15.03.2010 · IWW-Abrufnummer 100791
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Urteil vom 19.01.2010 – 22 U 49/08
1. Es ist zweifelhaft, ob ein Geschädigter verpflichtet ist, das Restwertangebot eines ihm völlig unbekannten Anbieters anzunehmen, wenn dieses, wie üblich, den regional erzielbaren Restwert um ein Vielfaches übersteigt. Wenn die Realisierung solcher Werte selbst Fachleuten nicht nachvollziehbar ist und illegale Verhaltensweisen nicht auszuschließen sind, erscheint es dem Geschädigten nicht zumutbar, mit solchen Personen geschäftliche Verbindungen einzugehen.
2. Um solche Unsicherheiten zu verhindern, kann der Schädiger als Vertragspartner des Geschädigten den Restwertverkauf übernehmen.
3. In jedem Fall ist der Geschädigte zur Annahme eines Restwertangebots nur verpflichtet, wenn auf diesem klar und deutlich die kostenfreie Abholung gegen Barzahlung vermerkt ist und er ohnehin bereit ist, das Fahrzeug sofort zu verkaufen. Benötigt der Geschädigte noch Zeit, über eine anderweitige Verwertung zu entscheiden, muss er auf ein zeitlich befristetes Angebot nicht eingehen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2008 teilweise abgeändert. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.492,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.207,45 € vom 21. Januar 2006 bis 15. Februar 2006 und aus 2.492,13 € seit dem 16. Februar 2006 sowie weitere 467,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Februar 2006 zu zahlen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Auslagen des Klägers tragen die Beklagten zu ¼ als Gesamtschuldner, der Beklagte zu 1) darüber hinaus zu ¾.
Die außergerichtlichen Auslagen der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte zu 1).
Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten tragen diese jeweils selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert der Berufungsinstanz wird auf 10.112,62 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über den Hergang des Verkehrsunfalls vom 29. November 2005 in der Gemarkung ..., an dem die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen X und Y beteiligt waren. Hinsichtlich des weitergehenden Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Von einem weitergehenden Tatbestand wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
II.
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Es hat jedoch lediglich die Berufung der Klägerseite Erfolg.
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage des Haftungsgrundes und die Frage, inwieweit sich der Kläger ein Restwertangebot anrechnen lassen muss.
1. Zum Haftungsgrund:
Das Landgericht ist von einer alleinigen Haftung der Beklagten für den Unfallhergang ausgegangen. Das Landgericht hat sich dabei auf das Gutachten des Sachverständigen SV1 gestützt, der festgestellt hat, dass das Fahrzeug des Beklagten auf keinen Fall im Kollisionszeitpunkt gestanden, sondern sich in einer Vorwärtsbewegung befunden hat. Es ist deshalb von einer Vorfahrtsverletzung ausgegangen, da der Wartepflichtige durch sein Verhalten bei dem Vorfahrtsberechtigten die begründete Besorgnis erweckt habe, seine Berechtigung werde bei Beibehaltung der Geschwindigkeit und Fahrtrichtung der beteiligten Fahrzeuge missachtet werden.
Der Senat hat die Unfallbeteiligten persönlich angehört und die sachverständigen Feststellungen erster Instanz durch erneute Einschaltung eines Sachverständigen überprüft und erweitert. Er kommt danach zum gleichen Ergebnis wie das Landgericht. Der Sachverständige SV2 hat nachvollziehbar und zweifelsfrei bekundet, dass auch er davon ausgeht, dass der Beklagte im Kollisionszeitpunkt noch eine Restgeschwindigkeit von 15 km/h fuhr. Auch hinsichtlich der Frage der Endstellung der Fahrzeuge geht der Sachverständige mit dem Gutachten des Sachverständigen SV1 konform. Damit steht fest, dass der Beklagte, auch wenn sich die Kollision im Bereich der Haltelinie oder etwas davor abgespielt hat, in keinem Fall rechtzeitig zum Stehen gekommen wäre, ohne das Vorfahrtsrecht des klägerischen Fahrzeugs zu verletzen. Mangels näherer Anhaltspunkte konnte der Sachverständige zwar nicht genau sagen, mit welcher Geschwindigkeit das Fahrzeug des Beklagten herangekommen ist. Er konnte allerdings feststellen, dass bei einer normalen Verzögerung beim Heranfahren an eine vorfahrtspflichtige Situation das Fahrzeug des Beklagten eine Geschwindigkeit von 12 – 18 km/h gehabt haben dürfte. Bei einer etwas stärkeren Bremsung von 5 m/s² wäre der Beklagte zu 1) mit einer Geschwindigkeit von 45 km/h im Zeitpunkt der Reaktionsaufforderung für die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs herangekommen. Bei einer Vollbremsung hätte die Geschwindigkeit sogar 60 km/h betragen. Angesichts dieser Berechnungen erscheint die Darlegung der Drittwiderbeklagten glaubhaft, sie habe von rechts ein Fahrzeug herankommen sehen, das in ihre Fahrspur gefahren sei, weshalb sie nach rechts ausgewichen sei. Auf der gegenüberliegenden Fahrspur sei Gegenverkehr gekommen, so dass sie nicht nach links habe ausweichen können.
Demgegenüber ist die Aussage des Beklagten zu 1) nicht glaubhaft. Dieser hat bekundet, er habe an der Kreuzung gestanden, um Gegenverkehr von rechts durchfahren zu lassen. Plötzlich sei von links das gegnerische Fahrzeug auf sein Fahrzeug zugekommen, so dass er möglicherweise etwas Gas gegeben habe, um nach vorn weg zu kommen. Diese Angaben passen nicht zu den Feststellungen des Sachverständigen, der angegeben hat, dass die festgestellte Endgeschwindigkeit von 15 km/h nicht durch plötzliches Losfahren auf einer kurzen Strecke von wenigen Metern erreicht werden konnte. Zum anderen wäre es auch überhaupt nicht erklärlich, weshalb die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs auf einer für sie freien und vorfahrtsberechtigten Fahrstrecke eine Vollbremsung durchführen und nach rechts gegen das stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1) hätte fahren sollen.
Sehr viel wahrscheinlicher und auf Grund der Angaben der Sachverständigen und der Drittwiderbeklagten für das Gericht auch im Sinne des § 286 ZPO ohne ernstliche Zweifel feststehend, ist der Unfallhergang dergestalt, dass der Beklagte zu 1) mit höherer Geschwindigkeit an die Kreuzung heranfuhr, um diese überqueren zu können, und deutlich abbremste, als er sah, dass dies nicht möglich sein würde.
Im Rahmen der Abwägung des § 17 StVG dessen Voraussetzungen für beide Seiten vorliegen, tritt die einfache Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs gegenüber dem feststehenden Vorfahrtsverstoß des Beklagten zu 1) in vollem Umfang zurück.
2. Berücksichtigung des Restwertangebots:
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des Wiederbeschaffungswerts und Standkosten über die Dauer von 14 Tagen hinaus teilweise abgewiesen, weil der Kläger das Restwertangebot in Höhe von 2.100,00 €, wie im Schreiben vom 2. Dezember 2005 der Beklagten zu 2) mitgeteilt, habe annehmen müssen. Deshalb könne der Kläger die Ernsthaftigkeit des Angebots auch nicht mehr im Prozess bestreiten. Für eine abweichende Restwertermittlung entstandene Sachverständigenkosten seien deshalb ebenso wenig erstattungsfähig wie weitergehende Standgebühren.
Dieser Einschätzung des Landgerichts kann nicht gefolgt werden.
Vorliegend erhielt der Kläger durch die Beklagte zu 2) am Unfalltag ein Schreiben, in dem diese ausführte:
„Ihr Fahrzeug hat vermutlich einen Totalschaden erlitten. Vereinbarungsgemäß verkaufen Sie das Fahrzeug erst nach Rücksprache mit uns. In vielen Fällen können wir Ihnen ein höheres Restwertangebot (Wert nach Unfall) übermitteln. Das Fahrzeug wird dann für Sie kostenlos abgeholt. Wir werden Sie schnellstmöglich informieren.“
Die Beklagte schaltete den Sachverständigen SV3 ein, der den Sachschaden überprüfte und ein Gutachten erstellte. Dieses Gutachten übersandte die Beklagte mit einem Anschreiben des Sachverständigen vom 30. November 2005 an den Kläger, ohne dass in diesem Anschreiben allerdings auf das Restwertangebot ausdrücklich Bezug genommen wurde.
Das Gutachten sah allerdings einen Restwert von 2.100,00 € inklusive Mehrwertsteuer vor und enthielt auf der letzten Seite den Hinweis auf die Restwertaufkäuferadresse, wobei darunter die Firma A GmbH, ..., mit Telefon- und Faxnummer genannt wurde.
Der Kläger erwarb unter dem 5. Dezember 2005 ein neues Fahrzeug und verkaufte das Unfallfahrzeug am 8. Februar 2006 zu dem vom Sachverständigen SV4 kalkulierten Restwert von 800,00 € auf den für ihn zugänglichen regionalen Gebrauchtwagenmarkt, nachdem das Fahrzeug abgeschleppt worden war, Verhandlungen mit dem Abschleppunternehmen nicht zum Erfolg führten und deshalb Standkosten in Rechnung gestellt wurden.
Unter diesen Umständen kann dem Kläger eine Verletzung der Schadensminderungspflicht nicht vorgeworfen werden.
Grundsätzlich kann der Geschädigte im Totalschadensfall nur Ersatz des Wiederbeschaffungswertes abzüglich des Restwertes verlangen. Auch die Ersatzbeschaffung steht als Variante der Naturalrestitution unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. Dies gilt auch für die Frage, in welcher Höhe der Restwert des Unfallfahrzeuges bei der Schadensabrechnung berücksichtigt werden muss. Dem Gebot der Wirtschaftlichkeit leistet der Geschädigte im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensregulierung durch § 249 BGB gezogenen Grenzen, wenn er das Unfallfahrzeug auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens und des darin ausgewiesenen Restwerts verkauft oder in Zahlung gibt. Das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen bildet in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwerts, so dass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zugrunde legen darf. Der Schädiger kann dem Geschädigten deshalb insbesondere nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufer erzielen könnte (BGH NJW 00, 800).
Dabei hat der mit der Schadensschätzung beauftragte Sachverständige grundsätzlich nur solche Angebote einzubeziehen, die auch sein Auftraggeber berücksichtigen müsste, also solche des regional zugänglichen allgemeinen Markts (BGH MDR 09, 44; BGH 13. Oktober 2009 – VI ZR 318/08 –). Dies bedeutet, dass der Sachverständige grundsätzlich nicht online-Börsen einzubeziehen hat.
Diese Grundsätze schließen es allerdings nicht aus, dass besondere Umstände dem Geschädigten Veranlassung geben können, günstigere Verwertungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Solche Ausnahmen von der Regel müssen allerdings in engen Grenzen gehalten werden, weil andernfalls die dem Geschädigten zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde. Denn nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden (BGH NJW 07, 2918). Will der Geschädigte allerdings sein Fahrzeug verkaufen und liegt ihm ein ausreichendes Restwertangebot inklusive kostenfreier Abholung und Zahlung des Kaufpreises vor Ort und in bar bereits vor, muss er dieses grundsätzlich annehmen (vgl. nur OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. Oktober 2007 – 1 U 267/06 –; OLG Hamm, Urteil vom 31. Oktober 2008 – 9 U 48/08 –). Dies setzt allerdings voraus, dass der Geschädigte bereits zur Veräußerung entschlossen ist und auch keine anderweitigen Verwertungsmethoden bestehen, sowie, dass er ausreichend deutlich auf das Restwertangebot hingewiesen wird und dieses ohne weiteres annehmen kann.
Fraglich ist allerdings, ob bei der Entscheidung des Geschädigten auch Vertrauensgesichtspunkte eine Rolle spielen können. So hat das Oberlandesgericht Karlsruhe im Urteil vom 28. August 2009 – 12 U 90/09 – entschieden, dass es im Fall einer Kaskoversicherung dem Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist, sein Fahrzeug branchenüblich gegen hohe Bargeldbeträge ihm unbekannten Händlern zu überlassen. Das nie auszuschließende Risiko, Falschgeld zu erhalten, das Risiko eines Diebstahls vor Einzahlung des Bargelds bei der Bank oder eine Auseinandersetzung über die Sachmängelgewährleistung mit dem Käufer könne die Versicherung dem Versicherungsnehmer nicht per allgemeiner Versicherungsbedingung auferlegen.
Der Senat hat den Sachverständigen SV3 zur Frage des Charakters und der Einholung von Restwertangeboten vernommen. Auch dieser hat bestätigt, dass er persönlich keinen Kontakt zu dem Restwertaufkäufer hatte, sondern dieses Angebot lediglich aus der Restwertbörse erhalten hat, in die er sein Gutachten mit den Angaben des geschädigten Fahrzeugs eingestellt hatte. Der Sachverständige hat zwar angegeben, dass ihm bisher keine Fälle bekannt geworden sind, dass die Restwertangebote tatsächlich nicht eingel öst worden seien.
Er hat aber selbst auch nicht näher erklären können, wie es zu einem Restwertangebot kommen kann, das den auf dem Regionalmarkt erzielbaren Restwert um mehr als das Doppelte übersteigt und zusätzlich noch die Fahrtkosten eines Fahrzeugtransporters für die Strecke ... abdeckt.
Der Senat hat angesichts dieser Situation durchaus Zweifel, ob dem Geschädigten grundsätzlich zugemutet werden kann, mit solchen Restwertaufkäufern in Kontakt zu treten und sämtliche Risiken einer rechtsgeschäftlichen Verbindung einzugehen. Weder für den Sachverständigen SV3 noch für den erkennenden Richter ist es ohne weiteres nachvollziehbar, wie solche Autoverwertungsunternehmen Restwertangebote abgeben können, die um ein vielfaches über dem auf dem Regionalmarkt erzielbaren Wert liegen. Dies kann mit unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen in den einzelnen Bundesländern nicht erklärt werden. Wahrscheinlich ist deshalb, das Karosseriearbeiten in Billiglohnländern durchgeführt werden oder die Fahrzeuge ohnehin ins Ausland transportiert werden. Nicht auszuschließen ist auch, dass es dem Aufkäufer lediglich auf den Erhalt des Kfz-Briefes oder eines entsprechenden Scheckhefts ankommt, da solche Unterlagen ebenfalls international gehandelt werden, wie das Gericht aus eigener Kenntnis weiß. Es besteht auch die nicht ganz fernliegende Möglichkeit, dass solche Unterlagen abgeändert und zu illegalen Zwecken, z. B. zur Legitimierung gestohlener Fahrzeuge, verwendet werden.
Sind schon für das Gericht und den Sachverständigen die Hintergründe solcher Restwertangebote unklar, dürfte es für den üblicherweise mit solchen Fragen nicht befassten Geschädigten erst recht schwierig sein, die Ernsthaftigkeit solcher Angebote und auch die Risiken, die damit verbunden sind, realistisch einzuschätzen. Neben dem vom Oberlandesgericht Saarbrücken beschriebenen Risiken des Falschgelderhalts oder der Abwicklung von Gewährleistungsfragen erscheint es dem Geschädigten auch nicht zumutbar, sich an eventuell illegalen Praktiken der Verwertung zu beteiligen.
Diese Zweifel könnte die Haftpflichtversicherung des Schädigers dadurch umgehen, dass sie dem Geschädigten das Fahrzeug zu dem entsprechenden Restwertangebot abkauft und selbst die Abwicklung mit dem Restwertaufkäufer übernimmt. In diesem Fall wären die aufgeführten Bedenken gegenstandslos.
Diese Frage muss allerdings abschließend nicht entschieden werden, da bereits aus anderen Gründen der Kläger nicht verpflichtet war, das Restwertangebot anzunehmen.
Zum einen fehlt es an der von der Rechtsprechung geforderten Eindeutigkeit und Einfachheit. Zwar hatte die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 29. November 2005 darauf hingewiesen, dass sie wahrscheinlich ein höheres Restwertangebot übermitteln könne und das Fahrzeug kostenlos abgeholt werde. In dem Anschreiben, mit dem das Gutachten übersandt wurde, ist davon allerdings nichts mehr enthalten. Insbesondere steht darin auch nicht, dass der Restwertaufkäufer das Fahrzeug kostenfrei und gegen Barzahlung abholen werde. Es ist lediglich, und auch nicht in ausreichend deutlicher Form, im Gutachten die Restwertaufkäuferadresse enthalten, ohne dass nähere Modalitäten hinsichtlich der Abwicklung dargelegt wurden. Dies reicht auch nach der zitierten Rechtsprechung nicht aus. Es wäre erforderlich gewesen, dem Geschädigten in aller Deutlichkeit zu vermitteln, dass die Inanspruchnahme des Restwertangebots für ihn keinerlei Risiken und auch keine Kosten bedeuten würde. Dass im Schreiben vorher Kostenfreiheit zugesichert worden war, reicht nicht aus, um von einer Wiederholung abzusehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte regelmäßig nach einem Unfall erheblichen Aufwand betreiben muss, um seine persönliche und berufliche Situation auf die Veränderung einzustellen und auch die Unfallabwicklung zu regeln. Die Versicherung kann deshalb nicht davon ausgehen, dass jede Formulierung in vorformulierten Schreiben durch den Geschädigten in ihrer Bedeutung vollständig erfasst wird.
Neben der fehlenden Deutlichkeit des Restwertangebots mangelt es vorliegend auch an dem Verkaufswillen des Klägers. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Fahrzeug zu verkaufen. Er kann auch das total geschädigte Fahrzeug einer anderweitigen Verwertung, z. B. durch Inzahlungnahme bei Neukauf, zuführen oder es zunächst behalten, um später über andere Formen der Verwertung oder vielleicht Notreparatur nachzudenken.
In diesem Fall muss sich der Geschädigte auch nur einen Restwert, wie ihn der Sachverständige auf dem Regionalmarkt ermittelt hat, anrechnen lassen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2007 – VI ZR 217/06 -, MDR 07, 1368; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2007 – 1 U 45/07 -).
Dies war vorliegend der Fall. Der Kläger hat sein Fahrzeug zunächst behalten, ohne dass eine klare Verwertungsabsicht bestand. Zwar hatte der Kläger sein Fahrzeug beim Neukauf unter dem 5. Dezember 2005 nicht in Zahlung gegeben, so dass zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit der Annahme des auf 22 Tage befristeten Restwertangebots bestand. Der Kläger hat aber erst im Februar des darauf folgenden Jahres sein Fahrzeug verkauft, so dass zu diesem Zeitpunkt bereits das Restwertangebot abgelaufen war. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dazu ausgeführt, dass Verhandlungen mit der Abschleppfirma bestanden hätten, die allerdings nicht zum Erfolg geführt hätten. Einzelheiten dazu sind nicht notwendig. Maßgeblich ist lediglich, dass der Kläger nicht unmittelbar vorhatte, sein Fahrzeug auf dem freien Markt nach dem Unfall zu verkaufen, so dass er auch nicht verpflichtet war, das Restwertangebot anzunehmen.
Der Kläger hat mithin Anspruch auf Zahlung der der Höhe nach unstreitigen zusätzlichen Schadenspositionen. Er muss sich vom Wiederbeschaffungswert lediglich den Restwert auf dem regionalen Markt in Höhe von 800,00 € abziehen lassen, hat Anspruch auf Ersatz der Feststellungskosten hinsichtlich des regionalen Restwerts, weil dies grundsätzlich bereits Sache des von der Beklagten zu 2) eingeschalteten Sachverständigen gewesen wäre, und kann auch entsprechende Standkosten verlangen.
Entsprechend erhöht sich auch der Betrag der ersatzfähigen gerichtlich nicht anrechenbaren Rechtsanwaltsgebühren. Gleiches gilt für die Zinsforderung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Anhaltspunkte für die Zulassung der Revision sind angesichts der Entscheidung des Einzelfalls ohne grundsätzliche Bedeutung gemäß § 543 ZPO nicht gegeben.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 26 Ziffer 8 EGZPO nicht möglich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch die obersten Bundesgerichte erfolgt.