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  • 21.03.2001 · IWW-Abrufnummer 010376

    Bundesgerichtshof: Urteil vom 21.01.1992 – VI ZR 142/91

    1. Der Geschädigte, der ein Gutachten über den Restwert seines bei einem Unfall beschädigten Kraftfahrzeugs eingeholt hat, ist bei einer Schadensabrechnung auf der
    Grundlage der Wiederbeschaffungskosten grundsätzlich berechtigt, den Wiederbeschaffungswert (lediglich) um den vom Sachverständigen ermittelten Restwert zu kürzen.
    2. Hat der Geschädigte allerdings bei der Veräußerung seines Unfallwagens ohne überobligationsmäßige Anstrengungen einen Erlös erzielt, der den vom Sachverständigen
    geschätzten Restwert übersteigt, so muß er sich einen Abzug in Höhe dieses Erlöses gefallen lassen. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insoweit den Schädiger.
    Orientierungssatz
    1. Zitierungen: Ergänzung BGH, 1976-03-23, VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239; BGH, 1985-03-05, VI ZR 204/83, VersR 1985, 593 und BGH, 1991-10-15, VI ZR 314/90; vergleiche
    BGH, 1989-06-20, VI ZR 334/88, VersR 1989, 1056.


    Tatbestand
    Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz restlichen Schadens aus einem Verkehrsunfall vom 21. Februar 1986, für dessen Folgen der Erstbeklagte und als sein
    Haftpflichtversicherer auch die Zweitbeklagte in vollem Umfang aufzukommen haben. Die Parteien streiten nur noch über die Höhe des bei der Schadensberechnung zu
    berücksichtigenden Restwertes des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs der Klägerin, eines im Januar 1985 erstmals zugelassenen Mercedes Benz 190 D.
    Die Klägerin beauftragte am 24. Februar 1986 den Sachverständigen H. mit der Begutachtung ihres Fahrzeugschadens. Am 26. Februar 1986 verkaufte sie den Unfallwagen
    an das Autoverwertungsunternehmen R. Welchen Erlös sie dabei erzielte, ist zwischen den Parteien streitig; der Ehemann der Klägerin quittierte gegenüber der Firma R. den
    Erhalt von 15.000 DM. Am 5. März 1986 erstellte der Sachverständige H. ein Gutachten, in dem er unter Berücksichtigung eines Restwertes von 3.000 DM zu einem
    Totalschaden an dem Fahrzeug von 31.318,07 DM gelangte. Auf dieser Grundlage verlangte die Klägerin unter Einbeziehung weiterer Schadensposten von den Beklagten
    insgesamt 32.638,96 DM. Die Zweitbeklagte zahlte der Klägerin im Mai 1986 einen Betrag von 17.450,89 DM, bei dessen Berechnung sie als Erlös der Klägerin aus dem
    Verkauf des Unfallwagens 15.000 DM zugrunde legte.
    Die Klägerin hat einen restlichen Sachschaden von 15.188,07 DM nebst Zinsen eingeklagt und u.a. behauptet, ihr Ehemann habe der Firma R. die Quittung über 15.000 DM
    nur zum Schein ausgestellt; in Wirklichkeit habe sie für das Unfallfahrzeug lediglich 3.000 DM erhalten.
    Das Landgericht hat zur Höhe des Fahrzeugschadens ein Gutachten des Sachverständigen J. eingeholt, der zu einem Wiederbeschaffungswert von 31.100 DM und einem
    Restwert von 3.000 DM gelangt ist. Auf dieser Grundlage hat das Landgericht der Klage in Höhe von 11.950 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf
    die Berufungen beider Parteien unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen die Beklagten zur Zahlung von lediglich 100 DM
    nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Klägerin, mit der sie einen restlichen Schaden von 12.000 DM nebst Zinsen, die Differenz
    zwischen dem quittierten Betrag von 15.000 DM und dem von ihr behaupteten Verkaufserlös von 3.000 DM, geltend macht.
    Entscheidungsgründe
    I.
    Das Berufungsgericht legt seiner Schadensberechnung einen Restwert des Unfallfahrzeugs von 15.000 DM zugrunde. Es meint, ein den Schätzwert übersteigender
    Verkaufserlös sei jedenfalls dann auf den Schaden anzurechnen, wenn der Mehrerlös nicht auf besonderen Anstrengungen des Geschädigten beruhe. Denn in solchem Fall
    spiegele sich in dem Erlös der Restwert des Unfallfahrzeugs wider. Mit der Anrechnung werde zudem dem Grundsatz Rechnung getragen, daß der Geschädigte an dem
    Schadensfall nicht verdienen dürfe. So sei es auch im Streitfall. Die Klägerin habe keine besonderen Anstrengungen zur möglichst günstigen Verwertung ihres Unfallwagens
    unternommen; die Firma R. habe vielmehr von sich aus Verbindung mit der Klägerin aufgenommen. Auf die Restwert-Schätzungen der Sachverständigen von nur 3.000 DM
    könne sich die Klägerin nicht berufen, da der von ihr erzielte Verkaufserlös eine zuverlässigere Ermittlung des Restwertes ermögliche als die mit Unsicherheitsfaktoren
    belasteten Angaben der Sachverständigen. Zur Überzeugung des Gerichts stehe auch fest, daß die Klägerin tatsächlich 15.000 DM von der Firma R. erhalten habe. Unter
    Berücksichtigung dieses Betrages verbleibe ihr angesichts der von der Zweitbeklagten bereits geleisteten Zahlung nur noch ein Schadensersatzanspruch von 100 DM nebst
    Zinsen.
    §§§ II.
    Die Schadensberechnung des Berufungsgerichts hält den Angriffen der Revision stand. Die Klägerin kann über den ihr bereits zuerkannten Betrag hinaus von den Beklagten
    keine weitere Zahlung verlangen.
    1. Für die Entscheidung ohne Bedeutung ist die Rüge der Revision, die Klägerin könne auch nach der Veräußerung ihres beschädigten Fahrzeugs von den Beklagten nicht
    nur, wie das Berufungsgericht meine, Ersatz ihres Wertinteresses nach § 251 BGB, sondern gemäß § 249 Satz 2 BGB die fiktiven Reparaturkosten als den für die
    (Wieder-)Herstellung des früheren Zustandes erforderlichen Geldbetrag verlangen. Denn die Klägerin muß sich auch dann, wenn ihr eine Abrechnung auf
    Reparaturkostenbasis nicht schon wegen der Unwirtschaftlichkeit dieser Herstellung im Ansatz verwehrt ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 67/91 - zur
    Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), bei der Geltendmachung der Kosten für die hier gar nicht beabsichtigte Reparatur ihres Fahrzeugs jedenfalls in den Grenzen halten, die
    durch eine Abrechnung nach den Wiederbeschaffungskosten gezogen werden (BGHZ 66, 239, 247; Senatsurteile vom 5. März 1985 - VI ZR 204/83 - VersR 1985, 593, 594 f
    und vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 314/90 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Hiernach besteht der zur ersetzende Schaden in solchem Fall nur in der Differenz
    zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des beschädigten Fahrzeugs (Senatsurteile vom 5. März 1985 und vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 314/90 = jeweils
    aaO). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt.
    2. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den bei der Schadensbemessung zu berücksichtigenden Restwert des bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs der Klägerin auf
    15.000 DM bemessen.
    a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Überzeugung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin von der Firma R. für ihr Fahrzeug tatsächlich 15.000 DM erhalten
    habe. Soweit sie beanstandet, das Berufungsgericht habe dabei zum Nachteil der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast verkannt, geht dies schon deshalb fehl, weil das
    Berufungsgericht keine Entscheidung nach der Beweislast getroffen, sondern den Erhalt der 15.000 DM durch die Klägerin festgestellt hat. Dabei hat das Berufungsgericht
    auch nicht, wie die Revision weiter rügt, der vom Ehemann der Klägerin ausgestellten Quittung rechtsfehlerhaft die Bedeutung eines Urkundenbeweises dahin beigemessen,
    daß sie auch im Verhältnis der Parteien zueinander die Vermutung der Richtigkeit begründe (s. dazu BGHZ 109, 240, 244 f). Denn das Berufungsgericht hat nicht auf eine
    solche Vermutung abgestellt, sondern die Erteilung der Quittung zusammen mit den erhobenen Zeugenbeweisen in eine umfassende Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1
    ZPO einbezogen, wogegen keine rechtlichen Bedenken zu erheben sind.
    b) Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht den Verkaufserlös der Klägerin von 15.000 DM in vollem Umfang auf den Wiederbeschaffungswert des Unfallfahrzeugs von
    31.100 DM angerechnet.
    aa) Zwar ist der Revision dahin zu folgen, daß ein überdurchschnittlicher Erlös ("Übererlös"), den der Geschädigte für seinen Unfallwagen aus Gründen erzielt, die mit dem
    Zustand des Fahrzeugs nichts zu tun haben, etwa durch besonders günstige Inzahlunggabe beim Erwerb eines Neuwagens, dem Schädiger nicht gutzubringen ist
    (Senatsurteil vom 5. März 1985 = aaO). Richtig ist auch, daß es den Schädiger grundsätzlich nichts angeht, wie der Geschädigte mit dem Restwert verfährt (BGHZ 66, 239,
    246). Dies alles ändert jedoch nichts daran, sondern setzt vielmehr geradezu voraus, daß zunächst einmal nach sachgerechten Kriterien festzustellen ist, in welcher Höhe
    dem Geschädigten angesichts des ihm verbliebenen Restwertes seines Fahrzeugs durch den Unfall überhaupt ein Vermögensnachteil erwachsen ist.
    bb) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist bei einer Sachbeschädigung, wenn der Geschädigte gemäß § 249 Satz 2 BGB die Schadensbehebung
    selbst in die Hand nimmt, der zur (Wieder-)Herstellung erforderliche Aufwand nach der besonderen Situation zu bemessen, in der sich der Geschädigte befindet. Es ist also
    Rücksicht auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflußmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (vgl.
    BGHZ 66, 239, 245, 248 f; Senatsurteile vom 20. Juni 1972 - VI ZR 61/71 - VersR 1972, 1024, 1025 und vom 15. Oktober 1991 - VI ZR 314/90 = aaO). Diese
    subjektbezogene Schadensbetrachtung gilt auch für die Frage, in welcher Höhe dem Geschädigten wegen der ihm in seiner individuellen Lage möglichen und zumutbaren
    Verwertung seines Unfallfahrzeugs kein Schaden entstanden ist. Hat er z.B. das Fahrzeug der ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen
    Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb eines Ersatzwagens in Zahlung gegeben, so kann der Schädiger gegenüber deren Ankaufsangebot nicht auf einen höheren
    Restwert-Erlös verweisen, der nur auf einem dem Geschädigten erst durch ihn eröffneten Sondermarkt, etwa durch Einschaltung spezialisierter Restwerte-Aufkäufer, zu
    erzielen wäre. Anderenfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 Satz 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die den Umfang der erforderlichen
    Aufwendungen nach einer Schadensbeseitigung in Eigenregie des Geschädigten bemißt und deshalb auf seine Möglichkeiten zur Schadensbehebung abstellt (vgl. Gebhardt
    DAR 1991, 373, 375).
    cc) Hat der Geschädigte, wie im Streitfall die Klägerin, das Gutachten eines Sachverständigen über den Restwert des Unfallfahrzeugs eingeholt, so bildet aus denselben
    Erwägungen, die auch für die Abrechnung der Reparaturkosten auf der Basis eines Sachverständigengutachtens gelten (s. dazu Senatsurteil vom 20. Juni 1989 -
    VI ZR 334/88 - VersR 1989, 1056, 1057), der in dem Gutachten ausgewiesene Wert in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung auch des Betrages, in
    dessen Höhe dem Geschädigten durch den Unfall kein Vermögensnachteil entstanden ist. Der Geschädigte kann deshalb seiner Schadensberechnung grundsätzlich den in
    solcher Weise ermittelten Restwertbetrag zugrunde legen. Anderes gilt aber dann, wenn der Geschädigte, was zur Beweislast des Schädigers steht, für das Unfallfahrzeug
    ohne überobligationsmäßige Anstrengungen einen Erlös erzielt hat, der den vom Sachverständigen geschätzten Betrag übersteigt. In diesem Fall hat er durch die Verwertung
    seines Fahrzeugs in Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses den ihm entstandenen Schaden ausgeglichen. Da nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen der
    Geschädigte zwar vollen Ersatz verlangen kann, an dem Schadensfall aber nicht "verdienen" soll (Senatsurteil vom 20. Juni 1989 = aaO), kann ihn der Schädiger an dem
    tatsächlich erzielten Erlös festhalten. So liegen die Dinge im Streitfall.
    Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte sich die Firma R., die das Fahrzeug anschließend zu einem höheren Preis weiterveräußert hat, von sich aus mit der
    Klägerin in Verbindung gesetzt und ihr Interesse an dem Unfallwagen bekundet; nicht etwa war der Klägerin dieses Unternehmen als ein besonders hohe Kaufpreise
    zahlender Restwerte-Aufkäufer von den Beklagten benannt oder gar aufgenötigt worden. Da sich die Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu der Firma R. in dem Verkauf des
    Unfallwagens erschöpften, die Klägerin also das Fahrzeug diesem Unternehmen nicht etwa bei dem Erwerb eines Ersatzwagens in Zahlung gegeben hat, fehlt es auch an
    Umständen, die aus einer solchen Situation heraus für überobligationsmäßige Anstrengungen der Klägerin sprechen könnten. Deshalb hat das Berufungsgericht die von der
    Klägerin vereinnahmten 15.000 DM hier mit Recht bei der Berechnung des Schadens der Klägerin abgesetzt.

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 249 S 2