28.03.2008 | Typ-2-Diabetes
ACCORD-Studie: mehr Tote bei intensiver Blutzuckersenkung – Was tun?
Irren sich Diabetologen? Ist die normnahe Blutzuckereinstellung auf HbA1c-Werte unter sechs Prozent bei Typ-2-Diabetikern gar nicht das Wunschziel, sondern womöglich sogar gefährlich? Eine Mitteilung des US-amerikanischen „National Heart, Lung, and Blood Institute“ (NHLBI) im Februar hat diese Frage aufgeworfen: In einer der größten unabhängigen Diabetesstudien der vergangenen Jahre, ACCORD, wurde der Therapiearm mit intensiver Blutzuckersenkung wegen einer erhöhten Sterblichkeit gestoppt.
An ACCORD (Action to Control Cardiovascular Risk in Diabetes) nehmen 10.251 Patienten mit langjährigem Typ-2-Diabetes und hohem kardiovaskulärem Risiko aus den USA und Kanada teil. In drei Studienarmen sollte jeweils die intensive Blutzucker-, Blutdruck- oder Lipid-Senkung mit einer konventionellen Behandlung verglichen werden. Der intensive Blutzucker-Arm hatte ein HbA1c-Ziel von unter 6,0, der konventionelle Arm einen Zielwert zwischen 7,0 und 7,9 Prozent. Tatsächlich erreicht wurde im Intensivarm ein HbA1c-Wert von im Mittel 6,4 und im konventionellen Arm ein Wert von 7,5 Prozent. Die normnähere Einstellung brachte aber nicht wie angenommen eine Prognoseverbesserung. Ganz im Gegenteil war im Intensivarm mit 257 Todesfällen die Sterberate sogar relativ um 20 Prozent höher als im konventionellen Arm mit 203 Toten. Pro tausend Teilnehmer starben damit pro Jahr im Schnitt drei Patienten mehr, wenn sie eine intensive Blutzucker-Senkung erhielten. Allerdings war die Sterblichkeit in beiden Studienarmen gering.
Ursache vermehrter Todesfälle unklar
Nach bisherigen Analysen ist laut NHLBI keine Verbindung zwischen der erhöhten Sterblichkeit und einem bestimmten Medikament oder einer Kombination bestimmter Wirkstoffe zu erkennen. Unter besonderer Betrachtung stand etwa Rosiglitazon, das während der vierjährigen Behandlungszeit häufig eingesetzt wurde. Häufigere Hypoglykämien aufgrund der aggressiveren Blutzuckersenkung sind ebenfalls nicht die Ursache der vermehrten Todesfälle.
Die NHLBI betont, dass die Ergebnisse weder auf Typ-1- noch auf Typ-2-Diabetiker mit geringem kardiovaskulären Risiko übertragbar sind. Die American Diabetes Association (ADA) teilte mit, Ärzte und Patienten sollten auch in Zukunft an einem HbA1c-Zielwert von unter sieben Prozent festhalten. Allerdings solle die Diabetes-Therapie individuell variiert werden. So könne etwa bei Kindern oder bei älteren Menschen mit stark erhöhtem kardiovaskulärem Risiko ein höherer HbA1c-Wert in Kauf genommen werden.Die ADA will auf ihrer Jahrestagung im Juni 2008 in San Francisco die ACCORD-Ergebnisse diskutieren – bis dahin sollen alle Daten ein weiteres Mal geprüft werden. Noch ist allerdings unklar, ob angesichts der Fülle verschiedener Therapieformen, die in der Studie verwendet wurden, überhaupt statistisch gesicherte Ursachen für die erhöhte Sterblichkeit geliefert werden können.
Diabetes-Experten relativieren die Ergebnisse
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