regelmäßig ein Qualifiziertes Zeugnis auszustellen und auch

  • den Werdegang hinreichend zu beschreiben,
  • die Arbeitsleistung zu würdigen,
  • das Sozialverhalten einzuordnen (Soft-Skills),
  • den Beendigungsgrund und eine Schlussformel (Dank, Bedauern, Zukunftswünsche) anzufügen.

Sei klar, verständlich, wahrhaftig und wohlwollend

Der Gesetzgeber zudem schreibt vor, dass Sie dabei stets klar und verständlich formulieren müssen ‒ okay, das können Sie. Aber jetzt kommt es richtig dick:

 

Das Zeugnis „darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen“.

 

Im Klartext heißt das nicht weniger als das: Sprach-Codes, die hinter wohlklingenden Aussagen auch versteckte Botschaften senden, sollen tabu sein. Doch Gemach: Irgendetwas müssen Sie ja schreiben. Und das muss wahr sein. Es soll aber wohlwollend klingen / gemeint sein / ... ‒ damit es auch der unbequeme Arbeitnehmer akzeptiert. Bei High-Performern ist das alles kein Problem. Die machen Ihren Job „stets zur vollsten Zufriedenheit“. Bei Low-Performern brauchen Sie bei allem Wohlwollen viel Weichspüler und einige Spezialwerkzeuge.

 

Tipp | Lesen Sie dazu Teil 2 zum Arbeitszeugnis:

100 Textbausteine für Schulnoten und Sprach-Codierung

‒ unter Würdigung der laufenden Rechtsprechung (Teil 3)!

Wann ist das Zeugnis zu erteilen?

Der Grundsatz lautet: Zum Ablauf der Kündigungsfrist. Also am letzten Arbeitstag.

 

Beachten Sie | Nach dem BAG ist das der späteste Zeitpunkt. Auch wenn der Arbeitnehmer eine Kündigungsklage anstrengt, bleibt dieser Termin die „Deadline“ (BAG vom 27.02.1987, Az. 5 AZR 710/85). Juristen empfehlen, das Zeugnis noch zügiger auszustellen. Bei befristeten Jobs zum Beispiel ‒ bei denen keiner kündigen muss ‒, sollte das Arbeitszeugnis fertig sein, wenn die gesetzliche Kündigungsfrist beginnt. Sie beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]).

 

Ausnahmen von der Regel

Der Mitarbeiter kann jederzeit ein Zeugnis verlangen ‒ das ist dann ein Zwischenzeugnis. Typische Fälle sind:

 

  • Sie haben angekündigt, dass Personal reduziert werden muss
  • Sie haben angekündigt, dass Versetzungen anstehen
  • Sie scheiden aus, ein neuer Chef kommt
  • der Arbeitnehmer braucht es, um seinen Job-Status bei Dritten einzureichen: Das kann eine Bewerbung sein, ein geplanter längerer Arbeitsausfall, Wehrdienst aber auch ein privates Kreditgeschäft, bei dem sich die Bank absichern will.

 

Alle Zeugnisse sind auf Papier mit händischer Unterschrift auszureichen (nicht elektronisch, z. B. E-Mail). Dabei hat der Beschäftigte die Holschuld, so sagt es das Bundesarbeitsgericht. Sie müssen es also nicht zu- bzw. nachsenden (BAG vom 08.03.1995, Az. 5 AZR 848/93). Ausnahme: Das persönliche Abholen ist nicht zumutbar (der Arbeitnehmer ist bereits umgezogen).

 

Checkliste / Formvorschriften Arbeitszeugnis

  • Auf Unternehmensbriefbogen am PC schreiben
  • Ort, Datum eintragen
  • Rechtschreibung beachten, nicht radieren, durchstreichen etc.
  • Maschinelle und händische Unterschrift
  • Keine Empfänger-Adresse eintragen (nur Name, Vorname; ggf. Titel und Geburtsdaten [auf Verlangen])
 

Musterformulierung / Kurzes Arbeitszeugnis

Briefkopf (Unternehmensvorlage)

_________________________________________________________

 

Zeugnis

 

Frau ..., geboren am ..., war vom ... bis zum ... im [Unternehmen] als … tätig. Ihr Aufgabenbereich umfasste im Wesentlichen:

 

X

Y

Z

...

 

Frau ... ist eine außergewöhnlich belastbare Mitarbeiterin, die durch ihre freundliche und zielbewusste Art den Arbeitsablauf auch bei starkem Arbeitsanfall optimal organisierte. Sie besitzt ein umfassendes Fachwissen und arbeitete mit großer Sorgfalt und Genauigkeit. Sie beherrscht ... und sie versteht es gut, ... Ihren Aufgabenbereich bewältigte Frau ... stets zu meiner vollen Zufriedenheit.

 

Ihr persönliches Verhalten war jederzeit einwandfrei. (Frau ... ist hilfsbereit, zuvorkommend und aufgeschlossen und allseits anerkannt und geschätzt.)

 

Frau ... verlässt das Unternehmen auf eigenen Wunsch. Ich bedauere ihr Ausscheiden, danke für ihre Tätigkeit und wünsche ihr weiterhin viel Erfolg und persönlich alles Gute.

 

..., den ...

Unterschrift (händisch)

gez. Name (elektronisch)

 

Besonderheit Ausbildungszeugnis

Im Ausbildungszeugnis (analog auch für Praktikanten oder Studenten) bescheinigen Sie in erster Linie, wie viel Berufspraxis gesammelt wurde. Listen Sie gründlich die Tätigkeiten und Stationen auf, die der Azubi im Unternehmen durchlaufen hat. Je vielfältiger der Einsatz, desto besser. Sie können sich auch hier auf das Einfache Zeugnis beschränken oder ein Qualifiziertes Ausbildungszeugnis formulieren (auf Verlangen oder freiwillig). Dabei geht es vor allem um die Einschätzung zur Führbarkeit, Leistungsbereitschaft, Standhaftigkeit bei monotoner Beschäftigung und allen erworbenen fachlichen Fertigkeiten.

 

PRAXISTIPPS |

  • Erwähnen Sie bei Azubis auch das Ergebnis der Abschlussprüfung (vor der Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer etc.).
  • Wenn Sie einen guten Azubi dennoch keine feste Anstellung geben können, schreiben Sie den Grund ins Zeugnis („aktuell kein Bedarf“, „wirtschaftliche Zwänge“ etc.)
  • Freelancern müssen Sie streng genommen kein Zeugnis ausstellen; aber zeigen Sie auch hier professionelle Hilfsbereitschaft.
 

 

Weiterführende Links

  • Teil 1 (dieser Beitrag): Das Arbeitszeugnis zwischen Wahrheit und Wohlwollen
  • CE-Download: 100 Textbausteine und Sprachcodes für Arbeitszeugnisse, Abruf-Nr. 45314941
  • CE-Musterformulierung Arbeitszeignis Abruf-Nr. 45305882
  • CE-Muster Aufhebungsvertrag, Abruf-Nr. 44972053
Quelle: ID 45301580