· BGH-Urteil
Musterfall: Fitnessstudio muss Beiträge für Lockdown-Zeit zurückzahlen
| Wenn ein Kunde im Corona-Lockdown seine Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio nicht nutzen konnte, muss der Studiobetreiber seine Mitgliedsbeiträge auf Verlangen zurückerstatten. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden ( Urteil vom 04.05.2022 Az. XII ZR 64/21 ). Der Zweck eines solchen Vertrages liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder der Erhaltung von Fitness und Gesundheit. Diese Leistungserbringung sei im Lockdown unmöglich geworden, so das Gericht. |
Der Fall
Am 08.12.2019 begann die Laufzeit des 24-monatig vereinbarten Vertrags zwischen Studio und Kunde. Der Mitgliedsbeitrag nebst Servicepauschale wurde fortan per Lastschrift eingezogen.
Aufgrund der Corona-Maßnahmen musste das Fitnessstudio in der Zeit vom 16.03.2020 bis 04.06.2020 schließen. Die Monatsbeiträge zog das Studio weiter vom Konto des Klägers ein. Der Kunde erklärte am 07.05.2020 die Kündigung zum 08.12.2021. Das wurde vom Studiobetreiber akzeptiert. Am 15.06.2020 verlangte der Kläger dann noch die Rückzahlung der per Lastschrift bereits eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Zeitraum vom 16.03.2020 bis 04.06.2020. Dieser Forderung kam der Betreiber nicht nach. Auch der Forderung, dem Kunden für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen, kam das Studio nicht nach. Lediglich für die „Trainingszeit“ zeigte sich der Studiobetreiber kompromissbereit. Dieses Angebot schlug der Kunde aber aus.
In erster Instanz hat das Amtsgericht die Beklagte zur Rückzahlung der Monatsbeiträge für den Schließungszeitraum nebst Zinsen und außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt. Die Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Die zugelassene Revision, mit der die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen wollte, hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge hat. Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird.
Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf.
So begründet der BGH die Entscheidung
Während der zwangsweisen Schließung, war es dem Betreiber unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.
Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde.
Der Betreiber schuldet seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. „Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit.“Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, kann dieser Vertragszweck nicht erreicht werden. Auch sei die geschuldete Leistung wegen des Zeitablaufs nicht mehr nachholbar, so das Gericht.
Verlängerung der Laufzeit scheidet aus
Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine solche Vertragsanpassung wird zwar in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten. Diese Auffassung verkennt jedoch das Konkurrenzverhältnis zwischen § 275 Abs. 1 BGB und § 313 BGB. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist.
Nur die Sonderregelung der Bundesregierung greift
Ein Anspruch des Studios scheidet auch deshalb aus, weil mit Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB eine speziellere Vorschrift besteht, die im vorliegenden Fall einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht.
Beachten Sie | Eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ist nicht möglich, weil der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat. Der o.g. Art. 240 § 5 EGBGB ist eine solche spezialgesetzliche Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich dem § 313 BGB vorgeht.
Hintergrund | Zur Zeit der Schaffung dieser Vorschrift mussten aufgrund der umfangreichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der damit verbundenen Veranstaltungsverbote und Kontaktbeschränkungen eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt und Freizeiteinrichtungen vorübergehend geschlossen werden. Daher bereits erworbene Eintrittskarten nicht eingelöst werden. Ebenso konnten Inhaber einer zeitlichen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung diese für eine gewisse Zeit nicht nutzen. Der Gesetzgeber befürchtete, dass die rechtliche Verpflichtung der Veranstalter oder Betreiber, bereits erhaltene Eintrittspreise oder Nutzungsentgelte zurückerstatten zu müssen, bei diesen zu einem erheblichen Liquiditätsabfluss führen würde, der für viele Unternehmen im Veranstaltungsbereich eine existenzbedrohende Situation zur Folge haben könnte. Zudem sah der Gesetzgeber die Gefahr, dass Insolvenzen von Veranstaltungsbetrieben auch nachteilige Folgen für die Gesamtwirtschaft und das kulturelle Angebot in Deutschland haben könnten.
Um diese unerwünschten Folgen nach Möglichkeit zu verhindern, wollte der Gesetzgeber mit Art. 240 § 5 EGBGB für Veranstaltungsverträge, die vor dem 08.03.2020 abgeschlossen wurden, eine Regelung schaffen, die die Veranstalter von Freizeitveranstaltungen vorübergehend dazu berechtigt, den Inhabern von Eintrittskarten statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen (Art. 240 § 5 Abs. 1 EGBGB), sofern die Veranstaltung aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden konnte. Durch Art. 240 § 5 Abs. 2 EGBGB wurde dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung ebenfalls das Recht eingeräumt, dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht nutzbaren Teils der Berechtigung entspricht.
TIPP | Allein die Gutscheine sind in vergleichbaren Fällen als einzige und abschließende Regelung von der Bundesregierung definiert worden, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufangen. Eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über die Störung der Geschäftsgrundlage darf nach diesem Musterverfahren des BGH daneben nicht stattfinden. Im verhandelten Musterfall war die Kündigung bereits vom Betreiber akzeptiert worden. Das Geld muss in vergleichbaren Fällen zurückgezahlt werden.
Als Studiobetreiber sollten Sie beachten: Wurde der Gutschein akzeptiert, kann der Kunde sein Geld nicht zurückfordern. Dies wäre der Fall, wenn Sie zum Gutschein eine schriftliche Kundenbestätigung haben ‒ oder der Kunde den Gutschein bereits nutzt (im nachvertraglichen Zeitraum). Schwierig wird es hingegen, wenn Sie einfach so Gutscheine an die Kundschaft versendet haben ‒ ohne deren Zustimmung eingeholt zu haben. |
(JT)
Quelle |
Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2022 Az. XII ZR 64/21
PM Nr. 056/2022 vom 04.05.2022