10.04.2012 · IWW-Abrufnummer 121825
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 07.02.2012 – 3 Sa 540/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. August 2011 - 9 Ca 380/11 - wird kostenpflichtig zur ückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung nach seiner Einladung zu einem Vorstellungsgespräch.
Der Kläger hatte sich auf ein Stellenangebot der Beklagten beworben. Daraufhin wurde er von Seiten der Beklagten in ihrem Hause (C-Straße, C-Stadt) zu einem Vorstellungsgespräch am 24. Februar 2011 um 18.00 Uhr eingeladen. Hierzu war ihm von der Beklagten eine Anfahrtskizze übermittelt worden.
Am 24. Februar 2011 meldete sich der Kläger gegen 17:50 Uhr telefonisch bei der Beklagten und teilte ihr mit, dass er ihre Adresse in C-Stadt nicht finden könne. In diesem Telefonat nahm der Kläger seine Bewerbung sodann zurück. Im Übrigen ist der Inhalt des Telefongesprächs zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 24. Februar 2011 forderte der Kläger die Beklagte zur Erstattung der ihm durch die Anfahrt nach C-Stadt mit dem PKW entstandenen Fahrtkosten in Höhe von 61,80 EUR auf. Per E-Mail vom 25. Februar 2011 lehnte die Beklagte eine Erstattung von Fahrtkosten des Klägers unter Verweis darauf ab, dass er seine Bewerbung kurzfristig zurückgezogen und den Gesprächstermin abgesagt habe.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Mainz erhobenen Klage verfolgt der Kläger den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Fahrtkostenerstattung weiter.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei am 24. Februar 2011 mit seinem Privat-PKW nach C-Stadt gefahren und habe trotz Navigationssystems die Adresse der Beklagten nicht gefunden. Deshalb habe er bei der Beklagten angerufen und deren Mitarbeiter um Hilfe gebeten. Dieser habe zwar die von ihm angegebenen Straßennamen, an denen er sich zu diesem Zeitpunkt befunden habe, mit Hilfe des Internets ausfindig gemacht, ihm aber nicht dahingehend helfen können, wie er sodann zu fahren habe. Auf diesem Grund habe er sodann seine Bewerbung zurückgezogen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die ihm am 24. Februar 2011 entstandenen Fahrtkosten für ein Vorstellungsgespräch in Höhe von 61,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. hieraus seit dem 26. Februar 2011 zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert, ihr Mitarbeiter habe in dem mit dem Kläger geführten Telefonat diesem den Weg erklären wollen. Der Kläger habe jedoch jegliche Hilfestellung abgelehnt und dann ihrem Mitarbeiter mitgeteilt, dass er keine Lust mehr hätte und die Bewerbung zurückziehe.
Das Arbeitsgericht Mainz hat mit Urteil vom 12. August 2011 - 9 Ca 380/11 - die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, in der vom Kläger telefonisch erklärten Rücknahme seiner Bewerbung sei eine Kündigung des Auftrags zu sehen, zu dem Vorstellungsgespräch zu erscheinen. Im Hinblick darauf, dass diese Kündigung nur wenige Minuten vor dem vereinbarten Termin erfolgt sei, habe die Beklagte nicht kurzfristig einen anderen Bewerber zu dem Vorstellungsgespräch um 18.00 Uhr einladen können. Für diese Kündigung zur Unzeit habe der Kläger auch keinen wichtigen Grund gehabt, so dass er der Beklagten gemäß § 671 Abs. 2 S. 2 BGB den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen sei, der dem geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch entspreche. Unabh ängig davon stehe einem Ersatzanspruch gemäß § 670 BGB auch entgegen, dass der Kläger die Aufwendungen für eine Fahrt mit seinem Privat-PKW den Umständen nach nicht für erforderlich habe halten dürfen. Im Hinblick darauf, dass sich nach der eigenen Darstellung des Klägers der hier vorliegende Sachverhalt schon einmal im Jahr 2007 in E-Stadt ereignet habe, hätte es ihm oblegen, zu dem Vorstellungsgespräch bei der Beklagten mit der Bahn anzureisen, um mit Hilfe der Anfahrtskizze bzw. eines Stadtplans sodann vom Hauptbahnhof aus in wenigen Minuten mit dem Stadtbus die C-Straße zu erreichen. Schließlich stehe dem Anspruch auch entgegen, dass der Kläger für die anspruchsbegründenden Tatsachen keinen tauglichen Beweis angetreten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 12. August 2011 (S. 3 bis 7 = Bl. 190 - 194 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 24. August 2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22. September 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2011, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, begründet.
Er trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht den von ihm geltend gemachten Anspruch aus § 670 analog auf Erstattung der ihm zur Wahrnehmung des Vorstellungsgesprächs vom 24. Februar 2011 entstandenen Fahrtkosten verneint. Für die Anspruchsentstehung komme es nicht darauf an, ob die Besorgung des Geschäfts i.S.v. § 670 BGB, d.h. hier seine persönliche Vorstellung bei der Beklagten, erfolgreich gewesen sei oder nicht. Dafür, dass das Vorstellungsgespräch zustande komme oder nicht, trage der Arbeitgeber das spezifische Risiko. Selbst wenn gemäß den Ausführungen des Arbeitsgerichts in der von ihm telefonisch erklärten Rücknahme seiner Bewerbung eine Kündigung des Auftrags zu sehen sei, ändere dies nichts an seinem bereits entstandenen Anspruch auf Erstattung seiner Fahrtkosten für die Fahrt von A-Stadt nach C-Stadt und zurück. Im Hinblick darauf, dass der Auftrag zur Vorstellung jederzeit lösbar sei, habe er für eine Kündigung auch keinen wichtigen Grund gebraucht. Unabhängig davon habe er auch einen wichtigen Grund zur Kündigung gehabt, weil zwischen den Parteien von Anfang an kein Vertrauensverhältnis bestanden habe. Im Telefonat vom 24. Februar 2011 habe er ausdrücklich um Hilfe gebeten, was im Ergebnis durch die Beklagte nicht erfolgt sei. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte die weiterhin ausgeschriebene Stelle bis heute nicht besetzt habe, sei davon auszugehen, dass sie nie die Absicht gehabt habe, ihn überhaupt einzustellen. Ferner habe das Arbeitsgericht unzutreffend angenommen, dass seinem Anspruch auf Erstattung der ihm entstandenen Fahrtkosten ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in gleicher Höhe entgegenstehe. Ein Schaden in Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten sei der Beklagten nicht entstanden und von ihr unstreitig auch nie behauptet worden. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe er seine Anreise mit seinem Privat-PKW auch für erforderlich halten dürfen, zumal die Beklagte ihrer Einladung selbst eine Anfahrtskizze beigefügt habe. Weiterhin habe das Arbeitsgericht zu Unrecht alle durch ihn ordnungsgemäß angebotenen Beweise als untauglich angesehen und diese erst gar nicht berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers wird auf seine Schriftsätze vom 20. Oktober 2011, 27. Dezember 2011 und 17. Januar 2012 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. August 2011 - 9 Ca 380/11 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 61,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank p. a. seit dem 26. Februar 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidert, der Vortrag des Klägers zur Begründung seiner Berufung sei insgesamt unerheblich und rechtfertige keine abweichende Entscheidung. Das Nichtzustandekommen des Bewerbungsgesprächs falle auch bei unterstellter Anwesenheit des Klägers in C-Stadt am 24. Februar 2011 allein in dessen Risikobereich, weil er trotz eines Navigationssystems in seinem PKW, einer detaillierten Anfahrtskizze und telefonisch angebotener Hilfestellung durch ihren Mitarbeiter nicht in der Lage gewesen sei, ihre Adresse zu finden. Die analoge Anwendung des § 670 BGB im Bereich des Arbeitsrechts sei Rechtsgrundlage für die Erstattung von Auslagen und Nebenkosten, die nach Treu und Glauben der jeweils andere Teil zu tragen habe. Unter den gegebenen Umständen, insbesondere wegen der vom Kläger allein zu verantwortenden Rücknahme der Bewerbung, sei die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gerade nicht gerechtfertigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die erst- und zweitinstanzlich eingereichten Schriftsätze beider Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. a ArbGG statthaft, weil sie im Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist. Sie ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
Die auch ansonsten zulässige Berufung hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte auf die von ihm begehrte Fahrtkostenerstattung.
1. Wenn ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Vorstellung aufgefordert hat, muss er ihm zwar in aller Regel alle Aufwendungen ersetzen, die der Bewerber den Umständen nach für erforderlich halten durfte (z. B. Fahrtkosten). Dieser Aufwendungsersatzanspruch folgt aus §§ 670, 662 BGB (BAG 29. Juni 1988 - 5 AZR 433/87 - Rn. 11, NZA 1989, 468; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Müller-Glöge 12. Aufl. § 629 BGB Rn. 13 m.w.N.). Allerdings begründet grundsätzlich nur ein ordnungsgemäß erfüllter Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch (BGH 04. Februar 1980 - II ZR 119/79 - Rn. 13, NJW 1980, 2130; vgl. auch Jauernig BGB 14. Aufl. § 665 Rn. 8; Prütting/Wegen/Weinreich BGB 2. Aufl. § 665 Rn. 6; Staudinger BGB-Neubearbeitung 2006 § 665 Rn. 24).
2. Im Streitfall besteht bereits deshalb kein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 670, 662 BGB, weil der Kläger den ihm erteilten Auftrag zur Teilnahme an dem vereinbarten Vorstellungsgespräch nicht ordnungsgemäß erfüllt hat.
Der Kläger ist unstreitig zu dem verabredeten Vorstellungstermin am 24. Februar 2011 um 18:00 Uhr im Hause der Beklagten nicht erschienen. Er hat der Beklagten kurz vor dem Vorstellungstermin gegen 17:50 Uhr telefonisch mitgeteilt, dass er ihre Adresse nicht finden könne. In diesem Telefonat hat er unstreitig seine Bewerbung zurückgenommen, so dass kein Vorstellungsgespräch mehr stattgefunden hat.
Zur ordnungsgemäßen Erfüllung des ihm von Seiten der Beklagten erteilten Auftrags zur Teilnahme an dem Vorstellungsgespräch hatte der Kläger zum verabredeten Vorstellungstermin pünktlich zu erscheinen. Dieser Weisung ist der Kläger unstreitig nicht nachgekommen. Im Streitfall braucht nicht entschieden zu werden, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dem Bewerber Aufwendungen auch dann zu ersetzen sind, wenn das Vorstellungsgespräch aus Gründen nicht zustande kommt, die nicht in seiner Risikosphäre liegen bzw. vom Arbeitgeber zu vertreten sind. Es war Sache des Klägers, auf welche Weise er als Bewerber durch eine entsprechende Vorbereitung und Planung seiner Anreise nach C-Stadt sicherstellt, dass er rechtzeitig - ggf. durch Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers - zum Vorstellungstermin erscheinen kann. Das Risiko, dass er trotz einer ihm übermittelten Anfahrtskizze und Einsatz seines Navigationsgeräts die Adresse der Beklagten nicht rechtzeitig findet, hat er selbst zu tragen. Bei der C-Straße handelt es sich um eine der Hauptverkehrsstraßen in C-Stadt, die der Kläger zumindest bei Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers zur Suche rechtzeitig hätte finden können und müssen. Die bloße Anreise des Klägers nach C-Stadt braucht die Beklagte nicht als Auftragserfüllung gelten zu lassen, weil der Kläger aus in seiner Sphäre liegenden Gründen nicht zum Vorstellungstermin erschienen ist. Demzufolge besteht jedenfalls unter den vorgenannten besonderen Umständen kein Aufwendungsersatzanspruch des Klägers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Eine Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits hängt nicht von der Beantwortung einer abstrakten Rechtsfrage ab, deren Klärung grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beigemessen werden kann.