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  • · Fachbeitrag · Mietwagen

    OLG Frankfurt favorisiert klar den Schwacke-Mietpreisspiegel

    | Für die Schätzung des Mietwagenkosten-Erstattungsanspruchs ist der Schwacke-Mietpreisspiegel anzuwenden, sagt das OLG Frankfurt in zwei Urteilen. So weit so gut. Was dabei herausragt, ist die klare Absage an den Mittelwert aus „Fraunhofer“ und „Schwacke“. Erfahren Sie, welche Bedeutung die Urteile für Klagen vor hessischen Gerichten haben werden. |

    Das Gericht versetzt sich in die Lage des Geschädigten

    Das OLG begründet seine Ansicht in beiden Verfahren wortgleich wie folgt: „Im Hinblick auf die Lage des Geschädigten, dem nach Auffassung des Senats auch bei Einholung von Vergleichsangeboten bei Anwendung der Fraunhofer-Liste wesentlich häufiger das Risiko, auf erheblichen Teilen der Mietwagenkosten sitzenzubleiben, droht, hält es der Senat aber für zweckmäßig, ein Tabellenwerk anzuwenden, das nicht primär nur die Internet-Angebote der größten Autovermieter berücksichtigt, sondern auch die auf dem regionalen Markt, in kleineren Städten und Gemeinden bzw. im ländlichen Raum und gerade bei Inanspruchnahme eines Mietwagens nach einem Unfall relevanten lokalen Anbieter berücksichtigt. Der Senat hält es auch für erheblich, dass über das Internet buchbare Angebote nicht von allen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten in gleicher Weise geschätzt und in Anspruch genommen werden und gegenüber einer Bezahlung mittels online-banking oder Kreditkarte teilweise auch Vorbehalte bestehen.

     

    Zum Schutz des Geschädigten ist die Orientierung an dem Schwacke-Mietpreisspiegel auch deshalb sachgerecht, weil sonst der Geschädigte einseitig das Risiko einer unzulänglichen Entschädigung trägt. Der Beweis, zu welchem Preis an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ein bestimmtes Fahrzeug tatsächlich angemietet werden konnte, lässt sich im Nachhinein praktisch nicht führen.“ (OLG Frankfurt, Urteil vom 22.9.2016, Az. 1 U 231/14, Abruf-Nr. 188937, eingesandt von Rechtsanwalt Frank Mohr, Gießen, sowie OLG Frankfurt, Urteil vom 22.9.2016, Az. 1 U 53/14, Abruf-Nr. 188936, eingesandt von Rechtsanwalt Andreas Gursch, Böblingen).

     

    Es folgt eine gut begründete Absage an den Mittelwert: „Die von den anderen OLG favorisierte Lösung, das arithmetische Mittel beider Tabellenwerke zugrunde zu legen, hält der Senat nicht für zweckmäßig. Diese Lösung zwingt dazu, den maßgeblichen Wert aus beiden Tabellen zu ermitteln und erfordert einen zusätzlichen Rechenschritt. … Da die Fraunhofer-Liste für einzelne Zusatzkosten die üblichen Preise nicht aufführt, führt auch dies zur Verwendung der Schwacke-Liste. Außerdem gibt die „Fracke“-Lösung die von beiden Tabellenwerken grundsätzlich beanspruchte Orientierung an empirisch ermittelten, tatsächlich vorkommenden Preisen auf und legt mit dem arithmetischen Mittel regelmäßig Priese zugrunde, die weder in der Schwacke-Erhebung noch in der Umfrage des Fraunhofer-Instituts in dieser Form festgestellt worden sind.“

     

    Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Die Klägeranwälte, die zu den wiederkehrenden Urteils-Einsendern von UE gehören, haben gute Arbeit geleistet.

    Die Folgen der OLG-Urteile

    Das Gericht weist den Versicherern eine aktive Rolle zu

    Das OLG sagt, es sei sich bewusst, dass die Versicherer im Einzelfall benachteiligt sein könnten. Es verweist aber darauf, dass der BGH den Versicherern ja zugestehe, mit schnellen Vermittlungsangeboten an den Geschädigten gegenzusteuern.

     

    In der Tat werden die Versicherer nun jedenfalls in der Region noch heftiger als bisher versuchen, auf diese Weise auf den Geschädigten Einfluss zu nehmen. Allerdings müssen das auch taugliche Offerten sein. (Sehen Sie insoweit den Beitrag in UE 10/2016, Seite 16 u→ Abruf-Nr. 44262064).

     

    Die Amts- und Landgerichte sind nicht gezwungen, dem OLG zu folgen

    Die untergeordneten Gerichte im Bezirk des OLG Frankfurt sind nicht verpflichtet, sich nach dem OLG zu richten. Häufig tun sie das aber. Das bedarf nun des Praxistests an den Amts- und Landgerichten. UE wird das sorgfältig beobachten und über die weitere Entwicklung berichten.

     

    Für hessische Unfallorte liegt die Relevanz des Urteils auf der Hand

    Soweit der Versicherer nicht mit einem zeitgerechten und tauglichen Vermittlungsangebot punkten konnte, werden die lokalen Vermieter bei Unfällen, die sich in Hessen ereignet haben, also häufig gute Karten haben.

     

    Mit dem Gerichtsstand kann man auch außerhalb Hessens taktieren

    Aber auch deutschlandweit kann man Honig saugen. Denn man darf, muss aber nicht, wegen des restlichen Erstattungsanspruchs am Unfallort Klage erheben. Ebenso gut kann man am Sitz des Versicherers klagen, wenn es nur noch um die Erstattung der Mietwagenkosten geht. Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Kassel sowie Bad Homburg sind Sitz von Versicherern. Und bundesweit tätige Versicherer haben in Frankfurt Niederlassungen, die je nach Fallgestaltung auch zur Klage dort berechtigen können.

     

    Manchmal sitzt der Versicherer anderenorts, aber der Fahrer oder der Halter des unfallverursachenden Fahrzeugs haben ihren Sitz im Bezirk des OLG Frankfurt. Bedeutende Firmen mit großen Flotten finden sich in den hessischen Metropolen, aber auch auf dem Land.

     

    Das Urteil hilft also auf breiterer Front, als man auf den ersten Blick meint.

     

    Der Nachteil solcher Urteile liegt aber auch auf der Hand

    Problematisch ist an solcher Rechtsprechung, dass es auch an den Gerichten menschelt. Es wird sich nun eine Prozesstourismuswelle in Richtung der hessischen Gerichte bewegen. Prozesse, die „eigentlich“ an andere Gerichte gehören, werden dann dort geführt. Das hat in der Vergangenheit manchen Richter zu einer Rechtsprechung verleitet, die das Gericht unattraktiv macht. Auch das wird UE im Auge behalten und ggf. darüber berichten.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 10 | ID 44293870