· ZEW-Expertise
Jedem vierten Soloselbstständigen droht das „Aus“ ‒ Wer digital arbeitet, hat Vorteile
| Jeder vierte Soloselbstständige hält es für sehr wahrscheinlich, die eigene Selbstständigkeit in den nächsten zwölf Monaten aufgeben zu müssen. Das ergibt eine Analyse des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Bei knapp 60 Prozent der Befragten ist der monatliche Umsatz um mehr als 75 Prozent eingebrochen. Jeder zweite Befragte konnte seine Tätigkeit zum Zeitpunkt der Umfrage (April) nicht mehr ausüben. |
Mehr als die Hälfte der Befragten haben bereits Soforthilfe von Bund oder Land beantragt. Allerdings erwarten 35 Prozent der Befragten, dass die Phase der deutlich niedrigeren Umsätze länger als sechs Monate anhalten wird.
Konsumnahe Branchen hart getroffen
„Am härtesten von der Krise getroffen sind konsumnahe Branchen wie Gastronomie und Beherbergung, Events und Veranstaltungen, Touristik und Sport sowie Wellness, Friseure und Kosmetik. Etwa neun von zehn Soloselbstständigen müssen hier Umsatzeinbußen verkraften, die über 75 Prozent liegen“, erklärt Irene Bertschek, Leiterin des Forschungsbereichs „Digitale Ökonomie“ am ZEW. Zwischen 73 Prozent und 85 Prozent der Soloselbstständigen in diesen Branchen haben Soforthilfe von Bund oder Land beantragt. Zwischen 32 Prozent und 49 Prozent der Befragten in diesen Branchen befürchten, ihre Selbstständigkeit in naher Zukunft einstellen zu müssen.
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Selbstständig-keit beenden | Umsatzrück-gang > 75% | Kann Tätigkeit nicht ausüben | Soforthilfe beantragt | Reduzierte Umsätze > 6 Monate | |
Gastronomie, Beherbergung | 49 | 86 | 76 | 85 | 24 |
Event- und Veranstaltungsbranche | 41 | 93 | 91 | 75 | 58 |
Touristik, Sport und Freizeit | 40 | 89 | 83 | 73 | 52 |
Vorrangig stationärer Handel | 34 | 55 | 34 | 85 | 33 |
Wellness, Friseure, Kosmetik | 32 | 94 | 89 | 85 | 14 |
Soziale Arbeit, Sozialwesen | 30 | 50 | 62 | 46 | 27 |
Kulturschaffende, Film, Fotografie | 28 | 65 | 69 | 65 | 47 |
Training/Coaching, Schule/Unterricht | 27 | 71 | 59 | 60 | 28 |
Onlinehandel | 26 | 21 | 14 | 41 | 24 |
Handwerk | 25 | 42 | 37 | 56 | 27 |
Journalisten oder PR | 22 | 41 | 31 | 54 | 32 |
Unternehmensnahe Dienstleistungen | 21 | 43 | 24 | 47 | 28 |
Gesundheit, Medizin und Therapie | 19 | 56 | 46 | 57 | 21 |
Ingenieure und Architekten | 18 | 34 | 23 | 33 | 19 |
Finanzdienstleistungen/Versicherung | 14 | 24 | 11 | 31 | 21 |
IT-, Software-, Web-Dienstleistung | 14 | 26 | 15 | 21 | 19 |
Lektorat, Dolmetscher, Übersetzer | 13 | 31 | 23 | 29 | 24 |
Total | 25 | 58 | 52 | 55 | 35 |
Lesehilfe: 49 Prozent der befragten Soloselbstständigen der Branche Gastronomie und Beherbergung geben an, dass eine (sehr) hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie ihre Selbstständigkeit in den nächsten zwölf Monaten beenden müssen.
Quelle: Umfrage des VGSD, ZEW und der Universität Trier
Digitalisierungsschub durch die Krise
Durch die Krise habe etwa jeder Dritte bei der Digitalisierung zugelegt. Besonders hervorzuheben sind die Bereiche Training und Schule, Gesundheit, Soziale Arbeit sowie stationärer Handel. „Ein Digitalisierungsschub hat dabei tendenziell stärker stattgefunden bei Soloselbstständigen, die weiblich oder vergleichsweise jung sind, die im Homeoffice arbeiten oder einen Hochschulabschluss haben“, sagt Dr. Daniel Erdsiek, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“. „Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten zu digitalisieren auch von der Branche abhängen, in denen die Soloselbstständigen tätig sind, sowie vom bereits bestehenden Niveau der Digitalisierung“, so Daniel Erdsiek.
Etwa drei Viertel der Soloselbstständigen mit einem sehr niedrigen Digitalisierungsgrad sind im Moment nicht in der Lage, die eigene Tätigkeit auszuüben. Unter den sehr hoch digitalisierten Soloselbstständigen waren es dagegen nur 28 Prozent. „Weitere finanzielle Maßnahmen werden notwendig sein, um Soloselbstständige auf dem Weg durch die Krise zu unterstützen, insbesondere wenn aufgrund der Pandemie die Einkommensgrundlage weggebrochen ist“, sagt Irene Bertschek.
Hinweis | An der Befragung haben zwischen dem 07.04. und 04.05.2020 über 27.000 Selbstständige teilgenommen. Die Auswertungen in der vorliegenden Kurzexpertise fokussieren sich auf mehr als 16.000 hauptberuflich Soloselbstständige im Alter zwischen 24 und 65 Jahren.
(JT mit PM ZEW)