· Fachbeitrag · Primärprävention
Umstrittene Polypille mit Potential zur Halbierung der Rate vaskulärer Ereignisse
Die einen sehen sie als Heilsbringer in der Primärprävention, die anderen als Auswuchs einer modernen Medizin nach dem Gießkannenprinzip: eine Polypille, in der wichtige präventiv wirkende Substanzen in einer Tablette kombiniert sind. In der zur Zeit getesteten Version sind dies Acetylsalicylsäure 75 mg (ASS), der ACE-Hemmer Lisinopril 10 mg, das Diuretikum Hydrochlorothiazid 12,5 mg sowie Simvastatin 20 mg. Laut Daten einer internationalen Studie bei 378 Personen aus sieben Ländern ohne Indikation für einen dieser Wirkstoffe, aber mit einem 5-Jahres-KHK-Risiko über 7,5% laut Framingham-Score, könnte durch Einnahme dieser Pille über fünf Jahre das Risiko für KHK und ischämischen Schlaganfall um rund 50%-60% verringert werden. Dies ist eine Schätzung basierend auf der Senkung des systolischen Blutdrucks um 10 mmHg und des LDL-Cholesterins um 30 mg/dl während des 12-wöchigen Studienzeitraums und der vorbeugenden Wirkung von ASS. Allerdings müssen mehr Nebenwirkungen in Kauf genommen werden als gedacht: Rund einer von sechs Behandelten ist betroffen und einer von 20 bricht deshalb die Therapie ab. Die meisten Nebenwirkungen betrafen gastrointestinale Effekte von ASS, weshalb diese Substanz in der Polypille besonders umstritten ist. Prof. Simon Thom, Leiter des britischen Studienarms, hält die Polypille deshalb nicht für alle Personen mittleren Alters mit leicht erhöhtem KHK-Risiko für geeignet, sondern bestenfalls für die mit hohem Risiko. Zu rechnen sei mit dem ersten Einsatz der Polypille in der Praxis ohnehin in der Sekundärprävention.
Quelle
- Rodgers A et al.: An International Randomised Placebo-Controlled Trial of a Four-Component Combination Pill (“Polypill”) in People with Raised Cardiovascular Risk. PLoS One 2011; doi: 10.1371/journal.pone.0019857
Volltext
www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0019857
