23.06.2014 · IWW-Abrufnummer 141868
Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 26.01.2001 – 6 U 152/00
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 26.05.2000 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 42 O 139/99 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die mit diesem Urteil für die Beklagten verbundene Beschwer wird auf 20.000,00 DM festgesetzt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagten wie mit dem Klageantrag im einzelnen angegriffen zur Unterlassung verurteilt, Forderungen von Reparaturwerkstätten auf Ersatz von Reparaturkosten unfallgeschädigter Kraftfahrzeuge zu bevorschussen. Das beanstandete Verhalten der Beklagten stellt sich als nach den Maßstäben des § 49 b Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) unzulässige Gebührenpraxis dar und ist überdies auch als gemäß §§ 43 b BRAO i. V. m. § 6 BO standeswidrige Anwaltswerbung einzuordnen. Da diese den Beklagten anzulastenden Verstöße gegen die ihre Berufsausübung regelnden Normen zugleich den wettbewerblichen Unlauterkeitsvorwurf des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch begründen, stellt sich das Unterlassungsbegehren der Kläger als begründet dar.
Im Einzelnen begrübet sich das dargestellte Ergebnis wie folgt:
Die Beklagten haben sich mit der hier in Frage stehenden Bevorschussung der den Reparaturwerkstätten gegenüber den Schädigern zustehenden Schadensersatzforderungen über die ihnen gemäß § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO auferlegte Beschränkung betreffend die Bemessung des für ihre Tätigkeit in Ansatz zu bringenden Honorars hinweggesetzt. Gemäß § 49 Abs. 1 Satz 1 BRAO darf der Anwalt das für seine Tätigkeit zu fordernde Honorar - von hier weder vorgetragenen noch sonst ersichtlichen Ausnahmefällen abgesehen - nicht geringer bemessen, als sich dies aus den Gebührensätzen der BRAGO ergibt. Gegen diese Bestimmung haben die Beklagten verstoßen, indem sie den Reparaturwerkstätten, von denen sie mit der Geltendmachung und Einziehung der an letztere abgetretenen Forderungen der Unfallgeschädigten beauftragt wurden, die bei den Versicherern der Unfallschädiger geltend zu machenden und einzuziehenden Reparaturkosten bevorschussten. Denn mit der Bevorschussung der von den Versicherern an ihre Auftraggeber, die Reparaturwerkstätten, erst noch zu leistenden Beträge gewähren die Beklagten ihren Auftraggebern ein zinsloses Darlehen mit der Folge, dass sich die von ihnen auf der Grundlage der BRAGO ermittelten Gebühren um eben die Zinsersparnisse reduzieren, welche die Auftraggeber anderenfalls für die zur Verfügungstellung von Barmitteln in der genannten Höhe aufzuwenden hätten. Ist das dargestellte Verhalten daher nach Maßgabe von § 43 b Abs. 1 Satz 1 BRAO für den Fall als unzulässig zu erachten, dass die Beklagten gegenüber den sie mit der Geltendmachung und Einziehung der Forderung bei den Versicherungsunternehmen beauftragenden Reparaturwerkstätten Gebühren nach der BRAGO in Rechnung stellen, kann es offen bleiben, ob die Beklagten tatsächlich überhaupt eine derartige Abrechnung vornehmen. Nur vorsorglich sei daher ausgeführt, dass, sollten die Beklagten - wie dies nach den Bekundungen des in erster Instanz vernommenen Zeugen W. R. nicht fernzuliegen scheint - überhaupt keine anwaltliche Vergütung gegenüber den Reparaturwerkstätten für die Geltendmachung und Einziehung der Forderung berechnen, dies ebenfalls als klarer Verstoß gegen das vorbezeichnete Verbot des § 49 Abs. 1 Satz 1 BRAO einzuordnen wäre. Nichts anderes gilt für den Fall, dass die Beklagten von der seitens der Versicherer zur Weiterleitung an die Kfz-Werkstätten gezahlten Summe den Differenzbetrag als Honorar für ihre Tätigkeit einbehalten sollten, der die von den Kfz-Werkstätten ermittelten Reparaturkosten übersteigt. Denn in dieser Form der Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit der Beklagten läge ein Verstoß gegen die Bestimmung des § 49 b Abs. 2 BRAO vor, die eine Vereinbarung verbietet, wonach der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält.
Stellt sich das mit der vorliegenden Klage zur Unterlassung begehrte Verhalten der Beklagten mithin aus gebührenrechtlicher Sicht als nach Maßgabe von § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO beanstandungswürdiges Verhalten dar, haben sich die Beklagten damit weiter aber ebenfalls über das ihnen nach Maßgabe der §§ 43 b BRAO i. V. m. § 6 BO auferlegte Werbeverbot hinweggesetzt.
Gemäß § 43 b BRAO ist Rechtsanwälten Werbung nur erlaubt, soweit diese über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Entsprechendes formuliert § 6 Abs. 1 BO, wonach der Rechtsanwalt über seine Dienstleistung und seine Person informieren darf, soweit die Angaben sachlich unterrichten und berufsbezogen sind. Diesen Grundsätzen widerspricht es, wenn ein Rechtsanwalt potentielle Mandanten zu gewinnen trachtet, indem er diesen - wie das aber vorliegend der Fall ist - geldwerte Vermögensvorteile in Form zumindest einer Zinsersparnis zuwendet, die der Art nach über den Charakter eines ausnahmsweise zulässigen Werbegeschenks, dessen Wert hinter der daraus enthaltenen Information zurücktritt, weit hinausgehen (vgl. Eylmann in: Henssler/Prütting, BRAO, Rdn. 49 zu § 43 b m.w.N.). Die im Streitfall zu beurteilende Bevorschussung einer Forderung bzw. die darin liegende Zuwendung ist dabei auch von vornherein begrifflich als Werbung im Sinne der § 43 b BRAO, 6 BO einzuordnen. Als "Werbung" i.S. der genannten Vorschriften ist eine Tätigkeit zu verstehen, die unter planmäßiger Anwendung beeinflussender Mittel darauf angelegt ist, andere dafür zu gewinnen, die Leistung desjenigen, für den geworben wird, in Anspruch zu nehmen (BVerfG NJW 1992, 45; Feuerich/Braun, BRAO, 6. Aufl., Rdn. 6 zu § 6 BO; Eylmann, a.a.O., Rdn. 17 zu § 43 b BRAO - jeweils m.w.N. -; enger: Römermann in Hartung u.a., Anwaltliche Berufsordnung, Rdn. 29 ff). Ob in diesem Sinne eine planmäßige Anwendung beeinflussender Mittel zum Gewinn von Mandanten vorliegt, beurteilt sich anhand objektiver Kriterien. Maßgebend ist in erster Linie die Verkehrsanschauung. Danach handelt es sich um Werbung aber nicht nur dann, wenn sich jemand mit der positiven Bewertung seiner eigenen Fähigkeiten und Leistungen anpreisend an das Publikum wendet. Werbung liegt vielmehr auch dann vor, wenn sonstige Umstände die Wertung rechtfertigen, das betreffende Verhalten des Anwalts sei darauf angelegt, andere für die Inanspruchnahme der Leistung zu gewinnen. Hierfür genügt es allerdings nicht, dass ein Verhalten lediglich die Wirkung hat, dass der Anwalt und seine Leistungen dem Publikum (weiter) bekannt werden und sich dies für ihn umsatzfördernd auswirken kann. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verhalten nach der Verkehrsauffassung darauf angelegt ist, die genannten Wirkungen zu erreichen, wobei der Zweck der Umsatzförderung nicht der einzige Beweggrund des zu beurteilenden Verhaltens sein muss, sondern dieses auf andere Gründe mit zurückzuführen sein kann (vgl. Feuerich/Braun, a.a.O., Rdn. 7 zu § 6 BO). Die hier zu beurteilende Bevorschussung der Reparaturkostenforderungen der Kfz-Werkstätten ist danach aber als Werbung zu verstehen. Dass dieses Verhalten objektiv geeignet ist, sich den Werkstätten für zukünftige Mandatsverhältnisse bekannt zu machen und anzudienen, steht außer Zweifel. Denn die Beklagten stellen sich damit als besonders "mandantenfreundlich" dar, indem sie die Kfz-Werkstätten mit der sofortigen Zurverfügungstellung des Rechnungsbetrages zumindest vor Zinsverlusten sichern und damit überdies die Außenstände der Werkstätten verringern, was diesen eine größere wirtschaftliche Dispositionsmöglichkeit verspricht. Ob die Beklagten die Forderungen der Kfz-Werkstätten im konkreten Fall sogleich im Auftrag dieser Werkstätte gegenüber den Versicherungen der Schädiger geltend machen, ist dabei ebensowenig von Bedeutung wie die Frage, ob die Werkstätten die Beklagten im konkreten Fall, indem die Bevorschussung erfolgt, auch tatsächlich honorieren. Denn das hier zu beurteilende Verhalten ist jedenfalls geeignet, die Werkstätten künftig in vergleichbaren Forderungssituationen als Mandanten zu gewinnen und daher künftige Mandate der Kfz-Werkstätten einzuholen. Unabhängig davon, ob - wofür das Schreiben der DBV-W. vom 10.03.1999 (Bl. 13 d. A.) spricht - die Beklagten sich die Honorare letztlich vom Schuldner der bevorschussten Forderung holen, spricht bei alledem ein Lebenserfahrungssatz dafür, dass sie künftig dazu übergehen werden, die auf diese Weise akquirierten Mandate bei den Werkstätten zu liquidieren, anderenfalls das Verhalten aus wirtschaftliche Sicht auf eine Form des Altruismus hinausliefe, der mit dem Betrieb eines Anwaltsbüros unvereinbar ist. Im Streitfall sind dabei auch gerade anwaltliche Tätigkeiten betroffen, die regelmäßig einer Gewinnerzielung dienen sollen. Der dargestellte Werbeeffekt stellt sich auch nicht lediglich als positiver Reflex dar, wie er mit dem erfolgreichen beruflichen Auftritt oder der sonstigen Selbstdarstellung eines Anwalts im Rahmen der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit verbunden sein kann. Denn die Bevorschussung von Forderungen durch den Rechtsanwalt, dem eben diese zur Geltendmachung und Einziehung anvertraut sind, liegt nicht im Rahmen der mit der anwaltlichen Berufsausübung verbundenen Tätigkeiten, die bei erfolgreicher Wahrnehmung eine den Anwalt empfehlende Wirkung entfalten, sondern liegt im Vorfeld oder neben der Mandatsausübung und zielt erkennbar darauf ab, den Mandanten zu gewinnen und/oder an sich zu binden. Nach den Bekundungen der in erster Instanz vernommenen Zeugen H.-G. O. sowie G. R. sind die Beklagten dabei auch in einer Vielzahl von Fällen in der vorbeschriebenen Weise vorgegangen, wobei sie speziell für die hier in Rede stehende Art der Mandate herangezogen wurden, sodass das hier zu beurteilende Verhalten planvoll darauf angelegt war, auf diesem Wege künftig Mandate zu erhalten bzw. - falls die betroffene Kfz-Reparaturwerkstatt bereits Mandantin der Beklagten war - insoweit eine "Kundenbindung" zu erreichen.
Dass es sich bei dem somit als Werbung zu beurteilenden Verhalten der Beklagten schließlich nicht um einen sachlichen und berufsbezogenen Hinweis auf ihre berufliche Leistung handelte, liegt auf der Hand und bedarf daher nicht der näheren Begründung.
Haben die Beklagten nach alledem mit der Bevorschussung der Reparaturkostenforderungen den Vorschriften der § 49 b Abs. 1 Satz 1, 43 b BRAO i. V. m. § 6 BO zuwidergehandelt, so begründen diese Normverstöße zugleich den Vorwurf eines auch nach den Maßstäben des § 1 UWG als wettbewerblich unlauter zu erachtenden Verhaltens.
Ihre Handlungsweise erfüllt in objektiver und subjektiver Hinsicht die Voraussetzungen einer Wettbewerbshandlung, wie sich dies bereits aus den obigen Ausführungen ergibt, wonach das hier zu beurteilende Verhalten gerade als "Werbung" zu qualifizieren ist.
Auch die materiellen Kriterien des Unlauterkeitstatbestandes des § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs sind gegeben. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob es sich bei den hier betroffenen, von den Beklagten mit der Bevorschussung der Reparaturkostenforderungen verletzten Bestimmungen um Normen handelt, mit denen Standesgewohnheiten formuliert sind, die einem sittlich-rechtlichen Gebot entsprechen und deren Verletzung bereits für sich genommen, ohne dass es auf weitere Unlauterkeitsmomente ankommt, den Vorwurf der Wettbewerbswidrigkeit im Sinne von § 1 UWG rechtfertigt (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, Rdn. 675 zu § 1 UWG m. w. N.). Das kann hier deshalb offen bleiben, weil das streitbefangene Verhalten der Beklagten jedenfalls selbst dann als wettbewerblich unlauter im Sinne des Unterlassungstatbestandes des § 1 UWG zu qualifizieren ist, wenn es sich bei den verletzten standesrechtlichen Bestimmungen der §§ 43 b und 49 b BRAO lediglich um sogenannte wertneutrale Vorschriften handelt, deren Verletzung nur dann den wettbewerblichen Unterlauterkeitstatbestand des § 1 UWG begründet, wenn besondere Umstände von wettbewerblicher Relevanz hinzutreten. Derartige Umstände liegen hier vor, weil sich die Beklagten bewusst und planmäßig über die den hier verletzten Vorschriften zugrundeliegenden Standesanschauungen hinweggesetzt haben, um auf diese Weise einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Vorsprung vor den standestreuen Mitbewerbern zu gewinnen (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., Rdn. 676 zu § 1 UWG; Köhler/Pieper, UWG, Rdn. 365/366 zu § 1 UWG - jeweils m. w. N.). Das beanstandete Verhalten der Beklagten birgt die Gefahr, dass sie mit der Geltendmachung und Einziehung der auf Erstattung der Reparaturkosten gerichteten Forderungen nicht nur die fremden Interessen ihrer Mandanten, der Reparaturwerkstätten, sondern daneben maßgeblich auch ihrer eigenen Interessen als Kreditgeber verfolgen. Dies begründet die Besorgnis einer Verquickung der ihnen als Organ der Rechtspflege anvertrauten Interessen ihrer Mandanten mit einer geschäftsmäßig-gewinnorientierten Vorgehensweise im eigenen Interesse, die mit dem Ziel einer sachlichen, von widerstreitenden Interessen unbeeinflussten Aufgabenwahrnehmung unvereinbar ist. Sie verschaffen sich damit zugleich gegenüber den Anwälten, die sich an die ihnen nach Maßgabe der §§ 49 b, 43 b BRAO auferlegten Beschränkungen halten, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil mit der Folge, dass sich ihr Verhalten insgesamt nicht nur als standes- sondern zugleich auch als wettbewerbswidrig darstellt.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des Unterliegens der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.
Streitwert: 20.000,00 DM.