· Vermögen und Einkommen
Reich oder arm: Gehören Sie schon zur Oberschicht?
| Immer wieder reiben sich kleine Unternehmer verwundert die Augen, dass sie mit ihrem Einkommen bereits zu den reichen 10 Prozent der Bevölkerung zählen. Denn um als reich zu gelten, muss ein Single lediglich 3.529 Euro netto beziehen. Also: Wenn die nächste Umverteilungsdebatte der Linken ansteht, wissen Sie Bescheid! Machen Sie den Selbsttest ‒ mit dem interaktiven Rechner des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Hier können Sie genau schauen, ob Sie / Ihre Familie bereits zur Oberschicht gehören. |
Als Bundesfinanzminister Olaf Scholz (Monatsbezüge über 15.000 Euro) dieser Tage in der ARD (Maischberger) gefragt wurde, ob er sich angesichts seines Salärs als reich einordnet, sagte er: „Als reich würde ich mich nicht empfinden.“
Keine einheitliche Reichtumsdefinition
Ab wann jemand als reich gilt, darüber gibt es keine Einigkeit. In der amtlichen Statistik gilt üblicherweise als relativ einkommensreich, wer das Doppelte des Medianeinkommens monatlich zur Verfügung hat. Tatsächlich glauben aber viele, dass erst bei deutlich höherem Einkommen von Reichtum gesprochen werden kann ‒ die Schätzungen liegen meist zwischen 7.000 und 10.000 Euro netto im Monat. Recht unabhängig davon, wie Reichtum definiert wird, ordnen sich selbst nur wenige der Oberschicht bzw. den Reichen zu ‒ wie auch der Bundesfinanzminister.
Anteil Reicher wird überschätzt
Darüber hinaus überschätzen viele Deutsche den Anteil der Reichen in der Bevölkerung. Nach aktuellen Schätzungen gehen die meisten davon aus, dass mehr als 20 Prozent der Deutschen als reich bezeichnet werden können ‒ und damit ein deutlich größerer Anteil als gemäß der verschiedenen Reichtumsdefinitionen. „Bei Einschätzungen zum Thema Reichtum gehen Daten und Wahrnehmung besonders weit auseinander“, sagt IW-Verteilungsexpertin Judith Niehues. „Kaum jemand empfindet sich selbst als reich, gleichzeitig glauben viele, dass sehr große Teile der Bevölkerung reich sind.“
Ab diesen Einkommen zählen Sie zu den reichen 10 Prozent
Paare ohne im Haushalt lebende Kinder, die mehr als 5.294 Euro netto monatlich zur Verfügung haben, zählen in Deutschland zu den reichsten 10 Prozent. Bei Singles liegt die Grenze bei 3.529 Euro. Das ist das Ergebnis eines interaktiven IW-Rechners, für den die Verteilungsexperten des Instituts die aktuell verfügbaren Daten aus der Haushaltsbefragung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) neu ausgewertet haben.
Insgesamt ist der Wohlstand in Deutschland in den Jahren vor der Coronakrise deutlich gestiegen: Neben der Einkommensgrenze zu den oberen zehn Prozent ist beispielweise auch das Medianeinkommen gestiegen. 2016 lag es bei 1.869 Euro netto im Monat ‒ die Hälfte der Bevölkerung verdiente also mehr, die andere Hälfte weniger. 2017 lag es schon bei 1.946 Euro monatlich, ein deutliches Zeichen für gestiegenen Wohlstand.
Neben Einkommen auch Vermögen im Blick
Erst eine kombinierte Betrachtung von Einkommen und Vermögen liefert ein vollständigeres Bild des materiellen Wohlstands und lässt bessere Rückschlüsse auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Bevölkerung in Deutschland zu.
Wird neben dem Einkommen auch das Vermögen berücksichtigt, zählen statt 3 gut 9 Prozent der Bundesbürger zu den relativ Reichen, verfügen also netto über mehr als 250 Prozent des mittleren Einkommens ‒ das sind für einen Single 4.713 Euro monatlich.
Gleichzeitig reduziert sich gemäß der ursprünglichen Schichtgrenzen der Anteil der relativ Armen sowie derjenigen, die zur unteren Mittelschicht zählen, zusammen um rund 4 Prozentpunkte.
Was allerdings auch die kombinierte Betrachtung nicht erfasst, ist das sogenannte implizite Vermögen all jener, die erwerbstätig sind und sich bereits einen Anspruch auf eine gesetzliche Rente erarbeitet haben. In aller Regel geht davon ein die Ungleichheit reduzierender Effekt aus.
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Viele Senioren sind vermögend
Das verfügbare Monatseinkommen der über 65-Jährigen erhöht sich nach Berücksichtigung der Vermögen im Schnitt um 73 Prozent ‒ von 2.066 auf 3.574 Euro.
Mit Blick allein auf die Einkommen stellt die Generation der 50- bis 64-Jährigen fast 45 Prozent der relativ Reichen, während die über 65-Jährigen nur 17 Prozent dieser Schicht ausmachen.
Die Erwerbseinkommen sind hier der entscheidende Faktor. Wird dagegen die gesamte finanzielle Situation betrachtet, wandelt sich das Bild:
Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig es gerade bei alternden Gesellschaften ist, Lebenszykluseffekte zu berücksichtigen. Gerade bei Senioren hängt die finanzielle Lage häufig nicht allein vom klassischen Einkommen ab.
Schaut man auf den erweiterten Einkommensbegriff inklusive Vermögen, verbessert sich die relative Situation der Senioren weiter ‒ dann sind 9,9 Prozent von ihnen relativ arm, liegen also unterhalb der Armutsschwelle von 1.131 Euro ‒ während das auf 15,2 Prozent der Gesamtbevölkerung zutrifft.
Im Ergebnis liegt das höchste Armutsrisiko also keinesfalls bei der Altersgruppe ab 65 Jahren ‒ auch wenn die mehrheitliche Wahrnehmung der Bevölkerung hier eine andere ist.
Zudem sollte in der aktuellen Corona-Situation nicht vergessen werden, dass das wichtigste Einkommen der Älteren ‒ die Rente ‒ zunächst von der Krise unberührt bleibt. Die Einkommen aus Erwerbstätigkeit dagegen sind derzeit erheblich unter Druck.
Allerdings verbleibt auch in der kombinierten Betrachtung eine Gruppe Älterer, die sowohl über geringe Einkommen als auch über geringe Vermögen verfügen ‒ und die gegenüber den jüngeren Bevölkerungsgruppen weniger Möglichkeiten haben, ihre finanzielle Situation noch merklich zu verbessern.
(JT mit PM des IW Instituts der Deutschen Wirtschaft / Mediendienst iwd)