11.01.2010 | 130-Prozent-Grenze
Versicherer will Wertminderung, um Grenze zu sprengen
In einem Streit über eine 130-Prozent-Abrechnung im Fall einer neun Jahre alten C-Klasse hat der Versicherer eingewandt, im Gutachten fehle die Wertminderung. Mit der Wertminderung sei die Grenze überschritten. Das OLG München hat jedoch das vom Geschädigten vorgelegte Gutachten zum Maßstab gemacht (Urteil vom 13.11.2009, Az: 10 U 3258/08; Abruf-Nr. 094051).
Beachten Sie: Grundsätzlich ist es richtig, dass die Reparaturkosten und eine eventuelle Wertminderung addiert werden müssen, bevor der Abgleich mit dem 1,3-fachen des Wiederbeschaffungswerts vorgenommen wird. Jedoch darf sich der Geschädigte regelmäßig auf die Zahlen im Gutachten verlassen. Es hat durchaus Unterhaltungswert, dass ausgerechnet der Versicherer bei einem neun Jahre alten Auto einwendet, die Wertminderung fehle im Gutachten, wo doch von dort sonst noch immer routinemäßig eine Fünfjahres- und 100.000-km-Grenze behauptet wird. Jedoch hat der BGH längst entschieden, dass es eine solche schematische Grenze nicht gibt (Urteil vom 23.11.2004, Az: VI ZR 357/03; Abruf-Nr. 050015). Gleichzeitig hat er in dem Urteil darauf abgestellt, wie sich Alter und Laufleistung auf die Bewertung des Fahrzeugs am Gebrauchtwagenmarkt auswirken.
Unser Tipp: Hilfreich ist, dass der Gutachter zu erkennen gibt, sich über die Wertminderung Gedanken gemacht zu haben. Steht in der Expertise „Wertminderung: Keine“, dann ist das eindeutig. Schreibt er schlicht nichts dazu, könnte im Extremfall ähnliches dabei herauskommen, wie bei der aktuellen Restwertentscheidung des BGH (siehe Ausgabe 11/2009, Seite 1 und in dieser Ausgabe auf den Seiten 4 bis 5): Das Gutachten lässt eine korrekte Wertermittlung nicht erkennen.
Unser Service: 130-Prozent-Fälle gehören in die Hände eines Anwalts. Nur für ganz hartleibige Kunden haben wir den Textbaustein 244 formuliert.