· Fachbeitrag · Mietwagen
Eine rückwirkende Mietpreisermittlung durch Sachverständige im Internet ist nicht möglich
| Die Gerichte ertrinken in Klagen rund um die Erstattung der Mietwagenkosten. Daher suchen sie nach Möglichkeiten, die Prozessflut einzudämmen. Die Hoffnung der Justiz, die Anwendung des Mittelwerts aus Schwacke und Fraunhofer („Fracke“) würde Ruhe bringen, darf als nicht erfüllt gelten. Und so packt manches Gericht nun den „Kostenhammer“ aus, um die Geschädigten und erst Recht die aus abgetretenem Recht klagenden Vermieter mit horrenden Vorauszahlungen auf die Gutachterkosten davon abzuhalten, die Forderungen zu verfolgen. |
Diese Gerichte beauftragen Gutachter im Prozess mit der Ermittlung der bei einer Anmietung „damals“ zu erzielenden Preisen. Dagegen sollten Sie sich wehren. Argumente dazu liefern Ihnen einige Gerichte, die erkannt haben, dass die dabei erzielten Ergebnisse unbrauchbar sind.
Grundlage der Recherche ist das Internet
Denn Grundlage der Recherchen der Gutachter sind in aller Regel die aus den Internetangeboten der dort vertretenen Vermieter - scheinbar - hervorgehenden Preise.
LG Berlin: Internetangebote sind nicht brauchbar
Die Berufungskammer des LG Berlin hält die vorgerichtlich oder in den Prozessen vorgelegten Screenshots von Internetangeboten für Mietwagen generell für ungeeignet, Zweifel am Schwacke-Mietpreisspiegel als Schätzgrundlage zu säen (LG Berlin, Urteil vom 19.2.2014, Az. 42 S 184/13; Abruf-Nr. 141106).Das begründet das Gericht wie folgt:
„Der Beklagte trägt selbst vor, dass es sich insofern um abstrakte Auszüge aus dem Internet, gegoogelt über ‚www.gelbeseiten.de‘ handelt, wobei er nicht ein einziges Angebot konkret überprüft hat. Es ist deshalb zu bedenken, dass die Internet-Screenshots nicht unbedingt ein konkretes ,Angebot‘ eines direkten Vergleichsfahrzeugs darstellen; rechtlich gesehen handelt es sich um eine invitatio ad offerendum oder um eine bloße Werbeaussage.
Nach den Erfahrungen des Gerichts sind die auf der Ausgangsseite der Internetpräsenz von Mietwagenfirmen bzw. nach Eingabe einiger weniger Anfrageinformationen (z.B Mietzeitspanne) vorgestellten Fahrzeuge teilweise bei konkreter Anfrage, also nach vollständigem ‚Durchklicken‘ der Buchungsseiten, nicht wirklich verfügbar, sodass auf eine höhere oder niedrigere Klasse oder auch einen anderen Anmietstützpunkt ausgewichen oder eine Wartezeit eingeplant werden muss.
Zudem ist den Angeboten nicht zu entnehmen, inwieweit sie mit der tatsächlich erfolgten Anmietsituation vergleichbar sind:
- Es erschließt sich nicht, ob die zusätzlich vereinbarten Mietoptionen wie Zusatzfahrer, Zustellung / Abholung, Kaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung usw. möglich sind und erst recht nicht, zu welchen konkreten Zusatzkosten diese bei den Alternativangeboten führen.
- Die tatsächliche Verfügbarkeit des konkret angemieteten Modells zu der Zeit, während welcher der Kläger das Mietfahrzeug benötigte, steht ebenso wenig fest, wie die jeweiligen konkreten Mietbedingungen. Den Angeboten lässt sich nicht entnehmen, ob diese eine Vorbuchungsfrist erfordern, oder ob auch eine spontane Anmietung möglich ist.
- Über die Zahlungsart (bar oder Kreditkarte?) ist ebenfalls nichts zu erfahren. Mithin lässt sich nicht feststellen, ob es sich bei den Internetangeboten um tatsächliche vergleichbare Mietsituationen handelt.“
Damit steht das LG Berlin nicht allein
Andere Gerichte sehen das ähnlich. So sagt eine Berufungskammer des LG Köln im Urteil vom 18.3.2014, Az. 11 S 250/13; Abruf-Nr. 141107:
„Allerdings ist unabhängig davon nicht ersichtlich und von der Beklagten auch nicht mit der erforderlichen Substanz dargetan, dass die in den in der Klageerwiderung enthaltenen Screenshots ausgewiesenen Preisabfragen mit der hier tatsächlich gegebenen Anmietsituation vergleichbar sind. Dabei weisen die von Beklagtenseite vorgelegten Ersatzangebote keinen verbindlichen Preis aus. Die Angebote der Firma Avis sind jeweils ‚pro Anmietung‘ zu erhalten. Die Höhe etwaiger Nebenkosten lässt sich nicht erkennen, ‚Mehr Informationen‘ können ausweislich des Screenshots abgefragt werden, sind aber nicht geöffnet bzw. im Schriftsatz der Beklagten nicht abgebildet.
Zutreffend hat das Amtsgericht zudem die Unklarheiten bezüglich Modell und Ausstattungsmerkmale in den Ersatzangeboten hervorgehoben. Bei allen von der Beklagtenseite vorgelegten Angeboten sind ferner die Anmiettage von vornherein festgelegt und weisen je nach Anmietdauer einen bestimmten Preis aus. Wie sich die Preise gestalten, wenn von vornherein nicht genau absehbar ist, wie lange ein Fahrzeug angemietet werden muss, wie es gerade in der Unfallsituation und bei Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs der Fall ist, ist den Angeboten nicht zu entnehmen. Insofern sind die Angebote nicht mit den vorliegenden Sachverhalten vergleichbar.
Hinzu kommt, dass bei dem Angebot der Firma Sixt die Selbstbeteiligung deutlich höher liegt als bei den vorliegend angemieteten Pkw. Den eigenen Angaben der Beklagten zufolge hätten die Geschädigten ein Fahrzeug zu den in den Internetangeboten ausgewiesenen Tarifen auch nur bei Vorlage einer Kreditkarte oder Leistung einer entsprechenden Barkaution erhalten können, was ihm in der konkreten Anmietsituation nicht ohne weiteres zumutbar war.
Insgesamt sind danach die Screenshots und der insoweit substanzlose Vortrag, dass die darin ausgewiesenen Preise auch bei einer Anmietung unmittelbar an den Stationen zu erhalten gewesen seien, nicht geeignet den Schwacke-Mietpreisspiegel in seiner Tauglichkeit als Schätzgrundlage zu erschüttern.“
Alles das spricht auch gegen gerichtlich eingeholte Gutachten
Trotz alledem erlassen manche Gerichte Beweisbeschlüsse und beauftragen Sachverständige. Und dann setzt sich mancher der Gutachter an den Rechner und recherchiert im Internet.
Ein Kernfehler ist, dass er dabei die erst im Nachhinein bekannte Anmietdauer eingibt, die der Geschädigte aber im Vorhinein nicht kannte. Er ignoriert, dass die so gefundenen Preise nur bei Einsatz der Kreditkarte oder eine Barvorauszahlung gelten. Weiterhin wird oft ignoriert, dass am Ende regelmäßig der Hinweis auf die fehlende Sicherheit steht, dass so ein Fahrzeug auch verfügbar ist.
Das Mindeste, was man von einem seriös arbeitenden Sachverständigen erwarten kann, ist, dass er in seinem Gutachten ergänzend eine weitere Recherche startet und deren Ergebnis beschreibt, in der er das Mietzeitende offen lässt und eine Anmietung ohne Vorauszahlung voraussetzt.
Eigentlich muss man schon vom Gericht erwarten, dass es im Beweisbeschluss eine solche Vorgabe macht. Spätestens dann würde nämlich das Gericht selbst merken, dass eine solche Beweisaufnahme sinnlos ist. Das muss es dann aber auch merken wollen, was dem Ziel des „Kostentreibens zur Prozessvermeidung“ allerdings zuwider liefe.
Das wird von manchen Gerichten auch klar erkannt
Ein aktuelles Bespiel aus der Rechtsprechung dafür, dass manche Gerichte das Problem klar erkannt haben, liefert das LG Frankenthal (Urteil vom 29.1.2014, Az. 2 S 239/13; Abruf-Nr. 141108). In dessen Urteil heißt es:
„Die Internetauszüge stammen aus einer Zeit von 6 Monaten nach dem streitigen Verkehrsunfall, gehen von einem bei Anmietung bereits bekannten Rückgabedatum aus, spiegeln den Preis bei Vornahme einer - im Unfall in der Regel nicht möglichen - Vorreservierung wider und betreffen zu 2/3 den Ort Ludwigshafen a. Rh., nicht jedoch den Wohnort des Geschädigten (Speyer). Die dazu aufgestellte pauschale Behauptung, ein derartiges Fahrzeug sei auch in Speyer zu dieser Zeit und zu diesem Preis zu erhalten gewesen, ist einer Beweisaufnahme nicht zugänglich. Insbesondere kann Derartiges mit dem angebotenen Sachverständigengutachten nicht bewiesen werden.“
PRAXISHINWEIS | Einen Textbaustein stellen wir hier nicht zur Verfügung, denn diese Thematik stellt sich ja erst im Prozess. Informieren Sie aber Ihren Anwalt über diese Rechtsprechung. |